Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-420558/7/WEI/Ga

Linz, 19.11.2008

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Beschwerde des J K, vertreten durch Mag. Dr. J, R  in K, vom 7. August 2008 wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbe­hördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Abnahme und Zurückbehaltung von Probefahrtskennzeichen zu Recht erkannt:

 

 

I.            Der Beschwerde wird Folge geben und die anlässlich einer polizeilichen Lenker- und Fahrzeugkontrolle am 10. Juli 2008 auf der B 139 bei Strkm 25.400 erfolgte Abnahme der Probe­fahrt­kennzeichen "K-T " des Beschwerdeführers sowie deren Nichtausfolgung bis 21. Juli 2008 wird für rechtswidrig erklärt.

 

II.        Der Bund hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in Höhe von 677,60 Euro (darin enthalten 16,80 Euro Stempelgebühren) binnen 2 Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

Art 129a Abs 1 Z 2 Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG iVm § 67 Abs 1 Z 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und §§ 67c ff, 79a AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem beim Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 11. August 2008 rechtsfreundlich eingebrachten Schriftsatz vom 7. August 2008 hat der Beschwerdeführer (Bf) unter Vorlage einer Abnahmebestätigung vom 10. Juli 2008 in Kopie folgenden Sachverhalt behauptet:

 

"Am 10.07.2008 war Herr P mit einem unmittelbar davor am Markt eingeführten Pkw F K in K auf der K Straße mit dem Probefahrtkennzeichen K-T  unterwegs. Bei Herrn P handelt es sich um einen Kaufinteressenten dieses neuartigen Fahrzeuges der Marke F, sodass es sich bei der gegenständlichen Fahrt um eine Probefahrt gem. § 45 Abs. 1 Z. 4 KFG handelte.

 

Trotzdem wurde vom einschreitenden Organ das Probefahrtkennzeichen abgenommen und zwar mit der Behauptung, dass es sich bei der gegenständlichen Fahrt um einen Missbrauch der Probefahrtkennzeichen handle.

 

Tatsächlich wurde mit den gegenständlichen Probefahrtkennzeichen aber, wie bereits oben ausgeführt, eine Probefahrt durchgeführt und lag daher ein Missbrauch nicht vor.

 

Trotz intensivster Bemühungen des Beschwerdeführers und Zusage, sofort nach Einlangen der Kennzeichen bei der BH in K verständigt zu werden, wurde der Beschwerdeführer vom Einlangen der Kennzeichentafeln bei der BH in K nicht informiert. Im Gegenteil verweigerte die zuständige Sachbearbeiterin, Frau R, der BH K selbst nach Einschreiten des Beschwerdeführervertreters am 21.07.2008 weiterhin die Ausfolgung der Kennzeichen und zwar mit der Behauptung, dass das Einlangen der Anzeige noch abzuwarten sei.

 

Erst nach entsprechender Rücksprache mit der Abteilungsleiterin, Fr. Dr. R, wurden die Kennzeichen in der Folge dem Beschwerdeführer ausgefolgt.

 

Beweis:        W-D P, als Zeuge;

                             PV."

 

1.2. In rechtlicher Hinsicht wird unter Hinweis auf eine im Kraftfahrgesetz-Kommentar von Grundtner/Pürstl zitierte Entscheidung vorgebracht, dass die Abnahme der Probefahrtkennzeichen bei bloßem Verdacht der missbräuchlichen Verwendung nicht zulässig sei. Eine nicht einmal behauptete Gefährdung der Verkehrssicherheit sei bei einem nur wenige Tage alten Fahrzeug völlig ausge­schlossen.

 

Durch die beschriebene Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt der Organe der Polizeiinspektion (PI) N an der K und der Bezirkshaupt­mannschaft (BH) K an der K sei der Bf in seinem Recht auf Verwendung der Probefahrtkennzeichen verletzt, weshalb gemäß § 129a Abs 1 Z 2 B-VG iVm § 67a Abs 1 Z 2 und §§ 67c ff AVG Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erhoben werde. Beantragt wird die kostenpflichtige Rechtswidrigerklärung des angefochtenen Verwaltungsaktes, nämlich die Abnahme der behördlichen Kennzeichen K-T  am 10.07.2008 durch Beamte der PI N an der K und die Nichtausfolgung bis zum 21.07.2008.

 

2.1. Mit Schreiben vom 12. August 2008 hat der Oö. Verwaltungssenat eine Beschwerdekopie an die BH K an der K weitergeleitet und um Aktenvorlage und Stellungnahme ersucht. Mit Eingabe vom 3. September 2008 erstattete diese Bezirksverwaltungsbehörde eine Gegenschrift und legte Bezug habende Aktenteile (Anzeige der PI N an der K vom 16.07.2008, Zl. A1/0000018047/01/2008; Einspruch des Bf vom 7.08.2008 gegen Strafver­fügung der BH Linz-Land) vor.

 

Der kontrollierende Beamte BI H N der PI N an der K sei von einem Missbrauch der Probefahrtkennzeichen ausgegangen und habe wegen der beabsichtigten Kennzeichenabnahme sowohl die BH K an der K als auch die BH Linz-Land kontaktiert, wobei von beiden Behörden die Kennzeichenabnahme befürwortet worden sei. Die Amtshandlung habe sich in der Gemeinde K an der K und damit im Bereich der BH Linz-Land ereignet. Diese leitete die Kennzeichentafeln im Postweg an die BH K an der K weiter, wo sie am 18. Juli 2008 eintrafen. Am Montag, dem 21. Juli 2008, habe sich der Rechtsvertreter des Bf wegen der Wiederausfolgung der Kennzeichen bei Frau R erkundigt und sei an die Abteilungsleiterin Dr. R verwiesen worden. Die Kennzeichentafeln seien dem Bf dann am 21. Juli 2008 ausgefolgt worden. Keinesfalls habe Frau R die Ausfolgung verweigert. Sie hätte nur mit ihrer Vorgesetzten Rücksprache halten wollen. Die Amtshandlung des Polizeibeamten der PI N an der K im örtlichen Wirkungsbereich der BH Linz-Land sei dieser Behörde zuzurechnen. Abschließend wird die kostenpflichtige Abweisung bzw Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

 

2.2. Mit weiterem Schreiben vom 8. September 2008 hat der unabhängige Verwaltungssenat die BH Linz-Land am Verfahren beteiligt und um Aktenvorlage ersucht. Mit Schreiben vom 16. September 2008 legte diese Behörde ihre Aktenteile vor (Anzeige der PI N an der K vom 16.07.2008, Zl. A1/0000018047/01/2008; Strafverfügung vom 25.07.2008, Zl. VerkR96-31498-2008) und erstattete eine Stellungnahme, in der sie der Beschwerde entgegen trat.

 

Die BH Linz-Land weist auf die Angabe des Polizeibeamten hin, wonach der Lenker in seiner ersten Aussage angegeben habe, dass ihm das Auto als Leihwagen überlassen worden sei. Dabei handelte es sich um keine Probefahrt und es hätte das amtliche Wechselkennzeichen "KI-F 3" geführt werden müssen. Diese Version sei erst im Zuge der Amtshandlung geändert worden. Sie scheine verständlicherweise in der Beschwerde des Zulassungsbesitzers auf.

 

Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die erste, spontane Sachverhaltsdarstellung meist den tatsächlichen Umständen entspricht, was auch Bestandteil der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sei. Dies gelte insbesondere in komplexen Regelungsbereichen wie zum Beispiel bei Erstaussagen von Personen im Zusammenhang mit illegaler Beschäftigung. Auch für die detaillierten Regelungen des § 45 KFG könne diese beim Polier eines Bauunternehmen angenommen werden. Im Zeitpunkt des Einschreitens wäre ein begründeter Verdacht eines Kennzeichenmissbrauchs gegeben gewesen. Die Vorgangsweise sei mit der für die Kennzeichen zuständigen BH K abgestimmt worden.

 

2.3. Im Einspruch gegen die Strafverfügung der BH Linz-Land brachte der Bf vor, dass er ein F Autohaus in W an der K betreibe und Herr P ein langjähriger Kunde sei, der bereits mehrere Fahrzeuge käuflich erworben hätte. Als Herr P am 10. Juli 2008 seinen F C-Max zum Service brachte, erblickte er den seit wenigen Tagen verfügbaren F K am Gelände, den er sofort Probe fahren wollte. Deshalb erhielt er nicht das ursprünglich vorgesehene Ersatzfahrzeug F F, K-F, sondern den neuen F K mit dem Probefahrtkennzeichen K-T, da es sich bei P um einen Kaufinteressenten und damit gemäß § 45 Abs 1 Z 4 KFG um eine Probefahrt handelte.

 

Völlig irrelevant sei die ursprüngliche Angabe des juristisch ungebildeten P, dass es sich um einen Leihwagen handle. Der brandneue F K sei im Hinblick auf das Kaufinteresse überlassen worden. Ein solches brandaktuelles Fahrzeug würde kein Autohändler gerade in der Vorstellungsphase, in der laufend Interessenten zur Besichtigung kommen, ohne konkretes Kaufinteresse weitergeben. Bei den Telefonaten mit dem amtshandelnden Beamten habe der Bf klargestellt, dass es sich um eine Probefahrt handle, was Herr P auch bestätigt hätte.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in die vorgelegten Aktenteile und Gegenschriften sowie unter Berücksichtigung der Beschwerde festgestellt, dass bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären ist.

 

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 45 Abs 1 Satz 2 KFG 1967 sind Probefahrten Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände oder Fahrten, um Fahrzeuge vorzuführen. Nach dem 3. Satz des § 45 Abs 1 leg.cit. gelten als Probefahrten auch:

 

1. Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes,

2. Fahrten zur Überführung des Fahrzeuges durch den Käufer bei der Abholung des Fahrzeuges vom Verkäufer,

3. Fahrten zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung des Fahrzeuges nach dem III. und V. Abschnitt und

4. das Überlassen des Fahrzeuges mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3.500 kg an einen Kaufinteressenten für die Dauer von bis maximal 72 Stunden, wobei auch Fahrtunterbrechungen zulässig sind.

 

Gemäß § 102 Abs 5 lit c) KFG 1967 hat der Lenker bei Probefahrten den Probe­fahrtschein (§ 45 Abs 4) und auf Freilandstraßen und an Sonn- und Feiertagen die Bescheinigung über das Ziel und den Zweck der Probefahrt (§ 45 Abs 6), bei Betrieben, die außerhalb des Ortsgebietes liegen, muss diese Bescheinigung nur an Sonn- und Feiertagen mitgeführt werden, bei Probefahrten gemäß § 45 Abs 1 Z 4 KFG 1967 die Bescheinigung über die Probefahrt, aus der Beginn und Ende der Probefahrt ersichtlich sind, mitzuführen und auf Verlangen zur Überprüfung den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes auszuhändigen.

 

Der § 45 KFG 1967 wurde durch BGBl I Nr. 80/2002 erweitert. Durch diese Än­derung sollte im Rahmen von Probefahrten auch die Überlassung eines Fahr­zeuges mit bis zu 3.500 kg höchstzulässigem Gesamtgewicht (also B-Führer­schein) an Kaufinteressenten bis zu einer Dauer von 72 Stunden ermöglicht werden (vgl Grundtner/Pürstl, KFG8 [2008] § 45 Anm 4a mit Hinweis auf den AB). Die an sich engere Definition der Probefahrt im 2. Satz des § 45 Abs 1 KFG 1967 wird durch den 3. Satz insofern ergänzt, als das Gesetz die in vier Ziffern umschriebenen Fahrten als Probefahrten gelten lässt und damit fingiert, obwohl sie eigentlich die Definition der Probefahrt nicht erfüllen.

 

Vor diesem rechtlichen Hintergrund erscheint die Ansicht in der Stellungnahme der BH Linz-Land, wonach die Überlassung eines Leihwagens nicht auch gleichzeitig eine Probefahrt sein könne, unzutreffend. Denn nach dem § 45 Abs 1 Z 4 KFG 1967 kommt es gerade nicht darauf an, dass die Voraussetzungen einer Probefahrt im engeren Sinn gemäß der Definition im 2. Satz des § 45 Abs 1 leg.cit. eingehalten werden. Zweck dieser Erweiterung war es offenbar, einem Kaufinteressenten über die Dauer einer normalen Probefahrt hinaus ein Fahrzeug bis zu 72 Stunden zum Gebrauch überlassen zu können, wobei auch Fahrtunterbrechungen ausdrücklich für zulässig erklärt werden.

 

Nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenats ist das nach der Aktenlage unwiderlegte Vorbringen im Einspruch des Bf gegen die Strafverfügung (vgl oben Punkt 2.3) gut nachvollziehbar und durchaus schlüssig. Die weitgehend unent­geltliche Bereitstellung eines Ersatzfahrzeuges (Leihwagen) auf Selbstkos­ten­ba­sis ist für gute Kunden eines Autohauses, die ihr Fahrzeug zum Service oder zur Reparatur bringen, heute eine durchaus übliche Dienstleistung von renommier­ten Autohändlern und Werkstättenbetreibern. Im Hinblick auf die erweiterte Probefahrtsmöglichkeit nach § 45 Abs 1 Z 4 KFG 1967 kann bei entsprechendem Kaufinteresse die Überlassung eines Ersatzfahrzeuges (Leihwagens) durchaus mit einer solchen Probefahrt verbunden werden.

 

Eine von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Probefahrt gemäß § 45 Abs 1 Z 4 KFG 1967 zu unterscheidende andere Frage ist es, ob der Lenker die nach § 102 Abs 5 lit c) KFG 1967 erforderlichen Urkunden mitgeführt hat und ob ein Probe­fahrtnachweis gemäß § 45 Abs 6 KFG 1967 vom Bf geführt wurde. Übertretungen dieser Vorschriften bedeuten nicht, dass deswegen keine Probefahrt vorliegen kann.

 

4.2. Aber selbst wenn man annehmen wollte, dass im vorliegenden Fall eine missbräuchliche Verwendung der Probefahrtkennzeichen vorlag, bedeutete dies noch nicht, dass damit die Abnahme er Kennzeichentafeln zulässig war, weil beim aktenkundigen Sachverhalt unbestritten keine Rede von einer Gefährdung der Verkehrssicherheit sein konnte.

 

Gemäß § 58 Abs 1 iVm § 57 Abs 8 KFG 1967 können Zulassungsschein und Kennzeichentafeln nur abgenommen werden, wenn durch die weitere Verwen­dung des Fahrzeuges die Verkehrssicherheit gefährdet wäre. Nach einer Ent­scheidung des Verfassungsgerichtshofs sind daher Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht berechtigt, die Probefahrtkennzeichen an Ort und Stelle abzunehmen, wenn nur der Verdacht besteht, die Kennzeichen würden ver­wendet, obwohl keine Probefahrt vorliegt. Dies wäre nur zulässig, wenn durch die weitere Verwendung die Verkehrssicherheit gefährdet wäre (vgl Grundtner/Pürstl, KFG8 [2008] E 20 zu § 45).

 

4.3. Gemäß § 61 Abs 5 KFG 1967 sind bei Gefahr im Verzug, unbeschadet der Bestimmungen des § 44 Abs 1 lit c) leg.cit. über die Aufhebung der Zulassung, der Zulassungsschein und die Kennzeichentafeln unverzüglich abzunehmen, wenn zu erwarten ist, dass der Versicherer in Ansehung des Dritten von der Ver­pflichtung zur Leistung frei wird (§ 24 Abs 2 Kraftfahrzeughaftpflichtver­siche­rungsgesetz 1994). Nach § 61 Abs 6 leg.cit. gilt dies sinngemäß auch für die Be­willigung zur Durchführung von Probe- oder Überstellungsfahrten (§§ 45 und 46).

 

Nach dem § 24 Abs 2 Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsgesetz 1994 (BGBl Nr. 651/1994 zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 37/2007) wirkt ein Umstand, der das Nichtbestehen oder die Beendigung des Versicherungsverhältnisses zur Folge hat, in Ansehung des Dritten erst nach Ablauf von drei Monaten, nachdem der Versicherer diesen Umstand gemäß § 61 Abs 4 KFG 1967 angezeigt hat. Das gleiche gilt wenn das Versicherungsverhältnis durch Zeitablauf endet. Der Lauf der Frist beginnt nicht vor Beendigung des Vertragsverhältnisses.

 

Aus diesen Bestimmungen geht hervor dass der Haftpflichtversicherer jedenfalls noch drei Monate nach Anzeige des Leistungsbefreiungsumstandes dem geschädigten Dritten haftet. Selbst wenn man im vorliegenden Fall von einer missbräuchlichen Verwendung von Probefahrtkennzeichen ausginge, für die kein Versicherungsschutz im Innenverhältnis zwischen dem Bf und seinem Versicherer bestünde, so könnte dies gegenüber einem geschädigten Dritten innerhalb der 72 Stunden des § 45 Abs 1 Z 4 KFG 1967 niemals wirksam werden. Es kann nämlich nach den gesetzlichen Vorgaben weder im Sinne des § 61 Abs 5 KFG 1967 angenommen werden, dass der Versicherer in Ansehung des Dritten leistungsfrei wird, noch dass Gefahr im Verzug vorliegt. Somit scheidet auch diese Rechtsgrundlage für eine Abnahme der Probefahrtkennzeichen aus.

 

5.1. Im Ergebnis war daher schon auf Grund der Aktenlage davon auszugehen, dass die gegenständliche Abnahme der Probefahrtkennzeichen ohne Rechts­grund­lage erfolgte. War die Abnahme der Probefahrtkennzeichen am 10. Juli 2008 schon unzulässig, so gilt dies selbstverständlich in gleicher Weise für die Zurückbehaltung bzw Nichtausfolgung der Kennzeichen bis zum 21. Juli 2008. Dabei spielte es keine entscheidungswesentliche Rolle, ob die Herausgabe nun gegenüber dem Rechtsvertreter des Bf zunächst von Frau R von der BH K an der K verweigert oder ob er nur an die Abteilungsleiterin Dr. R verwiesen wurde.

 

5.2. Gemäß § 79a Abs 1 AVG hat die im Verfahren nach § 67c obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß § 79a Abs 2 AVG der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei. Wird die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen oder zurückgezogen, dann ist gemäß dem § 79a Abs 3 AVG die belangte Behörde die obsiegende Partei und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

 

Nach § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1 neben Stempel- und Kommissionsgebühren sowie Barauslagen, für die der Beschwerdeführer auf­zukommen hat, vor allem die durch Verordnung des Bundeskanzlers festgesetz­ten Pauschbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageauf­wand. Nach § 79a Abs 6 AVG ist Aufwandersatz auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Beim vorliegenden Ergebnis hatte der obsiegende Bf Anspruch auf Aufwandersatz nach den Ansätzen und Pauschalbeträgen der geltenden UVS-Aufwandersatz­verordnung 2003 (BGBl II Nr. 334/2003) sowie auf Ersatz der Stempelgebühren und Barauslagen, für die er aufzukommen hat.

 

Demnach war der Bund als Rechtsträger, für den die belangten Behörden (BH K und BH Linz-Land) in der gegenständlichen Angelegenheit nach dem Kraftfahrgesetz 1967 funktional tätig wurden, antragsgemäß zum Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Bf von 660,80 Euro sowie der Stempelgebühren für die Beschwerde (13,20 Euro) und eine Beilage kurz (3,60 Euro), in Summe daher zum Ersatz von 677,60 Euro zu verpflichten.

 

Analog dem § 59 Abs 4 VwGG 1985 war eine Leistungsfrist von 2 Wochen festzusetzen, zumal das Schweigen des § 79a AVG 1991 nur als planwidrige Lücke aufgefasst werden kann, sollte doch die Neuregelung idF BGBl Nr. 471/1995 im Wesentlichen eine Angleichung der Kostentragungsbestimmungen an das VwGG bringen (vgl Erl zur RV, 130 Blg NR 19. GP, 14 f).

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Bundesstempelgebühren von 16,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

 

Rechtssätze zu VwSen-420558/7/WEI/Ga vom 19. November 2008:

 

§ 45 KFG 1967

 

Eine Probefahrt kann trotz der engeren Definition des § 45 Abs 1 Satz 2 KFG 1967 im Hinblick auf die Erweiterung durch den dritten Satz des § 45 Abs 1 leg.cit. nach dessen Ziffer 4 auch dann vorliegen, wenn einem Kaufinteressenten anlässlich eines vereinbarten Servicetermins in einer Vertragswerkstätte ein Ersatzfahrzeug (Leihwagen) mit bis zu 3500 kg höchstzulässigem Gesamtgewicht zum Gebrauch für eine Zeit bis zu 72 Stunden überlassen wird, wobei auch beliebige Fahrtunterbrechungen möglich und zulässig sind.

 

§ 58 Abs 1 KFG 1967

 

Selbst der Verdacht der missbräuchlichen (zweckentfremdeten) Verwendung von Probefahrtkennzeichen berechtigt noch nicht zur Abnahme der Kennzeichen, wenn durch deren Verwendung nicht die Verkehrssicherheit gefährdet wird (Hinweis auf VfGH-Erk. bei Grundtner/Pürstl, KFG8 E 20 zu § 45).

 

§ 61 Abs 5 und 6 KFG 1967

 

Die Abnahme des Probefahrtscheines und der Probefahrtkennzeichen kommt im Zusammenhang mit der Überwachung der Versicherung nur in Betracht, wenn der Versicherer in Ansehung des geschädigten Dritten nach § 24 Abs 2 KHVG 1994 von der Verpflichtung zur Leistung frei wird. Dieser Fall kann im Rahmen des Zeithorizonts einer Probefahrt nicht eintreten, weil der Haftpflichtversicherer dem Dritten gegenüber erst nach Ablauf von drei Monaten ab Anzeige des Versicherers gemäß § 61 Abs 4 KFG 1967 von der Leistungsverpflichtung frei wird.

 

 

 

 

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