Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281097/22/Wim/OM

Linz, 28.02.2009

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Leopold Wimmer über die Berufung des Herrn Ing. H P, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. G W, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 28. Mai 2008, Zl. 0105079/2007 wegen einer Übertretung des Bauarbeiten­koordinationsgesetzes nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 2. Februar 2009, zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das erstinstanzliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 45 Abs.1 Z2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1.      Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber wegen Übertretung der §§ 10 Abs.1 Z4, 5 Abs.3 Bauarbeitenkoordinationsgesetz (BauKG) eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro, im Nichteinbringungsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von 11 Stunden, sowie ein 10-%iger Verfahrenskosten­beitrag verhängt.

 

Im Einzelnen wurde ihm vorgeworfen:

 

"Der Beschuldigte, Herr Ing. H P, geboren am, wohnhaft: A, M, hat folgende Verwaltungsübertretung als verwaltungsstrafrechtlich verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der Projektmanagement H GmbH mit dem Sitz in L, F, zu vertreten:

 

Die Projektmanagement H GmbH hat als Baustellenkoordinator beim Bauvorhaben der Firma M in P, Zufahrt über Privatstraße Firma G am 21.5.2007 die Verpflichtung des Bauarbeitenkoordinationsgesetzes (BauKG), dass der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan unter Berücksichtigung des Fortschritts der Arbeiten anzupassen ist, verletzt. Der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan hat nicht entsprechend dem zeitlichen Ablauf der Bauarbeiten und des Baufortschritts (am 21.5.2007 wurden Bauarbeiten auf dem Flachdach bei einer Absturzhöhe von ca. 7 m durchgeführt) die jeweils festgelegten Sicherheitsmaßnahmen zur Absturzsicherung beinhaltet. Im Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan war keine konkrete Maßnahme zur Absturzsicherung (kein konkreter kollektiver Gefahrenschutz für die Arbeiten auf dem Flachdach) benannt, sondern lediglich eine Aufzählung möglicher Sicherheitsmaßnahmen (Arbeitsgerüste, Dachfang­gerüste, Seitenschutz u.ä.) angeführt."

 

 

2.      Dagegen hat der Berufungswerber rechtzeitig Berufung erhoben und darin zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht, dass der betreffende SIGE-Plan sehr wohl die gesetzlichen Vorraussetzungen erfüllt und detailliert die jeweiligen Schutzmaßnahmen aufschlüsselt. Sämtliche angeführten Schutzmaßnahmen seien auszuführen und würde den Professionisten keine freie Auswahl unter den Maßnahmen zustehen. Der SIGE-Plan entspreche im Grunde auch dem Muster M200 der AUVA. Der Beschuldigte habe daher die angelastete Verwaltungs­übertretung in objektiver Hinsicht nicht erfüllt.

 

Weiters hätte die Erstbehörde seinem Antrag auf Einholung eines Gutachtens eines Bausachverständigen sowie auf Durchführung eines Ortsaugenscheines nicht entsprochen weshalb ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege.

 

Hilfsweise wurde vorgebracht, dass die Strafe zu hoch bemessen sei, da Milderungsgründe vorlägen. Es wurde daher die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens, in eventu die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe beantragt.

 

 

3.1.   Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2009 bei welcher neben dem Berufungswerber als Zeuge der anzeigende Arbeitsinspektor einvernommen wurde sowie in vorgelegte Urkunden, die der Verhandlungsschrift auch als Beilage angeschlossen wurden, Einsicht genommen wurde.

 

3.2.   Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem entscheidungs­wesentlichen Sachverhalt aus:

 

Der Berufungswerber ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Projekt­management H GmbH. Diese hat als Baustellenkoordinator den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SIGE-Plan) beim Bauvorhaben der Firma M in P, Zufahrt über die Privatstraße Firma G mit Stand 10.04.2007 erstellt.

Bei diesem Bauvorhaben handelte es sich um eine Firmenhalle mit einem integrierten Bürogebäude.

 

Der SIGE-Plan ist grundsätzlich in Tabellenform erstellt, wobei im Bereich "Maßnahmen­katalog" grundsätzlich in die Spalten "Leistungen", "dabei entstehende Gefährdungen" und "durchzuführende Maßnahmen" untergliedert wurde. In der Regel wurde den einzelnen Gefährdungen immer eine konkrete Maßnahme in der selben Zeile zugeordnet. Bei der Gefährdung "hochgelegene Arbeitsplätze" wurden als durchzuführende Maßnahme sowohl "Dachfanggerüst" als auch "Arbeits- und Schutzgerüst" in zwei Tabellenfeldern untereinander, die sich über die Zeilenbreite dieser durchzuführenden Maßnahme  erstrecken, ange­führt.

Bei der Gefährdung "Absturz horizontal" ist als Maßnahme "Fangnetz", bei der Gefährdung "Absturz seitlich" als Maßnahme "Wehren" angeführt.

 

In der ganz rechten Spalte finden sich unter der Überschrift "Maßnahmenkatalog entsprechendes Regelwerk" jeweils die Einträge aushangpflichtige Gesetze, V., Sicherheit am Bau mit einer entsprechenden Nummerierung z.B. D14.1, .2 bis .3 oder dergleichen. Dabei wird Bezug genommen auf eine Mappe "Sicherheit am Bau", die in der Regel bei Baustellen aufliegt und nähere Beschreibungen sowohl verbal als auch durch Zeichnungen für entsprechende Sicherheits- bzw. Schutzmaßnahmen enthält.

 

Aus dem in den SIGE-Plan integrierten Bauzeitplan ist zu ersehen, dass die Bauarbeiten für das gesamte Bauvorhaben von Anfang Februar bis einschließlich der ersten Augustwoche 2007 vorgesehen waren.

 

Eine Anpassung des SIGE-Plans nach dem 10.04.2007 hat nicht stattgefunden.

 

3.3.   Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen sowie aus den Aussagen des einvernommenen Zeugen und auch des Berufungswerbers. Dabei haben sich im Rahmen der gemachten Feststellungen keine Widersprüche ergeben.

 

4.      Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.   Gemäß § 5 Abs.3 Z3 BauKG hat der Baustellenkoordinator den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan und die Unterlage unter Berück­sichtigung des Fortschrittes der Arbeiten und eingetretener Änderungen anzupassen oder anpassen zu lassen.

 

Gemäß § 7 Abs.3 Z3 BauKG muss der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan die entsprechenden dem zeitlichen Ablauf der Arbeiten und dem Baufortschritt jeweils festgelegten Schutzmaßnahmen beinhalten.

 

Gemäß § 7 Abs.5 BauKG ist der Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan bei Fortschritt der Arbeiten oder bei eingetretenen Änderungen unverzüglich anzupassen, falls dies zum Schutz der Sicherheit und Gesundheit der Arbeit­nehmer erforderlich ist.

 

4.2.   Grundsätzlich wurde in der Anzeige und auch dementsprechend im erstinstanzlichen Straferkenntnis dem Berufungswerber nur angelastet den SIGE-Plan nicht entsprechend dem Baufortschritt angepasst zu haben. Inhaltlich wurde auch gerügt, dass der SIGE-Plan an und für sich nicht konkret genug gefasst sei und nicht eindeutig festlege, welche konkrete Sicherheitsmaßnahme zu treffen sei, und daher es für die ausführenden Professionisten unklar sei, welche Maßnahme sie dann umzusetzen hätten.

 

Dem kann sich der Unabhängige Verwaltungssenat aus den nachstehenden Erwägungen nicht anschließen:

Es werden zwar auch nach Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates z.B. bei der Gefährdung höher gelegene Arbeitsplätze grundsätzlich zwei Maßnahmen nämlich das Dachfanggerüst und das Arbeits- und Schutzgerüst vorgesehen und bei der Gefährdung Absturz seitlich Wehren bzw. Absturz horizontal ein Fangnetz vorgesehen. Dazu ist grundsätzlich den Ausführungen des Arbeitsinspektorates beizupflichten, dass sich hier diese Maßnahmen zum Teil ausschließen bzw. sie in einer kumulierten Form nicht zweckmäßig sind, sondern in der Regel eine Schutzmaßnahme ausreichend ist. In diesem Zusammenhang muss jedoch auf die jeweiligen Ausführungen im Tabellenfeld "Maßnahmenkatalog  ent­sprechen­des Regelwerk" verwiesen werden, wobei hier immer auf die konkret angeführten Punkte in der Mappe "Sicherheit am Bau" hingewiesen wird. Diese Mappe liegt offensichtlich im Regelfall bei den Baustellen auf. Dem wurde auch vom Arbeitsinspektorat nicht widersprochen. Wie die Einsicht in diese Mappe zeigt, sind hier die angeführten Schutzmaßnahmen sehr detailliert sowohl verbal beschrieben als auch durch Zeichnungen dargestellt. Dabei darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich beim gegenständlichen Bauvorhaben um kein sehr komplexes gehandelt hat sondern nur um eine Halle verbunden mit einem Büroteil. Auch die vorgesehene Bauzeit für die gesamte Abwicklung von knapp 6 Monaten belegt dies zusätzlich. Bei den bauausführenden Firmen handelt es sich grundsätzlich um Professionisten und befugte Gewerbebetriebe die entsprechend auch im Bereich Arbeitnehme­rsicherheit geschult sind. Gerade von derartigen Firmen muss erwartet werden können, dass sie auch selbständig zwischen den (maximal 2!) vorgesehenen Schutzmaßnahmen auswählen und rein auf Grund der Zweckmäßigkeit hier die entsprechende Maßnahme setzen. Davon zu sprechen, dass hier die Firmen überfordert wären und nicht mehr wüssten welche Maßnahme sie setzen müssen kann wohl im konkreten Fall nicht die Rede sein.

Auch vom Arbeitsinspektorat wurde grundsätzlich nicht behauptet, dass unzweckmäßige Maßnahmen im SIGE-Plan enthalten wären bzw. nicht für alle vorhersehbaren Gefahren entsprechenden Schutzmaßnahmen vorgesehen worden wären.

 

Gerade für dieses nicht sehr komplexe Bauvorhaben wäre es überzogen hier übermäßige Vorgaben zu machen, zumal auch § 5 Abs.3 BauKG nur von den jeweiligen Schutzmaßnahmen (in der Mehrzahl) spricht und auch aus dem reinen Gesetzeswortlaut nicht zwingend abzuleiten ist, dass genau nur eine einzelne Schutzmaßnahme für eine Gefährdung vorzusehen ist. Gerade im konkreten Fall muss bei der Übersichtlichkeit der Baustelle auch auf die Fachkompetenz der ausführenden Professionisten vertraut werden können.

 

Da sich auch nach den unwidersprochenen Ausführungen des Berufungswerbers im gesamten Baufortschritt seit der Erstellung des SIGE-Plans mit 10.04.2007 (die, wenn der Bauzeitplan eingehalten worden wäre, praktisch erst während der laufenden Bauarbeiten erfolgt wäre) keine Veränderungen ergeben hatten, die im Sinne des BauKG zu einer Anpassung des SIGE-Plans hätten führen müssen, konnte auch eine vorwerfbare Nichtanpassung im konkreten Fall nicht festgestellt werden.

 

Somit ist aus den Gesamtumständen gerade im konkreten Einzelfall aus Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates keine Übertretung der vorgeworfenen einschlägigen Bestimmungen des BauKGs hier anzunehmen.

 

Ein Nichtachten des Baustellenkoordinators darauf, dass die Arbeitgeber den Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan anwenden, im Sinne des § 5 Abs.2 Z1 BauKG wurde im konkreten Fall nicht vorgeworfen.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Leopold Wimmer

 

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