Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300859/5/Ste

Linz, 02.12.2008

 

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Präsident Mag. Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung des M B, derzeit J L, L, gegen den Bescheid (Straferkenntnis) des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 5. August 2008, GZ Pol-489/07, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren wird eingestellt.

II.              Der Berufungswerber hat weder einen Betrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unab­hängigen Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24, 45 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 5. August 2008, GZ Pol-489/07, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geld­strafe in der Höhe von 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe 96 Stunden) verhängt, weil er es verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten habe, dass er zumindest am 5. Oktober 2007 – in einer Angelegenheit, in der er nicht zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt war – gewerbsmäßig für den Gebrauch vor einer inländischen Behörde ein schriftliches Anbringen verfasst habe, in dem er im Namen einer genau bezeichneten Person ein Schreiben an das Bezirksgericht Landeck verfasst habe. Dadurch habe er den Tatbestand der Winkelschreiberei verwirklicht und eine Übertretung des Artikel IX Abs. 1 Z 1 EGVG begangen.

Begründend führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen an, dass der Bw die Frist zur Rechtfertigung ungenützt verstreichen ließ und die Übertretung der genannten Bestimmung des EGVG aufgrund einer Anzeige genau bezeichneten Person als erwiesen anzusehen sei.

Die Behörde schließt ihre Begründung mit Erwägungen zum Verschulden sowie zur Strafbemessung.

1.2. Dieses Straferkenntnis wurde dem Bw am 13. August 2008 zugestellt. Der Bw stellte am 26. August 2008 (zur Frage der Rechtzeitigkeit vgl. bereits die dazu ergangen Entscheidung vom 14. Oktober 2008, VwSen-300847/4) – einen Antrag auf Beigabe eines Verteidiger für das Berufungsverfahren (§ 51a VStG). Die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenats vom 14. Oktober 2008 über diesen Antrag auf Beigabe eines Verfahrenshilfeverteidigers wurde dem Bw am 20. Oktober 2008 zugestellt.

Daraufhin erhob der Bw mit Schreiben vom 31. Oktober 2008 (Postaufgabe 3. November 2008) – rechtzeitig (vgl. § 51 Abs. 5 VStG auch iVm. § 63 Abs. 5 AVG) – die direkt an den Unabhängigen Verwaltungssenat gerichtete (und von diesem mit Schreiben vom 5. November 2008 an die Behörde erster Instanz weitergeleitete) Berufung.

Begründend wird darin im Wesentlichen ausgeführt, dass das Straferkenntnis nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a VStG entspreche. Im Übrigen liege jedenfalls keine Gewerbsmäßigkeit vor. Abschließend wird beantragt – allenfalls nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung – der Berufung Folge zu geben und das Verfahren einzustellen.

2.1. Der Magistrat der Stadt Steyr hat die Berufung samt dem dort geführten Verwaltungsakt erster Instanz zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

2.2. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

2.3. Das Rechtsmittel ist – wie bereits im Punkt 1.2 dargestellt – rechtzeitig.

2.4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt, die Berufung sowie durch Einsichtnahme in den vom Bezirksgericht L angeforderten Gerichtsakt zum dortigen Geschäftszeichen 6E3088/04w.

2.5. Daraus ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

Mit Schreiben vom 1. Oktober 2007 legte Herr Ing. R. G. dem Bezirksgericht L eine Vollmacht vor, in der er dem nunmehrigen Bw im Verfahren 6E3088/04w die uneingeschränkte Vertretungsvollmacht erteilte.

Datiert mit 1. Oktober 2007 stellte der Bw unter Berufung auf die genannte Vollmacht ein schriftliches Anbringen (mit mehreren Anträgen) an das Bezirksgericht L, das dort am 2. Oktober 2007 einlangte.

Im Gerichtsakt befindet sich weiters eine Stellungnahme, die der Bw unter Berufung auf die Vollmacht im Rahmen des genannten Verfahrens ebenfalls an das Bezirksgericht L abgab und die dort am 27. Dezember 2007 einlangte.

Mit Schreiben vom 4. April 2008 wurde der Bw von der Behörde erster Instanz aufgefordert, sich zum Verdacht der Übertretung folgender Verwaltungsvorschrift zu äußern: „Sie haben es verwaltungsstrafrechtlich zu vertreten, dass Sie zumindest am 5.10.207 [Anmerkung: Tippfehler, richtig: 2007] – in einer Angelegenheit, in der Sie nicht zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt waren – gewerbsmäßig für den Gebrauch vor einer inländischen Behörde ein schriftliches Anbringen verfassten, in dem Sie im Namen von Herrn Ing. G. R. [Anmerkung: Name im Original ausgeschrieben] ein Schreiben an das Bezirksgericht L verfassten. Da Sie somit den Tatbestand der Winkelschreiberei verwirklichten stellt dies eine Übertretung der Bestimmungen des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen (EGVG) dar.“

Abgesehen von den wiedergegebenen konnten keine weiteren Sachverhaltsdetails mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit bewiesen werden. Insbesondere betrifft dies den von der Behörde erster Instanz dem Bw vorgeworfenen Umstand, er hätte „zumindest am 5. Oktober 2007“ ein schriftliches Anbringen verfasst.

Diese Widersprüche und Unklarheiten im Ermittlungsverfahren konnten auch vom Unabhängigen Verwaltungssenat mit vertretbarem Aufwand (vgl. § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG iVm. § 24 VStG und § 21 Abs. 1a VStG) nicht saniert werden.

2.6. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, der Berufung sowie nach Einsicht in den vom Bezirksgericht L übermittelten Gerichtsakt.

2.7. Die Durchführung der vom Bw beantragten öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs. 2 Z 1 VStG).

3.  In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß Artikel IX Abs. 1 Z 1 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 – EGVG, BGBl. Nr. 50/1991, in der zum (vorgeworfenen) Tatzeitpunkt geltenden Fassung, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 106/2005, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, wer in Angelegenheiten, in denen er nicht zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt ist, gewerbsmäßig für den Gebrauch vor inländischen oder ausländischen Behörden (Gerichten oder Verwaltungsbehörden) schriftliche Anbringen oder Urkunden verfasst, einschlägige Auskünfte erteilt, vor inländischen Behörden Parteien vertritt oder sich zu einer dieser Tätigkeiten in schriftlichen oder mündlichen Kundgebungen anbietet (Winkelschreiberei). Diese Bestimmung ist nach Art. IX Abs. 3 EGVG nicht anzuwenden, soweit besondere Vorschriften gegen unbefugt Parteienvertretung bestehen.

Die zitierten Verwaltungsvorschrift enthält erkennbar verschiedene, grundsätzlich von einander unabhängige Tatbilder. So ist einerseits das Verfassen von der Erteilung von Auskünften und von der Vertretung, aber auch vom Anbieten zu einer entsprechenden Tätigkeit zu unterscheiden. Andererseits enthält etwa auch die Regelung über das Verfassen verschiedene Fälle: Aufgezählt sind dort zunächst inländische und ausländische Gerichte sowie Verwaltungsbehörden, dann auch schriftliche Anbringen und Urkunden.

3.2. Nach § 44a Z 1 VStG in jener Ausprägung, die diese Bestimmung durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) erfahren hat, muss der Spruch des Straferkenntnisses die als erwiesen angenommene Tat derart konkretisieren, dass der Beschuldigte einerseits in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf be­zogene Beweise anzubieten und er andererseits rechtlich davor geschützt wird, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Aufl., Anm. zu § 44a VStG, S. 1520 ff).

Der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, hat die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Wie der VwGH in ständiger Rechtsprechung zu dieser Bestimmung dargelegt hat, ist, um den Anforderungen dieser Gesetzesstelle zu entsprechen, im Spruch die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

­          die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

­          die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Dem § 44a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn aufgrund der Tatumschreibung es dem Beschuldigten ermöglicht wird, im Verwaltungsstrafverfahren in der Lage zu sein, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

Diesen Erfordernissen wird das angefochtene Straferkenntnis schon insofern nicht gerecht, als weder der Tatzeitpunkt noch die Tathandlung mit hinreichender Genauigkeit angeführt wurden. Wie der Sachverhaltsdarstellung zu entnehmen ist, gibt es einerseits tatsächlich kein Anbringen des Bw vom 5. Oktober 2007; beide im Gerichtsakt enthaltenen Anbringen tragen ein anderes Datum und sind auch zu anderen Zeitpunkten beim Gericht eingelangt. Schon allein diese Unklarheit muss iSd. Rechtsprechung des VwGH zur Aufhebung führen.

Andererseits sind beide Anbringen an das Bezirksgericht L gerichtet, also eindeutig einem inländischen Gericht iSd. der angewendeten Verwaltungsstrafvorschrift und nicht – wie dem Bw vorgeworfen – „einer inländischen Behörde“. Wenn die Verwaltungsvorschrift unterschiedliche Tatbilder enthält und – wie hier – (wenn auch im Klammerausdruck) schon von ihrem Wortlaut her von einer Unterscheidung zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden ausgeht, muss auch der Tatvorwurf entsprechend konkretisiert und eingeschränkt werden.

Eine Sanierung dieser Punkte war dem Unabhängigen Verwaltungssenat auf Grund der bereits eingetretenen Verfolgungsverjährung nicht möglich.

3.4. Schon aus diesem Grund war daher der Berufung gemäß § 24 VStG iVm. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.

3.5. Bei diesem Ergebnis braucht weder darauf eingegangen werden, welche Folgen zu ziehen wären, weil die Behörde erster Instanz tatsächlich jegliche Erhebungen und Ausführungen zur Frage der Gewerbsmäßigkeit unterlassen hat und auch die Frage allenfalls bestehender besonderer Vorschriften gegen unbefugte Parteienvertretung nicht weiter geprüft hat, noch der Frage näher nachgegangen werden, ob die Behörde erster Instanz überhaupt zu Recht von ihrer örtlichen Zuständigkeit ausgehen durfte. Da die genannte Bestimmung keine besondere Regelung über die örtliche Zuständigkeit enthält, richtet sich diese nach § 27 VStG und wäre daher jedenfalls zu erheben gewesen, wo die angebliche Verwaltungsübertretung tatsächlich begangen wurde, wo also tatsächlich das fragliche Anbringen verfasst wurde.

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat vorzu­schreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Wolfgang Steiner

Rechtssatz:

 

VwSen-300859/5 vom 3. Dezember 2008

 

(EGVG, Art. III Abs. 1 Z. 1 (vormals: Art. IX Abs. 1 Z. 1), Winkelschreiberei; VStG § 44a):

 

Der Tatbestand der Winkelschreiberei enthält mehrere Tatbilder (verfassen/vertreten/anbieten – Anbringen/Urkunden – inländische/ausländische Gerichte/Verwaltungsbehörden). Wenn die Verwaltungsvorschrift unterschiedliche Tatbilder enthält und – wie hier –schon von ihrem Wortlaut her von einer Unterscheidung zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden ausgeht, muss auch der Tatvorwurf entsprechend konkretisiert und eingeschränkt werden.

 

Weiters: unzureichende Umschreibung des Tatzeitpunkt; keine Erhebungen und Ausführungen zur Gewerbsmäßigkeit, zur Frage bestehender Sondervorschriften (Abs. 3) sowie zur Frage der örtlichen Zuständigkeit.

 

 

 

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