Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163727/3/Sch/Ps

Linz, 18.12.2008

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schön über die Berufung des Herrn A R H, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Mag. K F, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 18. November 2008,
Zl. S-18178/08 VP, wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung (StVO) 1960 zu Recht erkannt:

 

I.                   Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.                Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z2 VStG.

zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 18. November 2008,
Zl. S-18178/08 VP, wurde über Herrn A R H wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs.7 iVm § 19 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von 100 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Stunden, verhängt, weil er am 13. Mai 2008 um 19.45 Uhr in Linz, Stelzerstraße in Fahrtrichtung Gruberstraße, im Bereich der Kreuzung Leibnitzstraße (richtig: Leibnizstraße) – Stelzerstraße, als Lenker des Leichtmotorrades mit dem Kennzeichen xx den Vorrang eines von rechts kommenden Fahrzeuges verletzt habe, weil dessen Lenker zu einem unvermittelten Bremsen seines Fahrzeuges genötigt wurde.

Überdies wurde der Berufungswerber gemäß § 64 VStG zu einem Kostenbeitrag zum erstinstanzlichen Verfahren in der Höhe von 10 Euro verpflichtet.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht und die Berufung vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwies sich als nicht erforderlich (§ 51e Abs.2ff VStG).

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Folgendes erwogen:

 

Unbestritten ist, dass es zwischen dem Berufungswerber als Lenker eines Leichtmotorrades und dem Lenker eines Pkw an der eingangs angeführten Verkehrsfläche zu einem Verkehrsunfall mit Personenschaden gekommen ist. Der Berufungswerber kam mit seinem Fahrzeug zu Sturz und erlitt laut entsprechender Verletzungsanzeige des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Linz dort näher angeführten leichten Verletzungen.

 

Die Tatörtlichkeit stellt – wie ein kürzlich vom zuständigen Mitglied des Oö. Verwaltungssenates durchgeführter Lokalaugenschein bestätigt hat – eine ungeregelte gleichrangige Kreuzung dar, sodass von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen im Hinblick auf die Vorrangssituation die Bestimmung des § 19 Abs.1 StVO 1960, also die Rechtsregel, zur Anwendung zu kommen hat. In diesem Sinne war der Berufungswerber für den Zweitbeteiligten der Linkskommende, weshalb er grundsätzlich als Lenker ohne Vorrang gemäß § 19 Abs.7 StVO 1960 gegenüber dem zweitbeteiligten Fahrzeuglenker wartepflichtig gewesen wäre.

 

Gegenständlich muss aber auch auf die Bestimmung des § 19 Abs.8 leg.cit. StVO 1960 Bedacht genommen werden. Demnach darf der Lenker eines Fahrzeuges auf seinen Vorrang verzichten, wobei ein solcher Verzicht dem Wartepflichtigen deutlich erkennbar zu machen ist. Das zum Stillstandbringen eines Fahrzeuges, ausgenommen eines Schienenfahrzeuges in Haltestellen, aus welchem Grunde immer, insbesondere auch in Befolgung eines gesetzlichen Gebotes, gilt als Verzicht auf den Vorrang. Der Wartepflichtige darf nicht annehmen, dass ein Vorrangberechtigter auf seinen Vorrang verzichten werde und er darf insbesondere auch nicht annehmen, dass bei Vorrangverzicht eines Vorrang­berechtigten ein anderer Vorrangberechtigter gleichfalls auf seinen Vorrang verzichten werde, es sei denn, dem Wartepflichtigen ist der Vorrangverzicht von Vorrangberechtigten zweifelsfrei erkennbar.

 

Der zweitbeteiligte Fahrzeuglenker ist von den erhebenden Polizeibeamten am Tag des Unfalls befragt worden. In der entsprechenden Niederschrift gibt dieser an:

"Am 13. Mai 2008 lenkte ich mein Fahrzeug auf der Leibnizstraße Richtung Kaplanhofstraße. Bei der Kreuzung mit der Stelzerstraße blieb ich stehen, da ich die Kreuzung nicht einsehen konnte. Also tastete ich mich langsam nach vorne, ich wollte in gerader Richtung die Kreuzung überqueren. Plötzlich sah ich links von mir ein Mofa, hörte ein kurzes Quietschen, das Moped rutschte gegen mein linkes vorderes Eck und der Lenker wurde vom Mofa nach vorne in einem Bogen auf die Straße geschleudert."

 

Im Rahmen des gegen den Berufungswerber geführten Verwaltungsstraf­verfahrens wurde der zweitbeteiligte Fahrzeuglenker neuerlich, diesmal von der ersuchten Rechtshilfebehörde, einvernommen. In der Niederschrift, aufgenommen am Stadtamt L am 19. August 2008, heißt es in der hier relevanten Stelle:

"Da es sich dort um eine unübersichtliche Kreuzung handelt und auf der Stelzerstraße, von mir aus gesehen links, ein Kastenwagen abgestellt war, der den Einblick in die Kreuzung noch erschwerte, hielt ich meinen Pkw vor der Stelzerstraße an."

 

Es ist also im Akt zweimal dokumentiert, dass der Berufungswerber in der Stelzerstraße vor der Kreuzung mit der Leibnizstraße angehalten hat. Wenn nun der Berufungswerber in der Berufungsschrift darauf verweist, hier hätte ein Vorrangverzicht seitens des genannten Fahrzeuglenkers stattgefunden, so kann ihm grundsätzlich nicht entgegen getreten werden, wobei auf die gesetzliche Vermutung des Vorrangverzichts als Folge des Anhaltens eines Fahrzeuges vor einer Kreuzung, aus welchem Grund auch immer, im Sinne des § 19 Abs.8 StVO 1960 verwiesen wird. Wenngleich der Erstbehörde in ihren Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis zuzustimmen ist, wenn sie auf widersprüchliche Angaben des Berufungswerbers hinsichtlich des Verhaltens des Zweitbeteiligten hinweist und deshalb seine Glaubwürdigkeit in Frage stellt, dürfen deshalb nicht die Angaben des zweitbeteiligten Lenkers unberücksichtigt bleiben. Die wechselnde Verantwortung des Berufungswerbers ist ganz offenkundig darin begründet, jeweils die ihm gerade günstig ausreichende Unfallursachenversion darzulegen, wobei lebensnah bisweilen die Glaubwürdigkeit auf der Strecke bleibt.

 

In rechtlicher Hinsicht ist dieser Umstand gegenständlich aber nicht von Entscheidungsrelevanz, da der Sachverhalt im Hinblick auf einen – wenngleich ungewollten – Vorrangverzicht des zweitbeteiligten Fahrzeuglenkers hinreichend dargelegt ist und somit ein Vorrang aufgrund des § 19 Abs.1 StVO 1960 nicht mehr bestand. Wer keinen Vorrang (mehr) hat, dem kann dieses Recht nicht durch andere Fahrzeuglenker durch Nötigen zu unvermitteltem Bremsen oder Ablenken des Fahrzeuges verletzt werden.

 

Zu II.:

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

 

S c h ö n