Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163717/10/Ki/Jo

Linz, 21.01.2009

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des T S, Y, G, vom 21. Oktober 2008 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 2. Oktober 2008, VerkR96-5915-2008, wegen einer Übertretung der StVO 1960 nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 20. Jänner 2009 durch Verkündung zu Recht erkannt:

 

 

I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.  Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 19, 24 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG;

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis vom 2. Oktober 2008, VerkR96-5915-2008, hat die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 31.03.2008 vor 12.45 Uhr im Gemeindegebiet von Aisersheim (gemeint wohl Aistersheim), Bezirk Grieskirchen, Oberösterreich, auf der Innkreisautobahn A8, auf Höhe des Strkm.s 33,220 in Fahrtrichtung Wels/Graz als Lenker des Kraftfahrzeuges der Marke Smart mit dem behördlichen Kennzeichen  ohne zwingenden Grund sein Fahrzeug so langsam gelenkt, dass der übrige Verkehr, insbesondere nachkommende bzw. –fahrende Lenker von Fahrzeugen mit größeren Längsabmessungen, behindert worden sind. Er habe dadurch § 20 Abs.1 letzter Satz StVO 1960 verletzt. Gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 wurde eine Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, außerdem wurde gemäß § 64 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Rechtsmittelwerber mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2008 Berufung erhoben und beantragt, den gegenständlichen Bescheid aufzuheben und das Verfahren gegen ihn einzustellen.

 

Im Wesentlichen vertritt er die Auffassung, dass er die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 1. Dezember 2008 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung am 20. Jänner 2009. An dieser Verhandlung wurde der Meldungsleger als Zeuge einvernommen, der ebenfalls als Zeuge geladene Bruder des Berufungswerbers hat sich, ebenso wie der Berufungswerber selbst, krankheitsbedingt entschuldigt. Seitens der belangten Behörde ist ebenfalls niemand erschienen.

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Laut Anzeige der Autobahnpolizeiinspektion Wels vom 2. April 2008 wurde durch eine Messung mittels eines Lasermessgerätes festgestellt, dass der Berufungswerber im Bereich des vorgeworfenen Tatortes mit einer – laut Displayanzeige am Messgerät – Geschwindigkeit von 74 km/h auf der A8 in Fahrtrichtung Graz unterwegs war. Der Anzeiger hatte den subjektiven Eindruck, dass die nachkommenden Schwerfahrzeuge (Kolonne) durch dieses Tempo am zügigen Fortkommen gehindert wurden, es wurde hingewiesen, dass auf besagter Strecke ein LKW-Überholverbot bestehe. Der Berufungswerber habe sich dabei vorerst mit "Spritsparen" als Grund für das niedrige Tempo gerechtfertigt.

 

Eine zunächst gegen den Berufungswerber erlassene Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen (VerkR96-5915-2008 vom 10. Juni 2008) wurde von diesem beeinsprucht.

 

Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens hat dann die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

Im Rahmen seiner Aussage bei der mündlichen Berufungsverhandlung bestätigte den Meldungsleger den von ihm festgestellten Sachverhalt, hinter dem Berufungswerber seien ca. 15 bis 20 Sattelkraftfahrzeuge bzw. Kraftwagenzüge in Kolonne nachgefahren. Durch das niedrige Tempo seien diese Lastkraftfahrzeuge behindert worden. Vor dem Berufungswerber habe sich ebenfalls ein Sattelkraftfahrzeug oder Kraftwagenzug befunden, dies allerdings in einem doch etwas größeren Abstand. Ob dieses Fahrzeug den Berufungswerber zuvor überholt hatte, konnte der Meldungsleger aufgrund der Sichtumstände nicht feststellen.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 20 Abs.1 letzter Satz StVO 1960 darf der Lenker eines Fahrzeuges auch nicht ohne zwingenden Grund so langsam fahren, dass er den übrigen Verkehr behindert.

 

Dementsprechend wird sich der Lenker eines Fahrzeuges bei der Wahl der Fahrgeschwindigkeit an die hiefür maßgebenden Umstände anzupassen haben. Eine in alle Einzelheiten gehende Aufzählung jener Umstände, die ein besonderes vorsichtiges und langsames Fahren erfordern, wurde vom Gesetzgeber unterlassen, weil eine erschöpfende Aufzählung nicht möglich und eine bloß demonstrative Aufzählung zu unwillkommenen Umkehrschlüssen führen würde.

 

Allgemein muss dazu festgestellt werden, dass diese Gesetzesbestimmung dahin zielt, dass durch unbegründet langsam fahrende Fahrzeuge der übrige Verkehr nicht behindert wird. Es kann der Auffassung nicht widersprochen werden, dass im Falle eines Überholverbotes für bestimmte Lastkraftfahrzeuge die Einhaltung einer zu geringen Geschwindigkeit zu einer massiven Beeinträchtigung des Nachfolgeverkehrs führen kann bzw. durch eine derartige Verhaltensweise potentiell eine Gefährdungssituation der allgemeinen Verkehrssicherheit geschaffen wird. Von einem fachlich befähigten Kraftwagenlenker, welcher mit einem den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Kraftfahrzeug unterwegs ist, muss grundsätzlich erwartet werden können, dass er sich im Interesse der Verkehrssicherheit bzw. der Flüssigkeit des Verkehrs einer entsprechend angepassten bzw. angemessenen Fahrgeschwindigkeit bedient. Es mag auch zutreffen, dass die Einhaltung einer geringeren Geschwindigkeit Treibstoff sparend sich auswirkt, es ist jedoch andererseits doch auch zu berücksichtigen, dass durch eine massive Behinderung des Nachfolgeverkehrs nicht ausgeschlossen werden kann, dass dadurch ein wesentlich erhöhter Umweltbelastungseffekt eintreten könnte.

 

Dennoch kann bezogen auf die konkrete Situation die vom Berufungswerber eingehaltene Fahrgeschwindigkeit formell juristisch nicht als vorschriftswidrig angesehen bzw. erwiesen werden.

 

Gemäß § 46 Abs.1 StVO 1960 dürfen Autobahnen nur mit Kraftfahrzeugen benützt werden, die eine Bauartgeschwindigkeit von mindestens 60 km/h aufweisen und mit denen diese Geschwindigkeit überschritten werden darf.

 

Der Gesetzgeber hat somit in Kauf genommen, dass es durchaus vertretbar ist, dass Fahrzeuge mit einer Bauartgeschwindigkeit von mindestens 60 km/h auf Autobahnen unterwegs sein dürfen. In Anbetracht dieses Umstandes vertritt der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich die Auffassung, dass aus formell juristischer Sicht die Einhaltung einer Geschwindigkeit von 74 km/h noch kein strafbares Verhalten iSd § 20 Abs.1 letzter Satz StVO 1960 darstellt.

 

3.2. Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat.

 

Nachdem, wie oben dargelegt wurde, die Einhaltung einer Geschwindigkeit von 74 km/h auf einer Autobahn grundsätzlich noch kein strafbares Verhalten bildet, war in Stattgebung der Berufung das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

3.3. Zur im Straferkenntnis vorgeworfenen Tatzeit "vor 12.45 Uhr" wird der Ordnung halber darauf hingewiesen, dass eine derartige Formulierung nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44a VStG entspricht. Bezogen auf das ebenfalls als Tatzeit festgestellte Datum (31. März 2008) könnte die Übertretung nämlich an diesem Tag irgendwann zwischen 00.00 Uhr und 12:45 Uhr begangen worden sein. Das dies im konkreten Fall nicht dem Konkretisierungegebot entspricht, bedarf keiner weiteren Erörterung.

 

3.4. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat in der Begründung angedeutet, dass nach Abzug der Verkehrsfehlergrenze lediglich eine Fahrgeschwindigkeit von nur 71 km/h eingehalten worden wäre. Dazu wird festgestellt, dass die Verkehrsfehlergrenzen lediglich eine Toleranz zu Gunsten des Beschuldigen bilden. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erachtet, dass im Falle des Vorwurfes eines unbegründeten und gesetzwidrigen Langsamfahrens ein durch die anzuwendende Verkehrsfehlergrenze bedingter Abzug nicht zulässig ist, eher wird man den Wert zur gefahrenen Geschwindigkeit addieren müssen, was im vorliegenden Falle eine Geschwindigkeit von 77 km/h ergeben würde.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Alfred Kisch

Beschlagwortung:

§ 20 (1) StVO (letzter Satz) – In Anbetracht der gesetzlich festgelegten Zulässigkeit für Fahrzeuge ab einer Bauartgeschwindigkeit von 60 km/h zur Benützung von Autobahnen bildet die Einhaltung einer Geschwindigkeit von 74 km/h noch keine Verwaltungsübertretung;

 

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