Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-400993/6/BP/Wb/Se

Linz, 09.04.2009

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Dr. Bernhard Pree über die Beschwerde des A A, StA der Irak, derzeit in Schubhaft angehalten im PAZ R L, vertreten durch Mag. S M, D F GesmbH, W, wegen Anhaltung in Schubhaft seit 23. Februar 2009 durch den Polizeidirektor von Linz, zu Recht erkannt:

 

I.            Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen; gleichzeitig wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin bestehen.

 

II.        Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Verfahrenspartei: Polizeidirektor von Linz) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 82 Abs. 1 und 83 Abs. 2 und 4 Fremdenpolizeigesetz – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 29/2009) iVm §§ 67c und 79a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG und der UVS-Aufwandsersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 456/2008.

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 23. Februar 2009, AZ: 1062930/FRB, wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) auf der Basis des § 76 Abs. 2 Z. 4 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG – iVm § 57 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG bzw. zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum Rossauer Lände am selben Tag vollzogen.

 

Die belangte Behörde geht dabei nach Darstellung der einschlägigen Rechts­grundlagen im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus, dass der Bf – nach eigenen Angaben – am 21. Februar 2009, von Belgien kommend nach Österreich eingereist sei. Anlässlich seiner Aslyantragsstellung am 23. Februar 2009 in der Polizeiinspektion Nietzschestraße sei im Zuge der Seitens der belangten Behörde geführten Erhebungen mittels Abgleich der Fingerabdrücke, in Erfahrung gebracht worden, dass der Bf ehe er illegal ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist sei – bereits in Belgien mehrere Asylanträge und in Holland ebenfalls einen Asylantrag gestellt habe. Dieser Umstand sowie das Ergebnis der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung rechtfertige die Annahme, dass der Antrag des Bf auf Internationen Schutz – nach Abschluss eines Konsultationsverfahrens gemäß den Bestimmungen des Dubliner-Übereinkommens mit Belgien, mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werde.

 

Der Bf verfüge laut eigenen Angaben in Österreich über keinen Wohnsitz, habe zu Österreich keinen Bezug, habe hier keinerlei Verwandte und gehe im Bundesgebiet keiner legalen Beschäftigung nach und halte sich erst kurze Zeit in Österreich auf.

 

Dass das Verfahren im konkreten Fall und eine daraus resultierende allfällige Abschiebung nur durch die Verhängung der Schubhaft gesichert werden könne, lasse sich vor allem auch aus dem Umstand ersehen, dass der Bf bereits mehrmals in europäischen Ländern Asylanträge gestellt habe und er, nach dem diese Asylverfahren offensichtlich zu keinen für ihn günstigen Ergebnis geführt hatten, die asylrechtlichen Entscheidungen dieser Länder nicht zur Kenntnis genommen habe.

 

Aus diesem Grund habe auch von der Anordnung eines gelinderen Mittels im Sinne des § 77 FPG abgesehen werden müssen, da aufgrund seines zuvor geschilderten Verhaltens, die Behörde nicht davon ausgehen könne, dass der Bf Anordnungen im gelinderen Mittel Folge leisten werden, wenn das Asylverfahren in Österreich wieder nicht zu dem von ihm gewünschten Erfolg führe; dies zumal dem Bf klar sein müsse, dass er in den Staat abgeschoben werde, welcher letztendlich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei.

 

Es könne somit nicht ausgeschlossen werden, dass der Bf wiederum Österreich verlassen werde, um sich ein Zielland auszusuchen, indem er neuerlich einen Asylantrag stellen könne, was jedoch nicht den Intentionen des Asyl- und Fremdenrechtes entspreche.

 

Diese Prognose werde dadurch untermauert, dass der Bf bereits seit dem Jahr 2007 mehrmals in Staaten Asylanträge gestellt habe; dies offensichtlich völlig unbegründet. Er habe keinen Bezug zu Österreich und auch keine sozialen Bindungen.

 

Es bestehe somit ein konkreter Sicherungsbedarf, weshalb der Zweck der Schubhaft nicht durch die Anordnung gelinderer Mittel erreicht werden könne, weil, wie bereits dargestellt eine allfällige Anordnung sich in periodischen Abständen bei einer Polizeiinspektion zu melden, keine Gewähr dafür biete, dass sich der Bf dem Verfahren bzw. der Abschiebung auch tatsächlich zur Verfügung halten werde.

 

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft erhob der Bf durch seine Vertretung mit Telefax vom 8. April 2009, Beschwerde gemäß § 82 FPG 2005.

 

Darin führt der Bf zum Sachverhalt u.a. aus, dass er am 21. Februar 2009 in Österreich eingereist sei, und sich am 23. Februar 2009 zur Polizei begeben habe, um einen Asylantrag zu stellen.

 

Daraufhin sei der Bf umgehend in Schubhaft genommen worden, da die erkennungsdienstliche Behandlung ergeben habe, dass er bereits in Belgien und Holland Asylverfahren durchlaufen habe. Der Asylantrag des Bf sei in Belgien abgewiesen worden und ihm auch kein subsidiärer Schutz oder Abschiebeschutz erteilt worden. Da der Bf unstrittig aus dem Irak stamme und ihn dort Verfolgung, jedenfalls aber maßgebliche Eingriffe in die Rechtsgüter Leib und Leben drohen würden, habe er Belgien verlassen und in Österreich erneut einen Asylantrag gestellt. Davor habe bereits 2007 Belgien in Richtung Holland verlassen sei aber ebenfalls auf Basis der Dublin-II-Verordnung nach Belgien rücküberstellt worden. Auch damals habe er Belgien wegen eines abschlägigen Asylbescheides verlassen.

 

Mit Bescheid vom 25. März 2009 (bezughabender Akt der Asylbehörde 09 02.292-EAST Ost) sei der Antrag auf internationalen Schutz aufgrund der Zuständigkeit und Zustimmung Belgiens gemäß der Verordnung EG 343/2003 des Rates (Dublin-Verordnung) zurückgewiesen und der Bf gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AsylG aus Österreich nach Belgien ausgewiesen worden.

Dagegen sei binnen offener Frist Beschwerde beim Asylgerichtshof eingebracht worden, wo das zweitinstanzliche Verfahren derzeit anhängig sei.

 

Die im angefochtenen Bescheid angeführten Begründungen seien keinesfalls geeignet die im BVG zum Schutz der persönlichen Freiheit gebotenen Voraussetzungen zu erfüllen, da im Hinblick auf ein etwaiges Untertauchen des Bf keinerlei Verdachtsmomente vorlägen.

 

Der Bf habe nie versucht, sich irgendeinem Verfahren zu entziehen, sondern sei selbstständig zu den Behörden gegangen, um einen Asylantrag zu stellen. Darüber hinaus verweist der Bf auf die im konkreten Einzelfall unverhältnismäßige Verhängung der Schubhaft.

 

Die Festnahme, Schubhaftverhängung und die Anhaltung in Schubhaft seien somit weder notwendig noch verhältnismäßig und daher rechtswidrig.

 

Zum Zweck der Sicherung eines allfälligen Verfahrens gemäß § 76 Abs. 2 FPG habe der Bf, wenn die Schubhaft als rechtmäßig erkannt werde, auch ohne weiters im gelinderen Mittel ungebracht werden können, da, wir bereits dargelegt, keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass er sich einem allfälligen fremdenrechtlichen Verfahren entziehen würde, insbesondere als bei Nichtbefolgen der auflagen immer noch die Möglichkeit bestünde, Schubhaft zu verhängen.

 

Abschließend werden die Anträge gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat Niederösterreich (gemeint wohl Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich) möge,

1) die Festnahme

2) die Verhängung der Schubhaft

3) die Anhaltung in Schubhaft seit dem 23. Februar 2009 für rechtswidrig erklären sowie

4) Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung zuerkennen.

 

 

2. Mit Schreiben vom 9. April 2009 legte die belangte Behörde den bezughabenden Verwaltungsakt vor, beantragte, die gegenständliche Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen und erstattete eine kurze Gegenschrift.

 

2.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt festgestellt, dass der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist, weshalb von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 83 Abs. 2 FPG abgesehen werden konnte.

 

2.2. Der Oö. Verwaltungssenat geht von dem unter dem Punkt 1.1. und 1.2. dieses Erkenntnisses dargestellten entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus. Insbesondere ist festzuhalten, dass der Bf keinerlei Argumente vorbringt, die diesen Sachverhalt in Abrede stellen würden.

 

Zusätzlich ist noch anzumerken, dass der Bf in seiner niederschriftlichen Befragung vom 23. Februar 2009 angab, dass es ihm egal war in welcher Stadt in Österreich er aussteigen würde. Zudem gab er an, in Belgien 5-7 Asylanträge sowie 1 in den Niederlanden gestellt zu haben.

 

In den Niederlanden sei er kurz vor seiner Abschiebung nach Belgien festgenommen und angehalten worden.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 – FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 29/2009, hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.     wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.     wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde, oder

3.     wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 83 Abs. 4 FPG hat der Unabhängige Verwaltungssenat, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Im Übrigen hat er im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu entscheiden.

 

3.2. Es ist unbestritten, dass der Bf aufgrund des Bescheides des Polizeidirektor von Linz vom 23. Februar 2009, Zl. 1062930/FRB, bis dato in Schubhaft angehalten wird, weshalb der Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung berufen ist.

 

Nachdem sich der Bf zur Zeit der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates noch in Schubhaft befindet, war gemäß § 83 Abs. 4 FPG eine umfassende Prüfung der Anhaltung und des ihr zu Grunde liegenden Bescheides vorzunehmen.

 

3.3. Gemäß § 76 Abs. 2 FPG kann die örtlich zuständige Fremdenpolizeibehörde über einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 oder zur Sicherung der Abschiebung anordnen, wenn

1.     gegen ihn eine durchsetzbare – wenn auch nicht rechtskräftige – Ausweisung (§ 10 AsylG 2005) erlassen wurde;

2.     gegen ihn nach den Bestimmungen des AsylG 2005 ein Ausweisungsverfahren eingeleitet wurde;

3.     gegen ihn vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Ausweisung (§§ 53 oder 54) oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot (§ 60) verhängt worden ist oder

4.     aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

 

Die Schubhaft ist nach dem § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich mit Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG anzuordnen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zur Erlassung des Bescheides aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

 

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG kann die Behörde von der Anordnung der Schubhaft Abstand nehmen, wenn sie Grund zur Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Gegen Minderjährige hat die Behörde gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn, sie hätte Grund zur Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann.

 

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn 1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird; 2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

 

Ein Ausweisungsverfahren nach diesem Bundesgesetz gilt gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als eingeleitet, wenn im Zulassungsverfahren eine Bekanntgabe nach § 29 Abs. 3 Z 4 oder 5 erfolgt.

 

Nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen hat die Behörde gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 je nach Stand des Ermittlungsverfahrens dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 63 Abs. 2 AVG) mitzuteilen, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz zurückzuweisen (§§ 4, 5 und § 68 Abs. 1 AVG).

 

3.4. Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die erkennungsdienstlichen Erhebungen im Rahmen der Asylantragstellung des Bf am 23. Februar 2009 ergaben, dass er bereits Asylverfahren sowohl in Belgien als auch in den Niederlanden geführt hatte. Er selbst hatte auch angegeben 5-7 Anträge in Belgien sowie 1 in den Niederlanden gestellt zu haben. Es konnte daher die belangte Behörde grundsätzlich völlig zurecht vom Vorliegen der Alternative des § 76 Abs. 2 Z. 4 FPG ausgehen. Im übrigen wurde diese Annahme durch den mittlerweile erstinstanzlich ergangenen Bescheid des BAA EASt Ost vom 25. März 2009 (durchsetzbar seit 27. März 2009), wie auch durch die Zustimmung Belgiens zur Rückübernahme des Bf im Rahmen der Dublin-II-Verordnung bestätigt.

 

3.5. Aus der "Kann-Bestimmung" des § 76 Abs. 2 FPG wird deutlich, dass es sich bei der Verhängung der Schubhaft um eine Ermessensentscheidung handelt. Es müssen daher im konkreten Fall Umstände in der Person des Bf gelegen sein, die erwarten ließen, dass sich der Bf dem Verfahren gemäß § 76 Abs. 2 FPG entziehen würde. Dabei sind diese Umstände nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht isoliert voneinander sondern in Zusammenschau und unter Erstellung einer Einzelfallprüfung zu betrachten.

 

Im vorliegenden Fall steht zunächst außer Zweifel, dass der Bf beinahe völlig mittellos und in Österreich nicht sozial oder sonstig integriert ist. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht sind Umstände wie soziale und berufliche Integration, Vermögenslage und die Frage eines bestehenden Wohnsitzes im Bundesgebiet insofern von Entscheidungsrelevanz, als sie Hinweis darauf geben können, inwieweit ein Fremder an Österreich gebunden ist, was wiederum Aufschluss über seine Bereitschaft an hier durchgeführten Verfahren mitzuwirken gibt. Insbesondere finden sich Hinweise darin, dass ein Fremder bei Nichtvorliegen dieser Sachverhaltselemente eine gesteigerte Tendenz vermittelt sich dem behördlichen Verfahren durch untertauchen in Österreich aber vor allem auch in anderen Staaten zu entziehen.

 

Diese allgemeinen Feststellungen müssen jedoch anhand der Überprüfung des konkreten Einzelfalles verifiziert vorliegen.

 

Im hier zu beurteilenden Einzelfall deuten die Umstände, dass der Bw an Österreich keinerlei soziale, berufliche oder familiäre Anknüpfungspunkte zu haben angibt, darauf hin, dass die Gefahr, er werde zu einem unkalkulierbarem, wahrscheinlich jedoch ehest möglichen Zeitpunkt untertauchen, um eine Abschiebung nach Belgien zu verhindern, höchst evident bestand und besteht. Diese Annahme wird dadurch erhärtet, dass dem Bw die Funktion der Dublin-II-Verordnung aus eigener Erfahrung nunmehr bekannt ist, da die Niederlande im Jahr 2008 dieses Reglement gegen den Bf anwendeten. Hatte er damals noch das Asylverfahren in den Niederlanden, von dem er wusste und wissen musste, dass es negativ ausgehen werde, abgewartet, dies mit dem Erfolg, dass er nach Belgien abgeschoben wurde, ist nunmehr davon auszugehen, dass er die damals gezeigte Geduld nicht nochmals an den Tag legen wird. Zu diesem Schluss kommt das erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenates vor allem auch deshalb, weil der Bw in den Niederlanden – nach eigenen Angaben – zur Durchsetzung der Abschiebung nach Belgien bereits einmal in Schubhaft genommen wurde. Um dieser – auch für ihn erkennbaren – Konsequenz zu entgehen, bleibt ihm also allein ein rasches Untertauchen.

 

Dem Bw musste demnach bewusst sein, dass nach einer allfälligen Abschiebung nach Belgien von dortiger Seite, seine Rückführung in den Irak unmittelbar und rasch droht. Die Taktik, zahllose Asylanträge zu stellen, wäre nunmehr nicht mehr zielführend, weshalb der Bf fraglos jedes andere Mittel – legal oder illegal – ausnützen würde, um eine Abschiebung nach Belgien zu verhindern.

 

Daraus wird ersichtlich, dass es ihm vor allem darauf ankommt einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen und nicht um - wie vorgeblich angestrebt - politisches Asyl zu erhalten. Die Asylantragstellung war offenbar für den Bf nur ein gut kalkulierter Zwischenschritt, um eine "Verschnaufpause" zur weiteren Orientierung hinsichtlich der Möglichkeiten zu erhalten in einem für ihn wirtschaftlich attraktiven Land seinen Aufenthalt zu fristen. Im Sinne dieser Überlegungen erscheint die Tatsache, dass sich der Bf in Österreich freiwillig den Behörden gestellt hat, unter einem neuen Licht und ist nicht geeignet darzulegen, dass er an den hiesigen Verfahren mitzuwirken bereit ist.

 

Die Tatsache, dass der Bf sofort nach Einreise in Österreich (wie schon in Belgien und den Niederlanden) wiederum Asyl beantragte, wobei ihm der Umstand der Abweisung der bisherigen Anträge voll bekannt war, zeigt seine offenkundige Einstellung, nach Belieben und Bedarf Asylanträge zu stellen; dies als Mittel zum Zweck der Verlängerung seines – wenn auch nicht rechtmäßigen Aufenthaltes und zur Verhinderung der drohenden Rücküberstellung in sein Heimatland.

 

Hinsichtlich der hier besonders zu beurteilenden, beinahe sofortigen, In-Schubhaftnahme des Bf durch die belangte Behörde und der dabei zugrunde liegenden Notwendigkeit rasch zu reagieren, sei auf die obigen Überlegungen zum durch eigene Erfahrungswerte des Bf offensichtlich modifizierten strategischen Vorgehen verwiesen.

 

Aufgrund einer Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Bf muss somit von einem besonders akuten und hohen Sicherungsbedarf ausgegangen werden, da wohl mit Sicherheit angenommen werden kann, dass er auf freiem Fuß belassen sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren in Österreich ohne viel Zeit zu verlieren entzogen haben würde.

 

Damit scheidet auch grundsätzlich die Anwendung gelinderer Mittel über den Bf gemäß § 77 FPG konsequenter Weise aus. Der diesbezüglichen Einwendung in der Beschwerde war somit nicht zu folgen. Insbesondere wird die These zurückgewiesen, dass eine Fremdenpolizeibehörde auch bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft – somit auch bei Vorliegen der Erforderlichkeit – stets das gelindere Mittel anzuwenden habe. Dieser Ansicht folgend könnte Schubhaft nur dann verhängt werden, wenn der Bf gegenüber einer konkreten Behörde "beweisen" würde, dass er sich den Anordnungen im gelinderen Mittel widersetzt und untertaucht. Erst dann wäre anscheinend nach Ansicht des Bf die Verhängung einer Schubhaft überhaupt statthaft. Diese Annahme findet jedoch weder Deckung in den gesetzlichen Grundlagen noch in der hiezu ergangenen höchstgerichtlichen Judikatur.

 

3.7. Die Verhängung der Schubhaft ist zweifellos auch verhältnismäßig, denn dem Recht des Bf auf Schutz der persönlichen Freiheit steht das dieses überwiegende Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und damit am Schutz und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gegenüber. Um diese Ziele zu gewährleisten, war der Eingriff in das Recht des Bf auf den Schutz der persönlichen Freiheit notwendig.

 

Der Schutz des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK kann im vorliegenden Fall ebenfalls nicht schlagend in Anwendung gebracht werden.

 

3.8. § 80 Abs. 2 FPG normiert, dass die Schubhaft so lange aufrechterhalten werden kann, bis der Grund für ihre Anhaltung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann. Grundsätzlich wird hier eine zweimonatige Höchstgrenze festgelegt. Der Bf wird gegenwärtig erst seit rund sechs Wochen in Schubhaft angehalten, weshalb die gesetzlich normierte zweimonatige Frist noch nicht ausgeschöpft ist.

 

§ 80 Abs. 5 FPG bringt überdies eindeutig zum Ausdruck, dass die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz aufrecht erhalten werden kann, wenn die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 leg.cit. verhängt wurde.

 

Diese Bestimmung ist auch im konkreten Fall anwendbar. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Oö. Verwaltungssenates liegt noch keine Entscheidung des Asylgerichtshofes vor.

 

Das Ziel der Schubhaft, die Ausweisung und Abschiebung nach Belgien, ist zum Entscheidungszeitpunkt durchaus erreichbar, da keine Umstände bekannt sind, die gegen die Durchführbarkeit der Rückführung des Bf sprechen, da Belgien seiner Übernahme bereits zugestimmt hat.

 

3.9. Es sind zudem keinerlei Umstände bekannt, die einer weiteren Anhaltung des Bf in Schubhaft entgegenstehen würden, weshalb die Beschwerde vom 8. April 2009 als unbegründet abzuweisen und gleichzeitig auszusprechen ist, dass auch die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.

 

 

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bund als Rechtsträger, für den die belangte Behörde eingeschritten ist, nach § 79a Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 4 Z 3 AVG iVm § 1 Z 3 und 4 der UVS-Aufwandersatzverordnung (BGBl. II Nr. 456/2008) ein Aufwandersatz in Höhe von insgesamt 426,20 Euro (Vorlageaufwand: 57,40 Euro, Schriftsatzaufwand: 368,80 Euro) zuzusprechen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Hinweis: Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in Höhe von 16,80 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

 

Bernhard Pree

 

 

 

 

Rechtsatz

VwSen-400993/6/BP/Wb/Se vom 9. April 2009

 

§ 76 Abs. 2 Z. 4 FPG

 

Im vorliegenden Fall steht zunächst außer Zweifel, dass der Bf beinahe völlig mittellos und in Österreich nicht sozial oder sonstig integriert ist. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht sind Umstände wie soziale und berufliche Integration, Vermögenslage und die Frage eines bestehenden Wohnsitzes im Bundesgebiet insofern von Entscheidungsrelevanz, als sie Hinweis darauf geben können, inwieweit ein Fremder an Österreich gebunden ist, was wiederum Aufschluss über seine Bereitschaft an hier durchgeführten Verfahren mitzuwirken gibt.

 

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