Linz, 22.12.2008
E R K E N N T N I S
Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn B R, E, vertreten durch die RA Dr. J P GmbH, L, vom 23. Juli 2008 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 20. Juni 2008, VerkR96-11477-2007, wegen Übertretungen des KFG 1967, aufgrund des Ergebnisses der am 15. Dezember 2008 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungsentscheidung) zu Recht erkannt:
I. Der Berufung wird im Punkt 2) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
Im Punkt 1) wird die Berufung abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Schuld- und Strafausspruch mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch das Wort "Inntalstraße" und der Satzteil "obwohl dies zumutbar war," zu entfallen haben.
II. Im Punkt 2) entfällt jegliche Verfahrenskostenvorschreibung.
Im Punkt 1) hat der Rechtsmittelwerber zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz den Betrag von 16 Euro, ds 20 % der Geldstrafe, als Kostenbeitrag zum Rechtsmittelverfahren zu leisten.
Rechtsgrundlage:
zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i, 44a Z1, 45 Abs.1 Z2 und 19 Verwaltungsstrafgesetz - VStG
zu II.: §§ 64 und 66 VStG
Entscheidungsgründe:
Zu I.:
1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen zwei Verwaltungsübertretungen gemäß jeweils §§ 103 Abs.1 Z1 iVm 4 Abs.2 und 134 Abs.1 KFG 1967 Geldstrafen von 1) 80 Euro (16 Stunden EFS) und 2) 50 Euro (10 Stunden EFS) verhängt, weil er, wie bei einer Verkehrskontrolle am 28. Oktober 2007 um 19.32 Uhr im Gemeindegebiet Meggenhofen, Bezirk Grieskirchen, Oberösterreich, auf der L519 auf Höhe Strkm 20.300, Fahrtrichtung Westen, festgestellt worden sei, als Zulassungsbesitzer (Halter) des Pkw Audi (D), obwohl dies zumutbar gewesen sei, nicht dafür gesorgt habe, dass das Kraftfahrzeug den kraftfahrrechtlichen Bestimmungen entsprach, zumal
1) die Freigängigkeit der Räder der 1. Achse nicht gegeben gewesen sei und dadurch der Lenkeinschlag wesentlich eingeschränkt gewesen sei, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssten, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßiger Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen.
2) die Bodenfreiheit lediglich 7 cm betragen habe, obwohl in Österreich diese mindestens 11 cm zu betragen habe, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssten, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßiger Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstünden.
Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 13 Euro auferlegt.
2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz, nachdem gegen die Berufungsvorentscheidung vom 30. Juli 2008 ein Vorlageantrag gestellt worden war, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 15. Dezember 2008 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Bw, seines Rechtsvertreters RA Dr. J P, des Zeugen Meldungsleger RI G H (Ml) und des technischen Amtssachverständigen Ing J L durchgeführt. Die Vertreterin der Erstinstanz war entschuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.
3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, das Kraftfahrzeug sei im September 2008 abgemeldet worden und Unterlagen habe er nicht mehr. Jedoch sei das Kfz so, wie am 28. Oktober 2007 angetroffen, vom TÜV genehmigt gewesen. Schon weil der Pkw den deutschen Zulassungsvorschriften entsprochen habe und damit auch die Verkehrs- und Betriebssicherheit bestätigt gewesen sei, sei es zulässig gewesen, das Fahrzeug in Österreich zu lenken, selbst wenn es österreichischen Ausrüstungsvorschriften zuwider gelaufen sei, was ihm auch vom ADAC bestätigt worden sei. Ansonsten sei jedenfalls ein entschuldbarer Rechtsirrtum gegeben. Er habe kein fahrlässiges Handeln zu verantworten und auch niemanden geschädigt. Die Voraussetzungen des § 21 VStG lägen vor.
Die Tatvorwürfe seien nicht hinreichend konkretisiert, weil nicht dargelegt worden sei, welche Freigängigkeit der Räder und wieviel Abstand zum Boden zumindest gegeben sein müssen und wie diese Messung vorgenommen werde. Auch gehe die Erstinstanz offenbar davon aus, er habe selbst das Fahrzeug gelenkt, weshalb das Straferkenntnis zu beheben sei. Beantragt wird die Aufhebung des Straferkenntnisses, in eventu der Ausspruch einer Ermahnung, in eventu Strafherabsetzung.
4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw und sein Rechtsvertreter gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses berücksichtigt, der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen und auf dieser Grundlage ein Gutachten eines technischen Amtssachverständigen eingeholt wurde.
Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens lenkte G.S. den auf den Bw zugelassenen Pkw ... am 28. Oktober 2007 gegen 19.32 Uhr auf der L519, der Innbachtalstraße, und wurde bei km 20.3 im Bezirk Grieskirchen einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle unterzogen, bei der dem Ml auffiel, dass das Fahrzeug sehr tief gelegt war und der Abstand zwischen den Rädern der Vorderachse und dem Rand des Radkastens äußerst niedrig war. Aus diesem Grund wurde der Lenker veranlasst, mit dem linken Hinterrad auf einen im Polizeifahrzeug mitgeführten Keil aufzufahren, um beim Einfedern eine volle Beladung zu simulieren. Dabei stellte sich heraus, dass beim Einschlagen des Lenkrades nach rechts der rechte Vorderreifen an der äußeren Kante des Kotflügels streifte, sodass ein zB beim Kurvenfahren oder Einparken erforderlicher größtmöglicher Lenkeinschlag nicht möglich war. Auch betrug der vom Ml mittels Messlatte gemessene Abstand zwischen der Straße und der tiefsten Stelle der Bodenplatte des Pkw nur 7 cm – in Österreich ist eine Mindestbodenfreiheit von 11 cm vorgeschrieben. Wegen der an der Karosserie streifenden Ränder der Vorderreifen nahm der Ml wegen Gefahr im Verzug die Kennzeichentafeln und die Zulassungsbescheinigung gegen entsprechende Bestätigung ab und ließ den Pkw am dortigen Pendlerparkplatz abstellen. Der Ml schilderte bei seiner Zeugeneinvernahme in der mündlichen Verhandlung, beim Rangieren sei die Streifung des Gummis am Rand des Kotflügels in Form eines Quietschgeräusches eindeutig hörbar gewesen. Der Lenker habe ihm gesagt, ihm sei bei der Fahrt selber nichts aufgefallen.
Der technische Amtssachverständige führte aus, die Prüfung mittels Auffahren auf eine Auffahrtsrampe in Form eines Keiles sei ein übliches und gängiges Verfahren zur Feststellung eines ausreichenden Lenkeinschlages. Wenn dieser eingeschränkt sei, bestehe die Gefahr, dass das der Reifen beschädigt werde und das Fahrzeug seine Stabilität verliere, dass es bei Einfedervorgängen ins Schleudern komme und Kurven nicht gefahren werden könnten, was eine Gefahr für den Lenker, die Insassen und andere Straßenbenützer darstelle. Zur Mindestbodenfreiheit führte der Sachverständige aus, in Österreich seien jedenfalls 11 cm vorgeschrieben, in Deutschland bestünden Richtwerte bis 9 cm; diesbezüglich gebe es keine Vorschrift, wenn die Reifen einen ausreichenden Einschlag aufwiesen.
Der Bw, ein bayerischer Polizeibeamter, führte aus, er habe den Pkw vom ihm unsicher erscheinenden weil unbeleuchteten Pendlerparkplatz noch in der gleichen Nacht nach Deutschland abschleppen lassen und später ohne technische Änderungen in Deutschland zum TÜV gebracht, wo nach Entfernen der vorderen Räder samt Felgen festgestellt worden sei, dass innen im Radkasten keinerlei Schleifspuren ersichtlich und auch keine porösen Stellen an den Rändern der Reifen zu finden gewesen seien. Es sei aber richtig, dass er bei der technischen Abnahme im März 2007 beim TÜV darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass er in Österreich Schwierigkeiten haben könnte. Der Pkw sei bis 280 km/h zugelassen und er habe ihn seit April 2007 bis zum Verkauf im September 2008 gelenkt, ohne dass es zu Vorfällen gekommen sei. Er habe jederzeit seine Hand zwischen die Reifen und den Radkasten hineinlegen können und glaube daher nicht, dass der Abstand zu gering gewesen sei. Da auch innen keine Schleifspuren zu finden gewesen seien, habe der Ml offenbar überzogen gehandelt; später habe er in Velden mit Polizeikollegen gesprochen, die für ihre Strenge bekannt seien, und diese hätten die Situation anders beurteilt als der Ml.
Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates besteht kein Zweifel am Wahrheitsgehalt der Schilderungen des Ml, der laut den Ausführungen des Sachverständigen ein allgemein für solche Überprüfungen übliches Verfahren angewandt hat. Auch aus dem in dieser Situation aufgenommenen und von Ml vorgelegten Foto war, obwohl es bei Dunkelheit und künstlicher Beleuchtung aufgenommen worden war, für den Sachverständigen eine mögliche Streifung zwischen dem Rand des Reifens und dem äußersten Rand des Kotflügels bei nicht ausschließlich geradem Fahrbahnverlauf bzw bei bestimmten Fahrmanövern nachvollziehbar.
In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Gemäß § 103 Abs. 1 Z1 KFG 1967 hat der Zulassungsbesitzer dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung – unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht.
Gemäß § 4 Abs.2 KFG 1967 müssen Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen.
Nach den Ergebnissen des Beweisverfahrens ist der Bw als Zulassungsbesitzer auch für technische Änderungen am Pkw insofern verantwortlich, als dadurch bei der Teilnahme am Straßenverkehr bei sachgemäßem Betrieb keine Gefahr für den Lenker, Fahrzeuginsassen und andere Verkehrsteilnehmer entstehen darf. Wenn daher bei einem in Deutschland zugelassenen und TÜV-geprüften Kraftfahrzeug die in Deutschland geltenden kraftfahrrechtlichen Vorschriften und Zulassungsbestimmungen hinsichtlich Bodenfreiheit eingehalten werden, kann dem Bw als Zulassungsbesitzer daraus kein Nachteil erwachsen. Auf dieser Grundlage war im Punkt 2) des Straferkenntnisses gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG mit der Verfahrenseinstellung vorzugehen.
Im Punkt 1) liegt die Situation insofern anders, als bei der Prüfung durch dem Ml festgestellt wurde, dass bei bestimmten Konstellationen, insbesondere bei voller Beladung des Pkw hinten und Einfedern vorne in der Diagonale – simuliert durch das Auffahren auf einen Keil links hinten bei der Amtshandlung am 28. Oktober 2007 – beim Einschlagen jeweils der vordere Reifen am jeweiligen äußersten Kotflügelrand streifte, was nach den schlüssigen Ausführungen des Amtssachverständigen je nach eingehaltener Geschwindigkeit auch zum Verlieren der Stabilität des Fahrzeuges führen kann. Auch wenn der Bw sich auf gefahrloses Fahren auf Autobahnen, "Rennstrecken" uä beruft, vermag er damit die Schlüssigkeit der Aussagen des Sachverständigen nicht in Zweifel zu ziehen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat geht daher davon aus, dass hinsichtlich Mindestbodenfreiheit das Verfahren wegen Strafausschließungsgründen iSd § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen war.
Hinsichtlich des ungenügenden Lenkeinschlages war davon auszugehen, dass der Bw den ihm zur Last gelegten Tatbestand mit der Maßgabe, dass zum einen die Straßenbezeichnung L519 ausreicht und die Wortfolge hinsichtlich Zumutbarkeit – der Bw ist Zulassungsbesitzer, war aber nicht Lenker – erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.
Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 134 Abs.1 KFG 1967 bis 5.000 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis zu sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe vorsieht. Geringfügiges Verschulden iSd § 21 VStG liegt nicht vor; § 20 VStG kommt mangels Strafuntergrenze nicht zur Anwendung.
Der Unabhängige Verwaltungssenat kann nicht finden, dass die Erstinstanz den ihr bei der Strafbemessung zukommenden Ermessensspielraum in irgendeiner Weise überschritten hätte. Die Unbescholtenheit wurde mildernd berücksichtigt, straferschwerende Umstände waren nicht gegeben. Die finanziellen Verhältnisse des Bw wurden, von diesem unwidersprochen, geschätzt und waren auch dem Rechtsmittelverfahren zugrundezulegen. Ansätze für eine Strafherabsetzung waren daher nicht zu finden. Die verhängte Strafe liegt unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 19 VStG im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens und hält general- und spezialpräventiven Überlegungen stand. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
zu II.:
Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Mag. Bissenberger
Beschlagwortung:
Mindestbodenfreiheit 11 cm gilt in Österreich, nicht in Deutschland -> Einstellung, Streifen der Räder beim Einparken am Rand des Kotflügels -> Bestätigung