Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400989/2/SR/Sta

Linz, 03.04.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Beschwerde des C Ö, geboren am , türkischer Staatsangehöriger, vertreten durch Mag. T C, Rechtsanwalt in  S, P, wegen Rechtswidrigkeit der  Anhaltung in Schubhaft in der Zeit vom 19.02.2009 bis 23.02.2009 durch den Polizeidirektor von Steyr zu Recht erkannt:

 

 

I.       Aus Anlass der Beschwerde wird die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft in der Zeit vom 20. bis 23. Februar 2009 für rechtswidrig erklärt.  

 

II.     Der Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor von Steyr) hat dem Beschwerdeführer den notwendigen Verfahrensaufwand in der Höhe von 627,60 Euro (darin enthalten 13,20 Euro Eingabe- und 14,40 Beilagengebühr) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Dem Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf), ein türkischer Staatsangehöriger, geboren am ,  wurde vom Magistrat der Stadt Steyr am 10. Dezember 1998 eine unbefristete Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck ausgestellt. In der Zeit von 1991 bis 2001 hielt sich der Bf mit seiner Familie rechtmäßig in Österreich auf, war in dieser Zeit unselbständig beschäftigt und zuletzt in Steyr wohnhaft.

 

1.2. Am 26. Oktober 2001 wurde der Bf. aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Rottweil vom 26. Oktober 2001, GNr. 3 Gs 608/01, wegen Verdacht des Mordes u.a. festgenommen, über ihn die Untersuchungshaft verhängt und in die Justizanstalt Rottweil eingeliefert.

 

1.3. Mit Urteil der 1. Schwurgerichtskammer des Landesgerichtes Rottweil vom  30. April 2002, GNr. 1 Ks 22 Js 11655/01-1 AK 5/02, rechtskräftig seit 28. November 2002, wurde der Bf wegen Mordes in Tateinheit mit versuchtem Totschlag und mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt.      

 

1.4. Mit Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg vom 8. Mai 2003, AZ. 17-0323741/Wai, rechtskräftig seit dem 21. März 2003, wurde der Bf aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, ihm die Abschiebung in die Türkei angedroht und die Abschiebung aus der Haft angeordnet.

 

Im Hinblick auf den "gewöhnlichen Aufenthalt" in Österreich wurde in der Begründung ausgeführt, dass zwar eine Abschiebung in der Herkunftsstaat anzudrohen war, der Bf jedoch auch in einen aufnahmebereiten oder zur Rücknahme verpflichteten Staat abgeschoben werden könne. Zur Zeit (abstellend auf den Bescheiderlassungszeitpunkt) verfüge der Bf über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis in Österreich. Sollte er diese auch zum Zeitpunkt seiner frühest möglichen Abschiebung am 25. Oktober 2008 noch besitzen und die österreichischen Behörden einer Übernahme zustimmen, dann "werde ihm vorsorglich bereits jetzt die Abschiebung nach Österreich angekündigt." In der Folge wurde der Bf auf die Wirkungen der Ausweisung/Abschiebung hingewiesen.

 

1.5. Am 24. November 2008 endete die Strafhaft, im Anschluss daran wurde der Bf in die Türkei abgeschoben und am 2. Dezember 2008 die schengenweite Ausschreibung zur Einreiseverweigerung veranlasst.

1.6. Laut eigenen Angaben sei der Bf am 10. Dezember 2008 "legal" in das Bundesgebiet eingereist, da er "über einen gültigen Aufenthaltstitel für die Republik Österreich" verfügt habe. Nach der Einreise nahm der Bf Aufenthalt bei seiner Gattin in der ehelichen Wohnung in  S, R. An der genannten Adresse ist der Bf seit dem 29. November 1996 durchgehend gemeldet (siehe Meldebestätigung des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 11. November 2008). Da der Bf arbeitslos ist, bezieht er eine Notstandsunterstützung in der Höhe von 270 Euro. Für den Unterhalt kommt  insbesondere seine Ehegattin, der mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden ist, auf.

 

1.7. Am 16. Februar 2009 gegen 15.10 Uhr erstattete die Ehegattin des Bf Anzeige wegen "Gefährlicher Drohung" und "Körperverletzung". Im Zuge der niederschriftlichen Befragung gab die Ehegattin des Bf an, dass dieser die Taten in der gemeinsamen Wohnung am 16. Februar 2009 gegen 08.30 Uhr begangen habe. Sie wollte den Vorfall nur zur Anzeige bringen, damit sie ihre Ruhe habe. Beabsichtigt sei die Scheidung. Eine Verurteilung ihres Mannes wolle sie nicht. Die Anzeigeerstattung werde nicht dazu führen, dass der Bf wieder gewalttätig werde. Sie habe auch keine Angst vor dem Bf. Eine weitere Bluttat traue sie dem Bf nicht zu und sie wolle auch keine Wegweisung und kein Betretungsverbot. Der Bf solle auch in der Wohnung bleiben und bei einer Verhandlung vor Gericht werde sie den Bf nicht belasten.

 

Der am 16. Februar 2009 um 21.43 Uhr aus freien Stücken zum Stadtpolizeikommando Steyr gekommene Bf bestritt die ihm angelasteten Taten teilweise und führte in der niederschriftlichen Befragung aus, dass der Streit ca. 10 Minuten gedauert habe und er danach mit seiner Gattin noch bis ca. 10.00 Uhr "friedlich" beisammen gesessen sei. Der Vorfall tue ihm leid, er werde sich von seiner Frau einvernehmlich trennen und sich eine eigene Wohnung suchen.  

 

Der am 16. Februar 2009 verständigte Journal-Staatsanwalt "ordnete die Anzeige gegen den Bf auf freiem Fuß" an.

 

Bei der am 17. Februar 2009 in der Wohnung des Bf vorgenommenen kriminalpolizeilichen Nachschau wurde von den einschreitenden Beamten in Erfahrung gebracht, dass keine weiteren Streitigkeiten oder Tätlichkeiten mehr vorgefallen waren und von den Eheleuten eine einvernehmliche Scheidung angestrebt werde.

 

1.8. Die am 17. Februar 2009 veranlasste Überprüfung des "SIS-Treffers" ergab am 19. Februar 2009, dass der Bf am 24. November 2008 aus der Bundesrepublik Deutschland in die Türkei abgeschoben worden war und eine schengenweite Ausschreibung zur Einreiseverweigerung am 2. Dezember 2008 von der zuständigen deutschen Ausländerbehörde veranlasst worden ist. Neben der Bekanntgabe der Gründe für die "SIS Ausschreibung gemäß Art. 96 SDÜ" wurden der belangten Behörde auch der o.a. Bescheid des Regierungspräsidiums Freiburg über die Ausweisung und Abschiebung und das Urteil des Landgerichtes Rottweil per Fax übermittelt.

 

1.9. Am 20. Februar 2009 wurde der Bf im fremdenpolizeilichen Referat der belangten Behörde niederschriftlich befragt. Die Amtshandlung wurde damit begründet, dass die Erlassung eines österreichischen Aufenthaltsverbotes und die Verhängung der Schubhaft beabsichtigt sei. Nach Vorhalt, dass gegen ihn ein schengenweites Aufenthaltsverbot bestehe, die Niederlassungsbewilligung wegen seiner siebenjährigen Abwesenheit aus dem Bundesgebiet erloschen sei, er sich deshalb illegal in Österreich aufhalte und somit dieses verlassen müsse, führte der Bf aus, dass ihm bei der Verhängung der Ausweisung in Deutschland gesagt worden sei, dass das Verbot nur für Deutschland gelte. Er habe sich dann auch an das türkische Konsulat in Karlsruhe gewandt und dort sei ihm dies bestätigt worden. Von einem Verbot für den Schengenraum sei ihm nichts gesagt worden. Somit gehe er davon aus, dass der österreichische Aufenthaltstitel gültig sei. Mit der vorliegenden Niederlassungsbewilligung habe er auch problemlos in Österreich einreisen können. Ein österreichisches Aufenthaltsverbot sei im Hinblick auf die deutsche Verurteilung nicht zulässig. Nach umfassenden Angaben zum privaten Umfeld und des Umstandes, dass die weiteren Familienmitglieder mittlerweile die österreichische Staatsbürgerschaft erlangt hätten, stellte der Bf in Aussicht, dass er sich allenfalls um einen neuen Aufenthaltstitel kümmern werde.

In der Folge wurde dem Bf zur Kenntnis gebracht, dass er aufgrund seines illegalen Aufenthaltes in Schubhaft genommen und in nächster Zeit per Flugzeug in die Türkei abgeschoben werde. Dazu gab der Bf an, dass er freiwillig mit dem Pkw in die Türkei fahren werde. Er benötige eine Woche Zeit, um seine persönlichen Angelegenheiten in Steyr regeln zu können. Abschließend wiederholte der Bf nochmals, dass er freiwillig ausreisen möchte. Die Unterfertigung der Niederschrift verweigerte der Bf mit der Begründung, dass er sich zuerst mit seinem Rechtsanwalt besprechen möchte.

 

Unmittelbar vor Beendigung der Niederschrift wurde dem Bf der Bescheid des Polizeidirektors von Steyr vom 29. Februar 2009, Zl. 1-1007062/FP/09, ausgefolgt. Damit wurde über ihn die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1 iVm § 57 Abs. 1 AVG angeordnet. Der Bescheid wurde vom Bf am 20. Februar 2009, um 10.00 Uhr übernommen, die Bestätigung der Übernahme wurde mit dem Bemerken verweigert, dass er mit der Schubhaft nicht einverstanden sei. Im Anschluss an die Bescheidausfolgung und die Beendigung der Befragung wurde über den Bf die Schubhaft verhängt. Ab diesem Zeitpunkt wurde der Bf bis zum 23. Februar 2009, 16.30 Uhr, im PAZ Steyr in Schubhaft angehalten.

 

In der Begründung hat die genannte Behörde eine kurze Sachverhaltsfeststellung vorgenommen und auf die Anzeige vom 17. Februar 2009 wegen des Verdachtes der gefährlichen Drohung hingewiesen. Nach Darlegung der aufenthaltsrechtlichen Situation und der Feststellung, dass sich der Bf rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte, erachtete die belangte Behörde  ohne nähere Ausführungen die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der fremdenpolizeilichen Verfahren für notwendig, da zu befürchten sei, dass sich der Bf den weiteren fremdenpolizeilichen Verfahrenen bzw. Maßnahmen zu entziehen trachten werde. Ausschließlich wurde dem Bf vorgehalten, dass er seiner "Ausreiseverpflichtung" nicht nachgekommen sei. Ebenso wurde im Wesentlichen begründungslos von der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ausgegangen und nach Wiedergabe des § 77 FPG von der Anordnung gelinderer Mittel Abstand genommen.  

 

1.10. Mit Schreiben vom 20. Februar 2009 wurde dem BMfI, Abt. II/2/b mitgeteilt, dass für den 24. Februar 2009 die Abschiebung des Bf (Problemabschiebung mittels Flugzeug) geplant sei.

 

1.11. Am 23. Februar 2009 erkundigte die Tochter des Bf nach dem Stand des fremdenpolizeilichen Verfahrens und wurde in der Folge niederschriftlich einvernommen. Nach Ausführungen zum privaten Umfeld, der familiären Situation, dem massiven Eingriff in das Privatleben des Bf und seiner Familie im Falle einer Abschiebung, wurde die belangte Behörde informiert, dass der Reisepass des Bf nicht auffindbar sei.

Aufgrund der geänderten Situation sei keine Scheidung mehr beabsichtigt und das weitere Zusammenleben der Familie geplant. 

 

1.12. Im Anschluss an seine niederschriftliche Befragung wurde der Bf am 23. Februar 2009 um 16.30 Uhr aus der Schubhaft entlassen.

 

1.13. Mit Bescheid vom 23. Februar 2009, Zl. 1-1007062/FP/09, zugestellt am 23. Februar 2009, an den nunmehrigen Vertreter des Bf. wurde von der Anordnung der Schubhaft gegen den Bf Abstand genommen und zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und zur Sicherung der Abschiebung ein gelinderes Mittel angeordnet.

 

Innerhalb offener Frist wurde dagegen das Rechtsmittel der Vorstellung eingebracht.

 

2. Mit Schriftsatz vom 24. Februar 2009, eingelangt bei der belangten Behörde  am 27. Februar 2009, erhob der Bf durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter "Beschwerde gemäß § 82 Fremdenpolizeigesetz" an den Unabhängigen Verwaltungssenat für Oberösterreich und stellte folgende Anträge an den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich:

"I. auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und

II. auf Fällung folgenden Erkenntnisses

`Der Beschwerde wird Folge gegeben und die Anhaltung des Beschwerdeführers in der Zeit vom 19.02.2009 bis 23.02.2009 für rechtswidrig erklärt.

Weiters wird beantragt, den Bund als Rechtsträger der belangten Behörde für schuldig zu erkennen, den Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG 1991 die Kosten dieses Verfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution aufzuerlegen.´

An Kosten der vorliegenden Eingabe werden verzeichnet:

Schriftsatzaufwand                   €   600,00

Stempelmarken              €    13,00

Gesamt                          €  613,00"  

 

Begründend wurde nach ausführlicher Sachverhaltsdarstellung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bf sehr wohl über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht verfüge, da dieses trotz der mehr als sechsjährigen Abwesenheit nicht erloschen sei. Einerseits sei er nicht freiwillig von Österreich abwesend und andererseits sei er während der Haftzeit durchgehend aufrecht in Österreich gemeldet gewesen.  Bezogen auf den umfassend dargestellten Sachverhalt, den Ausführungen zum Privat- und Familienleben und deren Auswirkungen für den Fall einer Abschiebung in die Türkei sei die Anhaltung in Schubhaft unvertretbar.

 

3.1. Mit Schreiben vom 5. März 2009 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt übermittelt und eine Stellungnahme abgegeben. 

 

Einleitend hat sie unter Hinweis auf den Schubhaftbescheid und die Aktenlage angemerkt, dass der Bf zu Gewalttätigkeiten neige. Da nach Ansicht der belangten Behörde gegen den Bf ein Aufenthaltsverbot für den Schengenraum bestehe, sei die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt worden. Das "Aufenthaltsverbot" wirke auch in Österreich, da der Aufenthaltstitel des Bf ex lege gegenstandslos geworden sei. Zur raschen Durchführung sei daher die Schubhaft als sichernde Maßnahme verhängt worden. Die Abschiebung sei nur daran gescheitert, weil das Reisedokument nicht auffindbar gewesen sei und nun eine Heimreisezertifikat erlangt werden müsse. Infolge der "familieninternen Aussöhnung", der Unterkunftnahmemöglichkeit bei der Familie und der derzeitigen Unmöglichkeit der Abschiebung (fehlendes Reisedokument) sei die Schubhaft aufgehoben und bescheidmäßig ein gelinderes Mittel ausgesprochen worden. Abschließend wurde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.   

 

3.2.  Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Beschwerde der Sachverhalt hinlänglich geklärt ist. Da im Wesentlichen Rechtsfragen zu klären waren, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 29/2009 (im Folgenden: FPG), hat der Fremde das Recht, den unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er

1. nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2. unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3. gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 1 FPG ist der unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung zuständig, in dessen Sprengel der Beschwerdeführer festgenommen wurde. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat der unabhängige Verwaltungssenat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden (vgl. § 83 Abs. 4 FPG).

 

4.1.2. Der Bf wurde in Oberösterreich festgenommen und in der Zeit vom 20. bis 23. Februar 2009 für die belangte Behörde im PAZ Steyr in Schubhaft angehalten. 

 

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.   

 

4.2. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG 2005 können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern. Über Fremde, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, darf Schubhaft nur verhängt werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, sie würden sich dem Verfahren entziehen.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in periodischen Abständen bei einer bestimmten dem Fremden zuvor bekannt gegebenen Polizeiinspektion zu melden.

 

Nach § 10 Abs. 3 Z. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, BGBl. I 2005/100, zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 29/2009 - NAG wird ein Aufenthaltstitel oder eine Dokumentation des Aufenthalts- oder Niederlassungsrechts gegenstandslos, wenn der Fremde im Besitz eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt – EG" oder "Daueraufenthalt – Familienangehöriger" ist und seit sechs Jahren nicht mehr in Österreich niedergelassen ist.

 

Gemäß § 11 Abs. 3 iVm. Abs. 2 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II 2005/451 zuletzt geändert mit BGBl. II Nr. 97/2009, gilt die vor dem In-Kraft-Treten des NAG unbefristet erteilte Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck als Daueraufenthalt – EG weiter.

 

4.3.1. Unstrittig steht fest, dass der Bf durchgehend länger als sechs Jahre nicht mehr in Österreich niedergelassen war.

 

Im Hinblick auf § 10 Abs. 3 Z. 4 NAG ist daher der Aufenthaltstitel, der gemäß   § 11 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung als "Daueraufenthalt – EG" zu werten ist, gegenstandslos geworden. 

 

In einem vergleichbaren Fall hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 24. Februar 2009, 2008/22/0087, ausgeführt, dass "infolge der durchgehenden etwa 9-jährigen Abwesenheit vom Bundesgebiet und dem damit letztlich auch – wenn auch nach dem Vorbringen nicht freiwillig – erfolgten Fehlen der Niederlassung" die unbefristet erteilte Niederlassungsbewilligung nicht mehr existent sei.

 

Da sich aus dem Vorlageakte und dem Beschwerdevorbringen kein Hinweis auf eine sonstige Aufenthaltsberechtigung ergibt, ist davon auszugehen, dass sich der Bf nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.     

 

4.3.2. Grundsätzlich hätte die belangte Behörde bei Vorliegen sämtlicher formeller Voraussetzungen für die konkret in Aussicht genommene aufenthaltsbeendende Maßnahme die Schubhaft auf § 76 Abs. 1 FPG stützen können. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0239, und in nunmehriger ständiger Judikatur, ausgeführt, dass sämtliche Schubhafttatbestände final determiniert sind und diese nur aus den in § 76 Abs. 1 und 2 FPG genannten Gründen verhängt werden darf (vgl. auch VwGH vom 20. Dezember 2007, 2006/21/359 und vom 24.Oktober 2007, 2006/21/0067).

 

Darüber hinaus hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 15. Juni 2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden  in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FPG unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. In der Folge kommt der Verfassungsgerichtshof zum Ergebnis, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FPG gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein darf (siehe auch Erkenntnisse des VwGH vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0043, mwN und vom 20. Dezember 2007, Zl. 2007/21/0261). Daraus folgt, dass eine alternative Heranziehung gelinderer Mittel nur dann nicht zum Tragen kommt, wenn das Sicherungsbedürfnis anders nicht erreichbar ist (vgl. VwGH vom 24. Oktober 2007, 2007/21/0370). 

 

Beispielsweise hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2004/21/0003, einer Schubhaftbeschwerde unter Hinweis auf seine mit der dg. Entscheidung vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081, geänderte Rechtsprechung, wonach allein das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie von strafgerichtlichen Verurteilungen (weil die Inschubhaftnahme nicht der Aufdeckung, Verhinderung oder Sanktionierung von Straftaten dienen darf; vg. VfSlg 13715/1994 und VwGH vom 22. November 2007, Zl. 2006/21/0189) und einer fehlenden Ausreisewilligkeit (insbesondere, solange noch nicht feststeht, ob die Abschiebung zulässig und die Ausreise zu überwachen ist sowie ein konkreter Sicherungsbedarf besteht) für die Tragfähigkeit der Prognose, dass sich der Asylwerber dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde, nicht mehr hinreichen, stattgegeben. 

 

Zur fehlenden Ausreisewilligkeit eines Fremden führt der Verwaltungsgerichtshof nunmehr in ständiger Rechtsprechung aus, dass diese für sich allein nicht die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung rechtfertigt. Es ist nämlich in einem zweiten Schritt die Frage des Bestehens eines Sicherungsbedarfes zu prüfen (vgl ua. VwGH 8.9.2005, Zl. 2005/21/0301; VwGH 22.6.2006, Zl. 2006/21/0081; VwGH 27.3.2007, Zl. 2005/21/0381; VwGH 28.6.2007, Zl. 2005/21/0288; VwGH 30.8.2007, Zl. 2006/21/0107).

 

Ebenso darf die Schubhaft nicht als eine präventive Vorbereitungshandlung zu einer erfolgreichen Durchführung der Abschiebung (siehe VwGH vom 26. September 2007, Zl. 2004/21/0150) zum Einsatz gebracht werden. 

 

4.3.3.  Generell und somit auch im vorliegenden Fall wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, einzelfallbezogen das Vorliegen der Voraussetzungen für die aufenthaltsbeendende Maßnahme und den aktuellen Sicherungsbedarf zu prüfen und konkret zu begründen, weshalb keine gelinderen Mittel in gleicher Weise zur Zielerreichung zum Tragen kommen können.

 

Im Wesentlichen hat sich die belangte Behörde auf die strafrechtliche Verurteilung in der Bundesrepublik Deutschland, auf die Anzeige vom 2. Februar 2009 (gefährliche Drohung), das Vorliegen der rechtskräftigen deutschen Ausweisungsentscheidung und das Fehlen einer Aufenthaltsberechtigung gestützt.

 

Entgegen der Aktenlage (siehe Niederschrift vom 20. Februar 2009) ist die belangte Behörde von einer Ausreiseunwilligkeit des Bf ausgegangen und hat die Schubhaftverhängung dem Grunde nach nur auf diesen Gesichtspunkt gestützt. Wie bereits der wiedergegebenen Judikatur zu entnehmen ist, reicht nicht einmal die "tatsächliche" Ausreiseunwilligkeit für sich alleine aus, um eine Schubhaft begründen zu können. Darüber hinaus kann auch alleine aus dem Hinweis auf die Verurteilung in Deutschland kein Sicherungsbedürfnis abgeleitet werden.

 

Den vor der Schubhaftverhängung aufgenommenen Niederschriften lässt sich entnehmen, dass der Bf trotz der familiären Auseinandersetzungen, die lediglich zur Anzeigeerstattung wegen gefährlicher Drohung (Anzeige auf freiem Fuß) führten, weiterhin in der ehelichen Unterkunft verbleiben konnte, seine Ehegattin selbst bei der Anzeigeerstattung am 16. Februar 2009 weder eine Wegweisung noch ein Betretungsverbot angestrengt und sich auch nicht bedroht gefühlt habe. Insbesondere habe sie besonders darauf hingewiesen, dass der Bf weiterhin bei ihr wohnhaft bleiben könne. Lediglich der Bf habe bei der kriminalpolizeilichen Nachschau am 17. Februar 2009 dargelegt, dass er eine einvernehmliche Scheidung anstrebe und plane, sich eine eigene Wohnung zu suchen.  

 

Wie bereits oben dargelegt hat der Verwaltungsgerichtshof nunmehr in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass die Inschubhaftnahme weder der Verhinderung noch der Sanktionierung von Straftaten dienen darf. Somit kann das strafrechtlich relevante Verhalten auch nicht zur Begründung des Ausschlusses gelinderer Mittel herangezogen werden.  

 

Die vorgenommene Maßnahme zur Sicherung der Abschiebung setzt jedenfalls einen konkreten Sicherungsbedarf voraus und darf nur im Sinne einer ultima­ratio-Maßnahme zum Einsatz gebracht werden.

 

Aus dem Vorlageakt kann ein konkreter Sicherungsbedarf nicht abgeleitet werden. Ein solcher wurde von der belangten Behörde auch nicht ansatzweise dargelegt.  

 

4.3.4. Gemäß § 77 Abs 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Auch vor Anordnung der Schubhaft gemäß § 76 Abs 1 FPG hat die Fremdenbehörde auf    § 77 Abs 5 FPG Bedacht zu nehmen und darf die Schubhaft nur bei konkretem Sicherungsbedarf anordnen.

 

Aus der Begründung der Bescheide und der Aktenlage erscheint es für den Oö. Verwaltungssenat nicht nachvollziehbar, wieso die belangte Behörde nicht zumindest mit der Anwendung eines gelinderen Mittels iSd § 77 Abs 3 FPG das Auslangen gefunden hat.

 

Unter den gegebenen Umständen, die der belangten Behörde bekannt sein mussten und die in der Beschwerdeschrift anschaulich dargestellt wurden, hätte sich die belangte Behörde allenfalls mit der Anordnung gelinderer Mittel begnügen müssen. Da die Verhängung der Schubhaft jedenfalls als nicht zwingend erforderlich angesehen werden konnte, war auch die Ermessensentscheidung der belangten Behörde, von gelinderen Mitteln abzusehen, unvertretbar.

 

4.4. Im Ergebnis war daher der vorliegenden Schubhaftbeschwerde Folge zu geben und die Anhaltung in Schubhaft in der Zeit vom 20. bis 23. Februar 2009 für rechtswidrig zu erklären.  

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis waren dem Bf nach § 79a Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 Z 1 und 3 AVG iVm. § 1 Z 1 der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2009 Kosten in beantragten Höhe von insgesamt 627,60,-- Euro (Eingabe- und Beilagengebühr von  27,60 Euro) zuzusprechen. 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unter­schrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabe- und Beilagengebühren in Höhe von 27,60 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Stierschneider

 

 

 

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