Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281109/2/Kl/Se

Linz, 05.12.2008

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn G B, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 22. Juli 2008, Ge96-32-2008, wegen Verwaltungsübertretungen nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

Zu II: § 66 Abs.1 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 22. Juli 2008, Ge96-32-2008, wurden über den Berufungswerber Geldstrafen von 1) 1.000 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe 35 Stunden und 2) 500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe 22 Stunden, wegen Verwaltungsübertretungen gemäß je § 130 Abs.1 Z16 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz iVm 1) § 36 Abs.6 AM-VO und 2) § 34 Abs.1 Z3 AM-VO verhängt, weil er, wie am 27. Mai 2008 vom Arbeitsinspektor des AI Wels, Herrn Ing. Mag. P D, auf der Baustelle W, Innenhof, anlässlich einer Unfallerhebung bei der Besichtung festgestellt wurde, ArbeitnehmerInnenschutzbestimmungen nicht eingehalten hat.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens, in eventu die Zurückverweisung an die Behörde erster Instanz und die Herabsetzung der Strafhöhe beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass dem Bw die Tatvorwürfe zu unrecht angelastet werden. Seit 32 Jahren sei der Bw erfolgreich im Bereich der Gebäudereinigung unternehmerisch tätig und es sei bis dato noch nie zu einem derartigen Arbeitsunfall gekommen. Hiefür ausschlaggebend sei vorrangig, dass die Sicherheit der beschäftigten ArbeitnehmerInnen für das Unternehmen sehr wichtig sei und dementsprechend vor jedem Arbeitseinsatz entsprechende Arbeitsanweisungen im Sinn eines Kontrollsystems erfolgen. So sei es auch vor Arbeitsbeginn auf der Baustelle in Wels geschehen. Die Arbeitnehmer seien vor Beginn der Fensterreinigungsarbeiten von Herrn G B darauf hingewiesen worden, die Arbeiten mit der entsprechenden Sicherheit durchzuführen, insbesondere die für die Arbeiten verwendete Leiter stand- und rutschsicher aufzustellen sowie diese ordnungsgemäß zu sichern. Auch seien die Arbeitnehmer darauf hingewiesen worden, dass es keine Rolle spiele, ob die durchzuführenden Arbeiten in einem oder zwei Tagen erledigt werden, Hauptsache sei es jedenfalls, dass die Sicherheit gewährleistet sei. Die Verwendung einer Teleskopstange sei nicht angeordnet worden. Der Arbeitnehmer N Y habe sich jedoch nicht an die Anweisungen gehalten und die Leiter nicht ordnungsgemäß aufgestellt und habe zur Reinigung der Fenster eine Teleskopstange benutzt, obwohl dies nicht angeordnet gewesen sei. Er habe daher eigenmächtig entschieden. Auch sein Arbeitskollege M Y habe ihn aufgefordert von der Leiter zu steigen, um diese ordnungsgemäß aufzustellen, um die Reinigungsarbeiten in Griffweite durchführen zu können. Dies sei vom Arbeitnehmer abgelehnt worden und sei daher der Sturz aus eigenem Verschulden erfolgt. Den Bw treffe am gegenständlichen Unfall kein Verschulden. Den Arbeitnehmern seien geeignete Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt worden und bestünde daher keine erhebliche Gefährdung. Auch sei die Höhe der Strafe zu hoch bemessen. Es hätte mit der Mindeststrafe das Auslangen gefunden werden können.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als belangte Behörde hat die Berufung samt den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

Weil bereits aus der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

4. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen  Anforderungen kommt das angefochtene Straferkenntnis nicht nach. Dem Tatvorwurf fehlt sowohl ein Tatort, wie auch die Angabe der Tatzeit.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 17.12.2002, 2002/04/0192-3 mit Nachweisen) vermag die Angabe des Tages von getroffenen Feststellungen die Angabe der Tatzeit nicht zu ersetzen.

Sowohl in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11.7.2008 als erste Verfolgungshandlung, als auch im angefochtenen Straferkenntnis ist als Zeitangabe lediglich die am 27. Mai 2008 vom Arbeitsinspektor anlässlich einer Unfallserhebung bei der Besichtigung gemachte Feststellung angegeben, wann hingegen der Unfall bzw. die Tatbegehung war, ist nicht zu entnehmen. Dies reicht jedoch nach der vorzitierten Judikatur nicht.

Weiters erkennt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur, dass wenn dem Beschuldigten die Unterlassung gebotener Vorsorgehandlungen angelastet wird, für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde der Ort maßgebend ist, an dem der Beschuldigte tätig hätte werden sollen (handeln hätte sollen). Dies ist jener Ort, an dem die Unternehmensleitung ihren Sitz hat (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Seite 1426 mit Nachweisen).

Aus dem Gewerberegisterauszug ist ersichtlich, dass der Berufungswerber Gewerbeberechtigter für das reglementierte Gewerbe Zimmer- und Gebäudereinigergewerbe am Standort G, S , ist, und es wurde daher rechtmäßig gemäß § 27 VStG das Verwaltungsstrafverfahren an die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land übertragen und von dieser auch durchgeführt. Eine Tatortumschreibung in dieser Hinsicht fehlt aber sowohl der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11.7.2008, als auch dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses.

Die Angabe der Baustelle in W, als Angabe des Ortes der erbrachten Arbeitsleistung dient allerdings nach der vorzitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur der Individualisierung der vorgeworfenen Tathandlung, stellt aber nicht den Tatort dar. Im Übrigen wäre für diesen Tatort in Wels die belangte Behörde unzuständige Behörde.

 

Da innerhalb der 6-monatigen Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 VStG ein ausreichend konkretisierter Tatvorwurf an den Bw nicht ergangen ist, war das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Tatkonkretisierung; Tatzeit ist Zeit der Tatbegehung und nicht der Unfallserhebung; Tatort am Unternehmenssitz, nicht auf der Baustelle

 

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