Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163829/2/Bi/Se

Linz, 05.02.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung der Frau E P, L, vertreten durch Frau Mag. S W, Rechtsabteilung des ÖAMTC, L, vom 22. Jänner 2009 gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors von Linz vom 8. Jänner 2009, S-27712/08 VP, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt. 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z2 und 66 VStG

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über die Beschuldigte wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 19 Abs.7 iVm 19 Abs.4 und 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 100 Euro (50 Stunden EFS) verhängt, weil sie am 18. Juli 2008, 11.34 Uhr, in Linz, Purschkastraße aus Richtung Neben­­fahrbahn der Salzburger Straße kommend im Bereich der Kreuzung Salz­bur­ger Straße – Purschkastraße – Müller-Guttenbrunn Straße mit dem Pkw    trotz des Vorschriftszeichens "Vorrang geben" den Vorrang eines Fahr­zeuges verletzt habe, weil dessen Lenker zu einem unvermittelten Bremsen/zum Ablenken seines Fahrzeuges genötigt worden sei.  

Gleichzeitig wurde ihr ein Verfahrenskostenbeitrag von 10 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat die Berufungswerberin (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

3. Die Bw macht im Wesentlichen geltend, sie habe die ihr vorgeworfene Über­tretung nicht begangen. Die Fußgängerampel sei auf "grün" gewesen, sodass der Hauptverkehr, mit dem sie kollidiert sei, unmöglich ebenfalls "grün" gehabt haben könne. Die Zeugen hätten die konkrete Situation nicht beurteilen können. Fall sich wider Erwarten die konkrete Ampelschaltung nicht nachweisen lasse oder weiterhin in Zweifel stehe, verweise sie auf die Tachoscheiben-Kopie. Der Unfall­geg­ner sei stehengeblieben gewesen und im Zeitpunkt ihres Einfahrens weiter geblieben und habe so auf seinen Vorrang verzichtet. Bei Einsichtnahme in die Unfallskizze und die Fahrzeugschäden erkenne man, dass die Kreuzung ent­gegen den Angaben des Lkw-Lenkers nicht frei sein konnte bzw ein Vorrang­verzicht gegeben sei. Der Weg, den sie zurücklegen habe müssen, sei um ein Vielfaches länger als das kurze Anfahren des Unfallgegners aus dem Stand. Beantragt wird die Behebung des Straferkenntnisses.  

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus lässt sich ersehen, dass die Bw als Lenkerin eines Pkw aus der Purschka­straße kommend beabsichtigte, die Salzburger Straße in gerader Richtung zu über­queren und dann in der Müller-Guttenbrunn Straße weiterzufahren. Vor der Kreuzung mit der Salzburger Straße ist ein Vorrangzeichen "Vorrang geben" an­ge­bracht; über die Salzburger Straße verläuft etwas weiter vorne ein Schutzweg, der für den Verkehr auf der Salzburger Straße ampelgeregelt ist, dh die Bw konnte nur die Salzburger Straße überqueren, wenn sie bei Grünlicht für die Fuß­gänger (und Rotlicht für den Verkehr auf der Salzburger Straße) mit den Fußgän­gern "mitfahren" konnte. Der auf der Salzburger Straße von (aus der Sicht der Bw) links kommende Verkehr hat keine Haltelinie.

 

Das auf der Salzburger Straße von links ankommende Sattelkraftfahrzeug wurde nach den nachvollziehbaren Aussagen des tschechischen Lenkers R Z, der mit Dol­metsch einvernommen wurde, wegen Rotlicht der Ampel vor dem Fuß­­gän­ger­­über­­gang, den zur dieser Zeit Radfahrer überquer­ten, zum Stillstand gebracht. Der Lenker gab an, er sei nach dem Umschalten auf Grünlicht, als "die Kreuzung frei gewesen sei", normal angefahren und habe den Lkw gering beschleu­nigt. Nach etwa 5 m habe er ein Anstoßgeräusch gehört und den Lkw sofort wieder zum Stillstand gebracht. Erst nach dem Aussteigen habe er den vor seinem Lkw quer stehenden Pkw gesehen; diesen habe er vor dem Unfall nicht gesehen.  Er halte sich für unschuldig am Zustandekommen des Unfalls, weil er Grünlicht gehabt habe und auf der Vorrangstraße gewesen sei.

 

Die Bw gab an, sie sei von der Nebenfahrbahn der Salzburger Straße kommend zur Purschkastraße gefahren und habe die Salzburger Straße in gerader Richtung zur Müller-Guttenbrunn Straße überqueren wollen. Sie habe vor der Salzburger Straße beim Vorrangzeichen "Vorrang geben" angehalten. Die Kreuzung sei nicht geregelt, aber auf der Salzburger Straße befinde sich ein ampelgeregelter Schutz­­weg und wenn für die Fußgänger Grünlicht sei, könne man die Salzburger Straße überqueren. Während sie an der Kreuzung gestanden sei, hätten zwei Rad­­fahrer den Schutzweg passiert und links von ihr sei der Lkw-Zug bei Rotlicht in seiner Richtung gestanden. Sie sei daher angefahren und daraufhin sei auch der Lkw-Zug an- und direkt auf sie zu gefahren. Beim nicht starken Anstoß habe der Lkw ihren Pkw etwas nach rechts dahingeschoben und sei dann zum Stehen gekommen. Sie sei auf der Beifahrerseite ausgestiegen und habe wegen eines Wirbelsäulenleidens Schmerzen im Rücken gehabt. Sie sei später im UKH ambu­lant behandelt worden. Ihrem Gefühl nach sei der Lkw-Lenker etwas zu früh los­ge­fahren. Als sie von der Nebenfahrbahn zur Kreuzung gekommen sei, habe die Fußgängerampel für die Lenker auf der Salzburger Straße grün geblinkt.

 

Die Zeugin G S, die auf der Salzburger Straße aus Richtung Neue Welt in Richtung Kreuzung mit der Purschkastraße fuhr und als 2. oder 3. Fahrzeug vor dem Schutzweg bei Rotlicht angehalten hatte, gab an, der Lkw aus der Gegenrichtung habe vor dem Schutzweg angehalten. Während die Ampel Rotlicht gezeigt habe, sei die Bw gekommen und habe "vor dem Lkw angehal­ten", sodass sie der Lkw-Lenker nicht sehen habe können. Dieser sei bei Grün­licht angefahren, habe den Pkw erfasst und quer gestellt. Sie habe nicht ge­sehen, woher der Pkw gekommen sei; dessen Lenkerin habe gemeint, sie sei bei Grünlicht gefahren. 

Die Aussage von T S, Beifahrerin im Pkw Schabasse, stimmt mit deren Aussage inhaltlich fast wörtlich überein.

Nach den am Unfallort angefertigten Fotos hat der Lkw den Pkw im mittleren Bereich, nämlich bei der Fahrertür und dahinter, erfasst.

 

Laut Mitteilung der StA Linz vom 29. August 2008, 43 BAZ 893/08d-1, wurde das Ermittlungsver­fahren gegen beide Unfallbeteiligte wegen § 88 Abs.1 StGB gemäß § 190 Z1 StPO eingestellt, weil die dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist und eine weitere Verfolgung unzu­lässig wäre.

Die bereits mit 25. August 2008 datierte und am 9. September 2008 abgesandte Strafverfügung der Erstinstanz gegen die Bw wurde fristgerecht beeinsprucht.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 19 Abs.4 StVO 1960 haben, wenn vor einer Kreuzung das Vorschrifts­zeichen "Vorrang geben" oder "Halt" angebracht ist, sowohl die von rechts als auch die von links kommenden Fahrzeuge den Vorrang. Gemäß Abs.7 dieser Bestimmung darf der Wartepflichtige durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahrzeugen mit Vorrang weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

 

Aufgrund übereinstimmender Aussagen aller Beteiligten steht zweifelsfrei fest, dass das Sattelkraftfahrzeug wegen Rotlicht der Fußgän­ger­ampel vor dem Fuß­gängerübergang angehalten wurde. Damit hat der Lkw-Lenker auf seinen Vor­rang verzichtet (gemäß § 19 Abs.8 2.Satz StVO gilt das Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges, ausgenommen eines Schienenfahr­­zeuges in Haltestellen, aus welchem Grund immer, insbesondere auch in Be­fol­gung eines gesetzlichen Gebotes, als Verzicht auf den Vorrang). Daher konnte die Bw, je nach Abstand zwischen dem stillstehenden Sattelkraftfahrzeug und dem Fußgängerübergang, davon ausgehen, dass ihr das Queren der Salzburger Straße von daher möglich sei werde. Dahingestellt bleibt, welches Licht die Fuß­gänger­ampel zeigte, als die Bw losfuhr; diese Frage war im ggst Verfahren nicht zu klären.   

 

Der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges wurde somit nicht durch eine Handlung der Bw veranlasst, sein Fahrzeug zum Stillstand zu bringen, sondern er hat dies in Befol­gung der Verpflichtung, bei Rotlicht anzuhalten, getan. Beim Wiederan­fahren nach dem Umschalten auf Grünlicht in nachvollziehbar langsamer Weise (auch wenn der Sattelanhänger laut Lenker leer war) ist aufgrund der Fahr­strecke von ca 5m – wobei der Pkw der Bw bei der Unfallsendlage bereits von Sattelzugfahrzeug erfasst und quer weiter in Richtung Fußgängerübergang geschoben worden war – und dem inzwischen von der Bw zurückgelegten Weg davon auszugehen, dass der Lenker des Sattelkraftfahrzeuges den von etwas hinten seitlich rechts kommenden Pkw, den er zuerst von seiner Lenkerposition möglicher­weise tatsächlich nicht sehen konnte, bei erforderlicher Aufmerksam­keit wahrnehmen hätte können und müssen – ansonsten wäre die Anstoßstelle im mittleren Bereich des Pkw in Unfallsendlage nicht zu erklären. Dass der tschechische Lenker eines Sattelzugfahr­zeuges den vor seinem Fahrzeug befind­lichen Pkw beim Anfahren aus dem Stillstand nicht gesehen habe, wie er bei der Unfallsaufnahme angab, ist eher unglaubwürdig und wäre nur mit mangelnder Aufmerksamkeit erklärbar.

 

Aus der Situation beim Anfahren des Sattelkraftfahrzeuges aus dem (nicht von der Bw verursachten) Stillstand heraus ist aber die Erfüllung des Tatbildes einer Nötigung zu unvermitteltem Bremsen des auf der Vorrangstraße befindlichen Sattelkraftfahrzeuges – ein Ablenken hat nie stattgefunden – durch den von der Bw gelenkten Pkw nicht gegeben. Es war daher gemäß § 45 Abs.1 Z2 1.Alt. VStG spruchgemäß zu entscheiden, wobei naturgemäß Verfahrenskosten nicht anfallen.       

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

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