Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720232/2/BP

Linz, 02.04.2009

 

Mitglied, Berichter/in, Bearbeiter/in:                                                                                                                               Zimmer, Rückfragen:

Mag. Dr. Bernhard Pree                                                                                     4A13, Tel. Kl. 15685

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Berufung des H C, Staatsangehöriger der Türkei, vertreten durch Dr. A M, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 5. Dezember 2008, AZ: 1059781/FRB, zu Recht erkannt:

 

 

 

Der Berufung wird mit der Maßgabe stattgegeben, als das gegen den Berufungswerber unbefristet erlassene Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich auf eine Befristung von 7 Jahren nach Entlassung aus der Strafhaft herabgesetzt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 5. Dezember 2008, AZ.: 1059781/FRB, wurde über den Berufungswerber (im Folgenden Bw) ein unbefristetes Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich verhängt. Als Rechtsgrundlagen werden § 60 Abs. 1 iVm. §§ 63, 66 und 86 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF. genannt. Gemäß § 86 Abs. 3 wurde dem Bw von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab dessen Haftentlassung erteilt.

 

1.1.1. Begründend führt die belangte Behörde zunächst zum Sachverhalt aus, dass der Bw, ein türkischer Staatsangehöriger, in Hohenems (Vorarlberg) geboren sei. In der Folge seien ihm von den jeweils zuständigen Behörden befristete Aufenthaltstitel (zuletzt gültig bis 20. Oktober 2004) erteilt worden. Am 21. Jänner 2005 sei dem Bw schließlich ein unbefristeter Niederlassungsnachweis erteilt worden.

 

Am 29. Juli 2008 sei der Bw vom Landesgericht Linz unter der Zahl 25 Hv 73/2008k wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs.1, 143 2. Fall StGB und des Verbrechens des schweren Raubes als Beitragstäter nach den §§ 12 3. Fall, 142 Abs.1 und 143 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Einer gegen dieses Urteil eingebrachten Berufung sei vom Oberlandesgericht Linz unter der Zahl 8 Bs 358/08s keine Folge gegeben worden.

 

Die belangte Behörde skizziert – unter Hinweis auf die zugrunde liegenden Urteile – die Umstände der Straftaten des Bw. Demnach habe dieser:

I. in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit A E und S P S

1.) am 22. November 2007 in Linz K G Bargeld in Höhe von 633,99 Euro geraubt. Die Täter hätten mit Sturmhauben maskiert, bewaffnet mit einer silbernen Gas- bzw. Schreckschusspistole die JET-Tankstelle in der Freistädterstraße gestürmt, die Bedienstete und einen anwesenden Kunden mit der Pistole und Pfeffersprays bedroht und die Bedienstete aufgefordert, das Bargeld herauszugeben, woraufhin sie A E den Kasseneinsatz mit einem Bargeldbetrag von 633,99 Euro ausgehändigt habe;

2.) am 25. November 2007 in St. Valentin P S Bargeld in Höhe von 29.405,00 Euro geraubt. Die Täter hätten dabei mit Sturmhauben maskiert und bewaffnet, wiederum mit einer silbernen Gas- bzw. Schreckschusspistole (S P S mit einer schwarzen Gas- bzw. Schreckschusspistole und A E mit einem Pfefferspray sowie mit einem Teleskopschlagstock) den Angestellten des Spielcasinos ADMIRAL Sportwetten P S nach dem Schließen des Casinos mit vorgehaltenen Pistolen gezwungen, die Tür beim Hintereingang zu öffnen und den Alarmcode für die Tür zum Technikraum preiszugeben. In weiterer Folge habe der Bw Herrn S den Schlüssel für den Tresor abgefordert und mit diesem den Tresor geöffnet und Bargeld in Höhe von 29.405,00 Euro entnommen;

3.) am 11. Jänner 2008 in St. Valentin G W Bargeld in Höhe von 29.378,00 Euro geraubt. Die Täter hätten wiederum, mit Sturmhauben maskiert und mit einer silbernen Gas- bzw. Schreckschusspistole bewaffnet (S P S mit einer schwarzen Gas- bzw. Schreckschusspistole und mit einem Pfefferspray sowie A E mit einem Pfefferspray) einen weiteren Angestellten des oa. Spielcasinos nach Schließen des Casinos mit vorgehaltenen Pistolen in das Wettcasino gedrängt, ihn zur Deaktivierung der Alarmanlage veranlasst. A E habe den Tresorschlüssel an sich gebracht und daraus Bargeld in der Höhe von 29.378,00 Euro entnommen, wobei er kurz vor Verlassen des Casinos den Angestellten G W mit dem Pfefferspray ins Gesicht gesprüht habe;

 

II. Der Bw habe als Beitragstäter

1. am 15. Februar 2008 in Katsdorf den Raub an M W unterstützt, wobei der Täter M G mit einer Sturmhaube maskiert und einer schwarzen Gas- bzw. Schreckschusspistole bewaffnet die Geschäftsstelle der Sparkasse Oberösterreich in Katsdorf stürmte und mit vorgehaltener Pistole die dortige Bankangestellte zur Herausgabe von Bargeldes in Höhe von 19.600 Euro gezwungen sowie den anwesenden Sicherheitstechniker dazu veranlasst habe, sich auf den Boden zu legen. Der Tatbeitrag des Bw habe darin bestanden, das Fluchtfahrzeug (den eigenen PKW des Bw) zum und vom Ort des Raubes zu lenken;

2. am 4. April 2006 in Linz / Pichling an einem Raub teilgenommen, wobei er wiederum das Fluchtfahrzeug gelenkt habe und M G der wiederum maskiert und bewaffnet einen Bankraub mit einer Beute von 22.960 Euro begangen habe, unterstützt habe.

 

Mit Schreiben vom 10. November 2008 sei dem Bw Gelegenheit gegeben worden, zur beabsichtigten Erlassung des Aufenthaltsverbotes Stellung zu nehmen. In einer dazu korrespondierenden Stellungnahme habe der Bw angegeben, in Vorarlberg geboren zu sein, seine Kindheit dort verbracht zu haben und nach Absolvierung der Volks- bzw. Hauptschule eine dreijährige Lehre als Schweißer absolviert zu haben. Bis zu seiner Verhaftung habe der Bw in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit seiner österreichischen Verlobten gelebt, die ebenfalls im Raum Linz leben würde. Aus dieser Beziehung seien zwei sorgepflichtige Kinder (3 jährige Tochter und 4 Monate alter Sohn) hervorgegangen. Beide Kinder seien österreichische Staatsbürger. Weiters habe der Bw angegeben, dass er in Österreich einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen sei; dies bis zum Zeitpunkt seiner Inhaftierung. Er sei von Geburt an in Österreich voll integriert. Obwohl er türkischer Staatsbürger sei, habe er keinerlei Beziehung zur Türkei und sei der türkischen Sprache kaum mächtig. Abschließend habe der Bw angegeben, dass sein Vorstrafenregister bislang keine Einträge aufweisen würde. Er und seine Familie seien bemüht, einen Zahlungsplan für eine geregelte Schadenswiedergutmachung zu erstellen.

 

1.1.2. Nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen führt die belangte Behörde weiters aus, dass laut Mitteilung des AMS Oberösterreich der Bw Rechte nach Art.6 Abs.1 3. Untersatz und Art. 7 2. Untersatz des Assoziations­rats­beschlusses (ARB) 1/1980 geltend machen könne. In die dem Bw dadurch zukommende Rechtstellung könne nach der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu Art.14 ARB nur unter den gleichen Voraussetzungen eingegriffen werden, unter denen ein Eingriff in die gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus Mitgliedsstaaten zulässig sei. Die gemeinschaftsrechtlichen Beschränkungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes seien mit dem – seinem Wortlaut nach nur für freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige anwendbaren - § 86 Abs.1 FPG umgesetzt worden. Da der Bw eine Rechtsposition nach Art.6 bzw. 7 ARB erlangt habe, sei auf ihn § 86 Abs.1 FPG anzuwenden.

 

Der Bw sei wie oben angeführt wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Aufgrund dieser Tatsache sei zweifellos der Tatbestand des § 60 Abs.2 Z1 FPG als erfüllt anzusehen und es sei davon auszugehen, dass im Sinne des § 86 FPG 2005 aufgrund des persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet sei. Sowohl das Ausmaß der über den Bw – als Ersttäter – verhängten Strafe, als auch die Art der von ihm gesetzten Delikte lasse einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet als eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit erscheinen. Das gesetzte Fehlverhalten des Bw sei schwerwiegend, da sich aus diesem Verhalten eine erhebliche Gefahr für den Schutz fremden Eigentums manifestiere, die dadurch noch erheblich verstärkt werde, dass der Bw die zur Last gelegte Straftat unter Verwendung einer Gas- bzw. Schreckschusspistole und im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit anderen Mittätern begangen habe.

 

Sowohl aufgrund des Ausmaßes der über den Bw verhängten Strafe, als auch aufgrund der Art der von ihm gesetzten Delikte könne es keinem Zweifel unterliegen, dass das oben geschilderte persönliche kriminelle Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstelle, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre, nämlich das Grundinteresse an der Verhinderung und Bekämpfung von Eigentumsdelikten und der Kriminalität überhaupt.

 

Aufgrund der persönlichen und familiären Situation des Bw, die von der belangten Behörde anerkannt wird, werde durch die Erlassung des ggst. Aufenthaltsverbotes in wesentlicher Form in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Dieser Eingriff werde allerdings dadurch relativiert, dass es nicht einmal der Familie des Bw gelungen sei, ihn davon abzuhalten, schwerwiegende Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung zu setzen. Auch die Verantwortung seinen Kindern gegenüber habe den Bw nicht davon abgehalten in äußerst schwerwiegender Form straffällig zu werden. Auch werde dem Bw ohne Zweifel eine der Dauer seines Aufenthaltes in Österreich entsprechende Integration zugebilligt. Wenn er jedoch in seiner Stellungnahme angebe, dass er von Geburt an voll integriert sei, so sei dem entgegenzuhalten, dass den Bw die Integration in sozialer Hinsicht noch nicht gelungen sei, was vor allem durch die von ihm begangene Straftat belegt werde. Das Vorbringen, der Bw wäre bis zu seiner Inhaftierung einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen, erweise sich laut aktuellem Versicherungsdatenauszug als nicht richtig. Vielmehr sei der Bw zuletzt in der Zeit vom 2. Mai 2006 bis 31.7.2007 als Arbeiter bei der Firma T 2000 Personal Service GmbH tätig gewesen – von 2. August 2007 bis 26. März 2008 habe er Arbeitslosengeld bezogen.

 

Dem Eingriff in das Privat- und Familienleben bzw. in die Integration müsse insbesondere gegenübergestellt werden, dass der Bw, wie er durch sein Gesamtverhalten gezeigt habe, offensichtlich nicht gewillt sei, die Einhaltung der österreichischen Rechtsordnung zu respektieren. Es sei daher nicht nur die im § 60 Abs.1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt, sondern auch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Licht des § 66 Abs.1 FPG.

 

Im Hinblick auf eine Zukunftsprognose sei die Behörde zur Auffassung gelangt, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wiegen, als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Bw.

 

Die belangte Behörde geht aufgrund des Gesamtverhaltens des Bw davon aus, dass sein weiterer Aufenthalt in Österreich eine schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde. Schon deshalb stehe auch § 55 Abs.3 FPG (vgl. in diesem Zusammenhang § 61 Z2 leg. cit.) der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht entgegen, da der Bw wie bereits eingangs angeführt, vom Landesgericht Linz wegen des Verbrechens des schweren Raubes rechtskräftig verurteilt worden sei.

 

Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei nach § 63 Abs.2 FPG auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Dabei haben grundsätzlich bei der Beurteilung des Wohlverhaltens, im Strafvollzug verbrachte Zeiten außer Betracht zu bleiben (vgl. VwGH vom 24. Juli 2002, Zl. 99/18/0260). Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer habe unter Bedachtnahme auf die gerichtliche Verurteilung berücksichtigt werden müssen, dass der Bw als Ersttäter zu einer Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren verurteilt worden sei, dass er fünf Verbrechen verwirklicht habe und dass sein Verhalten zu psychischen Schäden bei den Opfern geführt habe, welche zumindest der Qualität einer leichten Körperverletzung entsprechen würden. Unter Berücksichtigung all dieser Umstände könne nach Ansicht der belangten Behörde nicht abgesehen werden, wann die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, wieder wegfallen würden. Das Aufenthaltsverbot sei daher unbefristet zu erlassen gewesen.

 

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 10. Dezember 2008 zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende Berufung vom 18. Dezember 2008. Der Bw bekämpft, nunmehr rechtsfreundlich vertreten, den oa. Bescheid in seiner Gesamtheit, da er rechtsirrig und somit rechtswidrig sei.

 

Es wird ausgeführt, dass für den Einschreiter sowohl § 86 Abs.1 FPG sowie § 60 FPG und § 61 Z1 bis 4 FPG gelten würden. Eine Abschiebung sei sohin nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art.8 Abs.2 EMRK genannten Voraussetzungen geboten sei. Des Weiteren müsste gemäß § 66 Abs.2 FPG vorausgesetzt sein, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme der Ausweisung schwerer wiegen würden, als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Einschreiters und seiner Familie.

 

Hiezu sei nun auszuführen, dass der Einschreiter bereits in Österreich geboren sei und seit geraumer Zeit sämtliche Voraussetzungen für die Erlangung der Staatsbürgerschaft gehabt habe. Er habe sein gesamtes Leben in Österreich verbracht, spreche perfekt Deutsch, habe in Österreich die gesamte Schulkarriere sowie die Lehre absolviert und sei als voll integriert zu bezeichnen. Sowohl sein Aussehen, sein Auftreten wie auch seine Sprache würden sich in keiner Art und Weise von einem Österreich stämmigen Staatsbürger unterscheiden.

 

Da bereits vor der Geburt des Bw seine gesamte Familie nach Österreich gekommen sei, nicht nur seine Eltern, sondern auch Großeltern, Onkel und Tanten, bestehe überhaupt kein Bezug in seinen Heimatstaat. Es gebe keine lebenden Familienangehörigen in der Türkei. Es sei durch die weltoffene Einstellung und die Vollintegration der Eltern der Bw von Klein auf als Österreicher erzogen worden, was sich auch dadurch äußere, dass er nur rudimentär türkisch spreche und so gut wie nicht türkisch schreiben und lesen könne. Seine gesamte Familie sei hoch anständig zu nennen.  Sämtliche Familienmitglieder hätten Zeit ihres Lebens fleißig gearbeitet und entsprächen in keinster Art und Weise dem im bekämpften Bescheid skizzierten Bild. Es gebe auch keinerlei Vorstrafen oder Kriminalität in der Familie des Bw, der als erster seiner Familie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen sei.

 

Es dürfe auch nicht unerwähnt bleiben, dass der Bw Zeit seines Lebens keinerlei Probleme mit der Polizei oder mit Gerichten gehabt habe, und dass die ihm nun vorgeworfene tat als Ersttat zu werten sei und der Bw als Ersttäter zu gelten habe.

 

Wie die belangte Behörde auf eine negative Zukunftsprognose komme und vor allem, wie sie sich anmaße zu behaupten, dass der Bw nicht integriert sei sowie eine Gefahr für Österreich darstelle, bleibe völlig schleierhaft und sei auch in keinster Weise begründet.

 

Offensichtlich habe die belangte Behörde hier ohne den Sachverhalt zu ermitteln oder die Gesetzestexte inhaltlich zu befolgen, lediglich die Textur des Tatbestande herunter geschrieben und eine unbegründete, nicht nachvollziehbare Subsumtion vorgenommen. Fakt sei, dass bei der derzeit geltenden Rechtslage im konkreten Fall eine Abschiebung nicht möglich sei, da die Abschiebungshindernisse in diesem konkreten Fall voll greifen würden.

 

Wie aus dem Strafakt auch hervorgehe, sei die Motivation und der Auslöser für die Straftat des Bw eine massive Drogensucht gewesen, die mittlerweile auch therapiert sei, zumal der Bw bereits im Gefängnis mit der Drogentherapie begonnen habe und durch den Gefängnisaufenthalt zwangsweise auch völlig drogenabstinent sei. Auf Grund dieser Tatsache habe er das Unrecht seiner Tat bei weitem eingesehen, habe sich ausdrücklich bei den Opfern entschuldigt und habe auch alles in seiner Macht sehende getan, um den Schaden wieder gut zu machen.

 

Aus dem Strafakt könne, wenn man sich die Arbeit und Mühe machte, auch sehr leicht ersehen werden, dass der Schaden auch tatsächlich und in den größten Teilen gut gemacht worden sei. Des weiteren könne man daraus auch sehr leicht ersehen, dass der Bw nicht der physische Aggressor gewesen sei und auch selbst zu keinerlei Körperverletzung direkt beigetragen habe. Der Bw habe in zwei Fällen lediglich das Fluchtfahrzeug gelenkt und sei nicht einmal in der Bank gewesen. Auch bei den Anderen drei Überfällen sei er Mit- und nicht Haupttäter ohne physischen Kontakt zu den jeweiligen Betroffenen gewesen.

 

Diese Tatsache exkulpiere den Bw in keinster Weise. Es sei dies auch nicht als Entschuldigungs- oder Milderungsgrund im Verfahren vorgebracht worden. Es sei jedoch an dieser Stelle wichtig, da die belangte Behörde hier völlig unzulässig eine negative Zukunftsprognose sowie eine Gewaltbereitschaft und vor allem eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit für Österreich für den Fall, des Verbleibens des Bw unterstelle. Besonders interessant und sicherlich medienwirksam sei die Tatsache, dass die belangte Behörde offensichtlich der Meinung sei, dass das Verüben eines Verbrechens ausländisch stämmigen Personen vorbehalten sei, denn anders sei die Feststellung, dass eine Straftat der Integration völlig widerspreche nicht zu interpretieren. Wie sich der im angefochtenen Bescheid lese, sei die vollständige Integration d. h. das Leben der österreichischen Kultur, Sprache und der gleichen lediglich an einer Vorstrafe gescheitert.

 

Dieser Denkansatz erinnere nicht nur an eine gewisse Ausländerfeindlichkeit, sondern widerspreche auch allen Grundsätzen der Menschenrechtskonvention und der modernen Strafrechtspflege, denn die Kriminalstatistiken würden sehr wohl zeigen, dass auch österreichische Staatsbürger und Österreich stämmige Menschen in nicht geringer Zahl straffällig würden und ähnliche Delikte begingen. Eine diesbezügliche Unterscheidung sei gleichheitswidrig und strikt abzulehnen.

 

Auf Grund der völligen Integration in Österreich und der Voraussetzung der zitierten Gesetzesbestimmungen sowie aller anderen denkbaren Gesetzesstellen, sei ein Abschieben des Bw nicht möglich. Das Abschieben würde die körperliche Sicherheit und Integrität des Bw und auch seiner beiden minderjährigen Kinder, wobei eines davon ein erst wenige Monate altes Baby sei, massiv gefährden. Der Bw würde in der Türkei nicht zurecht kommen, zumal er dort als Ausländer strikt gefährdet wäre, zumal er keine Chance hätte dort in einem sozialen System unterzukommen, da er mangels Sprachkenntnissen weder arbeitsfähig und mangels Eingliederung in das soziale System auch nicht überlebensfähig wäre.

 

Auf der anderen Seite würde ein weiterer Verbleib des Bw Österreich in keinster Art und Weise mehr gefährden. Der Bw habe das Unrecht seiner Taten voll eingesehen, sei im Prozess geständig gewesen und habe sich mit seiner Familie ausgesöhnt. Die Familie habe nichts von der Drogenproblematik gewusst, habe aber dem Bw nach bekannt werden der Straftat nach anfänglich verständlichen Vorhaltungen verziehen und sich für ihn eingesetzt. Durch die massive Unterstützung der Familie sei auch die Zukunftsprognose mehr als positiv und es sei davon auszugehen, dass der Bw auch die Voraussetzungen der Haftstrafe erfülle, zumal er eine gute berufliche Ausbildung habe und auch im Gefängnis sofort eine verantwortungsvolle Stelle gehabt habe. Dies sei auch ein weiteres Indiz dafür, dass die Drogenproblematik völlig hintan gehalten sei.

 

Aus all diesen Gründen werde höflich beantragt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

 

 

2. Mit Schreiben vom 7. Jänner 2009 wurde der gegenständliche Verwaltungsakt dem Oö. Verwaltungssenat von der belangten Behörde vorgelegt.

 

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde.

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte abgesehen werden, weil eine solche nicht erforderlich war, nachdem sich der Sachverhalt zweifelsfrei - und vom Bw im Übrigen auch nicht substantiell widersprochen - aus der Aktenlage ergibt, im Verfahren im Wesentlichen die Beurteilung von Rechtsfragen strittig ist und die Akten erkennen lassen, dass eine weitere mündliche Erörterung eine tiefgreifendere Klärung der Sache nicht erwarten lässt. Im Übrigen liegt kein darauf gerichteter Parteienantrag vor (§ 67d AVG).

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von dem unter Punkt 1.1.1. und 1.2. dargestellten Sachverhalt aus.

 

2.3. Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

 

3. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1.1.  Gemäß § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl I Nr. 29/2009 ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige dann zulässig, wenn aufgrund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

3.1.2. Beim Bw handelt es sich um einen türkischen Staatsangehörigen, der seit seiner Geburt in Österreich aufhältig war. Es ist völlig unbestritten, dass der Bw Rechte nach Art.6 Abs.1 3. Untersatz und Art. 7 2. Untersatz des Assoziationsratsbeschlusses (ARB) 1/1980 geltend machen kann. In die dem Bw dadurch zukommende Rechtstellung kann nach der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu Art.14 ARB nur unter den gleichen Voraussetzungen eingegriffen werden, unter denen ein Eingriff in die gemeinschaftsrechtlich gewährleistete Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus Mitgliedsstaaten zulässig ist. Die gemeinschaftsrechtlichen Beschränkungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes finden sich in § 86 FPG und sind im vorliegenden Fall anwendbar. Im Folgenden wird der Einfachheit halber die Differenzierung und eigene Anführung als Assoziationsabkommensbegünstigter bei den rechtlichen Erwägungen nicht durchgängig angeführt.

 

3.2. § 86 FPG enthält Sonderbestimmungen für die Erlassung von Aufenthaltsverboten für EWR-Bürger. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor dem 1. Jänner 2006 durfte gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot nämlich nur erlassen werden, wenn die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Z 1 FrG erfüllt waren. Dabei war § 36 Abs. 2 FrG als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehen (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 13. Oktober 2000, 2000/18/0013).

 

Demgemäß sind auch die – von der belangten Behörde herangezogenen - §§ 60 ff FPG als bloßer Orientierungsmaßstab für § 86 FPG anzusehen.

 

3.3. Gemäß § 60 Abs.2 Z1 FPG 2005 hat als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs.1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einem wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

Gemäß § 61 Z. 3 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs.1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mindestens einer unbedingten einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder er würde einen der in § 60 Abs.2 Z12-14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen.

 

Gemäß § 61 Z4 FPG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder würde einen der in § 60 Abs.2 Z12-14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen.

 

Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist das Aufenthaltsverbot gemäß § 66 FPG 2005 zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art.8 Abs.2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

 

3.4. Es ist nun nach dem festgestellten Sachverhalt zunächst völlig klar, dass der Bw am 29. Juli 2008 vom Landesgericht Linz unter der Zahl 25 Hv 73/2008k wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs.1, 143 2. Fall StGB und des Verbrechens des schweren Raubes als Beitragstäter nach den §§ 12 3. Fall, 142 Abs.1 und 143 2. Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten rechtskräftig verurteilt wurde. 

 

Sohin ist § 60 Abs. 2 Z. 1 fraglos und in hohem Maße gegeben. Die Ausnahme­bestimmungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 61 Z. 3 und § 61 Z. 4 kommen per se nicht zum Tragen, da über den Bw eben eine langjährige unbedingte Haftstrafe verhängt wurde, die die in den genannten Bestimmungen angeführten Haftdauern bei weitem übersteigt. Dabei sei aber angemerkt, dass ebenfalls völlig außer Zweifel steht, das der Bw ansonsten wegen der Tatsache, dass er schon in Österreich geboren wurde und wegen seines ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalts, unter diese Bestimmungen fallend anzusehen wäre.

 

Grundsätzlich ist somit § 60 Abs. 2 Z 1 FPG erfüllt, was im Übrigen auch vom Bw nicht in Abrede gestellt wird.

 

3.5.1. Wie oben angeführt (vgl. § 86 Abs. 1 FPG), muss das persönliche Verhalten des Bw zur rechtmäßigen Erlassung eines Aufenthaltsverbotes die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden und eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Die Verhinderung von Straftaten gerade im so sensiblen Bereich der Eigentumsdelikte, insbesondere wenn sie in der hier vorliegenden massiven form gegeben sind, zählt unbestritten zum Grundinteresse der Gesellschaft, auf dem die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit basieren.

 

3.5.2. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu überprüfen, ob das Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefährdung dieses Grundinteresses darstellt. Der Gesetzesbegriff "gegenwärtig" muss seiner Bedeutung nach im vorliegenden Fall naturgemäß vor allem auf den Zeitraum nach seiner Entlassung erstreckt werden, sofern der Betreffende – wie hier vorliegend – in Strafhaft angehalten wird. .

 

Maßgeblich ist somit nicht primär, dass eine strafgerichtliche Verurteilung ausgesprochen wurde, sondern dass im Sinne einer Prognoseentscheidung das gegenwärtige und zukünftige Verhalten einer Person im Lichte einer strafgerichtlichen Verurteilung rechtlich zu würdigen ist. Es ist also im konkreten Einzelfall zu analysieren, ob davon ausgegangen werden kann, dass sich der Bw hinkünftig rechtskonform verhalten wird. Dabei sind die Umstände der von ihm begangenen Tat (hier der begangenen Taten) zu beleuchten.

 

3.5.3. Es zeugt fraglos von beträchtlicher krimineller Energie - gleich mehrfach – schwere Eigentumsdelikte zu setzen. Wenn nun vom Bw angeführt wird, dass der er – nach der Aktenlage – nicht als gewaltbereit einzustufen gewesen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass bei offenen Raubüberfällen, wenn sie noch dazu bewaffnet durchgeführt werden, von vorne herein vom Täter zumindest in Kauf genommen wird, dass er zur Erreichung seines widerrechtlichen Ziels Gewalt anwenden muss. Alleine dazu erfolgt ja die gezeigte Machtdemonstration in Form vorgehaltener Waffen. Für den konkreten Fall bedeutet dies, dass der Bw wohl nicht bei eventueller Gegenwehr von seinem Vorhaben Abstand genommen haben würde.

 

3.5.4. Dazu reicht es auch nicht aus, zu argumentieren, der Täter habe nur auf Grund seines "Drogenproblems" in der vorliegenden Weise gehandelt und würde nunmehr – drogenabstinent – diese kriminelle Energie nicht mehr aufweisen.

 

Auch das Argument, das Gefährdungspotential würde nicht mehr bestehen, weil sich die Familie des Bw – nach der Versöhnung - nun um ihn annehme, geht ins Leere, da die familiären Bindungen bislang offensichtlich nicht ausreichten, ihn von den Raubüberfällen abzuhalten. Im Übrigen wird angemerkt, dass der Lebenswandel und das Verhalten der Familienangehörigen vom erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenates in keinster Weise in Zweifel gezogen werden, für die Beurteilung des zukünftigen Verhaltens des Bw allerdings nicht primär ausschlaggebend sind.

 

Auch die Tatsache, dass der Bw um eine Wiedergutmachung der Schäden, die sein bisheriges Verhalten verursachte, bemüht ist oder dass er sich bei den Opfern entschuldigte, schließt per se nicht aus, dass er – bei passender Gelegenheit zukünftig wieder straffällig werden würde.

 

3.5.5. Der Bw führt weiters an, er wäre bei drei Delikten nur Mittäter, bei zwei Delikten gar nur der Fahrer des Fluchtwagens gewesen. Fakt ist aber, dass er in drei Fällen nicht als Beitragstäter, sondern als Täter verurteilt wurde. Auch wenn die ggst. Verurteilung die Erste des Bw darstellt, ist auf die Zahl der Straftaten hinzuweisen.

 

Dabei ist auch festzustellen, dass auch das Lenken eines Fluchtwagens keinen unerheblichen Anteil an einem Bankraub bildet und wohl nicht einem Kavaliersdelikt gleichzuhalten ist. Vielmehr zeigt es durchaus, dass der Bw eine hohe Risikofreudigkeit an den Tag legte, was ebenfalls Aufschluss über seine Grundeinstellung gewährt. Eine Änderung der selben glaubhaft zu machen, ist dem Bw nicht ausreichend gelungen.

 

3.5.6. Weiters kann durch den längeren Zeitraum, der Begehung der verschiedenen Delikte, nicht davon ausgegangen werden, dass die kriminelle Motivation bloß punktuell und kurzfristig bestand, sondern von ihm bewusst gewählt wurde. Bezeichnend ist darüber hinaus, dass die Delikte offensichtlich nicht "Inspiration eines Augenblicks", sondern gut geplante Aktionen voraussetzten. Geradezu in dreister und kaltblütiger Form wurden vom Bw die drei Raubüberfälle, in denen er als Täter verurteilt wurde, abgewickelt, wie sich aus der Aktenlage, die- nach dem Begehren des Bw eingehend berücksichtigt wurde – zeigt.

 

Auch ist darauf hinzuweisen, dass der Bw durch seine kriminellen Handlungen im genannten Zeitraum einen beträchtlichen Reinerlös erwirtschaftete.

 

3.5.7. Ohne den Grundsatz in dubio pro reo außer Acht zu lassen, folgt das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates der Ansicht der belangten Behörde, dass das Verhalten des Bw auch zum jetzigen bzw. zukünftigen Zeitpunkt eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefährdung des Grundinteresses der Gesellschaft an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, der Verhinderung von Straftaten sowie des Schutzes der Gesundheit von Menschen und den Schutz von Rechten Dritter bildet; dies sogar in einem besonders hohen Maß.

 

Es ist dem Bw nicht ausreichend gelungen darzulegen, dass das oben beschriebene Gefährdungspotential gegenwärtig und auch zukünftig nicht von ihm ausgehen werde.

 

Festzuhalten ist also, dass die Verhängung des Aufenthaltsverbotes gegen den Bw in § 86 Abs. 1 FPG durchaus Deckung findet. Darüber hinaus ist diese Maßnahme jedoch auch unter den Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit und des gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK gewährleisteten Grundrechts auf den Schutz des Privat- und Familienlebens zu beurteilen.

 

3.6.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist allerdings ein Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts gemäß Abs. 1 (nur) statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.6.2. Grundsätzlich ist vorerst – der belangten Behörde im Übrigen folgend – festzuhalten, dass die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes massiv in das Privat- und Familienleben des Bw eingreift.

 

Er lebt seit seiner Geburt in Österreich, ging hier zur Schule, absolvierte seine Lehre im Bundesgebiet und war hier seither aufhältig und zumindest weitgehend beruflich tätig. Auch seine Familienmitglieder leben – nach seinen Angaben – allesamt in Österreich. Darüber hinaus leben seine Verlobte sowie seine beiden minderjährigen Kinder in Österreich. Er spricht Deutsch und beherrscht – nach eigenen Angaben die Sprache seines Staates Türkei nur wenig. Sein Lebensumfeld ist also Österreich. An diesen Feststellungen hegt auch das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates keine Zweifel, wenn auch von einer zumindest emotionalen Bindung des Bw zur Türkei ausgegangen werden kann, da er ansonsten seine Intention zur Erlangung der österreichischen Staatsbürgerschaft in der Vergangenheit wohl intensiver betrieben haben würde.

 

Dennoch ist von einem hohen Grad der Integration des Bw in Österreich auszugehen.

 

3.6.3. Die Bemerkung der belangten Behörde, dass der Grad der Integration durch den Umstand der Straffälligkeit des Bw geschmälert sei, was vom Bw mit Verweis auf eine fremdenfeindliche Einstellung der belangten Behörde scharf zurückgewiesen wurde, geht – wenn auch bei umfassender und extensiver Interpretation dieses Begriffs zulässig – über die Intention des Gesetzgebers hinaus. Allerdings muss ebenfalls festgestellt werden, dass es dem Bw kaum ansteht in diesem Punkt Kritik zu üben, da er selbst in beinahe diffamierender Weise über den Mitgliedsstaat des Europarates Türkei äußert, dass "er dort als Ausländer strikt gefährdet wäre". Noch mehr als er die Aussage der belangten Behörde linear interpretiert, könnte die oben zitierte Feststellung als nicht der Courtoisie entsprechend angesehen werden.

 

3.6.4. Es steht außer Zweifel, dass von den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Schutzgütern die Verhinderung von Straftaten und der Schutz der Rechte und Freiheiten Dritter durch das oben prognostizierte Verhalten des Bw im Hinblick auf das Prinzip des "ordre public" berührt und gefährdet sind. Weiters ist in konsequenter Subsumtion des Art. 8 Abs. 2 EMRK anzumerken, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes - unter den entsprechenden Bedingungen – eine gesetzlich vorgesehene Maßnahme darstellt.

 

Nun ist eine konkrete Interessensabwägung und Gewichtung vorzunehmen (vgl. § 66 FPG und Art. 8 Abs. 2 EMRK), in deren Rahmen die Gefährdung der Schutzgüter des Art. 8 Abs. 2 EMRK und die Massivität des Eingriffs in das Grundrecht des Bw gegenüber zu stellen sind.

 

3.6.5. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK sind gemäß der mit 1. April 2009 novellierten Fassung des § 66 Abs. 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

Nach Abs. 3 leg. cit. ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Ausweisung schon allein aufgrund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches oder unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51ff. NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Diese Bestimmung ist auch auf Aufenthaltsverbote anzuwenden - § 60 Abs.6 FPG 2005, wobei diese Verweisung im § 86 FPG 2005 dezidiert nicht vorgenommen wird – aus der Systematik des FPG 2005 jedoch auch auf Aufenthaltsverbote gemäß § 86 FPG 2005 anzuwenden sein wird.

 

Was hier nicht zum Ausdruck gebracht wird, vom Bw jedoch (nach der alten Fassung des § 66 Abs. 2 FPG) unrichtiger Weise offensichtlich so verstanden wurde, ist, dass bei einem besonders hohen Grad des Vorliegens der in § 66 Abs. 2 FPG auf das Privat- und Familienleben bezogenen, genannten Umstände die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von vorne herein nicht mehr zulässig sei. Vielmehr bedarf es der schon erwähnten Gegenüberstellung der Interessen in besonders intensiver Form, wobei hier auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beobachten ist. Eine anders lautende Interpretation von § 66 Abs. 2 FPG würde – auch unter Bedachtnahme auf eventuelle Einflüsse von Seiten des Gemeinschaftsrechts oder der Europäischen Menschenrechtskonvention – diese Gesetzesbestimmung ad absurdum führen.

 

3.6.6. Beide Interessenssphären sind im vorliegenden Fall besonders stark betroffen. Dazu wird vorerst auf die Punkte 3.6.2. und 3.6.4. verwiesen und noch weiter ausgeführt:

 

Der Eingriff in die Rechte des Bw durch das Aufenthaltsverbot bedeutet für ihn und seine Familie eine nachhaltige Änderung der von ihm intendierten Lebensführung nach der Entlassung aus der Strafhaft. Insbesondere ist dabei auch auf die Interessen seiner Kinder zu achten, für die, sofern nicht die gesamte Kleinfamilie den Bw begleiten würde, eine elterliche Bezugsperson zumindest räumlich entfernt sein würde. Hier ist jedoch der Umstand, dass der Bw auf Grund der Strafhaft die nächsten Jahre die Rolle des Vaters und Lebenspartners keinesfalls in dem sonst möglichen vollen Umfang ausgestalten können wird, zu berücksichtigen.

 

Auf der anderen Seite stehen die schon eingehend beschriebenen öffentlichen Interessen, die im konkreten Fall unter der in Punkt 3.5. dieses Erkenntnisses dargestellten Weise – basierend auf einer besonders ungünstigen Zukunftsprognose – gefährdet und betroffen sind.

 

3.6.7. Der belangten Behörde folgend erachtet das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates – nach eingehender Abwägung der detailliert aufgeführten Kriterien des § 66 Abs. 2 FPG und darüber hinausgehend auch unter Berücksichtigung des Abs. 3 leg. cit. – die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes als bedeutender, denn die Interessenssphäre des Bw und seiner Familie. Dies vor allem deshalb, weil es der Bw selbst in der Hand gehabt hätte jegliche Berührung mit aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen seine Person hintan zu halten. Auch, wenn der Eingriff in das Privat- und Familienleben äußerst gravierend ist, müssen doch gewisse Konsequenzen zum Schutz öffentlicher Interessen Platz greifen, um letztere - im gesetzlichen Rahmen – zu gewährleisten. Eine dieser Konsequenzen ist das Instrument des Aufenthaltsverbotes. Wenn auch für den Bw und seine Angehörigen hart, wäre diese Konsequenz als eine der logischen Folgen seiner Verbrechen für den Bw durchaus nicht unvorhersehbar gewesen. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch festzustellen, dass - wie in § 66 Abs. 3 gefordert – die Maßnahme auch unter den dort gesetzten Bedingungen zulässig ist.

 

Darüber hinaus werden die – vom Bw so drastisch und dramatisch - geschilderten Konsequenzen des Aufenthalts des Bw in der Türkei nicht nachvollzogen, da, würde man seiner Darstellung folgen, das Leben in diesem Staat für nicht türkische Staatsangehörige völlig unmöglich und unzumutbar sein. Diese Ansicht kann nicht geteilt werden.

 

Auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips kommt man zu den eben dargestellten Überlegungen, wodurch grundsätzlich die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Bw gerechtfertigt ist.

 

3.7. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist jedoch auch die Dauer der Befristung der verhängten Maßnahme rechtlich zu würdigen.

 

Gemäß § 63 Abs. 1 FPG kann ein Aufenthaltsverbot u.a. in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens 10 Jahren erlassen werden. Wiederum als Orientierungsmaßstab ist diese Bestimmung auch im vorliegenden Fall anzuwenden.

 

Gemäß § 63 Abs.2 FPG 2005 ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes oder des Rückkehrverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

 

Aus immanent zu berücksichtigenden gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen ist eine Beschränkung der Grundfreiheiten von Unionsbürgern oder Begünstigten aus Assoziierungsabkommen möglichst maß- und zurückhaltend vorzunehmen. In diesem Sinn erachtet das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates die von der belangten Behörde ausgesprochene unbefristete Dauer des Aufenthaltsverbotes als zu hoch bemessen und angesichts des prognostizierten Verhaltens als unverhältnismäßig. Ein "Beobachtungszeitraum" von sieben Jahren ab Entlassung aus der Strafhaft dürfte ausreichen um den Schutz der Rechtsgüter des § 86 Abs. 1 FPG zu gewährleisten. Tatsächlich durchsetzbar wird die in Rede stehende Maßnahme erst mit Entlassung aus der Strafhaft, weshalb sie in konkurrenzvermeidender Weise sowie im Sinne der Stabilität der in Aussicht genommenen Befristung und des dieser zu Grunde liegenden Beobachtungszeitraums, festzusetzen war.

 

3.8. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Bernhard Pree

 

VwSen-720232/2/BP vom 2. April 2009

Fremdenpolizeigesetz, § 86 Abs. 1

Aufenthaltsverbot

 

Auch, wenn der Eingriff in das Privat- und Familienleben äußerst gravierend ist, müssen doch gewisse Konsequenzen zum Schutz öffentlicher Interessen Platz greifen, um letztere - im gesetzlichen Rahmen – zu gewährleisten. Eine dieser Konsequenzen ist das Instrument des Aufenthaltsverbotes. Wenn auch für den Bw und seine Angehörigen hart, wäre diese Konsequenz als eine der logischen Folgen seiner Verbrechen für den Bw durchaus nicht unvorhersehbar gewesen.

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 16. Juni 2009, B 576/09-3

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 08.09.2009, Zl.: 2009/21/0194-3

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