Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-550465/3/Kü/Rd/Ba

Linz, 28.04.2009

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 6. Kammer (Vorsitzende: Dr. Ilse Klempt, Berichter: Mag. Thomas Kühberger, Beisitzer: Dr. Leopold Wimmer) über den Antrag der S A Ö,  vertreten durch Rechtsanwälte S-S-F & P, D, W, vom 23. April 2009 auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Vergabeverfahren der Oö. G- u S AG betreffend das Vorhaben "L S A, U u S; M-, S- u R", zu Recht erkannt:

 

Dem Antrag wird stattgegeben und der Auftraggeberin Oö. G- u S AG die Erteilung des Zuschlags bis zur Entscheidung in diesem Nachprüfungsverfahren, längstens aber bis  23. Juni 2009, untersagt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 1, 2, 8 und 11 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz – Oö. VergRSG, LGBl. Nr. 130/2006.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Eingabe vom 23.4.2009 hat die Siemens Aktiengesellschaft Österreich (im Folgenden: Antragstellerin) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung sowie auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, der Auftraggeberin die Zuschlagserteilung bis zur Entscheidung im Nachprüfungsverfahren, zu untersagen, gestellt. Im Übrigen wurde die Zuerkennung der entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von 2.400 Euro beantragt.

 

Begründend führte die Antragstellerin eingangs hiezu aus, dass die Auftraggeberin die Dienstleistung bezüglich Mess-, Steuer- und Regeltechnik in einem Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Oberschwellenbereich ausgeschrieben habe. In Punkt 3. Qualitätskriterien seien Festlegungen (Kurzübersicht: Wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit, Referenzanlagen, Gewährleistungsfrist, Betreuung nach Fertigstellung, Bewertung des Systems des Bieters durch die Kommission, Systemparameter, Preiskriterium, Preisfaktor, Leistungsfaktor, Preis-Leistungsfaktor) getroffen worden, denen zufolge der Teilnehmer Bewertungspunkte auf Basis seiner Angaben erhalte.

Die Antragstellerin habe fristgerecht ein ausschreibungskonformes – und wie sich aus ihrer Bewertung ergeben habe – auch das auffallend billigste Angebot gelegt.

Mit Schreiben vom 9.4.2009 sei der Antragstellerin mitgeteilt worden, dass beabsichtigt sei, der Y A GmbH als Bieterin mit dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot den Zuschlag zu erteilen. Die Vertragssumme betrage 317.322,03 Euro (netto). Darüber hinaus sei das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin mit 78,98 Punkten und jenes der Antragstellerin mit 49 Punkten bewertet worden. Mit E-Mail vom 16.4.2009 sei der Antragstellerin von der vergebenden Stelle ein Auszug ihrer Bewertung übermittelt worden.

Demnach sei die tatsächliche Bewertung der Angebote nach anderen Kriterien als denjenigen, die in den Ausschreibungsunterlagen festgelegt wurden, erfolgt: So sei bei der Bewertung des Punktes "Stundensatzbetreuung durch einen D-S" plötzlich festgehalten, dass als maximale Punkteanzahl 50 Punkte vergeben werden würden. Eine solche Festlegung sei aber in der Ausschreibung nicht vorgesehen gewesen. In Punkt 4 "Auswertung und Gewichtung" sei festgehalten worden, dass die maximal erreichbare Punkteanzahl 100 Punkte betragen würde. In den Ausschreibungsunterlagen sei diese mit 400 Punkten bekannt gegeben worden. Darüber hinaus zeige sich bei Zusammenzählung der maximal erreichbaren Punkte unter Bedachtnahme auf die entsprechende Gewichtung, dass tatsächlich lediglich 95 Punkte zu erreichen seien. Weiters betrage in Punkt "Systemparameter" in der Ausschreibung die Gewichtung 15%. Im Rahmen der tatsächlich erfolgten Bewertung habe die Gewichtung lediglich 5% betragen. Die Bewertung der Punkte für "Betreuung nach Fertigstellung" sei in der Ausschreibung lediglich mit 5% gewichtet worden, im Rahmen der tatsächlichen Bewertung betrage die Gewichtung dieses Punktes nunmehr 15%.

 

Aufgrund der bisherigen Beteiligung der Antragstellerin am Vergabeverfahren sind Kosten in Höhe von ca. 4.500 Euro für die Erstellung des Angebotes sowie in Höhe von ca. 3.000 Euro für die rechtsfreundliche Vertretung angefallen. Darüber hinaus drohe ein Schaden in Höhe des entgangenen Gewinns sowie der Verlust eines Referenzprojektes.  Im Übrigen habe die Antragstellerin ihr Interesse am Vertragsabschluss durch die Legung eines Angebots hinreichend zum Ausdruck gebracht und manifestiere sich dies auch durch die Stellung des Nachprüfungsantrages und der Erlassung einer einstweiligen Verfügung.

 

Die Antragstellerin erachte sich in ihrem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen, vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens, insbesondere in ihrem Recht auf eine vergaberechtskonforme Zuschlagserteilung und auf gesetzeskonforme Zuschlagserteilung auf ihr Angebot verletzt.

 

Zu den Vergaberechtswidrigkeiten wurde näher ausgeführt, dass es unklar sei, warum das gegenständliche Vergabeverfahren als Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung im Oberschwellenbereich durchgeführt worden sei.

Die Antragstellerin habe das Angebot mit dem billigsten Preis gelegt. Aufgrund ihrer Marktkenntnisse gehe sie davon aus, dass sie bei vergaberechtkonformer Bewertung der Kriterien, die Höchstpunkteanzahl erhalten hätte müssen. Sie sei Bestbieterin im gegenständlichen Verfahren.

Gemäß § 19 BVergG 2006 habe ein Auftraggeber Vergabeverfahren unter Beachtung der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten sowie des Diskriminierungsverbotes entsprechend den Grundsätzen des freien und lauteren Wettbewerbes und der Gleichbehandlung aller Bieter durchzuführen. Es sei das Transparenzgebot, das allgemeine Sachlichkeitsgebot sowie ein striktes Diskriminierungsverbot unbedingt einzuhalten.

Die Auftraggeberin habe in den gegenständlichen Ausschreibungsunterlagen Zuschlagskriterien aufgenommen, die derart unsubstantiiert und unkonkret seien, dass dadurch eine vergaberechtskonforme Bewertung von Bieter ausgeschlossen sei. Es handle sich dabei um fundamentale Vergaberechtsverstöße, die iSd Grundsatzes einer effektiven Durchsetzbarkeit der Bestimmung des Vergaberechts nicht saniert werden könnten. Die Festlegungen widersprechen zwingenden vergaberechtlichen Bestimmungen gröblich.

Ungeachtet dessen, habe die Auftraggeberin völlig vergaberechtswidrig, nicht nachvollziehbar und keinesfalls gerechtfertigt, die Zuschlagskriterien im gravierenden Ausmaß nach Abgabe der Angebote geändert. Es sei  keinesfalls nachvollziehbar, warum sich Punkteanzahl und Gewichtung diverser Zuschlagskriterien nach Abgabe eines Angebots ändern, obwohl Zuschlagskriterien einen erhöhten Bestandsschutz genießen würden.

Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass es keinesfalls dem Vergaberecht entspreche, den Nachweis der wirtschaftlichen und technischen Leistungsfähigkeit im Rahmen der Zuschlagskriterien zu bewerten. Diese Vorgehensweise widerspreche dem Doppelverwertungsverbot. Die Bewertung des Punktes "Schulung des Nutzers bis zur F-T" sei für die Antragstellerin in keiner Weise nachvollziehbar, zumal im Rahmen der Verhandlung seitens der Auftraggeberin ausdrücklich festgehalten worden sei, dass eine "Basisschulung" jedenfalls ausreichend sei. Im Übrigen sei die Bewertung der Punkte 3.1.1.a und 3.1.1.b sowie 3.2.2. keinesfalls nachvollziehbar und jedenfalls unzureichend begründet.

Zusammenfassend sei daher festzuhalten, dass die gegenständliche Zuschlagsentscheidung grob vergaberechtswidrig und geradezu willkürlich erfolgt sei. Aufgrund der festgelegten Zuschlagskriterien sei eine objektive Ermittlung des Zuschlagsempfängers nicht möglich. Es handle sich dabei um fundamentale Vergaberechtswidrigkeiten. Weiters habe die Auftraggeberin in völlig vergaberechtswidriger Weise und unter Missachtung des Transparenzgebotes – und daher für Bieter bei der Kalkulation nicht vorhersehbar – die Zuschlagskriterien nach Abgabe des Angebots in massivem Umfang geändert. Diese Änderung wirke sich einerseits auf die Bewertung des Angebots der Antragstellerin massiv negativ aus und andererseits gehe damit die evidente Möglichkeit der Benachteiligung bzw Begünstigung von Bietern einher, was zu einer gravierenden Verletzung des Gleichheitsgebots führe.

 

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin zunächst auf die Ausführungen zum Hauptantrag. Die einstweilige Verfügung sei zwingend erforderlich, da die Auftraggeberin durch Zuschlagserteilung unumkehrbare Tatsachen schaffe, die von der Antragstellerin mit den Mitteln des Oö. VergRSG 2006 nicht mehr beseitigen werden könnten.

Das Interesse der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung begründe  sich insbesondere darauf, dass die Auftraggeberin der Antragstellerin rechtswidrig den Zuschlag nicht erteile. Schließlich bestehe das Interesse auf Erlassung auch darin, dass die Antragstellerin nach Erteilung des Zuschlages mit dem Rechtsschutzinstrumentarium des Oö. VergRSG 2006 nicht mehr in das Vertragsverhältnis zwischen der Auftraggeberin und dem Zuschlagsempfänger eingreifen könne. Dies, obwohl das gegenständliche Vergabeverfahren mit gravierenden Mängeln behaftet sei. Dies würde im Ergebnis dazu führen, dass der Anspruch der Antragstellerin auf ein vergaberechtskonformes Vergabeverfahren und letztlich der Anspruch auf Zuschlagserteilung umgangen werden würde. Im Falle der Abweisung des Antrages auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wäre die Antragstellerin zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf den ordentlichen Rechtsweg verwiesen. Diese Alternative widerstreite dem Interesse der Antragstellerin an einer raschen Bereinigung des gegenständlichen Rechtsstreits. Dazu komme, dass schon alleine aufgrund der Notwendigkeit der Durchführung eines zivilrechtlichen Gerichtsverfahrens wegen dessen Dauer und damit verbundener Kosten eine ungebührliche Erschwerung der Rechtsdurchsetzung für die Antragstellerin verbunden wäre. Es überwiege daher das Interesse der Antragstellerin an der Beseitigung der im gegenständlichen Verfahren von der Auftraggeberin zu verantwortenden Vergaberechtsverstöße bei weitem gegenüber allfälliger Folgen einer derartigen Maßnahme für die Auftraggeberin. Das Interesse der Antragstellerin an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung gründe sich auch darauf, dass der Entgang des Auftrages, sohin der Entgang des Gewinns, die Kosten für die Teilnahme am Vergabeverfahren sowie die Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung im vorliegenden Vergabeverfahren drohe. Darüber hinaus entginge ein Referenzprojekt, das weitere Folgeaufträge für den österreichischen und europäischen Markt sichergestellt hätte. Auch seien keine besonderen Interessen der Antragstellerin ersichtlich, die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechen würden. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hinzuweisen, dass jeder umsichtige Auftraggeber bei der Gestaltung des Zeitplanes Zeitpolster für Nachprüfungs- und Provisorialverfahren einplanen müsse.

Besondere öffentliche Interesse, die gegen die Erlassung sprechen würden, seien im vorliegenden Fall ebenfalls nicht ersichtlich.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat die Oö. G- u S AG als Auftraggeberin am Nachprüfungs­verfahren beteiligt. Bis zum Entscheidungszeit­punkt langte beim Oö. Verwaltungssenat keine Stellungnahme ein.

 

3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 1 Abs.1 Oö. Vergaberechtsschutzgesetz 2006 (Oö. VergRSG 2006) regelt dieses Landesgesetz den Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Auftraggeber in Verfahren nach den bundesrechtlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesen (Vergabeverfahren), die gemäß Art.14b Abs.2 Z2 B-VG in den Vollzugsbereich des Landes fallen.

 

Die Oö. G- u S AG ist öffentliche Auftraggeberin iSd § 1 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 und liegt im Vollziehungsbereich des Landes iSd Art. 14b Abs.2 Z2 lit.c B-VG, sodass das gegenständliche Nachprüfungsverfahren den Bestimmungen des Oö. VergRSG 2006 unterliegt.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 obliegt dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Gewährung von Rechtsschutz gemäß § 1 Abs.1 leg.cit.

 

3.2.  Gemäß § 2 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 ist der Unabhängige Verwaltungssenat bis zur Zuschlagsentscheidung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens zum Zweck der Beseitigung von Verstößen gegen die bundesgesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiet des öffentlichen Auftragswesens und die dazu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht zuständig zur Erlassung einstweiliger Verfügungen sowie zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen (§ 2 Z16 lit.a BVergG 2006) des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin im Rahmen der vom Antragsteller bzw. der Antragstellerin geltend gemachten Beschwerdepunkte.

 

Der gegenständliche Antrag ist rechtzeitig und zulässig. Aufgrund der Höhe des Auftragswertes des ausgeschriebenen Lieferauftrages sind die Bestimmungen für den Oberschwellenbereich anzuwenden.

 

3.3. Gemäß § 8 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 hat der Unabhängige Verwaltungssenat auf Antrag durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet scheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin zu beseitigen oder zu verhindern.

 

Gemäß § 11 Abs.1 leg.cit.  hat der Unabhängige Verwaltungssenat vor Erlassung einer einstweiligen Verfügung die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers bzw. der Antragstellerin, der sonstigen Bewerber oder Bieter bzw. Bewerberinnen oder Bieterinnen und des Auftraggebers bzw. der Auftraggeberin sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf ihre Erlassung abzuweisen.

 

Gemäß § 11 Abs.3 leg.cit. ist in einer einstweiligen Verfügung die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird, außer Kraft.

 

3.4.  Bereits zu der vorausgegangenen sinngemäßen Regelung des Bundes­vergabe­gesetzes 1997 führte Elsner, Vergaberecht (1999), auf Seite 86 aus: Die Entscheidung hängt von einer Abwägung der möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers und einem allfälligen besonderen öffentlichen Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens ab. Dabei muss es sich um ein "besonderes" öffentliches Interesse handeln. Es wird nämlich (hoffentlich) bei jeder öffentlichen Auftragsvergabe ein öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens und Vergabe eines Auftrages bestehen. Aber auch daran, dass Vergabeverfahren fehlerfrei ablaufen, besteht öffentliches Interesse. Eine Nichterlassung einstweiliger Verfügungen wird daher nur bei sonstiger Gefahr für Leib und Leben und besonderer Dringlichkeit zulässig sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn besondere Interessen der Daseinsvorsorge gefährdet würden.

 

Art.2 Abs.4 Satz 1 der Rechtsmittelrichtlinie darf nicht fälschlicherweise so ausgelegt werden, dass der vorläufige Rechtsschutz regelmäßig leerläuft. Mit diesem Interesse ist nicht das bei jeder Auftragsvergabe bestehende öffentliche Interesse an der zügigen Abwicklung gemeint. Nach der Beschlusspraxis des EuGH kommt es in der Interessensabwägung maßgeblich darauf an, wer durch sein Verhalten die besondere Dringlichkeit der Auftragsvergabe verursacht hat. Für die öffentlichen Auftraggeber ergibt sich daraus eine echte Obliegenheit zu rechtzeitig geplanten und durchgeführten Beschaffungsvorgängen. Das Rechtsschutzinteresse des diskriminierten Bieters kann insoweit nur vom vorrangigen Schutz überragend wichtiger Rechtsgüter der Allgemeinheit zurückgedrängt werden (vgl. Schenk, Das neue Vergaberecht, 1. Auflage 2001, S. 172f).

 

Auch der Verfassungsgerichtshof hat insbesondere in seiner Entscheidung zu Zl. B 1369/01 vom 15.10.2001 ein öffentliches Interesse im Hinblick auf das Postulat effizienten Einsatzes öffentlicher Mittel in der Sicherstellung einer Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter gesehen, dem die Nachprüfung des Vergabe­verfahrens letztlich dienen soll.

 

3.5. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich beim gegenständlichen Vorhaben nicht um eine vordringliche Leistungserbringung handelt, kann daraus geschlossen werden, dass eine Gefährdung von Leib und Leben nicht aktuell ist. Auch trifft die Auftraggeberin im Hinblick auf die Rechtsnatur des Provisorialverfahrens und auf die allgemeine Mitwirkungspflicht der Parteien im Verwaltungsverfahren die Behauptungslast betreffend die gegen die Erlassung einer einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen. Die Auftraggeberin hat im Verfahren konkrete, mit der Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung drohende Nachteile nicht dargelegt, sodass davon auszugehen ist, dass die nachteiligen Folgen des vorläufigen Zuschlagsverbotes nicht überwiegen und daher dem Antrag stattzugeben ist (vgl. BVA 1.12.2000, N-56/00-9).

 

Die Antragstellerin hat denkmöglich ausgeführt, dass ihr durch die behauptete Rechtswidrigkeit der Entgang des Auftrages droht, sohin ein Schaden, der nur durch die vorläufige Untersagung der Zuschlagserteilung abgewendet werden kann. Abgesehen von dem vorausgesetzten öffentlichen Interesse an der Vergabe des gegenständlichen Auftrages ist aber ein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens weder durch die Auftraggeberin vorgebracht worden noch dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Kenntnis gelangt. Vielmehr ist bei der Interessensabwägung iSd Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Auftraggeberin ein Interesse an einem rechtmäßigen Vergabeverfahren haben muss. Darüber hinaus ist auf die Rechtsprechung der Vergabe­kontrollinstanzen, dass ein öffentlicher Auftraggeber bei der Erstellung des Zeitplanes für eine Auftragsvergabe die Möglichkeit von Nachprüfungsverfahren und die damit einhergehende Verzögerung ins Kalkül zu ziehen hat, zu verweisen. Dass sich durch die Erlassung einer einstweiligen Verfügung eine Verzögerung der Bedarfsdeckung und ein organisatorischer und finanzieller Mehraufwand ergeben können, liegt in der Natur der Sache. Da - wie bereits erwähnt - kein darüber hinausgehendes besonderes öffentliches Interesse an einem möglichst raschen Vertragsabschluss geltend gemacht wurde und auch nicht auf der Hand liegt, war dem Antrag stattzugeben.

 

Die im Vorbringen der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten sind zumindest denkmöglich. Eine Überprüfung, ob die behaupteten Rechtswidrigkeiten auch tatsächlich vorliegen, war im Rahmen des Provisorialverfahrens nicht durchzuführen.

 

Die Dauer der Aussetzung der Zuschlagserteilung ergibt sich aus § 11 Abs.3 Oö. VergRSG 2006 iVm § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006.

Gemäß § 20 Abs.1 Oö. VergRSG 2006 ist über Anträge auf Nichtigerklärung von Entscheidungen eines Auftraggebers bzw. eine Auftraggeberin unverzüglich, spätestens aber zwei Monate nach Einlangen des Antrages zu entscheiden.

 

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den  Unabhängigen Verwaltungssenat somit die Möglichkeit besteht, die Aussetzung der Zuschlags­erteilung für zwei Monate, auszusprechen.

 

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 11 Abs.4 Oö. VergRSG 2006 sofort vollstreckbar.

 

4. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in der Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

  

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr.  Ilse Klempt

 

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