Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240652/2/Gf/Mu/Ga

Linz, 24.11.2008

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung der A A, L, vertreten durch die RAe Dr. W W u.a., L, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Linz-Land vom 18. Juni 2008, GZ SanRB96-60-2006, wegen einer Übertretung des Aids-Gesetzes einerseits und des Geschlechtskrankheitengesetzes andererseits zu Recht erkannt:

I.       Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als

a) die zu Spruchpunkt 1) und 2) betreffend die Tatanlastung am 26. April 2006 verhängten Geldstrafen aufgehoben sowie

b) die zu Spruchpunkt 1) betreffend die Tatanlastung am 16. März 2006 verhängte Geldstrafe auf 200 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 9 Stunden sowie

c) die zu Spruchpunkt 2) betreffend die Tatanlastung am 16. März 2006 verhängte Geldstrafe auf 50 Euro herabgesetzt werden;

im Übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.

II.     Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde ermäßigt sich auf insgesamt 25 Euro; für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat ist kein Kosten­beitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 64 Abs. 1 und 2 VStG; § 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns von Linz-Land vom 18. Juni 2008, GZ SanRB96-60-2006, wurde über die Rechtsmittelwerberin einerseits eine Geldstrafe in Höhe von zwei Mal 245 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 12 Stunden) und andererseits eine Geldstrafe in Höhe von zwei Mal 70 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: jeweils 112 Stunden) verhängt, weil sie, wie anlässlich einer polizeilichen Kontrolle am 16. März 2006 und am 26. April 2006 um 17.30 Uhr jeweils festgestellt worden sei, jedenfalls seit dem 1. Juli 2005 der Prostitution nachgegangen sei, indem sie gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper geduldet bzw. solche an anderen vorgenommen habe, ohne sich einerseits vor Beginn dieser Tätigkeit sowie periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch im Abstand von drei Monaten, einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion nach § 4 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Z. 2 des Aids-Gesetzes, BGBl.Nr. 728/1993, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 98/2001 (im Folgenden: AidsG) sowie einer Untersuchung gemäß §§ 1 und 7 der Verordnung des Bundsministers für Gesundheit und Umweltschutz über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die der Prostitution nachgehen, BGBl.Nr. 314/1974, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 591/1993 (im Folgenden: ProstV), i.V.m. § 12 Abs. 2 des Geschlechtskrankheitengesetzes, StGBl.Nr. 152/1945, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 98/2001 (im Folgenden: GeschlKrG) unterzogen zu haben, indem sie bei den Kontrollen kein Gesundheitsbuch habe vorweisen können. Dadurch habe sie jeweils eine Übertretung des AidsG und des GeschlKrG begangen, weshalb sie nach § 9 Abs. 1 Z. 2 AidsG bzw. § 12 Abs. 2 GeschlKrG zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die der Beschwerdeführerin angelasteten Taten auf Grund der dienstlichen Wahrnehmungen von Polizeibeamten der Polizeiinspektion P und den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei zum einen als mildernd zu werten gewesen, dass gegen die Rechtsmittelwerberin keine einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen aufscheinen; andererseits sei die Strafe aber aus generalpräventiven Gründen angebracht gewesen, weil sie angekündigt habe, ihre Tätigkeit weiterhin auszuüben und eine Nachfrage bei der zuständigen amtsärztlichen Abteilung ergeben habe, dass sie sich seit der Kontrolle nicht um eine der erforderlichen Untersuchungen gekümmert habe. Die von der Beschwerdeführerin bekannt gegeben Familien- und Vermögensverhältnisse seien entsprechend berücksichtigt worden. Hinsichtlich der Einkommenssituation sei die belangte Behörde allerdings auf Grund entsprechender Erfahrungen von einem monatlichen Nettoeinkommen von bis zu 2.500 Euro ausgegangen.

1.2. Gegen dieses ihr am 25. Juni 2008 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 7. Juli 2008 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin bringt die Rechtsmittelwerberin vor, dass die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei, obwohl sie für die Erlassung des gegenständlichen Straferkenntnisses insgesamt mehr als zwei Jahre benötigt habe. Auf Grund des langen Zeitraumes hätte sie die Beschuldige zu dem Vorwurf, dass sie seit dem 1. Juli 2005 bis dato der Prostitution nachgegangen sei, jedenfalls noch einmal gesondert einvernehmen müssen. Zudem würden nur Spekulationen angestellt und diese dem Straferkenntnis zugrunde gelegt, nämlich: der Vorwurf, seit dem 1. Juli 2005 ohne konkreten Endzeitpunkt als Prostituierte tätig zu sein; die Auslegung der Tätigkeit "Prostitution"; und die erfundene Annahme ihres monatlichen Einkommens. Darüber hinaus wird die überlange Verfahrensdauer beanstandet.

Aus diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu eine Herabsetzung der Strafe beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu GZ SanRB96-60-2006; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und auch die Verfahrensparteien einen entsprechenden Antrag nicht gestellt haben, konnte im Übrigen schon gemäß § 51e Abs. 3 Z. 1 und 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Weil im angefochtenen Straferkenntnis eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, ist im Rechtsmittelverfahren ein Einzelmitglied zur Entscheidung berufen (vgl. § 51c VStG).

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 4 Abs. 2 AidsG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 7.260 Euro zu bestrafen, der gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor der Aufnahme dieser Tätigkeit sowie periodisch wiederkehrend, mindestens jedoch im Abstand von drei Monaten einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Vorliegen einer HIV-Infektion unterzogen zu haben.

Nach § 12 Abs. 2 GeschlKrG i.V.m. §§ 1 und 7 ProstV begeht u.a. derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 70 Euro zu bestrafen, der gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder solche Handlungen an anderen vornimmt, ohne sich vor der Aufnahme dieser Tätigkeit  sowie regelmäßig im Abstand von einer Woche einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen.

3.2. Im vorliegenden Fall geht es nicht darum, zu beurteilen, ob es – wie die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung offenkundig meint – bei den ihr angelasteten "Tantra-Massagen" auch zu intimen körperlichen Kontakten, insbesondere auch zu einem Geschlechtsverkehr, gekommen ist. Denn nach dem insoweit unmissverständlichen Wortlaut des § 9 Abs. 1 Z. 2 Aids-G bzw. des § 12 Abs. 2 GeschlKrG reicht für eine Strafbarkeit schon hin, dass die Rechtsmittelwerberin gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper duldet oder an anderen vorgenommen hat. Im Hinblick auf den Schutzzweck der vorangeführten Bestimmung unterliegen demnach bereits solche sexuellen Handlungen der Strafbarkeit, bei denen die Möglichkeit einer HIV-Übertragung besteht.

3.2.1. Im gegenständlichen Fall geht bereits aus der Anzeige vom 9. Mai 2006, GZ A/10606/06-Bau, hervor, dass die Beschuldigte anlässlich der Kontrolle am 16. März 2006 im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme zu ihrer Tätigkeit im S-I selbst bestätigt hat, dass es sich bei den Shivamassagen um solche handelt, bei denen auch der Intimbereich des Kunden mitmassiert wird.

Wenn die Beschuldigte nunmehr einwendet, dass eine Tantra-Massage das spezifische Ziel habe, die spirituelle Übereinstimmung mit dem Kunden zu erreichen und es sich dabei nicht um die Ausübung einer sexueller Befriedigung anderer Personen handle, sondern vielmehr bloß um das Erreichen einer körperlichen, seelischen und geistigen Ausgewogenheit, so ist ihre nunmehrige Äußerung insgesamt als Schutzbehauptung zu werten. Denn bei ihrer Ersteinvernahme am 16. März 2006 zu ihrer beruflichen Tätigkeit hat sie den Polizeibeamten, die ihr eine Prostitutionsausübung angelastet haben, nicht nur nicht widersprochen, sondern sie hat sogar niederschriftlich bestätigt, dass es sich hiebei auch um Massagen im Intimbereich handelt und es somit sehr wohl auch lebensnah ist, dass es bei derartigen Massagen zu sexuellen Erregungen kommen kann. Zudem hat sie auch später, nämlich bei ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde am 27. Juni 2006 (vgl. die Niederschrift der BH Linz-Land, Zl. SanRB96-60-2006), neuerlich zugegeben, dass sie die ihr für den 16. März 2006 angelastete Tat begangen hat. Zudem hat sie dort eingestanden, derartige Massagen seit dem 1. Juli 2005 – mit einer lediglich viermonatigen Unterbrechung von Oktober 2005 bis Jänner 2006 – durchgeführt zu haben (vgl. in diesem Zusammenhang  auch das VwGH-Erkenntnis vom 28. Oktober 2004, Zl. 2004/09/0088).

Darüber hinaus ist aus der o.a. Polizeianzeige vom 9. Mai 2006 ersichtlich, dass die Beschuldigte schon am 16. März 2006 auf den Tatvorwurf hingewiesen und aufgefordert wurde, sich ein Gesundheitsbuch bei der Behörde ausstellen zu lassen, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zum Ergebnis kommt, dass es sich auch bei ihrer nunmehrigen, offenkundig nach erfolgter Rechtsberatung geänderten Argumentation um eine bloße Schutzbehauptung handelt.

3.2.2. Dem gegenüber konnte die für den 26. April 2006 vorgenommene Tatanlastung nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit als erwiesen angesehen werden, weil sich diesbezüglich schon aus der polizeilichen Anzeige keine konkreten Anhaltspunkte und in der Folge auch im Ermittlungsverfahren keine dementsprechenden Nachweise ergeben haben.

3.2.3. Die Beschwerdeführerin hat daher bloß am 16. März 2006 tatbestandsmäßig und – indem sie es unterlassen hat, sich vor dem Antritt der Ausübung ihrer gewerbsmäßigen Tätigkeit über die einschlägige Rechtsvorschriften zu informieren – auch zumindest grob fahrlässig und damit schuldhaft gehandelt.

Für den Zeitpunkt dieser ersten Kontrolle ist daher ihre Strafbarkeit gegeben.

3.3. Auch die von der belangten Behörde im Zuge der Strafbemessung herangezogenen Erwägungen sind grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Der Verfassungsgerichtshof steht allerdings in nunmehr ständiger Rechts­sprechung auf dem Standpunkt, dass im Hinblick auf Art. 6 und Art. 16 MRK auch im Verwaltungsstrafverfahren eine überlange Verfahrensdauer als ein besonderer Milderungsgrund i.S.d. § 19 Abs. 2 VStG zu berücksichtigen ist (vgl. jüngst z.B. VfGH v. 6. November 2008, G 86,87/08 und vom 9. Juni 2006, B 3585/05, jeweils m.w.N.).

Aus diesem Grund und deshalb, weil letztlich nur eine der beiden Tatanlastungen als erwiesen angesehen werden kann, findet es daher der Oö. Verwaltungssenat als in gleicher Weise tat- und schuldangemessen, die verhängte Geldstrafe zu Spruchpunkt 1) und 2) betreffend die Tatanlastung am 26. April 2006 aufzu­heben, die verhängte Geldstrafe betreffend des Vorfallstages am 16. März 2006 zu Spruchpunkt 1) auf 200 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe nach der durch § 16 VStG vorgegebenen Relation mit 9 Stunden und die verhängte Geldstrafe zu Spruchpunkt 2) auf 50 Euro herabzusetzen.

3.4. Insoweit war daher der gegenständlichen Berufung gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben; im Übrigen war diese hingegen als unbegründet  abzuweisen und das angefochtene Straferkenntnis zu bestätigen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis ermäßigt sich der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf insgesamt 25 Euro; nach § 65 Abs. 1 VStG war hingegen für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat kein Kostenbeitrag vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Dr. Grof

 

Rechtssatz:

VwSen-240652/2/Gf/Mu/Ga vom 24. November 2008

Art. 6 MRK; Art. 13 MRK; § 19 Abs. 2 VStG:

Herabsetzung der Geldstrafe bei überlanger Verfahrensdauer (hier: Dauer des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens über 2 Jahre)

 

 

 

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