Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-231015/12/Fi/Se

Linz, 22.12.2008

 

 

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Vizepräsident Mag. Dr. Johannes Fischer über die Berufung des K R, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. R A, T, gegen den Bescheid (Straferkenntnis) des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Land vom 2. September 2008, VerkR96-429132007-Ni/Pi, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs 1 des Sicherheitspolizeigesetzes (Spruchpunkt 6. dieses Bescheides), zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich Spruchpunkt 6. aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren insofern eingestellt.

 

II.              Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 21, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 64 Abs 1 und 2 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Land vom 2. September 2008, VerkR96-42913-2007, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) eine Geldstrafe in der Höhe von 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt, weil er am 22.8.2007 in der Zeit von 10.23 Uhr bis 10.30 Uhr – unter näher genannten Umständen – trotz vorausgegangener Abmahnungen gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrgenommen haben, aggressiv verhalten und dadurch eine Amtshandlung behindert habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 82 Abs 1 des Sicherheitspolizeigesetzes begangen.

Begründend führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen an, dass der der Bestrafung zugrundeliegende Sachverhalts aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere durch die dienstliche Wahrnehmung der Polizeiorgane erwiesen sei.

Die Behörde schließt ihre Begründung mit einer Beweiswürdigung sowie mit Erwägungen zur Strafbemessung.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, hinterlegt am 18.9.2008, richtet sich die am 1.10.2008 bei der Behörde erster Instanz eingebrachte – und somit rechtzeitige – Berufung, welche von der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde.

Begründend wird darin zunächst ausgeführt, dass die Erstbehörde Tatsachen in der Beweiswürdigung unrichtigerweise festgestellt habe, da sich der Bw den einschreitenden Beamten gegenüber keinesfalls aggressiv verhalten habe, keinesfalls eine Amtshandlung seinerseits behindert worden sei und er darüber hinaus niemals eine Abmahnung erhalten habe. Als er verweigert habe, seinen Familienstand und sein Einkommen zu nennen, habe die anwesende Beamtin gemeint, dass er die Aussage verweigere. Darauf habe er sie "angeschaut und zu lachen" begonnen. Er sei davon ausgegangen, dass die Beamten ihre Amtshandlung beendet haben. Er könne sich nicht erklären, was von Amts wegen noch zu erheben gewesen wäre.

Abschließend stellt er klar, dass seinerseits Sorgepflichten für drei Kinder und eine einkommenslose Ehefrau bestehen.

Im Hinblick auf die vorgebrachten Einwände stellte der Bw den Antrag, der Berufung Folge zu gegeben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Gänze einzustellen.

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung samt den dort geführten Verwaltungsakt erster Instanz zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt sowie durch die Abhaltung einer öffentlich mündlichen Verhandlung am 20. November 2008 bzw. (fortgesetzt) am 11. Dezember 2008, an welcher neben dem Bw auch (in der Verhandlung am 11. Dezember 2008) sein Rechtsver­treter und als Zeugen die im Zuge der verfahrensgegenständlichen Amtshandlung beteiligten Organe der öffentlichen Aufsicht teilgenommen haben.

2.3. Auf Grund des Beweisverfahrens ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt.

Im Zuge einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle am 22. August 2007 in der Zeit von 10.23 Uhr bis 10.30 Uhr in W, Linzer Straße in Höhe des Hauses Nummer ... ist es – bei einer im Hinblick auf den dort vorherrschenden öffentlichen Verkehr schwierigen Anhaltesituation – zu einem emotionsgeladenen verbalen Abtausch zwischen dem Bw und den einschreitenden Organen der öffentlichen Aufsicht gekommen. Diese Situation hat sich im Zuge der knapp 10 Minuten dauernden Amtshandlung dahingehend gesteigert, dass der Bw im Zuge der Fragen nach dem Beruf und dem Familienstand in der Tonlage lauter wurde – er hat gesagt: "Das geht keinen was an" – und das mit zunehmender Lautstärke.

Hauptansprechpartner des Bw war GI Ch. R. von der Polizeiinspektion W-P, den der Bw auch die gewünschten Legitimationspapiere übergeben hat und welche diese auch kontrolliert hat. Dieser Polizeibeamte, der diese Amtshandlung in erster Linie führte, sah sich – wie er im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung glaubhaft darstellte – durch das Verhalten des Bw an der Wahrnehmung bzw. der rechtmäßigen Ausübung seines Dienstes nicht (ins Gewicht fallend) behindert; er hat die für seine Amtsgeschäfte erforderlichen Erhebungen abschließen können – weitere Erhebungen bzw. Informationen seitens des Bw waren nicht mehr erforderlich.

2.4. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt sowie den Aussagen des Bw und der Zeugen (insbesondere des hauptagierenden Polizeiorgans GI Ch. R. von der Polizeiinspektion W-P).

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

3.2. Gemäß § 82 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes – SPG, BGBl. Nr. 566/ 1991, in der im vorliegenden Fall (vgl. § 1 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG; Tatzeitpunkt: 22. August 2007) anzuwendenden Fassung zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 56/2006, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 218 Euro zu bestrafen, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnimmt, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

Zum Tatbild der zitierten Verwaltungsvorschrift gehört zunächst, dass ein Organ der öffentlichen Aufsicht in Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben einschreitet, was im vorliegenden Fall durch das Einschreiten zweier Polizeibeamter (vgl. Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, 3. Aufl, A.5.2.1 zu § 82 SPG) zum Zweck der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (§§ 20 ff, §§ 27 ff und §§ 32 ff SPG) sowie im Rahmen der straßenpolizeilichen Aufsicht eindeutig gegeben ist.

Weiteres Tatbestandselement ist eine vorausgegangene Abmahnung. Abmahnung bedeutet so viel wie (Er-)Mahnung oder Zurechtweisung und besteht in der Aufforderung, ein Verhalten im Hinblick auf seine Gesetz- oder Ordnungswidrigkeit einzustellen, wobei die Aufforderung, ein bestimmtes Verhalten einzustellen, den Hinweis auf dessen Unzulässigkeit impliziert. Das Gesetz schreibt den Ge­brauch bestimmter Worte für eine wirksame Abmahnung nicht vor, insbesondere muss sie nicht die Folgen weiteren Zuwiderhandelns zur Kenntnis bringen. Freilich muss dem Betroffenen die Abmahnung als solche erkennbar sein und bewusst werden.

Das zentrale Tatbestandsmerkmal einer Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 SPG besteht im aggressiven Verhalten. Unter aggressivem Verhalten ist ein solches zu verstehen, durch das die jedem Staatsbürger gegen das Einschreiten eines Polizeiorgans zuzubilligende Abwehr vermeintlichen Unrechts derart überschritten wird, dass diese Abwehr zufolge des Tons des Vorbringens, der zur Schau gestellten Gestik oder durch beides zusammen als „aggressives Verhalten“ gewertet werden muss (vgl. die Nachweis bei Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, 3. Aufl, C 2 zu § 82 SPG). Das Gesetz verlangt aggressives Verhalten, einer „besonderen“ Aggressivität bedarf es aber nicht (vgl. Verwaltungsgerichtshof – VwGH vom 27. November 1989, 88/10/0184). Ein solches aggressives Verhalten liegt jedenfalls auch dann vor, wenn das Verhalten noch nicht als Anwendung von Gewalt oder als gefährliche Drohung (§ 269 des Strafgesetzbuchs [StGB] – Widerstand gegen die Staatsgewalt) zu qualifizieren ist.

Dabei ist eine aggressive Gestik tatbildlich, nicht aber in jedem Fall erforderlich. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist bereits das Schreien mit oder zu einem Aufsichtsorgan auch noch nach erfolgter Ab­mah­nung zur Erfüllung des Tatbestandes ausreichend, wobei der Inhalt der im Schreien vorgebrachten Argumente prinzipiell gleichgültig ist (VwGH vom 20. Dezember 1990, 90/10/0056).

Beschimpft der Beschuldigte die in rechtmäßiger Ausübung ihres Dienstes ein­schreitenden Polizeibeamten und verhält er sich diesen gegenüber aggressiv in­dem er diese anschreit, so dass die Amtshandlung behindert wurde und stellt er dieses Verhalten trotz Abmahnung nicht ein, verwirklicht er das Tatbild des § 82 Abs. 1 SPG.

Es kann im konkreten Fall dahingestellt bleiben, ob das Verhalten des Bw – tatbestandserfüllend – als "aggressives Verhalten" zu qualifizieren ist. Das alleine reicht nämlich für eine Bestrafung nach § 82 Abs.1 SPG nicht aus. Kumulativ muss hinzutreten, dass "dadurch eine Amtshandlung behindert" wird. Wie das Beweisverfahren ergeben hat, kann es nicht als zweifelsfrei erwiesen angenommen werden, dass das – emotionale – Verhalten des Bw auch dazu geführt hat, dass die konkrete Amtshandlung behindert wurde.

Da es somit bereits an der objektiven Tatbestandserfüllung mangelt, scheidet eine Strafbarkeit des Bw aus. Es war der Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs 4 AVG stattzugeben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß § 65 VStG kein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat aufzuerlegen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

Rechtssatz:

VwSen-231019/12/Fi/Se vom 22. Dezember 2008

§ 82 Abs 1 SPG

Strafbar ist ein Verhalten nur, wenn zur "Aggressivität" des Verhaltens (kumulativ) eine Behinderung der Amtshandlung hinzu tritt.