Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-251970/2/SR/Sta

Linz, 10.12.2008

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung der D T, geboren am , H,  M, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 7. November 2008, GZ.: SV96-129-2008, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird stattgegeben und das angefochtene    Straferkenntnis aufgehoben.

 

II.     Die Berufungswerberin hat weder einen Beitrag zu den Kosten des    Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu     den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu      leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungs­verfahrensgesetz 1991 – AVG.

Zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom
7. November 2008, GZ.: SV96-129-2008, wurde über die Berufungswerberin (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in der Höhe von 365 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 10 Stunden) verhängt, weil sie als Dienstgeberin den österreichischen Staatbürger D S, geboren am , vom 24. Jänner 2008, ab 08.00 Uhr bis zum 24. Jänner 2008, 08.45 Uhr als Reinigungsarbeiter im Spar-Markt M beschäftigt hatte, ohne diesen vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden. 

 

Die Beschäftigung des Dienstnehmers sei am 24. Jänner 2008 um ca. 08.45 Uhr im Büroraum der Firma R, S T, B, M von Ermittlungs- und Erhebungsorganen des Finanzamtes Braunau – Ried – Schärding im Zuge einer arbeitsmarktrechtlichen Kontrolle festgestellt worden.

 

Als verletzte Rechtsgrundlagen werden § 33 Abs. 1, 35 Abs. 1 iVm. § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG i.d.g.F. genannt.

 

2. Gegen dieses der Bw am 13. November 2008 durch Hinterlegung zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 19. November 2008 per FAX – und damit rechtzeitig – eingebrachte Berufung.

 

Im als Einspruch bezeichneten Schriftsatz führte die Bw im Wesentlichen aus, dass es sich dabei um einen Fehler der Post handeln müsse. In dieser Sache habe sie nichts bekommen und daher auch nichts wissen und keine weiteren Schritte unternehmen können. Sie ersuche daher um einen neuen Ladungsbescheid.

 

3. Mit Schreiben vom 25. November 2008 übermittelte die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Verwaltungssenat. Dieser erhob Beweis durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde.

 

Dem Vorlageakt ist zu entnehmen, dass der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz mit Schreiben vom 16. Oktober 2008 das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 29a VStG an die belangte Behörde abgetreten hat, da der Wohnsitz der Bw im Bezirk Braunau am Inn liegt.

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes - ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 2/2008, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe von 730 bis 2180 Euro zu bestrafen, wer als Dienstgeber entgegen den Vorschriften dieses Bundesgesetzes Meldungen oder Anzeigen nicht oder falsch oder nicht rechtzeitig erstattet.

 

Nach § 33 Abs 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden.

 

§ 23 ASVG richtet als Träger der Krankenversicherung ua. für jedes Bundesland eine Gebietskrankenkasse ein. Der Sitz der Oö. Gebietskrankenkasse ergibt sich aus der auf Grund des § 453 ASVG erlassenen Satzung.

 

Nach § 2 der Satzung der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse ("nach dem Stand vom 1. Jänner 2008") ist Sitz der Kasse Linz.

 

Gemäß § 27 Abs 1 VStG ist jene Behörde im Strafverfahren örtlich zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist.

§ 29a VStG ermöglicht es jedoch der örtlich zuständigen Behörde, das Strafverfahren an jene sachlich zuständige Behörde zu übertragen, in deren Sprengel der Beschuldige seinen Hauptwohnsitz hat, wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird.

4.2. Im vorliegenden Fall hat die örtlich zuständige Behörde nicht einmal ansatzweise zu begründen versucht, weshalb sie hier das Vorliegen der Voraussetzungen des § 29a VStG für gegeben erachtete, sondern lediglich angeführt, dass "der Wohnsitz der Beschuldigten D T in M, H", im Sprengel der belangten Behörde gelegen ist.

Damit ist jedoch noch nicht dargetan, dass durch eine entsprechende Übertragung auch das Verwaltungsstrafverfahren "wesentlich vereinfacht oder beschleunigt" würde.

Auch wenn der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen (insbesondere bei Übertretungen der Straßenverkehrsordnung) ausgesprochen hat, dass eine Übertragung des Strafverfahrens an die für den Wohnsitz des Beschuldigten zuständige Behörde "grundsätzlich" eine wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung erwarten lässt (vgl. z.B. VwGH v. 23. September 1987, Zl. 87/03/0119, und vom 28. Mai 1993, Zl. 93/02/0032), handelt es sich im vorliegenden Fall nicht – wie bei den Verfahren nach der StVO – bloß um ein Ein-, sondern schon ex lege um ein Mehrparteienverfahren. Nach  § 111a ASVG hat jene Abgabenbehörde des Bundes, deren Prüforgane die Person betreten haben, die entgegen § 33 Abs. 1 ASVG nicht vor ihrem Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurde, nach § 111 Parteistellung. Verzichtet die Abgabenbehörde auf ihre Parteistellung, so tritt der Sozialversicherungsträger in diese Parteistellung ein. Ein derartiger Verzicht ist gegenüber der Bezirksverwaltungsbehörde (= gegenüber der gemäß § 27 Abs. 1 ASVG örtlich zuständigen Verwaltungsstrafbehörde) ausdrücklich zu erklären; diese hat den Versicherungsträger davon unverzüglich in Kenntnis zu setzen. Ein solcher Verzicht bewirkt zudem – in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise – die Unterbrechung aller in Betracht kommenden Verfahrensfristen.

Wie der Oö. Verwaltungssenat bereits im Erkenntnis vom 7. November 2008, VwSen-251942/2/GF/Mu/Se ausgeführt hat, "kann im Hinblick auf die den Legalparteien gemäß § 111a ASVG eingeräumten Möglichkeiten daher nicht schon a priori und ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die in § 29a VStG normierte Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens stets dann eintritt, wenn dieses der Wohnsitzbehörde des Beschuldigten übertragen wird. Abgesehen davon, dass damit unter bestimmten Umständen auch eine Beeinträchtigung des Grundrechts auf den gesetzlichen Richter (Art. 83 Abs. 2 B-VG) einhergehen könnte, muss sohin in den Fällen einer Übertretung gemäß § 33 Abs. 1 i.V.m. § 111 Abs. 1 Z. 1 ASVG eine Übertragung des Strafverfahrens nach § 29a VStG stets entsprechend begründet werden, wobei hier – weil ja in der Regel bereits im erstbehördlichen Verfahren eine unmittelbare Einvernahme von Zeugen unerlässlich sein wird – die konkreten Anfahrtswege, Erreichbarkeiten u.Ä. der Zeugen einerseits und jene des Beschuldigten und der übrigen Verfahrenspartei(en) andererseits jeweils entsprechend sorgfältig gegeneinander abzuwägen sind."

4.3. Eine diesen Anforderungen entsprechende Begründung lässt sich jedoch weder dem Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 16. Oktober 2008, Zl. 43516/2008, entnehmen noch ergibt sich eine solche offenkundig aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt.

Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass das Verwaltungsstrafverfahren von der unzuständigen Behörde durchgeführt wurde.

4.4. Der vorliegenden Berufung war daher gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG schon aus diesem Grund stattzugeben und das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben.

Eine Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens war hingegen nicht zu verfügen. Die zuständige Behörde hat aus eigenem zu beurteilen, ob eine rechtzeitige und taugliche Verfolgungshandlung vorliegt und darauf aufbauend zu entscheiden, ob und in welchem Umfang das Verwaltungsstrafverfahren von dieser fortgeführt wird oder nicht.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Rechtsmittelwerberin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Stierschneider