Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522114/4/Zo/Jo

Linz, 11.12.2008

 

                                                                                                                                                        

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn M F, geb. , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K W, vom 29.10.2008, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes von Perg vom 14.10.2008, Zl. VerkR21-463-2008, wegen Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung zu Recht erkannt:

 

 

I.                   Hinsichtlich Punkt 1. wird die Berufung abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Berufungswerber verpflichtet ist, sich innerhalb von vier Wochen nach Zustellung der Berufungsentscheidung hinsichtlich seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen untersuchen zu lassen.

 

II.                 Punkt 2. des angefochtenen Bescheides wird aufgehoben.

 

III.              Der Antrag auf Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens wird abgewiesen.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I. und II.: §§ 66 Abs.4 und 67a Abs.1 AVG iVm §§ 24 Abs.4 und 30 Abs.3 FSG sowie

                    § 7 Abs.2 FSG-GV;

zu III.:        § 74 Abs.1 AVG;

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Perg hat mit dem angefochtenen Bescheid den Berufungswerber aufgefordert, zum Nachweis seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen sich innerhalb von vier Wochen nach Zustellung des Bescheides amtsärztlich untersuchen zu lassen. Weiters wurde er aufgefordert, soweit aufgrund dieser Untersuchung noch bestimmte Befunde zur Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens erforderlich sind, diese unverzüglich zu erbringen.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung machte der Berufungswerber geltend, dass er im Besitz einer tschechischen Lenkberechtigung sei, welche bis 19.11.2010 befristet ist. Die tschechischen Behörden hätten das Sehvermögen des Berufungswerbers vor Erteilung der Lenkberechtigung überprüft und deshalb den Führerschein befristet.

 

Die österreichischen Behörden hätten keine Rechtsgrundlage, ein in Tschechien ordnungsgemäß ausgestelltes Führerscheindokument anzuzweifeln bzw. die gesundheitliche Eignung zu überprüfen. Sie könne sich auch nicht auf die 11. Führerscheingesetznovelle berufen, weil diese erst am 10.01.2008 im BGBl. verlautbart worden ist. Damit wurde die 3. Führerscheinrichtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 20.12.2006 umgesetzt. In Artikel 11 dieser Richtlinie wird den Mitgliedsstaaten unter Einhaltung der straf- und polizeirechtlichen Territorialgrundsätze die Erlaubnis erteilt, die innerstaatlichen Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anzuwenden.

 

Die tschechische Fahrerlaubnis sei jedoch bereits am 23.11.2005 erteilt worden, weshalb weder die 3. Führerscheinrichtlinie noch die 11. Führerscheingesetz­novelle angewendet werden dürften.

 

Der Behörde lägen keine triftigen Gründe für die Annahme vor, dass der Berufungswerber nicht gesundheitlich geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen sei. Die tschechische Behörde hätte die Lenkberechtigung niemals erteilt, wenn er nicht seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Fahrzeugen der Gruppe B nachgewiesen hätte.

 

Es wurde daher beantragt, der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid aufzuheben bzw. in eventu zur Verfahrensergänzung an die Erstbehörde zurückzuweisen. Weiters wurde beantragt, die Erstbehörde zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens zu verpflichten.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Perg hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 AVG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Einholung einer Stellungnahme des Berufungswerbers. Daraus ergibt sich der für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich ist. Eine solche wurde auch nicht beantragt.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Berufungswerber war zuletzt im Jahr 2001 im Besitz einer von der BH Perg befristet erteilten Lenkberechtigung. Bei einer amtsärztlichen Untersuchung am 10.07.2003 wurden mehrere Umstände festgestellt, welche sich allenfalls auf seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen auswirken könnten. Unter anderem ergab eine augenfachärztliche Stellungnahme, dass mit Korrektor ein Visus von rechts 0,3 und links 0,4 erzielt wurde. Aufgrund dieses herabgesetzten Sehvermögens war der Berufungswerber damals nicht zum Lenken von Kraftfahrzeugen geeignet. Dem Berufungswerber wurde am 23.11.2005 der tschechische Führerschein für die Klasse B erteilt. Dieser Führerschein ist entsprechend der im Akt befindlichen Kopie bis 22.12.2015 befristet, das in der Berufung angeführte Datum 19.11.2010 betrifft offenbar nicht den Führerschein sondern ein tschechisches Reise- bzw. Aufenthaltsdokument.

 

Der Berufungswerber wurde mit Schreiben vom 17.11.2008 um Mitteilung gebeten, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen sich sein Sehvermögen seit der augenfachärztlichen Stellungnahme aus dem Jahr 2003 verbessert hat. Dazu führte er an, dass er seit 2003 nicht mehr in augenfachärztlicher Behandlung stehe, jedoch bei der damaligen Ausstellung des tschechischen Führerscheines im Jahr 2005 ein augenfachärztliches Gutachten erstellt worden sei. Dieses befinde sich im tschechischen Führerscheinakt und er habe keine Möglichkeit, es zu erhalten.

 

5. Darüber hat der UVS des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Bestehen Bedenken, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ist gemäß § 24 Abs.4 FSG ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung einzuschränken oder zu entziehen. Bei Bedenken hinsichtlich der fachlichen Befähigung ist ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen. Leistet der Besitzer der Lenkberechtigung innerhalb der festgesetzten Frist einem rechtskräftigen Bescheid, mit der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu erbringen oder die Fahrprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, ist ihm die Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung zu entziehen.

 

§ 30 Abs.3 letzter Satz FSG lautet:

Hat eine Person mit Wohnsitz in Österreich, der die Lenkberechtigung in Österreich wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung entzogen wurde, trotzdem in einem EWR-Staat eine Lenkberechtigung erworben, so ist diese anzuerkennen, es sei denn, ein gemäß § 24 Abs.4 eingeholtes amtsärztliches Gutachten bestätigt, dass die gesundheitliche Nichteignung nach wie vor besteht.

 

5.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs.4 FSG nur dann zulässig, wenn zum Zeitpunkt seiner Erlassung begründete Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Betroffenen zum Lenken von Kraftfahrzeugen bestehen. Im konkreten Fall wurde im Jahr 2003 festgestellt, dass der Berufungswerber nicht über die erforderliche Sehschärfe zum Lenken von Kraftfahrzeugen verfügt. Er hat sich seit dieser Zeit nach seinen eigenen Angaben nicht in augenfachärztlicher Behandlung befunden und es ist allgemein bekannt, dass sich die Sehschärfe durch das bloße Verstreichen von Zeit im Allgemeinen nicht bessert. Dem Berufungswerber wurde im Jahr 2005 eine Lenkberechtigung in der Tschechei erteilt, wobei nach seinem eigenen Vorbringen auch sein Sehvermögen untersucht wurde. Das damals angeblich erstellte augenfachärztliche Gutachten oder ein sonstiges aktuelleres augenfachärztliches Gutachten hat der Berufungswerber jedoch trotz Aufforderung nicht vorgelegt, sodass durchaus berechtigte Bedenken daran bestehen, ob er die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen besitzt.

 

§ 30 Abs.3 letzter Satz FSG ist – wie der Vertreter des Berufungswerbers zutreffend vorbringt – erst am 11.01.2008 in Kraft getreten. Dennoch ist diese Bestimmung auch auf den konkreten Fall anzuwenden, weil dieser nach der derzeit geltenden Rechtslage zu beurteilen ist. Eine Übergangsregelung, wonach die Bestimmung auf bereits erteilte Lenkberechtigungen nicht angewendet werden dürfe, wurde nicht beschlossen. Entsprechend dieser Regelung wäre die vom Berufungswerber in Tschechien erworbene Lenkberechtigung dann anzuerkennen, wenn nicht ein gemäß § 24 Abs.4 eingeholtes amtsärztliches Gutachten das Weiterbestehen der Nichteignung ergibt. Diese gesetzliche Regelung setzt offenbar voraus, dass in derartigen Fällen ein Gutachten gemäß § 24 Abs.4 FSG eingeholt werden kann (bzw. die Behörde dazu auch verpflichtet ist), sofern begründete Bedenken an der gesundheitlichen Eignung des Berufungswerbers bestehen.

 

Dem Berufungsvorbringen, dass sich diese Regelung auf Artikel 11 Z2 der 3. Führerscheinrichtlinie stützt, und daher deshalb nicht angewendet werden dürfe, weil die dritte Führerscheinrichtlinie erst nach Erteilung der tschechischen Lenkberechtigung in Kraft getreten ist, ist entgegen zu halten, dass eine dem Artikel 11 Z2 der 3. Führerscheinrichtlinie gleichlautende Regelung bereits in Artikel 8 Abs.2 der Richtlinie 91/439 (1. Führerscheinrichtlinie) enthalten ist. Bereits entsprechend dieser Regelung konnte der Mitgliedsstaat des ordentlichen Wohnsitzes vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzipes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheines seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen. Da diese Richtlinie bereits aus dem Jahr 1991 stammt, bestehen auch keine Bedenken, sie auf die von Tschechien im Jahr 2005 erteilte Lenkberechtigung anzuwenden.

 

Die Berufung war daher hinsichtlich Punkt 1. abzuweisen, wobei eine entsprechende Frist für die amtsärztliche Untersuchung neu festzulegen war.

 

Die Anordnung in Punkt 2. des angefochtenen Bescheides, wonach der Berufungswerber allenfalls erforderliche Befunde unverzüglich zu erbringen hat, entspricht nicht dem Bestimmtheitsgebot des AVG. Die Behörde darf nicht die Erbringung weiterer Befunde bereits zu einem Zeitpunkt anordnen, zu dem sie noch gar nicht weiß, ob bzw. allenfalls welche Befunde tatsächlich notwendig sind. Wenn aufgrund der amtsärztlichen Untersuchung der Amtsarzt weitere fachärztliche Stellungnahmen oder Befunde aus fachlicher Sicht für erforderlich erachtet, so hat die Behörde diese Notwendigkeit anhand der gesetzlichen Grundlagen zu überprüfen und allenfalls dann mit einem weiteren Bescheid den Berufungswerber konkret aufzutragen, welche fachärztlichen Stellungnahmen er innerhalb welcher Frist vorzulegen hat. Es ist durchaus einzuräumen, dass diese Vorgangsweise mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden ist, die von der Erstinstanz gewählte entspricht jedoch nicht dem § 24 Abs.4 FSG.

 

Bezüglich der Kostentragung herrscht im Verwaltungsverfahren der Grundsatz, dass jede Partei die ihr erwachsenden Kosten selbst zu tragen hat. Weiters besteht für das Berufungsverfahren vor dem UVS kein Anwaltszwang, sondern der Berufungswerber hätte seine Berufung auch ohne anwaltliche Vertretung einbringen können. Der Antrag auf Kostenersatz war daher abzuweisen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

Beschlagwortung:

Ausländische Lenkberechtigung; Zweifel an der gesundheitlichen Eignung; Aufforderung gem. § 24 Abs.4 FSG zulässig;


 

 

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