Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100116/4/Kl/Rd

Linz, 27.01.1992

VwSen - 100116/4/Kl/Rd Linz, am 27. Jänner 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung der Dr. E A M, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. P P und Dr. I P, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wels vom 29. Juli 1991, Zl.III-VU-2426/90/G, wegen einer Verwaltungsübertretung nach der Straßenverkehrsordnung 1960 zu Recht:

I. Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf 36 Stunden herabgesetzt wird. Im übrigen wird das angefochtene Straferkenntnis sowohl hinsichtlich der Schuld als auch hinsichtlich der Strafe bestätigt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51, 19 und 16 VStG.

II. Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Wels hat mit Straferkenntnis vom 29. Juli 1991, III-VU-2426/90/G, über die Beschuldigte Dr. E M wegen einer Übertretung nach § 4 Abs.5 StVO 1960 eine Geldstrafe von 1.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt, weil sie am 9. November 1990 um 15.00 Uhr in W, auf der R in der Höhe des Hauses als Lenkerin des Pkw mit dem Kennzeichen nach einem Sachschadenunfall, mit dem ihr Verhalten in ursächlichem Zusammenhang stand, nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt hat, obgleich sie dem Geschädigten ihren Namen und ihre Anschrift nicht nachgewiesen hat. Gleichzeitig wurde als Beitrag zu den Verfahrenskosten ein Betrag von 100 S festgesetzt. Das Straferkenntnis stützt sich im wesentlichen auf die Verkehrsunfallsanzeige der Bundespolizeidirektion Wels sowie das durchgeführte Ermittlungsverfahren, wonach eindeutig erwiesen ist, daß weder ein Identitätsnachweis noch eine Meldung bei der nächsten Sicherheitsdienststelle ohne unnötigen Aufschub erfolgt ist. Als mildernd wurde die Unbescholtenheit gewertet. Das Verschulden, der Unrechtsgehalt der Tat sowie die persönlichen Verhältnisse der Beschuldigten wurden berücksichtigt.

2. Dagegen richtet sich die nunmehr fristgerecht eingebrachte Berufung, und es wird darin im wesentlichen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung gerügt. Dazu wird näher ausgeführt, daß der bekämpfte Bescheid nicht schlüssig darlegt, aufgrund welcher Beweisergebnisse die bescheidmäßigen Feststellungen getroffen wurden. Es wäre davon auszugehen gewesen, daß ein sofortiges Anhalten nicht möglich gewesen sei, die Berufungswerberin einen beruflichen Termin verschieben mußte und es ihr daher infolge der kurzen Zeitspanne nicht möglich war, Kontakt mit dem Geschädigten aufzunehmen. Das Tatbestandsmerkmal "ohne unnötigen Aufschub" ist daher nicht erfüllt, da der Gesetzgeber eine sofortige Meldung nicht normiert hat, sondern eine Beurteilung je nach dem Einzelfall zu erfolgen hat. Es kann daher der Berufungswerberin die kurze zeitliche Verzögerung wegen des Abstellens des Pkws und der anschließenden Terminverschiebung nicht vorgeworfen werden. Hinsichtlich der Strafzumessung wäre § 21 VStG anzuwenden und von der Verhängung einer Strafe abzusehen gewesen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsstrafakt der Bundespolizeidirektion Wels. Eine Gegenschrift wurde von der belangten Behörde nicht erstattet.

4. Da der Sachverhalt aus der Aktenlage im Zusammenhalt mit dem Berufungsvorbringen in den entscheidungsrelevanten Punkten geklärt erscheint und sich daher die Berufung auf eine unrichtige rechtliche Beurteilung stützt, und eine mündliche Verhandlung überdies in der Berufung nicht ausdrücklich verlangt wurde, war eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 VStG nicht anzuberaumen.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat für das Land Oberösterreich hat folgenden erwiesenen Sachverhalt festgestellt und der Entscheidung zugrundegelegt:

Außer Streit gestellt ist, daß die Berufungswerberin am 9. November 1990 um 15.00 Uhr in W auf der R, nächst dem Hause R, ihren Pkw lenkte und dabei einen Verkehrsunfall mit Sachschaden bei einem dort abgestellten Kraftfahrzeug der Fahrschule K verursachte. Die Berufungswerberin hat am Unfallsort nicht angehalten, sondern fuhr in die nahegelegene A, wo sie den von ihr gelenkten Pkw in der Hauseinfahrt abstellte. Sodann begab sie sich zu Fuß zu ihrem nahegelegenen Zweitwohnsitz in der M, um einen beruflichen Termin (die Berufungswerberin ist Musikschullehrerin und wollte einen Termin mit einer Privatschülerin verschieben) zu verschieben. Eine Verständigung bzw. ein Identitätsnachweis mit der Fahrschule K ist nicht erfolgt. Ebenso kam es zu keiner Meldungslegung bei der nächsten Sicherheitsdienststelle, da die Berufungswerberin um etwa 15.35 Uhr bereits von Sicherheitsorganen ausgeforscht und in ihrer Wohnung aufgefunden wurde. Die Ausforschung erfolgte aufgrund der Aussagen eines Augenzeugen und der Meldung des Geschädigten.

Dieser Sachverhalt wird aufgrund der Anzeige des Verkehrsunfallkommandos der Bundespolizeidirektion Wels vom 15. November 1990, der niederschriftlichen Einvernahme der nunmehrigen Berufungswerberin vom 12. November 1990, des Berichtes vom 2. April 1991 sowie der Stellungnahmen und des Vorbringens der Berufungswerberin als erwiesen angenommen. Wesentlich erscheint aufgrund des Berichtes vom 2. April 1991, daß die Berufungswerberin ihren Pkw in der Hauseinfahrt des Hauses Anzengruberstraße 1 abgestellt hat, sich aber nicht um ein Telefongespräch in diesem Haus (es ist ihr Elternhaus) bemüht hat bzw. sich nicht vergewissert hat, ob ein Betreten des Hauses möglich ist (der Bruder der Berufungswerberin war anwesend). Weiters befindet sich nur unwesentlich entfernt eine Telefonzelle vor dem Haus B. Auch an ihrem Zweitwohnsitz wurde eine telefonische Meldung nie versucht.

6. Hierüber hat der unabhängige Verwaltungssenat in rechtlicher Hinsicht erwogen:

6.1. Gemäß § 4 Abs.5 der Straßenverkehrsordnung 1960 haben, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs.1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben. Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 10.000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu zwei Wochen, zu bestrafen, wer insbesondere die Herbeiholung einer Hilfe nicht ermöglicht, den bei einem Verkehrsunfall entstandenen Sachschaden nicht meldet oder als Zeuge eines Verkehrsunfalles nicht Hilfe leistet (§ 99 Abs.3 lit.b StVO 1960).

Wenn nunmehr die Berufungswerberin behauptet, daß sie nach Abstellen ihres Pkws an einem Dauerparkplatz und Verschiebung ihres beruflichen Termins sodann wieder zur Unfallstelle zurückkehren wollte, um der Fahrschule Kölblinger als Unfallgeschädigten Name und Anschrift nachzuweisen, und dies zu einem früheren Zeitpunkt nach ihrer Sicht nicht möglich war, so ist dem entgegenzuhalten, daß nach der obigen Gesetzesstelle eine Verpflichtung zum Identitätsnachweis nicht gegeben ist. Vielmehr haben unfallbeteiligte Personen die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Diese gesetzliche Pflicht ist dann nicht gegeben, wenn sie von der Rechtswohltat des Identitätsnachweises Gebrauch machen.

Aufgrund des unter Punkt 5. festgestellten Sachverhaltes ist zwischen Verkehrsunfall und Betreten durch Sicherheitsorgane ein Nachweis von Name und Anschrift nicht erfolgt. Ebenso ist eine Verständigung der nächsten Polizei- oder Gendarmeriedienststelle durch die Berufungswerberin unterblieben. Ob dieses Unterbleiben für einen Zeitraum von etwa einer halben Stunde noch als rechtmäßig im Sinne des Gesetzesbegriffes "ohne unnötigen Aufschub" zu beurteilen ist, ist anhand der näheren Sachverhaltsumstände zu bewerten.

Konzediert man auch der Berufungswerberin, daß ihr im Grunde der Verkehrssicherheit ein unmittelbares Zurückkehren auf den eben vor dem Verkehrsunfall von ihr verlassenen Parkplatz, welcher sich unmittelbar gegenüber von der Unfallstelle befindet, nicht möglich war, so ist doch eine Kontaktnahme zum nächstmöglichen Zeitpunkt, also nach der nächsten Möglichkeit eines sicheren Abstellens ihres Pkws, erforderlich. Dies wäre nach der Sachverhaltsschilderung jedenfalls in ihrem Elternhaus gewesen. So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits entschieden, daß die rechtzeitige polizeiliche Meldung nötigenfalls durch ein relativ kurz nach dem Unfall mit der nächsten Sicherheitsdienststelle zu führendes Telefongespräch zu erfolgen hat. Es hat der Verwaltungsgerichtshof die Befürchtung, daß keine telefonische Verbindung zustandekommen werde, bzw. ein Zögern wegen der beträchtlichen Telefonatskosten nicht als entschuldigend gewertet. Vielmehr ist der Begriff "ohne unnötigen Aufschub" streng auszulegen und bedeutet dieser "sofort"; dies allerdings mit der Einschränkung, daß erst bei gegebener Möglichkeit die Unfallsanzeige erstattet werden muß. So gilt unter anderem die Frist als versäumt, wenn der Meldepflichtige die Anzeige ca. eine halbe Stunde nach dem Zeitpunkt erstattet, zu dem er dazu spätestens in der Lage wäre (VwGH 19.2.1982, 81/02/0267). Es hätte daher nach Abstellen des Pkws bei der Hauseinfahrt A in diesem Haus eine Meldung stattfinden können. Spätestens jedoch wäre die Berufungswerberin in ihrer Zweitwohnung in der Lage gewesen, eine Meldung zu erstatten. Hinsichtlich ihrer Verantwortung, einen beruflichen Termin verschieben zu wollen, ist auszuführen, daß dienstliche Verpflichtungen in der Regel einen Aufschub nicht zu rechtfertigen vermögen, es sei denn, der Unfall ereignet sich in unmittelbarer Nähe der Arbeitsstätte und der Unfallbeteiligte informiert sofort nach Eintreffen am Dienstort per Telefon die nächste Sicherheitsdienststelle. Dabei ist auf die Wichtigkeit der Berufstätigkeit Bedacht zu nehmen (vgl. Dietrich- Stolzlechner, Straßenverkehrsordnung I, Wirtschaftsverlag Dr. Anton Orac, 3. Auflage, zu § 4 StVO, Randnummer 103 ff). Es konnte daher der Berufungswerberin jedenfalls nach Eintreffen in ihrer Wohnung und noch vor Verlegung des beruflichen Termins eine Meldungslegung bei der nächsten Sicherheitsdienststelle zugemutet werden. In Anbetracht der mehreren ungenützten Möglichkeiten einer Meldungslegung für die Berufungswerberin erscheint daher das Merkmal "ohne unnötigen Aufschub" nicht mehr erfüllt. Es wurde daher der Tatbestand des § 4 Abs.5 StVO erfüllt. Hinsichtlich der Begehungsform ist auszuführen, daß Fahrlässigkeit im Hinblick auf § 5 VStG genügt. Da die belangte Behörde vom richtigen und auch dieser Entscheidung zugrundegelegten Sachverhalt ausgegangen ist, wesentliche Parteienrechte wie das Parteiengehör nicht verletzt hat und im übrigen auch den Sachverhalt richtig gewürdigt hat, konnte von einem rechtswidrigen Vorgehen der belangten Behörde nicht ausgegangen werden.

6.2. Hinsichtlich des angefochtenen Strafausmaßes hat bereits die belangte Behörde die persönlichen Verhältnisse der Beschuldigten erhoben und der Entscheidung zugrundegelegt. Ebenso wurden die Milderungs- und Erschwerungsgründe erhoben und die Unbescholtenheit der Beschuldigten als mildernd gewertet. Erschwerungsgründe traten nicht hervor. Im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Tat (es soll die Verkehrssicherheit und die Interessenssphäre des Geschädigten, nämlich Schadensgutmachung, geschützt werden) war von einem minderen Grad des Verschuldens der Berufungswerberin nicht auszugehen. Angesichts des doch beträchtlichen Sachschadens am Fahrzeug des Geschädigten kann daher auch nicht die Unbedeutenheiten der Folgen angenommen werden. Es sind daher die von der Berufungswerberin vorgebrachten Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 VStG (Absehen von der Strafe) nicht erfüllt. Vielmehr befindet sich die verhängte Strafe im untersten Drittel des für diese Verwaltungsübertretung vorgesehenen Strafrahmens, sodaß die verhängte Strafe als eher niedrig bemessen festgestellt werden kann.

6.3. Gemäß § 16 VStG ist zugleich mit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen, wobei die Ersatzfreiheitsstrafe ohne Bedachtnahme auf § 12 (Mindestdauer) nach den Regeln der Strafbemessung festzusetzen ist. In Anbetracht des im § 99 Abs.3 vorgesehenen Rahmens einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu zwei Wochen erscheint die von der belangten Behörde festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen als sehr hoch bemessen. Im Sinne der Strafzumessungsgründe, insbesondere unter Bedachtnahme auf den spezialpräventiven Zweck, die Berufungswerberin vor der Begehung einer gleichartigen Übertretung abzuhalten, kann mit einer Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden das Auslangen gefunden werden.

7. Gemäß § 65 VStG sind die Kosten des Berufungsverfahrens dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben worden ist. Es war daher spruchgemäß von der Kostenverhängung abzusehen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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