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des Landes Oberösterreich
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VwSen-100193/7/Weg/Ri

Linz, 13.01.1992

VwSen - 100193/7/Weg/Ri Linz, am 13.Jänner 1992 DVR.0690392 A T, L; Straferkenntnis wegen Übertretung der StVO 1960 - Berufung

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch das Mitglied Dr. Kurt Wegschaider über die Berufung des A T vom 13. Juli 1991 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 1. Juli 1991, CSt. 6708/90-F, auf Grund des Ergebnisses der am 7. Jänner 1991 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl.Nr. 51/1991, i.V.m. §§ 24, 45 Abs.1 Z.2, 51 Abs.1, 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bundespolizeidirektion Linz hat mit dem in der Präambel zitierten Straferkenntnis über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 48 Stunden verhängt, weil dieser als Lenker des Kraftfahrzeuges am 4. Oktober 1991 um 18.00 Uhr in L, H.straße, an der Kreuzung mit der B.straße, von der H.straße in die B.straße nach links abbiegend, als Wartepflichtiger beim Linksabbiegen den Vorrang des Lenkers eines entgegenkommenden nach rechts einbiegenden Fahrzeuges nicht beachtet hat, wodurch dieser zum unvermittelten Abbremsen genötigt wurde. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 19 Abs.7 i.V.m. § 19 Abs.5 StVO 1960 begangen. Außerdem wurde als Kostenbeitrag für das Strafverfahren erster Instanz ein Betrag von 100 S vorgeschrieben.

2. Diesem Straferkenntnis liegt eine Anzeige des Wachzimmers K.straße vom 5.10.1990, sowie nach Erlassen einer Strafverfügung ein Bericht des Meldungslegers und in der weiteren Folge die zeugenschaftliche Aussage des Meldungslegers vom 17. Juni 1991 zugrunde.

3. Der Berufungswerber wendet zuerst in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung und in der weiteren Folge in der Berufung gegen das Straferkenntnis sinngemäß ein, daß er wenn überhaupt - den vorrangberechtigten PKW-Lenker nur deswegen zum Abbremsen genötigt habe, weil - für ihn überraschend und unvorhersehbar - ein Fußgänger den Schutzweg überqueren wollte und er durch dieses Verhalten gezwungen gewesen sei das Fahrzeug anzuhalten und dann wieder - faktisch aus dem Stand - wegzufahren. Er habe bei diesem Linkseinbiegemanöver eine ausreichend große Lücke gegenüber dem bevorrangten Fahrzeug zur Verfügung gehabt und hätte die Kreuzung auch leicht verlassen können, ohne den Bevorrangten zu behindern, wenn eben dieser Fußgänger ihn nicht zum Anhalten genötigt hätte.

4. Die Berufung ist rechtzeitig. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht, sodaß die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben ist, der - weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe ausgesprochen wurde - durch ein Einzelmitglied zu erkennen hat. Da von den Parteien des Verfahrens kein Verzicht auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgegeben wurde, war eine solche anzuberaumen.

5. Zu dieser mündlichen Verhandlung erschienen lediglich der Beschuldigte sowie als Zeuge der Meldungsleger. Der Beschuldigte blieb anläßlich seiner Einvernahme im wesentlichen bei den im Einspruch und in der Berufung aufgestellten Behauptungen. Der Meldungsleger konnte sich an den Vorfall nicht mehr im geringsten erinnern. Selbst über Vorhalt des bisherigen Verfahrens und seiner eigenen Aussagen vor der Strafbehörde war es nicht möglich, diese Erinnerungslücke auszufüllen.

6. Somit ergibt sich auf Grund des im § 51i VStG normierten Unmittelbarkeitsprinzipes und der nicht zu widerlegenden und mit den Denkgesetzen im Einklang stehenden Äußerungen des Beschuldigten nachstehender entscheidungsrelevante Sachverhalt:

Der Berufungswerber als linkseinbiegender Wartepflichtiger wurde während der Ausführung seines Einbiegemanövers von einem überraschend die Fahrbahn betretenden Fußgänger zum Anhalten gezwungen und konnte erst, nachdem der Fußgänger wieder auf den Gehsteig zurückgetreten war, den Kreuzungsbereich verlassen. Der Vorrangberechtigte wiederum mußte sein Fahrzeug jäh abbremsen, um einen Verkehrsunfall mit dem bereits auf der linken Fahrbahnhälfte zum Stillstand gekommenen Linkseinbieger zu vermeiden.Daß ein Fußgänger die Fahrbahn überqueren wollte - es war dies im übrigen im Zuge des schriftlichen Verfahrens ein Streitpunkt - ist in Anbetracht der Uhrzeit (es war 18.00 Uhr und Geschäftsschluß) wahrscheinlicher als die Aussage des Meldungslegers im schriftlichen Verfahren, daß nämlich kein Fußgänger sichtbar war.

7. Über den unter Punkt 6. dargestellten Sachverhalt hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt entschieden.

Gemäß § 19 Abs. 7 i.V.m. § 19 Abs. 5 StVO 1960 darf der Lenker eines linkseinbiegenden Fahrzeuges den Lenker eines geradeausfahrenden oder rechts einbiegenden Fahrzeuges nicht zum unvermittelten Bremsen nötigen.

Durch den dargestellten Sachverhalt gilt als erwiesen, daß der Berufungswerber als Linkseinbieger einen geradeausfahrenden PKW-Lenker zum Abbremsen nötigte, womit objektiv das Tatbild der eben zitierten Vorrangverletzung erfüllt ist.

Gemäß § 6 VStG ist jedoch eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Der Nostand wird vom unabhängigen Verwaltungssenat darin gesehen, daß der Berufungswerber den Fußgänger aus der vermeintlichen schweren unmittelbaren Gefahr (nämlich des Überfahrenwerdens) nur dadurch retten konnte, daß er sein Fahrzeug anhielt und eben so die gegenständliche Vorrangverletzung beging. Daß die Gefahr für den Fußgänger letztlich dadurch bereinigt wurde, daß dieser wieder auf den Gehsteig zurücktrat, schließt die Anwendung des § 6 VStG nicht aus, weil dazu auch ein Putativnotstand ausreicht.

Daß bei Beginn des Einbiegemanövers für den Wartepflichtigen noch nicht erkennbar war, daß ein Fußgänger auf dem ungeregelten Schutzweg die Fahrbahn überqueren wollte, wird als gegeben angenommen, weil dieser Fußgänger vorher von niemandem gesehen wurde (auch nicht vom Meldungsleger) und es sohin nicht ausgeschlossen ist, daß er aus dem Schuhgeschäft an der Ecke kommend sofort über die Kreuzung laufen wollte.

Gemäß § 45 Abs.1 Z.2 hat die Behörde von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen.

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Wegschaider 6

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