Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163621/8/Br/RSt

Linz, 19.11.2008

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau A K, F, 40 L, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz, vom 26. Februar 2008, Zl. S1420/08-1, nach der am 19.11.2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung zu Recht erkannt:

 

I.     Die  Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

      

II.   Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.   § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 5/2008 – AVG iVm  § 24, § 45 Abs.1 Z1, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Z1 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 5/2008 – VStG.

Zu II. § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem o.a. Straferkenntnis über die Berufungswerberin  wegen der Übertretung nach § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.162 Euro und für den Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von sechzehn Tagen verhängt und ihr zur Last gelegt, sie habe am 09.12.2007 um 04:41 Uhr in Wels, PI Innere Stadt geweigert, sich der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt (Alkomat) zu unterziehen, obwohl sie von einem besonders geschulten und hierzu von der Behörde ermächtigten Organ der Straßenaufsicht dazu aufgefordert worden sei, weil sie verdächtig war das Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholisierungssymptome; starker Alkoholgeruch aus dem Mund, gerötete Augenbindehäute) gelenkt zu haben.

 

1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend aus:

"Der Tatbestand der Ihnen zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen ist durch die eigene dienstliche Feststellung der einschreitenden Organe, der hierüber vorgelegten Anzeige vom 09.12.2007, das behördlich durchgeführte Ermittlungsverfahren einwandfrei erwiesen.

 

Demnach steht fest, dass Sie die im Spruch detailliert angeführte Verwaltungsübertretung begangen haben.

 

Der gesamte Akteninhalt wurde Ihnen am 30.01.2008 bei der hiesigen Behörde zur Kenntnis gebracht und es wurde Ihnen die Möglichkeit eingeräumt, binnen einer Frist von 2 Wochen eine schriftliche Stellungnahme anher zu übersenden. Gleichzeitig wurden Sie davon in Kenntnis gesetzt, dass das Verwaltungsstrafverfahren ohne Ihre weitere Anhörung durchgeführt wird, falls Sie binnen der vereinbarten Frist keine Stellungnahme abgegeben haben.

 

Da Sie nunmehr weder innerhalb der vereinbarten Frist von 2 Wochen noch bis dato eine Stellungnahme abgegeben haben, war das Verfahren, wie bereits angekündigt, ohne Ihre weitere Anhörung durchzuführen und zu entscheiden.

 

Dadurch, dass Sie von Ihrer Möglichkeit der Abgabe einer Äußerung keinen Gebrauch gemacht haben, ist die Ihnen zur Last gelegte Verwaltungsübertretung zur Gänze unbestritten geblieben, weshalb im Zusammenhang mit der eigenen dienstlichen Wahrnehmung der einschreitenden Beamten ein weiteres Beweisverfahren nicht geboten scheint und der Tatbestand als erwiesen anzunehmen war.

 

Zur rechtlichen Lage wird von der entscheidenden Behörde folgendes festgehalten:

 

Gemäß § 5 Abs. 2 StVO sind besonders geschulte und von der Behörde hierzu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, die Atemluft von Personen, die ein Fahrzeug lenken, auf Alkoholgehalt zu untersuchen, wenn vermutet werden kann, dass sich diese Personen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befinden.

Gemäß § 99 Abs. 1 lit. b StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von € 1.162,00 bis € 5.813,00, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht.

 

Festgehalten muss von der Behörde werden, dass es sich gerade bei den Übertretungen der Alkoholbestimmungen überhaupt um die schwersten Übertretungen nach der Straßenverkehrsordnung handelt, welche auch erfahrungsgemäß immer wieder zu Unfällen im Straßenverkehr mit katastrophalen Folgen führen. Es muss daher alleine schon im Interesse der Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer und darüber hinaus aus general- und spezialpräventiven Grunde mit einer strengen Bestrafung vorgegangen werden.

 

Bei der Strafbemessung konnte Ihre völlige Unbescholtenheit als Milderungsgrund gewertet werden.

Ihre persönlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurden bei der Strafbemessung berücksichtigt.

 

Die verhängte Strafe ist daher im Hinblick auf die Schwere der Übertretung und den dafür vorgesehenen Strafrahmen äußerst milde bemessen, demnach durchaus schuldangemessen, dem Unrechtsgehalt der Tat angepasst und scheint der entscheidenden Behörde gerade noch geeignet, Sie in Hinkunft von der Begehung weiterer gleicher oder ähnlicher Übertretungen abzuhalten.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

 

Bei Vorliegen besonders berücksichtigungswürdiger Gründe bleibt es Ihnen unbenommen, bei der hiesigen Behörde um Gewährung einer Ratenzahlung anzusuchen.

 

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber mit ihrer fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung:

"Als Berufungsgründe werden Verfahrensmängel, unrichtige Tatsachenfeststellungen und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

 

Verfahrensmängel:

 

Unrichtig ist, dass mir eine Frist von 2 Wochen zur schriftlichen Stellungnahme zu den erhobenen Vorwürfen eingeräumt wurde. Vielmehr habe ich bereits anlässlich meiner Vorsprache vom 30.1.08 darauf verwiesen, dass bereits im Führerscheinentzugsverfahren zur Zahl FE - 1417/07 am 17.12.07 eine Niederschrift aufgenommen wurde, in der ich den Sachverhalt wahrheitsgemäß schilderte. Diesbezüglich wurde mit dem damals zuständigen Sachbearbeiter Dr. B vereinbart, den betreffenden Verfahrensakt beizuschaffen und der Entscheidung zu Grunde zu legen. Daraus hätte sich ergeben, dass ich nie die Absicht hatte, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen. Ich verweise hiezu auf meine Niederschrift vom 17.12.07, die ich als Beilage anschließe und die einen integrierten Teil dieser Berufung bildet. Hätte die Strafbehörde diese Erhebungsergebnisse berücksichtigt, hätte sie das Strafverfahren - ebenso wie das Führerscheinentzugsverfahren - eingestellt.

 

Als weiterer Verfahrungsmangel wird gerügt dass das Straferkenntnis vom 2.10.08 von einer Person unterfertigt wurde, die nach meinem Informationsstand zu diesem Zeitpunkt bei dieser Strafbehörde nicht mehr tätig bzw. für die Erledigung dieses Aktes nicht mehr zuständig war. Insoweit liegt ein nichtiger Bescheid vor.

 

Unrichtige Tatsachenfeststellungen:

 

Im Straferkenntnis wird mir zur Last gelegt, dass ich mich am 9.12.07 um 4:41 Uhr geweigert hätte, mich der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt zu unterziehen, weil ich verdächtigt wurde, das Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben. Tatsächlich entbehrt der Vorwurf bzw. Verdacht, ich hätte das Fahrzeug in einem alkoholbeeinträchtigten Zustand gelenkt, jeglicher Grundlage. Diesbezüglich gibt es auch keinerlei Beweisergebnisse. Ich hatte auch nie die Absicht, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen. Vielmehr hatte ich bereits zuvor aufgrund meiner Alkoholisierung meine Schwester ersucht, mich abzuholen. Weil ich nicht im Lokal warten wollte und es kalt war, setzten wir uns zur Überbrückung der Wartezeit in den PKW, wobei ich auf der Rückbank hinter dem Beifahrersitz Platz nahm. Aufgrund meiner Alkoholisierung sagte ich zu meinen Begleitern „Jetzt wird's aber langweilig" und steckte von der Rückbank aus den Fahrzeugschlüssel, welchen ich in Händen hielt, ins Zündschloss und drehte einmal nach rechts, um das Radio zu aktivieren. Zu diesem Zeitpunkt waren mit Sicherheit die Scheinwerfer nicht eingeschaltet.

 

Plötzlich kamen Polizeibeamte zu unserem Fahrzeug und leuchteten mit einer Taschenlampe ins Fahrzeug. In der Folge wurde Herr C, der auf dem Fahrersitz saß, zu einer Lenkerkontrolle aufgefordert. Herr C stieg aus dem Fahrzeug aus und sagte sogleich, dass er sowieso nicht fahren wollte, weil er in Wels wohnt und die anwesenden Personen ohnehin nur darauf warten, dass jemand das Fahrzeug abholt Während dieser Zeit bat ich C vom Beifahrersitz auszusteigen, damit ich ebenfalls aus dem 2-türigen Fahrzeug aussteigen und den Zulassungsschein suchen konnte. In der Folge stieg ich aus und suchte im Handschuhfach den Zulassungsschein. Auch zu diesem Zeitpunkt war der Fahrzeugschlüssel noch immer im Zündschloss angesteckt. Ich fand den Zulassungsschein nicht und ging um das Fahrzeug herum zu einem der Polizeibeamten und sagte zu ihm, ob es denn ein Fehler wäre, wenn man nur im Auto Musik horcht. 2 Polizisten standen in der Fahrertür, ich setzte mich auf den Fahrersitz mit den Füßen nach außen und demonstrierte die Inbetriebnahme des Radios, indem ich einmal nach rechts drehte. Daraufhin sagte sofort einer der Beamten, dass ich einen Fehler gemacht hätte. Daraufhin zog ich freiwillig den Schlüssel ab und händigte ihm diesen aus. Daraufhin forderte er mich zu einem Alkotest bzw. Vortest auf. Den Vortest führte ich durch, den Alkotest wollte ich nicht mehr durchführen.

 

Beweis: Meine niederschriftliche Einvernahme vom 17.12.07 zu FE-1417/07

 

Mit diesen Beweisergebnissen hat sich die Strafbehörde in ihrem Straferkenntnis vom 2.10.08 in keiner Weise auseinandergesetzt. Sie hat diese nicht einmal als unglaubwürdig abgetan, sondern mit Stillschweigen übergangen. Insofern leidet der angefochtene Bescheid an einem wesentlichen Begründungsmangel. Hätte die Strafbehörde diese Beweisergebnisse berücksichtigt und gewürdigt, dann wäre Sie zu dem Ergebnis gelangt, dass ich zu keinem Zeitpunkt versucht habe, das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen, sondern lediglich den Zündschlüssel einmal nach rechts gedreht habe, um den Polizeibeamten zu demonstrieren, dass es der Zündung bedarf, um das Radio einzuschalten. Diese Demonstration quittierte der Polizeibeamte mit der Äußerung: „Jetzt haben Sie einen Fehler gemacht" und forderte mich zu einem Alkotest (Vortester) auf. Mangels Vorliegens eines begründeten Verdachts, dass ich tatsächlich die Absicht hatte; das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen - ich vielmehr - nur dem Polizeibeamten das Einschalten des Radios demonstrieren wollte - war die Aufforderung zur Durchführung eines Alkotests somit gesetzwidrig, Dies umso mehr, als ich beim ursprünglichen Einschreiten der Polizeibeamten noch auf der Rückbank hinter dem Beifahrersitz saß und erst im Zuge der Amtshandlung aus dem Fahrzeug ausstieg und mich in der Folge seitlich auf den Fahrersitz setzte mit den Beinen im Freien.

 

Ich beantrage daher, meiner Berufung folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen."

 

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat den Akt zur  Berufungsentscheidung vorgelegt; die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates wurde damit begründet. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war  zwingend (§ 51e Abs.1 VStG).

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung der erstinstanzlichen Aktenlage. Die im Beisein ihres bevollmächtigten Ehegatten an der Berufungsverhandlung persönlich teilnehmende Berufungswerberin wurde als Beschuldigte zum Sachverhalt befragt. Zeugenschaftlich einvernommen wurden dazu die einschreitenden Polizeibeamten GI E u. Insp. W, sowie H C. Auch ein Vertreter der Behörde erster Instanz nahm an der Berufungsverhandlung teil.  In Vorbereitung der Berufungsverhandlung wurde das gegen den vermuteten Fahrer, C C, wegen dessen Alkotestverweigerung in Rechtskraft erwachsene Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wels, vom 17.12.2007, AZ: 2-S-20236/07/G, sowie die bei der Führerscheinbehörde an eben diesem Tag aufgenommene Niederschrift  beigeschafft und verlesen.

 

 

 

4. Zum Verfahrensgang bei der Behörde erster Instanz:

Das Verwaltungsstrafverfahren wurde am 12.12.2007 von der Bundespolizeidirektion Wels an die Behörde erster Instanz (Bundespolizeidirektion Linz) nach § 29a VStG abgetreten. Als Seite 5 findet sich eine mit der Berufungswerberin im Führerscheinverfahren aufgenommene Niederschrift im Akt. Diese mit dem Inhalt, dass im Verhalten der Berufungswerberin keine iSd § 7 Abs.3 FSG zu wertende bestimmte Tatsache gesetzt wurde.

Schon darin verantwortete sich die Berufungswerberin dahingehend, dass sie lediglich gegenüber den Polizeibeamten demonstriert habe wie im Fahrzeug das Radio einzuschalten ist. Zu diesem Zweck habe sie sich schräg auf den Fahrersitz gesetzt und dabei habe sie den Zündschlüssel gedreht um das Radio in Betrieb nehmen zu können. Sie wies darauf hin, zu keinem Zeitpunkt je eine Inbetriebnahmeabsicht gehabt zu haben.

Dies deckt sich auch vollinhaltlich mit den Feststellungen in der Anzeige, wobei jedoch dies neben dem offenbar vermuteten Fahrer, C C, als Grundlage für die Aufforderung zur Atemluftuntersuchung auch betreffend ihre Person gemacht wurde.

 

Am 30.1.2008 erging an die Berufungswerberin eine Ladung zur Behörde erster Instanz für den 30.1.2008 um 11:15 Uhr zur Behörde erster Instanz. Diese wurde vom Ehegatten der Berufungswerberin, K K, wahrgenommen. Die dabei eröffnete Frist für die Erstattung einer Stellungnahme wurde offenbar nicht genutzt, sodass schließlich am 26.2.2008 das angefochtene Straferkenntnis erlassen wurde. Dieses konnte der Berufungswerberin am 29.2.2008 wegen deren damaligen Ortsabwesenheit von ihrer Adresse in Linz nicht zugestellt werden. Diesbezüglich findet sich eine eidesstattliche Erklärung deren Bruders aus V vom 21. Mai 2008 im Akt. Demnach hat sie sich vom 25.2. bis 19.3.2008 bei ihm in der R , 6.... in B aufgehalten. Die Zustellung des Straferkenntnisses wurde aus unerfindlichen Gründen in der Folge erst wieder am 3.10.2008  versucht und am 6.10.2008 auch bewirkt.

Die Berufung dagegen wurde demnach mit deren Einlangen bei der Behörde erster Instanz am 15.10.2008 fristgerecht erhoben.

 

 

5. Erwiesener Sachverhalt:

Auf Grund des in Rechtskraft erwachsenen Straferkenntnisse, 2-S-20236/07/G,  ist von der vermuteten Lenk- bzw. Inbetriebnahmeeigenschaft des H. C auszugehen. Dass die Berufungswerberin nicht in diesem unmittelbaren Verdacht gestanden ist, ergibt sich bereits aus der Anzeige. Der Meldungsleger mag jedoch auf Grund des ihm entgegen schlagenden aggressiven Verhaltens zweier beim Fahrzeug angetroffener Personen diese objektiv zumindest im Bereich des Möglichen erachtet haben.

Im Rahmen der Berufungsverhandlung konnte in schlüssiger und überzeugender Weise klargestellt werden, dass die Berufungswerberin zu keiner Zeit die Absicht hatte das Fahrzeug tatsächlich in Betrieb zu nehmen oder dies auch nur zu versuchen. Dagegen spricht ferner nicht nur die unstrittige Tatsache, dass sie doch ihre Schwester ob ihres Alkoholkonsums etwa sieben Minuten vorher telefonisch zwecks Abholung verständigte. Während dieser Zeit verbrachte sie mit zwei Begleitern in ihrem Fahrzeug, wobei sie am Rücksitz Platz genommen hatte.

Während im Fahrzeug Musik gehört wurde und zu diesem Zweck der Zündschlüssel sich in der ersten Drehstufe im Zündschloss befand, traf die Polizei ein und forderte vorerst den am Fahrersitz sitzenden C C zur Lenkerkontrolle und folglich zum Alkotest auf.

Die Erklärungen nicht fahren zu wollen verliefen ergebnislos, obwohl C im Haus wohnte, aus dessen Lokal sich die Personengruppe kurz vorher entfernt hatte was er offenbar erfolglos den Polizeibeamten zu vermitteln versuchte. Das folglich eine aggressive Stimmung entstand und im Zuge derer die ebenfalls deutlich alkoholisierte Berufungswerberin gegenüber den Polizeibeamten die Inbetriebnahme des Radios demonstrierte und dabei vermutlich den Zündschlüssel in die entsprechende Stellung drehte, ist unstrittig. Dass sie dabei nicht einmal den Fahrersitz ordnungsgemäß einnahm, wurde ebenfalls dargetan.

Es ist demnach evident und ohne den Rest eines vernünftigen Zweifels, dass bei der Berufungswerberin zu keinem Zeitpunkt eine Absicht bestand das Fahrzeug in Betrieb zu nehmen oder dies auch nur zu versuchen. Diese Schlussfolgerung ist insbesondere angesichts der Umgebung von zwei Polizisten und einer Polizistin fast zwingend.

Aus der Beweisaufnahme im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde diese Verantwortung von der Berufungswerberin nachvollziehbar zum Ausdruck gebracht, sodass ihr vor dem Hintergrund der Ausgangslage nur zu folgen gewesen ist. Auch die einvernommenen Polizeibeamten/In zeigten nichts auf, was zu einer gegenteiligen Überzeugung führen könnte. Vielmehr waren deren Erinnerungen an die damaligen Ereignisse nur mehr diffus und die Angaben eher als vorsichtig zu bezeichnen.

 

 

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 5 Abs.2 StVO 1960 sind Organe des amtsärztlichen Dienstes oder besonders geschulte und von der Behörde hiezu ermächtigte Organe der Straßenaufsicht berechtigt, jederzeit die Atemluft von Personen die ein Fahrzeug lenken, in Betrieb nehmen oder zu lenken oder in Betrieb zu nehmen versuchen, auf Alkoholgehalt zu untersuchen …….

Grundsätzlich ist eingangs zu bemerken, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (zB VwGH 16. März 1994, Zl. 93/03/0204) bereits das in Gang setzen des Motors eine vollendete Inbetriebnahme des Fahrzeuges darstellt, und zwar auch dann, wenn das Fahren mit dem (= Lenken des) Fahrzeug(es) unmöglich ist. Umgekehrt ist auch das Lenken ohne Anwendung von Maschinenkraft möglich (VwGH 30.4.2007 2006/02/0305 mit Hinweis zB auf VwGH 28.2.2003, Zlen. 2002/02/0192, 0193).

Im Sinne der gesicherten Rechtsprechung stellt das in Gang setzen des Motors eine vollendete Inbetriebnahme des Fahrzeuges dar (VwGH 27.2.2004, 2001/02/0147 mit Hinweis auf VwGH 15.11.2000, Zl. 2000/03/0237).

Nicht jedoch kann damit auch schon ein offenkundig bloß auf die Ingangsetzung des Radios zielenden Handlung begriffen werden, wenngleich es dafür einer entsprechenden Positionierung des Zündschlüssel durch Drehen bis zur ersten oder zweiten Raste des Schlosses bedarf.

Eine tatsächliche "Inbetriebnahmeabsicht" konnte daher selbst aus der Sicht des Meldungslegers wohl nur schwer  erblickt worden sein, wenngleich losgelöst von den Begleitumständen die Handlung isoliert betrachtet auf den ersten Blick so darstellbar gewesen sein mag.

Das Lenken und die in Betriebnahme muss einen empirischen Bezug zum gesetzlich intendierten Schutzzweck der Norm erkennen lassen, welcher jedoch keineswegs alleine im bloßem Einschalten des Radios erblickt werden kann. So indiziert etwa auch im Falle des bloßen Schieben eines Fahrrades oder ein Aufgreifen auf einer nicht öffentlichen Verkehrsfläche noch keine Grundlage für eine Aufforderung zur Atemluftuntersuchung (vgl. etwa UVS-Tirol, v. 12.12.2006 2006/13/2293-2, sowie UVS-Steiermark, v. 21.06.2004, Zl. 303.16-1/2003).

Laut gesicherter Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ferner unter "in Betrieb nehmen" (nur) eine dem Lenken vorausgehende Willenshaltung zu begreifen. Dazu zählen primär erforderliche Vorbereitungshandlungen zur Aktivierung der Antriebkräfte eines Kraftfahrzeuges  zur Fortbewegung. Inbetriebnahme ist somit eine Tätigkeit, die auf das in Gang setzen des Fahrzeuges und dem anschließenden Betrieb gerichtet ist. Das in Gang setzen (Starten) des Motors wird durch die Judikatur als eine solche Inbetriebnahme gesehen, selbst wenn sie einen anderen Zweck verfolgen sollte (wie etwa den Betrieb der Heizung). Nicht jedoch das bloße "in Gang setzen" des Radios.

Es darf daher wohl kaum der Intention des Gesetzgebers zugesonnen werden, auch bei bloßem "in Gang setzen des Radios" - und dies hier just gegenüber den Polizeibeamten -  als "Inbetriebnahmeabsicht" des Fahrzeuges interpretieren zu müssen und darin eine Verletzung des Normzwecks zu begreifen (VwGH 13.6.1999, 99/03/0188).

Die darauf gestützte Aufforderung zur Vornahme eines Alkotests hatte daher keine gesetzlich gedeckte  Grundlage und eine Nichtbefolgung war demnach mangels Tatbestand nicht von der Strafbarkeit des § 5 Abs.2 iVm § 99 Abs.1 lit.b StVO 1960 umfasst.

Im hier abgeführten Ermittlungsverfahren ist klar hervorgekommen, dass die Berufungswerberin in keiner Phase des Geschehens die Absicht hatte das Fahrzeug zu lenken oder es in Betrieb zu nehmen. Sie vermittelte glaubhaft den Eindruck, dass sie sich ihrer körperlichen Verfassung durchaus bewusst war und nicht sehenden Auges den Führerschein durch eine Lenkabsicht verlieren wollte. Sie und ihre Begleiter wollten sich vielmehr nur die Wartezeit durch Radiohören bis zum Eintreffen der Schwester der Berufungswerberin verkürzen wobei offenbar zum Zwecke der Inbetriebnahme des Radios der Zündschlüssel angesteckt wurde.

Die Aussagen der Meldungsleger standen dazu nicht im Widerspruch.

Nach Auffassung der Berufungsbehörde fehlt es daher auch hier am unverzichtbaren Tatbestandselement, der zumindest versuchten Inbetriebnahme des Fahrzeuges, um den Verweigerungstatbestand des § 5 Abs.2 StVO 1960 annehmen zu können.     Hinzuweisen ist auch noch, dass die belangte Behörde der Berufungswerberin ferner fälschlich zur Last legte, "vermutlich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben". Die Berufungswerberin wäre damit für eine Tat bestraft worden, die sie  nicht einmal laut Anzeige begangen hat, wobei selbst ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung eine Rechtswidrigkeit begründet (vgl. VwGH 7.11.1963, VwSlg. Nr. 6143/A). Dies wäre h. wohl durch eine Spruchkorrektur sanierbar gewesen.

Eine Aufforderung zur Durchführung einer Atemluftuntersuchung wird übrigens im Verdachtsfall nach § 5 Abs.2 zweiter Satz Z1 StVO von der Rechtsprechung vereinzelt nur bei Personen als zulässig erachtet, die verdächtigt sind, ein Fahrzeug gelenkt zu haben. So wurde etwa nur eine Aufforderung an einen/eine Beschuldigte(n) zur Durchführung einer Atemluftuntersuchung, der/die nach dem Ermittlungsergebnis (der Darstellung des Anzeigers) auf Grund eines bloßen Verdachtes der Inbetriebnahme seines Fahrzeuges in vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand erfolgt ist, vom Gesetz als nicht gedeckt erachtet, was bedeutet, dass auch eine Verweigerung der Atemluftuntersuchung vor einem derartigen Hintergrund bereits straflos zu bleiben hätte (vgl. UVS-Salzburg v. 15.10.2002, 3/13031/5-2002).

 

Abschließend ist auf Art. 129 B-VG hinzuweisen, wonach die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und der Verwaltungsgerichtshof in Wien "zur Sicherung der Gesetzmäßigkeit der gesamten öffentlichen (hoheitlichen) Verwaltung" berufen sind.

Maßstab dieser Tätigkeit ist die Gesetzmäßigkeit in materiellem Sinn (Hinweis auf VfSlg. 7000). Der angefochtene Bescheid war daher zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG einzustellen.

 

Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

H i n w e i s:

Gegen diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220,00 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. B l e i e r

 

 

 

Beschlagwortung:

Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges

 

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