Linz, 16.03.2009
E r k e n n t n i s
Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn W T, geb. , U, vertreten durch die Rechtsanwälte Dres. H - E, L, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt, vom 07.01.2009, Zl. VerkR21-266-2008-Gg, hat nach der am 16. März 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung und Verkündung, zu Recht erkannt:
Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass die Entzugsdauer mit einem Monat festgesetzt wird. Im gleichem Umfang wird das ausgesprochene Lenkverbot für nicht lenkberechtigungspflichtige Kraftfahrzeuge, sowie die Aberkennung des Rechtes von allfällig erworbenen ausländischen Lenkberechtigungen Gebrauch zum machen reduziert.
Die übrigen Aussprüche werden ersatzlos behoben.
Rechtsgrundlagen:
§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 5/2008 – AVG iVm § 24 Abs.3 u. § 24 Abs.3 u. § 26 Abs.1 u. 5 Führerscheingesetz 1997, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 6/2008 - FSG
Entscheidungsgründe:
1.1. Die Behörde erster Instanz führte begründend Folgendes aus:
2. Der Berufungswerber wendet sich in der dagegen fristgerecht durch seinen ausgewiesenen Rechtsvertreter erhobenen Berufung:
3. Der Verfahrensakt wurde ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich am 13.2.2009 zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Dieser hat demnach durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung schien mit Blick auf das Berufungsvorbringen im Sinne der umfassenden Beurteilungsmöglichkeit der Faktenlage geboten (§ 67d Abs.1 AVG).
3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Verlesung des vorgelegten Verfahrensaktes. Beigeschafft wurde das den Ausgang dieses Verfahrens bildende rechtskräftige Straferkenntnis v. 9.12.2008, VerkR96-2622-2008, sowie die offenbar der Wertung einbezogenen Vorakte (VerkR21-624-1998 u. VerkR21-244-2000).
Im Rahmen der Berufungsverhandlung wurde der Berufungswerber zur Sache gehört und auch die Vorakte auszugsweise verlesen.
4. Die erstinstanzliche Ausgangslage:
Der Berufungswerber wurde mit dem Straferkenntnis der Behörde erster Instanz vom 9.12.2008, VerkR962622-2008, rechtskräftig bestraft, weil er am 3.9.2008 um 13:35 Uhr, in Wartberg ob der Aist, Richtung Katsdorf, bei Strkm 1,700, einen nach dem Kennzeichen bestimmten Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand lenkte. Der Alkoholgehalt seiner Atemluft betrug 0,42 mg/l.
Laut dem im Akt erliegenden Vormerkregister ist der Berufungswerber verwaltungsstrafrechtlich unbescholten. Die dem Akt beigeschlossenen und bis zum Jahr 1982 zurückreichenden sind unbeachtlich.
Im Verfahren zu VerkR21-624-1998-Ja wurde wider den Berufungswerber – in Bestätigung de Mandatsbescheides vom 20.1.1999 - mit Bescheid vom 27.8.1999 ein sogenanntes Mopedfahrverbot in der Dauer von 30 Monaten verhängt, weil er ein Motorfahrrad mit 0,85 mg/l stark alkoholisiert gelenkt hatte. Damals wurde der mit langer Zeitdauer ausgesprochene Entzug mit den beim Berufungswerber georteten Wiederholungstendenzen (drei Vorentzüge ab 1995). Darin wurde auch noch auf drei noch weiter zurückliegende zum Teil ebenfalls hochgradige Alkofahrten verwiesen.
Im Verfahren zu VerkR21-244-2000-Gg wurde wider den Berufungswerber mit Bescheid vom 10.7.2001 ein sogenanntes Mopedfahrverbot in der Dauer von fünf Jahren verhängt, weil er am 25.6.2000 abermals ein Motorfahrrad trotz bestehenden Fahrverbotes im Verdacht alkoholisiert gewesen zu sein gelenkt hatte, wobei er die Atemluftuntersuchung verweigerte.
4.1. Die nunmehrige Alkofahrt ist durch das Straferkenntnis vom 12.2008, VerkR962622-2008 rechtskräftig festgestellt. Im Akt befindet sich neben einer inhaltlich nicht verifizierbare Leumundserhebung auch eine anonyme Mitteilung an die Behörde erster Instanz, worin dem Berufungswerber in der Substanz vorgeworfen wird, er würde trotz des bestehenden Fahrverbotes mit dem Moped – vermutlich auch alkoholisiert – herumfahren. Ebenfalls hegt der anonyme Anzeiger Bedenken gegen die vom Berufungswerber offenbar in Tschechien vor zwei bis drei Jahren erworbenen Lenkberechtigung, wobei ihm der tschechische Führerschein im September abgenommen worden sei.
Die Urheberschaft der an die Behörde übermittelte anonyme Anschwärzung des war nicht nachvollziehbar. Diese anonyme Anzeige ist aus der Sicht der Berufungsbehörde belanglos und ethisch als verwerflich zu bezeichnen.
4.2. Der Berufungswerber zeigte sich der Problematik des alkoholisierten Lenkens einsichtig. Zum Ende des 2001 wider ihn ausgesprochenen Fahrverbotes habe er im Juni 2006 anlässlich seiner beruflichen Tätigkeit als Montagearbeiter in Tschechien den Führerschein gemacht. Bisher sei er 50 bis 60.000 km unbeanstandet gefahren. In diesem Fall sei die Alkoholisierung nur knapp über dem Grenzwert gelegen, wofür er auch nur etwas über der Mindeststrafe bestraft wurde.
Im Ergebnis war daher dem Berufungswerber in seinen Ausführungen zu folgen, wenngleich verkannt zu werden scheint, dass es sich bei einem Entzug der Lenkberechtigung um keine Strafe handelt.
5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:
§ 26 Abs.1 FSG lautet: Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt und zuvor keine andere der in § 7 Abs. 3 Z1 und 2 genannten Übertretungen begangen wurde, die Lenkberechtigung für die Dauer von einem Monat zu entziehen.
Wenn jedoch
1. auch eine der in § 7 Abs.3 Z3 bis 7 genannten Übertretungen vorliegt, oder
2. der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen Verkehrsunfall verschuldet hat, oder
3. der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille), oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l, beträgt, so hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen. (2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen;
….
(4) Eine Entziehung gemäß Abs. 3 darf erst ausgesprochen werden, wenn das Strafverfahren in erster Instanz durch Strafbescheid abgeschlossen ist. Bei erstmaligen Entziehungen gemäß Abs.3 darf die Behörde keine begleitenden Maßnahmen anordnen, es sei denn, die Übertretung erfolgte durch einen Probeführerscheinbesitzer.
(5) Eine Übertretung gemäß Abs.1 gilt als erstmalig, wenn eine vorher begangene Übertretung der gleichen Art zum Zeitpunkt der Begehung der neuerlichen Übertretung getilgt ist."
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1. die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz-SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
...
(4) Für die Wertung der in Abs.3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
(5) Strafbare Handlungen gelten jedoch dann nicht als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1, wenn die Strafe zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens getilgt ist. Für die Frage der Wertung nicht getilgter bestimmter Tatsachen gemäß Abs. 3 sind jedoch derartige strafbare Handlungen auch dann heranzuziehen, wenn sie bereits getilgt sind.
5.2.1. Der § 26 Abs.2 FSG wird hier seitens der Behörde erster Instanz offenkundig in Verkennung der Rechtslage zur Anwendung gebracht. Mit Blick auf den Inhalt des § 26 Abs.1 u. Abs.5 FSG wurde diese Alkofahrt mit einem Atemluftalkoholgehalt von 0,42 mg/l [gemäß § 99 Abs.1b StVO] "erstmalig" begangen, weil vorher begangene Übertretungen der gleichen Art (acht Jahre u. länger zurückliegende Alkodelikte) zum Zeitpunkt der Begehung der verfahrensgegenständlichen Übertretung getilgt waren.
Die erstmaliger Begehung hat dem Wortlaut des Gesetzes folgend in diesem Fall nur eine Entzugsdauer (Verkehrsunzuverlässigkeit) von einen Monat zur Folge, wobei dieser vom Gesetzgeber normierte Entzugstatbestand einer behördlichen Wertung entzogen zu bleiben hat (s. auch VwGH vom 6.4.2006, 2005/11/0214 u. VwGH 24.6.2003, 2003/11/0132).
Unzutreffend ist daher auch hier die Auffassung der Behörde erster Instanz, wonach offenbar jedes Alkodelikt der StVO immer dann auch zu einer Wertung als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 FSG führen müsse, wenn nur ein - wie lang auch immer zurückliegendes – Alkoholdelikt lt. § 99 Abs.1 StVO lt. § 99 Abs.1 StVO vorgemerkt ist.
Dem Führerscheingesetzgeber kann wohl kaum zugesonnen werden, dass auch bei lang zurückliegenden Alkodelikten für alle Zeit der 'einmonatige Entzug' ausgeschlossen werden sollte. Auch die fünf früheren Fassungen des § 26 Abs.1 des FSG stellen darauf ab, dass - falls zuvor keine andere der in § 7 Abs.3 Z1 und 2 genannten Übertretungen begangen wurde, die Lenkberechtigung (nur) für die Dauer von einem Monat zu entziehen – ist (!).
So hat dies offenbar der VwGH auch zur früheren Rechtslage des § 66 Abs.2 lit.e KFG betreffend fünf Jahre zurückliegende Delikte als getilgt und es nach § 73 Abs 3 zweiter Satz KFG für die Beantwortung der Frage, ob ein späteres Alkoholdelikt für einen 1 Monat auszusprechenden Entzug, als erstmaliges Delikt qualifiziert (VwGH 30.5.2001, 2001/11/0113).
Selbst für die Anordnung von Maßnahmen findet sich ob des langen Zurückliegens im Sinne des § 24 Abs.3 FSG keine sachliche Grundlage.
5.3. Anzumerken ist an dieser Stelle abschließend, dass gemäß § 55 Abs.2 VStG getilgte Verwaltungsstrafen in amtlichen Leumundszeugnissen oder Auskünften für Zwecke eines Strafverfahrens nicht erwähnt und bei der Strafbemessung im Verwaltungsstrafverfahren nicht berücksichtigt werden dürfen.
Hinsichtlich die Verwendung invalider Daten (auch Vormerkungen) ist auf § 7 Abs.3 DSG 2000 hinzuweisen (s. Bescheid der DSK v. 20.5.2005, Zl. K120.956/0003-DSK/2005). Auch dies spricht neben dem Sachlichkeitsgebot, welches in verfassungskonformer Gesetzesvollziehung immer mit zu bedenken ist, dafür, dass frühere Fehlverhalten einen Menschen nicht gleichsam für alle Zeit zum Nachteil gereichen dürfen.
Die Behörde erster Instanz greift in ihren Ausführungen in signifikanter Diktion, bis zu 27 Jahre zurückliegende Vorfälle auf. Offenkundig werden diese dem Wertungskalkül und einer Prognosebeurteilung einbezogen. So wird etwa zu seinem über Jahre unauffälligen Verhalten ausgeführt, der Berufungswerber habe "während des langjährig ausgesprochen gewesenen Fahrverbotes, keine Gelegenheit gehabt Verkehrsverstöße zu begehen." Daraus leuchtet doch ein verfehltes, da den Betroffenen stigmatisierendes Wertungskalkül hervor.
5.3.2. Die ehest mögliche Erledigung des Verfahrens durch sofortige Verkündung der Berufungsentscheidung schien hier angesichts der zwischenzeitig bereits verstrichenen Zeit in Vermeidung eines fortgesetzten sogenannten "kalten Entzuges" geboten.
Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.
Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweis:
Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
Dr. B l e i e r