Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550441/3/Kl/RSt VwSen-550442/3/Kl/RSt

Linz, 13.02.2009

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine V. Kammer (Vorsitzender: Dr. Werner Reichenberger, Berichterin: Dr. Ilse Klempt, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über die Wiedereinsetzungsanträge der W H M GmbH, A, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. K M, W, 4950 A, vom 12. Februar 2009, betreffend Nachprüfungsverfahren sowie Verfahren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Auftraggeberin Oö. G AG, betreffend die Lieferung von Tischen und Stühlen für das AÖ LKH K, zu Recht erkannt:

 

 

Die Anträge werden als unbegründet abgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 71 und 72 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe der W H M GmbH (im Folgenden: Antragstellerin) vom 12. Februar 2009 wurden Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Verfahren betreffend Nichtigerklärung der Ausschreibung sowie Erlassung einer einstweiligen Verfügung gestellt und gleichzeitig ein Nachprüfungsantrag und Antrag auf einstweilige Verfügung eingebracht. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der zu entrichtenden Pauschalgebühren in Höhe von insgesamt 2.400 Euro beantragt. Die Wiedereinsetzung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Rechtsvertreter die Antragstellerin in mehreren Kausen vertrete und dementsprechend auch mehrere Akten der Antragstellerin in der Kanzlei angelegt seien. In der Kanzlei des Rechtsvertreters seien Erledigungsfristen täglich im Fristenkalender eingetragen, wobei die Frist-eintragung in der Kanzlei in Form eines täglich erstellten Übersichtsblattes geschehe, wo die zu beachtenden Fristen unter der Bezeichnung "ALT" (= allerletzter Tag) mit dem jeweiligen Datum und den einzelnen Verhandlungen aufgelistet werden. Die Fristberechnung werde in der Kanzlei von der Konzipientin Dr. V F durchgeführt und auf diesen tabellarischen Übersichten eingetragen. Die entsprechenden Akten würden sodann Dr. K M zur Kontrolle vorgelegt. Für den 6.2.2009 wäre der gegenständliche Akt mit der Bezeichnung W mit der ALT-Bezeichnung als Fristakt kalendiert gewesen, ein weiterer Fristakt mit der Bezeichnung W wäre für 9.2.2009 als Fristakt zur Erledigung kalendiert gewesen. Die tägliche Fristenkontrolle erfolge durch Dr. V F und zwar in der Form, dass die Fristeneintragungen jeden Tag durchgegangen werden würden. Am 6.2.2009 sei bereits ein W-Akt als erledigt vermerkt gewesen, sodass der Fehler Dr. V F nicht aufgefallen sei, nämlich dass es sich dabei nicht um den Vergabeakt gehandelt hätte. Ganz offensichtlich sei es zu einer Verwechslung der Akte gekommen und sei der W Fristakt vom 9.2.2009 vorher erledigt worden, umgekehrt der W Fristakt vom 6.2.2009 erst am 9.2.2009. Dies habe sich im Nachhinein als einzige Möglichkeit herausgestellt, dass es im gegenständlichen Vergabeakt zu einem Fristversäumnis kommen konnte. Frau Dr. V F sei seit Jahren in der Kanzlei des ausgewiesenen Vertreters beschäftigt und hätte sich stets durch ihre Genauigkeit und Verlässlichkeit ausgezeichnet. Ein derartiger Fehler sei ihr bislang noch nicht passiert. Es zeige sich sohin, dass ein unabwendbares bzw. unvorhersehbares Ereignis der fristgerechten Einbringung des Nachprüfungsantrages entgegengestanden sei und werde beantragt, die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages und Beantragung einer einstweiligen Verfügung zu bewilligen.

 

Gleichzeitig wurde der Nachprüfungsantrag gestellt und im Wesentlichen dazu ausgeführt, dass die Ausführungen im Leistungsverzeichnis im eklatanten Widerspruch zu den Ausführungen in den Ausschreibungsunterlagen stehen würden. Durch die im Antrag näher geschilderte Vorgehensweise der Auftraggeberin behalte sich diese einen willkürlichen Entscheidungsspielraum vor, welcher gegen den Transparenz- und Gleichheitsgrundsatz verstoße. Zudem würde auch der Grundsatz des freien Wettbewerbs und des Gleichheitsgebotes durch die namentliche Nennung der Leitprodukte verletzt werden. Weiters wurde bemängelt, dass sowohl das Leistungsverzeichnis als auch die Ausschreibungsunterlage auf Bestimmungen, die für Hochbauarbeiten ausgerichtet sind, und nicht für Lieferaufträge über Möbel, abziele. Es wurden daher die Anträge gestellt, die Ausschreibung in ihrer Gesamtheit, in eventu hinsichtlich näher bezeichneter Teile für nichtig zu erklären, der Auftraggeberin den Gebührenersatz zu Handen des Rechtsvertreters aufzuerlegen und eine einstweilige Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens auszusprechen, dass der Lauf der Angebotsfrist ausgesetzt wird, in eventu das Ende der Angebotsfrist aufgehoben wird, in eventu dem Auftraggeber die Entgegennahme der Angebote untersagt wird, in eventu dem Auftraggeber die Angebotsöffnung untersagt wird, in eventu dem Auftraggeber die Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung untersagt wird, in eventu dem Auftraggeber die Zuschlagserteilung untersagt wird, und der Gebührenersatz auferlegt wird.

 

2. Eine mündliche Verhandlung konnte entfallen, weil der Unabhängige Verwaltungssenat einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat und bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der verfahrenseinleitende Antrag abzuweisen ist (§ 19 Abs.3 Z2 und Z3 Oö. Vergaberechtschutzgesetz 2006 – Oö. VergRSG 2006, LGBl Nr. 130/2006). Die Vergabe erfolgt im Oberschwellenbereich, es ist daher die V. Kammer des Oö. Verwaltungssenates zur Entscheidung zuständig.

 

3. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 4 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 sind Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibungs- oder Wettbewerbsunterlagen bis spätestens sieben Tage vor Ablauf der Angebotsfrist bzw. der Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten einzubringen, wobei der Tag des Endes der genannten Fristen in diese sieben Tage nicht eingerechnet wird. Fällt das Ende der Einbringungsfrist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder den Karfreitag, so ist der vorausgegangene Werktag letzter Tag der Frist.

 

Gemäß § 5 Abs.2 Z2 Oö. VergRSG 2006 ist ein Nachprüfungsantrag jedenfalls unzulässig, wenn er nicht innerhalb der Fristen des § 4 gestellt wird.

 

Mit Bescheid des Oö. Verwaltungssenates vom 12. Februar 2009, VwSen-550439/4/Kl/Rd/RSt und VwSen-550440/2/Kl/Rd/RSt, wurden die Anträge vom 5.2.2009, beim Oö. Verwaltungssenat eingelangt am 9.2.2009, auf Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung als unzulässig zurückgewiesen, weil die Angebotsfrist am Montag, den 16.2.2009 endet und daher der letzte Tag der Einbringungsfrist auf den Sonntag, den 8.2.2009, fällt, sodass die Anträge spätestens am vorausgegangenen Werktag einzubringen gewesen wären, und daher die am 9.2.2009 eingebrachten Anträge als verspätet gelten.

 

3.2. Gemäß § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen zwei Wochen ab dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, indem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden. Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.

 

Die Antragstellerin macht als unvorhergesehenes unabwendbares Ereignis die Verwechslung von Fristakten der Antragstellerin in der Kanzlei des Rechtsvertreters geltend.

 

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes versteht unter einem für die Versäumung der Prozesshandlung kausalen Ereignis nicht nur tatsächliches, in der Außenwelt stattfindendes Geschehen, sondern prinzipiell jedes, auch inneres, psychisches Geschehen (zB Vergessen, Irrtum). Bei den Fristen zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages bzw. Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung handelt es sich um verfahrensrechtliche Fristen, die einer Wiedereinsetzung zugänglich sind. Es ist daher durch die bescheidmäßige Feststellung der Versäumnis der Einbringungsfrist von sieben Tagen vor Ende der Angebotsfrist eine Fristversäumung durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis durch Verwechslung der Fristakten eingetreten. Die Antragstellerin hat aber auch gemäß § 71 Abs.1 Z1 AVG glaubhaft zu machen, dass sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

 

3.3. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, das heißt, die in Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbaren Sorgfalt außer Acht gelassen haben, wobei an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist, als an rechtsunkundige Personen. Der Rechtsanwalt muss die Organisation seines Kanzleibetriebes so einrichten, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird. Dabei ist durch entsprechende Kontrollen ua. dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. Dies gilt grundsätzlich auch hinsichtlich der Tätigkeit des bei einem Rechtsanwalt tätigen Rechtsanwaltsanwärters, dessen Verwendung unter der Verantwortung des Rechtsanwaltes erfolgt. Ein Rechtsanwalt muss gegenüber seiner Kanzlei als seinen Hilfsapparat, dessen er sich bei Wahrnehmung der ihm durch Bevollmächtigungsvertrag übertragenen Aufgaben bedient, alle Vorsorgen treffen, die ihm nach dem Bevollmächtigungsvertrag obliegen. Ein Rechtsanwalt verstößt danach auch dann gegen seine anwaltliche Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die im Falle des Versagens eines Mitarbeiters Fristversäumung auszuschließen geeignet sind. Der Wiedereinsetzungsantrag ist in Hinsicht auf die Erfüllung der nach der Sachlage gebotenen Sorgfalts- und Überwachungspflicht zu substantiieren, widrigenfalls eine Beurteilung der Sachlage dahin, dass dem Rechtsanwalt bloß ein Versehen minderen Grades zur Last liegt, nicht möglich ist. Der Rechtsanwalt muss zwar die mit der Führung des Kalenders betraute Angestellte nicht "auf Schritt und Tritt" überwachen, weshalb ihn nicht die Pflicht zur sofortigen Kontrolle jeder Eintragung trifft, doch hat er Maßnahmen vorzukehren, die Fehleintragungen verhindern oder sie rechtzeitig als solche erkennen lassen, indem er zB eine andere geschulte und verlässliche Angestellte mit der laufenden Kontrolle der Eintragungen betraut oder selbst regelmäßig in kurzen Intervallen geeignete Überprüfungen durchführt (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, Anmerkungen 19a und b, 35, 37a, 48b, 53c und 58 zu § 71 AVG, Seite 1.073ff, mit Judikaturnachweisen).

 

Im Wiedereinsetzungsantrag macht die Antragstellerin kein Verschulden bzw. nur einen minderen Grad des Versehens geltend, und begründet dies damit, dass die tägliche Fristenkontrolle durch Frau Dr. V F in der Form erfolgt, dass die Fristeintragungen jeden Tag durchgegangen werden, am 6.2.2009 bereits ein W-Akt als erledigt vermerkt war, sodass der Fehler, nämlich dass es sich dabei nicht um den Vergabeakt handelte, Dr. V F nicht aufgefallen ist.

 

Mit dieser Vorbringen kann minderer Grad des Versehens nicht glaubhaft gemacht werden, zumal das Handeln der Rechtsanwaltskonzipientin dem Rechtsvertreter zuzurechnen ist und der Antrag kein Vorbringen enthält, dass der Rechtsvertreter seinerseits ein wirksames Kontrollsystem eingerichtet hat, wonach die Rechtsanwaltskonzipientin beim täglichen Austragen der Fristakten durch eine andere geschulte und verlässliche Angestellte laufend kontrolliert oder durch den Rechtsanwalt selbst in kurzen Intervallen geeignet überprüft wird. Es wird zwar vorgebracht, dass die Rechtsanwaltskonzipientin beim Durchgehen der Fristeintragungen am 6.2.2009 einen W-Akt als erledigt vermerkt vorgefunden hat, es wurde aber weder behauptet noch unter Beweis gestellt, dass die Eintragung durch die Konzipientin durch Vergleich der Akten kontrolliert wurde, noch dass der Rechtsvertreter die Rechtsanwaltskonzipientin selbst oder durch eine andere betraute Angestellte kontrolliert. Ein wirksames Kontrollsystem zur Gewährleistung der gebotenen Sorgfalts- und Überwachungspflichten konnte daher nicht glaubhaft gemacht werden und es war daher nicht ein minderer Grad des Versehens gegeben. Es war daher der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowohl hinsichtlich Erlassung einer einstweiligen Verfügung als auch hinsichtlich Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens unbegründet und daher abzuweisen.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 26,40 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. Werner Reichenberger

 

Beschlagwortung:

Sorgfaltsverletzung, Kontrollsystem

 

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