Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100189/14/Fra/Ka

Linz, 28.01.1992

VwSen - 100189/14/Fra/Ka Linz, am 28.Jänner 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die Kammer unter dem Vorsitz des Dr. Kurt Wegschaider sowie den Berichter Dr. Johann Fragner und den Beisitzer Dr. Alfred Grof über die Berufung E F,M; vertreten durch Dr. W R, Rechtsanwalt gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 2. September 1991, Zl. VerkR96/175/1991/Gz, nach der am 9. Jänner 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51, 51e Abs.1 und 45 Abs.1 Z.1 und 3 VStG.

II. Es entfällt die Leistung jeglicher Strafkostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.2 i.V.m. § 99 Abs.1 lit.a (gemeint offenbar: lit.b) eine Geldstrafe von 13.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser eine Ersatzfreiheitsstrafe von 13 Tagen verhängt, weil er am 23. Dezember 1990 um 1.45 Uhr den PKW Mercedes 200D, auf der H. Bezirksstraße in Ibm, Gemeinde E, Bezirk B, in Richtung M bis zur H. Bezirksstraße in Ibm, Gemeinde E, nächst dem Haus X in Ibm gelenkt hat und sich am 23. Dezember 1990 um 1.50 Uhr in E vor dem Haus Ibm X gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht, einem Gendarmeriebeamten, geweigert hat, seine Atemluft mittels Alkomat auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl aufgrund von Alkoholisierungsmerkmalen vermutet werden konnte, daß er sich bei der angeführten Fahrt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat, zumal er infolge unzureichender Beatmung einen ungültigen Test durchführte. Ferner wurde der Beschuldigte gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 1.300 S, d.s. 10 % der Strafe, verpflichtet.

I.2. Die Erstbehörde stützt ihre Entscheidung auf die Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Aspach vom 24. Dezember 1990, GZP-331/90-St, auf die Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten St, D und Sch sowie auf die eigenen Angaben des Beschuldigten. Der Stellungnahme des Berufungswerbers vom 29. Jänner 1991, den Alkomaten so beatmet zu haben, wie ihm dies erklärt worden sei und der Behauptung, daß die Gendarmeriebeamten den Alkomaten nicht ordnungsgemäß bedient hätten, wurde kein Glauben geschenkt. Die Erstbehörde hält der Stellungnahme des Beschuldigten die übereinstimmenden Zeugenaussagen der Gendarmeriebeamten gegenüber, wonach der Alkomat funktionstüchtig gewesen und von Rev.Insp. Stehule richtig bedient worden sei. Die Handhabung des Gerätes sei dem Beschuldigten genau erklärt worden, jedoch hätte er diesen Anweisungen keine Folge geleistet und den Alkomaten unzureichend beatmet.

I.3. In der fristgerecht gegen das o.a. Straferkenntnis eingebrachten Berufung wird die ersatzlose Behebung dieses Straferkenntnisses sowie die Einstellung des Verfahrens beantragt, wobei der Beschuldigte im wesentlichen folgende Argumente vorbringt:

a) Er habe in seinen Stellungnahmen vom 29. Jänner 1991 und vom 13. Mai 1991 jeweils die Einvernahme der erhebenden Gendarmeriebeamten Rev.Insp. St, Insp. D und Insp. Sch beantragt, wobei ihm diese Zeugen gegenübergestellt werden mögen. Es sei ihm die Nichtaufnahme dieses Beweises unverständlich, zumal eine Gegenüberstellung ergeben hätte, daß er keineswegs einen Alkomattest verweigert, sondern ordnungsgemäß in den Alkomaten geblasen habe. Der Beweis hätte ergeben, daß die Gendarmeriebeamten zum Tatzeitpunkt den Alkomaten falsch bedienten und die Beamten jeweils eine "neue Variante" durchgeführt haben. Eine Überprüfung des Alkomaten auf seine Tauglichkeit hätte ergeben, daß dieser zum Tatzeitpunkt durch einen Defekt außer Betrieb gewesen sei. Weiters haben es die Beamten unterlassen, ihn auf sein Recht hinzuweisen, den Amtsarzt aufzusuchen. Eine derartige Belehrung hätte zur Folge gehabt, daß ihm Blut abgenommen worden wäre und der errechnete Blutalkoholgehalt weniger als 0,8 Promille aufgewiesen hätte.

b) Seitens der Behörde sei innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist keine gehörige Verfolgungshandlung gesetzt worden. Er sei lediglich aufgefordert worden, Stellung zu nehmen. Diese Handlungen seien nicht geeignet, die Verfolgungsverjährung zu hemmen bzw. zu unterbrechen.

c) Die falsche Handhabung des Alkomaten sei ihm nicht zuzurechnen, weshalb die Erstbehörde den Sachverhalt unrichtig rechtlich beurteilt habe. Die Behörde hätte, da weder die falsche Handhabung der erhebenden Gendarmeriebeamten noch die unrichtige Belehrung bzw. Nichtbelehrung ihm zur Last gelegt werden könne, dem Grundsatz "in dubio pro reo" entsprechend davon ausgehen müssen, daß er zum Tatzeitpunkt "nicht alkoholisiert" gewesen sei. Er beantrage daher als Beweis zu allen Punkten die Einvernahmen der erhebenden Gendarmeriebeamten St, D und Sch sowie u.a. die Überprüfung des Alkomaten auf seine Tauglichkeit.

d) Die Erstbehörde gehe auch rechtsirrig davon aus, daß gegen den Bescheid betreffend die Entziehung der Lenkerberechtigung keine Vorstellung eingebracht worden sei und werte dies als Geständnis. Tatsächlich wurde gegen diesen Bescheid Vorstellung erhoben. Durch diese falsche Annahme, maßgeblich gestützt auf das angebliche Geständnis durch Nichterhebung eines Rechtsmittels, gelange die Erstbehörde auch zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Zum Beweis dafür beantrage er u.a. die Einvernahme des zuständigen Sachbearbeiters J Sch sowie seine Einvernahme.

Zusammenfassend stelle er fest, daß die Erstbehörde das Verfahren mangelhaft durchgeführt habe, wobei sie zu einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung gelangt sei. Die Aussagen der erhebenden Gendarmeriebeamten stehen im Widerspruch zu der Anzeige. Die Aussagen dieser Beamten gehen dahin, daß er sichtlich erregt war, sich unbeherrscht verhalten und mehrmals geschrien habe. Im Beiblatt zur Anzeige wird allerdings sein Vernehmen als beherrscht beschrieben.

I.4.1. Da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist die Zuständigkeit einer Kammer des unabhängigen Verwaltungssenates gemäß § 51c VStG gegeben. Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, durch Vorlage des Aktes betreffend die Entziehung der Lenkerberechtigung des Berufungswerbers, durch Einvernahme des Sachbearbeiters der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn, J Sch sowie insbesondere durch Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der neben den Parteien des Verfahrens auch die Gendarmeriebeamten Rev.Insp. St sowie Rev.Insp. D als Zeugen erschienen sind.

I.4.2. Als Ergebnis dieser Beweisaufnahme ist festzuhalten, daß der unabhängige Verwaltungssenat von der Richtigkeit des dem Beschuldigten zur Last gelegten Tatbestandes, insbesondere was die Tatzeit anlangt, nicht überzeugt werden konnte.

Geht man von der im gesamten Verfahren unbestritten gebliebenen Lenk- bzw. Anhaltezeit (1.45 Uhr) aus, so kann aufgrund der vor dem unabhängigen Verwaltungssenat abgelegten Zeugenaussagen die dem Beschuldigten zur Last gelegte Verweigerung des Alkotests nicht um 1.50 Uhr stattgefunden haben.

Laut Aussage des Rev.Insp. St hat der Beschuldigte, nachdem der Meldungsleger bei ihm Alkoholgeruch aus dem Mund festgestellt und ihn daraufhin aufgefordert hat, er solle seinen PKW von der Straße wegstellen, dieser Aufforderung zunächst entsprochen. Nach anfänglichem Zögern stimmte der Berufungswerber auch der Aufforderung zum Alkotest zu, worauf der Streifenwagen gestartet wurde, damit der Alkomat die Betriebstemperatur erreicht hat. Der Meldungsleger konnte sich nicht mehr genau daran erinnern, wie lange es gedauert hat, bis die notwendige Betriebstemperatur des Alkomaten erreicht war, er schätzte jedoch diese Zeitspanne auf ca. 5 Minuten. Veranschlagt man somit von der Anhaltung des Beschuldigten bis zur Aufforderung des Alkotestes (Wegstellen des PKW des Beschuldigten, anfängliches Zögern des Beschuldigten bis zur Zustimmung zum Alkotest) 5 Minuten, so ist es denkbar, daß nach einer weiteren Zeitspanne von 5 Minuten, bis der Alkomat die nötige Betriebstemperatur erreichte, der Alkotest um 1.50 Uhr begonnen hat. Laut Ausführungen des Rev.Insp. St hat sodann der Beschuldigte dreimal am Blasröhrchen vorbeigeblasen. Während dieses gesamten Vorganges sei dem Beschuldigten die Durchführung des Testes erklärt worden und er sei im Anschluß an den dritten ungültigen Versuch auch darauf hingewiesen worden, daß sein Fehlverhalten als Verweigerung gewertet wird. Würde man ausschließlich die Aussagen des Rev.Insp. St als der Richtigkeit entsprechend annehmen, so würde der Alkotest um ca. 1.55 Uhr (frühestens!) verweigert worden sein.

Würde man jedoch die Aussagen des Rev.Insp. D der Entscheidung zugrundelegen, so käme man hinsichtlich des Tatzeitpunktes frühestens auf eine Uhrzeit von 2.10 Uhr. Im Einklang mit seinem Kollegen St gab Insp. D an, daß der Beschuldigte über die Aufforderung naturgemäß nicht erfreut war und versuchte, durch ein gewisses Zögern diesen Test von ihm abzuwenden. Der Zeuge D führte weiters aus, daß - weil der Alkomat an diesem Tage noch nicht in Betrieb gewesen war - der Motor des Streifenfahrzeuges gestartet werden mußte, damit die Betriebstemperatur des Alkomaten erreicht wurde. Dies habe zumindest 15 Minuten, wahrscheinlich jedoch 20 Minuten gedauert. Veranschlagt man wiederum von dem Zeitpunkt der Anhaltung des Beschuldigten bis zum Zeitpunkt der Aufforderung zum Alkotest ca. 5 Minuten (Wegstellen des Fahrzeuges und anfängliches Zögern bis zur Zustimmung zum Alkotest) und im günstigsten Fall 15 Minuten bis zur Erreichung der Betriebstemperatur des Alkomaten, so wären ca. 20 Minuten vom Zeitpunkt der Anhaltung bis zum Beginn des Alkotests vergangen, sodaß eine Verweigerung erst nach 2.05 Uhr stattgefunden haben könnte. Da lt. Rev.Insp. D der Beschuldigte sechsmal geblasen hat, ergäbe sich nach dieser Aussage eine Tatzeit von ca. 2.10 Uhr.

In dem vor dem unabhängigen Verwaltungssenat durchgeführten Verfahren sind weitere Ungereimtheiten bzw. Widersprüchlichkeiten wie folgt zutage getreten:

Während der Zeuge St am 6. März 1991 vor dem Marktgemeindeamt A angab, daß der Beschuldigte stark nach Alkohol aus dem Munde gerochen hat, ist in der Anzeige vermerkt, daß beim Beschuldigten leichter Geruch der Atemluft nach Alkoholgehalt festzustellen war. Insp. Duschl gab in seiner Aussage am 8. April 1991 an, daß sich der Beschuldigte enthemmt benommen habe, während in der Beilage zur Anzeige "beherrscht" angekreuzt ist. Weiters ist zu konstatieren, daß in der Beilage zur Anzeige vom 24. Dezember 1991, welche sich im Strafakt befindet, hinsichtlich der Alkoholisierungssymptome überhaupt nichts angekreuzt ist. Auf diesen Umstand angesprochen, führte Insp. St aus, daß er am nächsten Tag, als er die Anzeige verfaßte, die Ankreuzungen auf dem Original nachträglich vorgenommen habe. Dennoch ist die Erstbehörde diesem Mangel nicht nachgegangen. Zudem wurde die Feststellung, daß der Alkomat im Juni 1991 das letzte Mal amtlich überprüft wurde, obwohl sich der Vorfall im Dezember 1990 ereignet hat, keiner Überprüfung unterzogen.

Abgesehen von diesen Unstimmigkeiten, Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten ist es aufgrund des Verfahrensergebnisses nicht mehr möglich, die genaue Tatzeit des hier zu beurteilenden Tatbestandes zu verifizieren. Gerade im Hinblick auf die gegenständliche Verwaltungsübertretung ist jedoch der Maßstab bezüglich der Umschreibung der Tatzeit verhältnismäßig streng (vgl. u.a. VwGH vom 19. Februar 1987, 86/02/0165). Der Berufungsbehörde ist es aber wegen der zwischenzeitlich eingetrenen Verfolgungsverjährung verwehrt, eine neue Tatzeit, welche immerhin rund 20 Minuten von der angenommenen Tatzeit abweichen kann und im übrigen ohnehin nicht mehr genau zu eruieren ist, festzusetzen, weshalb sowohl im Sinne des § 45 Abs.1 Z.1 als auch nach Z.3 VStG spruchgemäß zu entscheiden war.

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider Dr. F r a g n e r Dr. G r o f 6

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