Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163958/6/Br/RSt

Linz, 09.04.2009

DVR.0690392

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung des Herrn Ing. G T, geb.    , T, vertreten durch ÖAMTC-Rechtsabteilung, Maga. H S, L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 16. Februar 2009, Zl. VerkR96-17371-2008-Ni/Pi, nach der am 8. April 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung, zu Recht:

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben und das Verwaltungsstraf­verfahren nach § 45 Abs.1 Z1 VStG eingestellt.

        

II.     Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

Zu I:  § 66 Abs.4 AVG iVm § 19, § 24, § 51e Abs.1 VStG.

Zu II: § 65 u. §66 Abs.1 u. 2 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem o.a. Straferkenntnis über den Berufungswerber wegen Übertretung nach § 9 Abs.2 StVO eine Geldstrafe in Höhe von 80 €, u. für den Uneinbringlichkeitsfall Ersatzfreiheitsstrafen v. 48 Stunden) verhängt und ihm zur Last gelegt,

er habe einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befunden habe das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht da er ohne anzuhalten weitergefahren sei.

Tatort: Gemeinde Traun, Gemeindestraße Ortsgebiet, L Tatzeit: 21.05.2008, 07:48 Uhr.

Fahrzeug: Kennzeichen    , PKW, PEUGEOT 807, grau.

 

 

1.1. Die Behörde erster Instanz begründete diesen Schuldspruch mit folgenden Ausführungen:

"Auf Grund einer Anzeige der Polizeiinspektion Traun vom 21.05.2008 wird ihnen die umseits genannte Verwaltungsübertretung zur Last gelegt.

 

Es erging an die Firma N Ges.m.b.H. als Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges mit dem pol.KZ.     die Aufforderung den Lenker zum Tatzeitpunkt bekannt zu geben.

 

Am 05.06.2008 wurde bekannt, dass das Fahrzeug zum angeführten Zeitpunkt von Ihnen gelenkt wurde, weshalb mit Strafverfügung vom 05.06.2008 eine Strafe von 80 Euro über Sie verhängt wurde.

 

Gegen diese Strafverfügung haben Sie innerhalb offener Frist Einspruch erhoben und diesen wie folgt begründet.

Ich habe mich diesem Schutzweg schon im Schritttempo genähert, da man diesen von der linken Seite - weil ein PKW mit Wohnwagen zum Links abbiegen stand und diesen Schutzweg auch zur Hälfte verstellte — nicht einsehen konnte (siehe Skizze).

Ich habe im Rückspiegel den Polizeibeamten beobachtet, ob er sich zum Schutzweg nähert und den Verkehr regelt. Da dies nicht geschehen ist und es hinter mir zum Stau (genauso wie auf der Gegenfahrbahn) gekommen ist, bin ich wiederum den Schutzweg im Schritttempo eingefahren, wobei meine Frau den Blick immer nach links gehalten hat (durch den besseren Blickwinkel), ob jemand den Schutzweg überquert. (Nach rechts war der Einblick offen und auch kein Fußgänger vorhanden).

Erst als ich in meiner Fensterhöhe den vollen Blick nach links hatte, war der Schutzweg noch immer nicht von einem Fußgänger benutzt.

Ein kleiner Junge hat gerade sein Fahrrad vom Gehsteig auf den Schutzweg gestellt und dann bin ich weitergefahren.

Ich habe keinen Fußgänger behindert oder gefährdet oder den Schutzweg in einem überfahren!!! Da ich diese Kreuzung fast täglich fahre, ist mir dort die Gefährlichkeit sehr wohl bewusst. Das hinter mir fahrende Fahrzeug hat den Schutzweg sehr wohl in einem überquert, das war gefährlich. Ich habe bewusst dies im Rück- und Seitenspiegel verfolgt und auch den Beamten gesehen, wie dieser seinen Block gezückt hat!! Dieser Beamte konnte überhaupt nicht auf die linke Seite einsehen, weil er ja gar nicht auf der Höhe des Schutzweges stand und auch nicht den Jungen mit seinen Fahrrad gesehen haben kann, als dieser es auf den Schutzweg abstellte, um diesen zu überqueren - erst dann als dieser vom Wohnwagen hervorkam, aber da war ich schon lange vorbei.

 

Aufgrund Ihres Einspruches wurde der Meldungsleger, Insp. A H von der PI. Traun, als Zeuge einvernommen und tätigte am 01.07.2008 nachstehende Aussage:

"Zum ggstl. Sachverhalt befragt, gebe ich unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht und den Diensteid an, dass ich die Angaben in der Anzeige vollinhaltlich aufrechterhalte.

Bei besagter Amtshandlung war ich allein.

Ich stand ca. in 5-6 Meter Entfernung und konnte den Schutzweg genau beobachten. Dabei konnte die Übertretung deutlich wahrgenommen werden.

Der Lenker des PKW fuhr auf der Pyhrbahnstraße von Richtung Traun Zentrum kommend, einbiegend in die Leondingerstraße in Richtung Hanslkreuzung gefahren. Er hat dabei zwei Schülern, die beide ein Fahrrad schoben und aus Sicht des Lenkers von links nach rechts die Straße überqueren wollten, dies nicht ermöglicht. Die beiden Schüler befanden sich beim Vorbeifahren des Beschuldigten bereits auf dem Schutzweg. Als er vorbeifuhr, mussten die Schüler die Fahrräder zurückziehen, da es sonst zu einer Berührung gekommen wäre. Zu der Skizze, die der Beschuldigte in seinem Einspruch vorlegte, ist zu sagen, dass die Schüler sich nicht auf dem Geh- und Radweg befunden haben (wie eingezeichnet), sondern wie oben erwähnt, bereits auf dem Schutzweg waren.

Es bestand eindeutig eine Gefährdung der Schüler. Es stimmt, dass hinter dem Beschuldigten noch ein Lenker vorbeifuhr. Das Kennzeichen von diesem konnte ich nicht ablesen, da ich mich auf den Beschuldigten und die Kinder konzentrierte.

Zu sagen ist noch, dass der Beschuldigte nicht zu schnell unterwegs war, nichtsdestotrotz aber die Verwaltungsübertretung setzte."

 

Mit Schreiben vom 08.07.2008 wurde Ihnen die Zeugenaussage übermittelt und gleichzeitig die Möglichkeit gegeben, sich zum Ergebnis der Beweisaufnahme zu äußern.

 

Am 08.07.2008 erschienen Sie persönlich gemeinsam mit Ihrer Gattin bei der hs. Behörde und teilten mit, dass Sie bei Ihren im Einspruch getätigten Aussagen bleiben und die Aussagen Ihrer Gattin dazu zu vermerken sind.

 

Ihre Gattin, E T, gab mit dem Grund der Einvernahme vertraut gemacht und nach Wahrheitsbelehrung zu Protokoll, dass Sie zum Tatzeitpunkt Beifahrerin in Ihrem Fahrzeug war und Ihre Aussagen bestätigt.

 

Die Behörde hat Folgendes erwogen:

 

Gemäß § 9 Abs.2 StVO hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, einem Fußgänger oder Rollschuhfahrer, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, dass er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten. In gleicher Weise hat sich der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, vor einer Radfahrerüberfahrt zu verhaften, um einem Radfahrer oder Rollschuhfahrer, der sich auf einer solchen Radfahrerüberfahrt befindet oder diese erkennbar benützen will, das ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen.

 

Wenn Sie nunmehr die Verwaltungsübertretung bestreiten so wird Ihnen die Zeugenaussage des Polizeibeamten entgegengehalten.

 

Die Behörde sah keinerlei Veranlassung, an der glaubwürdigen und unbedenklichen Aussage des fachlich geschulten, technisch visierten und unter Wahrheitspflicht stehenden Zeugen zu zweifeln, zumal dieser wohl kaum das Risiko einer falschen Aussage, auf deren strafrechtliche folgen der Zeuge anlässlich seiner Einvernahme hingewiesen wurden, auf sich nehmen würde, während Sie als Beschuldigter einer solchen Wahrheitspflicht nicht unterliegen und sich in jede Richtung verantworten können.

Weiters wird auf das VwGH-Erkenntnis vom 28.09.1988, ZI. 88/02/0007 verwiesen, wonach es den zur Wahrnehmung der Vorgänge des öffentlichen Straßenverkehrs bestellten und geschulten Organen der Sicherheitswache zugebilligt werden muss, dass sie in der Lage sind, Verkehrssituationen richtig zu erkennen und wiederzugeben bzw. mit Sicherheit über Folgendes Feststellungen treffen und verlässliche Angaben darüber machen zu können: Normale oder ungewöhnliche Geschwindigkeit, Kennzeichennummer, Wagentyp, Wagenfarbe, Vorgänge im Straßenverkehr im Allgemeinen. Art Beschaffenheit, Insassen und Lenkers eines KFZ (siehe VwGH-Erkenntnis vom 30.03.1979, ZI. 1839/77).

 

Zu Ihren Einspruchsangaben darf seitens der hs. Behörde bemerkt werden, dass - insbesondere wenn der Schutzweg wie von Ihnen selbst angeführt sehr schlecht einzusehen war - Sie sich einem Schutzweg nur so nähern dürfen, dass das Fahrzeug jederzeit zum Stillstand zu bringen ist. Sie haben selbst angegeben, dass Ihnen beim Überqueren des Schutzweges ein Kind aufgefallen ist, welches den Schutzweg betreten hat.

 

In diesem Zusammenhang darf auf das VwGH-Erkenntnis vom 26.06.2974, ZI. 334/73 verwiesen werden, welches aussagt, dass eine Gefährdung oder Behinderung eines Fußgängers auf einem Schutzweg auch bei Schrittgeschwindigkeit eintreten kann.

 

Für die Behörde erscheint es auf Grund des vorliegenden Ermittlungsergebnisses zweifelsfrei erwiesen, dass Sie im konkreten Fall die Ihnen angelastete Verwaltungsübertretung begangen

haben.

 

Im Sinne des § 19 Abs. 1 VStG bildet Grundlage für die Bemessung der Strafhöhe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe sind - soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen - gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden.

 

Bei der Strafbemessung wurden Ihre aktenkundigen Einkommens, Vermögens- und

Familienverhältnisse berücksichtigt.

Einkommen: mtl. 2.500 Euro netto, keine Sorgepflicht

 

Strafmildernd wurde Ihre bisherige Unbescholtenheit im hs. Verwaltungsbereich gewertet, straferschwerende Umstände waren nicht zu berücksichtigen."

 

 

 

2. Dagegen wendet sich der Berufungswerber durch seine Rechtsvertretung mit folgenden Ausführungen:

"Gegen das umseits bezeichnete Straferkenntnis der BH Linz-Land, weiches mir am 20.2.2009 zugestellt wurde, erhebe ich in offener Frist

 

Berufung

 

und verweise hinsichtlich Begründung vollinhaltlich auf die Ausführungen in meinem Einspruch.

Ich möchte jedoch nochmals deutlich machen, dass ich beim Befahren des Schutzweges keine Person erkannt habe, die den Schutzweg benutzen wollte. Auf der - aus meiner Fahrtrichtung gesehen - linken Fahrbahnhälfte stand ein Wohnanhängergespann, welches den Gegenverkehr zum Linksabbiegen abwartete und den halben Schutzweg verstellte. Dahinter warteten weitere Fahrzeuge und war mir die Sicht auf den linken Fahrbahnrand durch das Gespann völlig verstellt. Aus diesem Grund tastete ich mich in Schrittgeschwindigkeit vor, um eine Behinderung oder Gefährdung von Fußgängern ausschließen zu können, die hinter dem Gespann plötzlich hervortreten.

Als ich mich bereits auf dem Schutzweg befand und den linken Fahrbahnrand einsehen konnte, sah ich ein Kind, welches sich noch nicht am Schutzweg befand, aber gerade beabsichtigte, sein Fahrrad auf den Schutzweg zu stellen. Da eine Behinderung und Gefährdung nicht vorlag, fuhr ich weiter - wäre ich stehen geblieben, hätte ich den Schutzweg versperrt und das Kind hätte diesen gar nicht benutzen können.

 

Hinter mir fuhren weitere Pkw, wobei mein direkter Hintermann seine Geschwindigkeit und Aufmerksamkeit nicht entsprechend angepasst hatte. Erst durch diesen Pkw erfolgte eine Gefährdung des Kindes, da dieses in der Zwischenzeit den Schutzweg betreten hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Stelle jedoch bereits passiert. Der Meldungsleger konnte von seiner Position aus nicht feststellen, wann genau das Kind den Schutzweg betreten hat, da ihm die Sicht durch das Anhängergespann vollkommen versperrt war. Auch wenn der Meldungsleger unbestritten für solche Fälle besonders geschult ist, konnte selbst er die vorliegende Situation nicht vollständig überblicken. In Wahrheit habe nicht ich, sondern mein Hintermann den Tatvorwurf erfüllt. Nur wurde dessen Kennzeichen leider nicht notiert.

Bei meinem Fahrzeug handelt es sich weiters um einen Van, der ca. 2 Meter hoch ist. Auch aus diesem Grund war es dem Meldungsleger unmöglich, den linken Fahrbahnrand bzw. das Kind zu sehen, selbst wenn das Kind bereits hinter dem Wohnwagengespann sichtbar gewesen wäre. Dafür hätte der Meldungsleger auf gleicher Höhe zum Schutzweg stehen müssen. Ein Lokalaugenschein wird dies verdeutlichen.

Auch war nur 1 Kind vor Ort mit dem Fahrrad unterwegs. Der Meldungsleger berichtet von 2 Kindern, was jedoch nicht richtig ist. Dies wird auch von meiner Gattin bestätigt.

Ich steile daher den

 

Antrag,

 

a) auf Einstellung des gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahrens

b) auf Durchführung eines Lokalaugenscheines

 

Ansfelden, am 3.3.2009                                                 Ing. G T"

 

 

 

3. Die Behörde erster Instanz hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und damit dessen Zuständigkeit begründet. Dieser ist, da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen.

Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Verbindung mit einem Ortsaugenschein war antragsgemäß durchzuführen (§ 51e Abs.1 VStG).

 

 

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme und auszugsweise Verlesung des erstinstanzlichen Verfahrensaktes anlässlich der im Rahmen eines Ortsaugenscheins durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung. Im Rahmen der Verhandlungsvorbereitung wurde über die verfahrens­gegenständliche Örtlichkeit ein Luftbild aus dem System Doris beigeschafft. Die Örtlichkeit wurde im Rahmen der Berufungsverhandlung zusätzlich fotografisch dokumentiert. 

Der Meldungsleger Insp. H sowie die im Fahrzeug mitfahrende Ehegattin des Berufungswerbers E T wurden als Zeugen und der Berufungswerber als Beschuldigter einvernommen.

Die Behörde erster Instanz war entschuldigt bei der Berufungsverhandlung nicht vertreten (Schreiben v. 26.3.2009, Aktenstück 5).

 

 

4. Sachverhalt:

Der Schutzweg befindet sich etwa 15 m nach dem Kreuzungsmittelpunkt (Pyhrnbahnstraße / Leodinger Straße. Die Kreuzung ist rechtwinkelig angeordnet und dem entsprechend ist der Schutzweg für die von der Pyhrnbahnstraße kommenden Fahrzeuge erst relativ spät sichtbar. Die Fahrbahnbreite beträgt auf Höhe des Schutzweges etwa 5,5 m. Dies war beim Ortsaugenschein festzustellen und lässt sich aus dem maßstabsgetreuen Bild gut nachvollziehen.

Unstrittig ist der Sachverhalt insoweit, als sich sämtliche Aussagen dahingehend zusammenfassen lassen, dass sich während der links in die Leodinger Straße einbiegende Berufungswerber verkehrsbedingt mehr oder weniger im Schritt­tempo dem Schutzweg annäherte. Dabei nahm er auch den rechts bei der Raiffeisenbank stehenden Schulwegsicherungsposten wahr. In Gegenrichtung befand sich ein nach links abbiegendes Fahrzeug mit Wohnwagenanhänger, welches verkehrsbedingt mit einem Teil des Anhängers noch am Schutzweg zum Stehen kam. Die diesem Fahrzeug nachfolgenden Fahrzeuge hielten demnach vor dem Schutzweg an. Dem etwa dreizehn Meter (nicht 5-6 m) entfernt am Eingang zur Raiffeisenbank als Schulwegsicherungsposten befindlichen Meldungsleger musste   jedenfalls vorübergehend die Sicht auf den linken (westlichen) Teil des Schutzweges durch den Wohnwagen verdeckt gewesen sein.

Auch dem  Berufungswerber war dieser Bereich durch das Wohnwagengespann verdeckt. Er tatstete sich daher bis an den Rand des Schutzweges vor, wobei er in diesem mit der Fahrzeugfront seines VAN bereits hineinragte, ehe  er die zwei Kinder welche mit einem Fahrrad im Begriff waren den Schutzweg zu betreten oder diesen bereits betreten hatten, wahrnehmen konnte. Da er, so seine glaubwürdige und den Denkgesetzen folgenden Darstellung, im Falle eines Stehenbleibens das Überqueren der Kinder durch das Blockieren des Schutzweges nur behindert hätte übersetzte er diesen. Angesichts der Tatsache des anwesenden Straßenaufsichtsorgans beobachtete er dabei durch den Rückspiegel, dass auch noch das hinter ihm befindliche Fahrzeug den Schutzweg überquerte.

Der Meldungsleger schilderte anlässlich seiner zeugenschaftlichen Einvernahme seine Wahrnehmung dahingehend, dass sich zwei Kinder bereits auf dem Schutzweg befunden hätten als diesen der Berufungswerber übersetzte. Dadurch seien die Kinder wieder auf den Gehsteig zurückgestiegen. Der Meldungsleger bestätigte auch das Übersetzen des Schutzweges in unmittelbarer Abfolge durch ein unmittelbar hinter dem Berufungswerber fahrenden Fahrzeuges, wobei er sich lediglich auf das Ablesen des Kennzeichens des ersten Fahrzeuges (jenes des Berufungswerbers) konzentriert habe.

Der Meldungsleger räumte ein, dass dem Lenker des Angezeigtenfahrzeuges  die Sicht auf den linken Schutzwegbereich durch den Wohnwagen verdeckt gewesen sein könnte.

Die mitfahrende Ehegattin bestätigte die Darstellung des Lenkers. Sie habe sich ob der Sichteinschränkung durch den Wohnwagenanhänger auf den linken Teil des Schutzweges  nach rechts gebeugt und dem Lenker die Möglichkeit zum Überqueren signalisiert. Dabei habe sie die Kinder erst im Bereich des Schutzweges und deren Überquerungsabsicht wahrgenommen. Zu einer Behinderung oder Gefährdung der Kinder sei es  dabei nicht gekommen. Vielmehr wäre im Falle eines Anhaltens der Schutzweg verstellt worden, wodurch die Kinder um das Auto herumgehen hätten müssen.

 

 

4.1. Im Lichte des im Rahmen der Berufungsverhandlung erhobenen Beweisergebnisses gelangt die Berufungsbehörde zur Überzeugung, dass – was übrigens auch der Meldungsleger nicht behauptet – im Ergebnis weder von einer Behinderung und noch weniger von einer Gefährdung die Rede sein kann. Die Fahrgeschwindigkeit des Berufungswerbers bewegte sich im Schritttempo, wobei die die Aufmerksamkeit gezielt auf den verdeckten Bereich des Schutzweges gerichtet war. Der Berufungswerber tatstete sich an den Gefahrensichtpunkt heran und übersetzte diesen schließlich. Das sich zum Zeitpunkt der Erkennbarkeit der Querungsabsicht der Kinder das Fahrzeug offenkundig mit den Vorderrädern (Motorhaube) bereits auf dem Schutzweg befand, ist nicht unlogisch. Bis zur Schutzwegmitte benötigt ein Fußgänger etwa drei Sekunden. Das Queren des Schutzweges mit der restlichen Fahrzeuglänge kann ebenfalls mit dieser Zeitspanne angenommen werden. Da der gesamte Vorgang im Schritttempo erfolgte vermag bei objektiver Betrachtung an diesem Fahrverhalten wird eine Behinderung der Fußgänger noch eine Gefährdung erblickt werden. Vor dem Hintergrund dieser Konstellation scheint bei sachgerechter Beurteilung der Verkehrspraxis ein alternatives Fehlverhalten nicht indiziert.

Dem Berufungswerber wäre als Alternativverhalten nur die Möglichkeit offen gestanden vor dem Schutzweg zu warten bis der Wohnwagen weiterfährt und die Sicht frei wird und damit einen Rückstau in die Kreuzung in Kauf zu nehmen. Im Vortasten an den Gefahrensichtbereich und der Entschluss zu queren anstatt den Schutzweg zu verstellen vermag daher in diesem Fall als durchaus sach- und verkehrsgerecht erachtet werden.

 

 

5. Rechtlich hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Nach § 9 Abs.2 StVO 1960 hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, dass er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten.

Diese Bestimmung hat durch die 19. StVO-Novelle eine Verschärfung zum Schutz der Fußgänger dadurch erfahren, als bereits bei der bloßen Erkennbarkeit der Überquerungsabsicht dies vom Fahrzeuglenker ungehindert zu ermöglichen ist.

Das Schutzziel dieser Vorschrift ist aber auch nicht ausschließlich in einem Anhaltezwang  zu begreifen. Vielmehr müssen immer auch das Weg-Zeit-Abläufe berücksichtigt werden, damit einer Rechtsvorschrift kein realitätsferner und in der Verhaltensdisposition des Normunterworfenen  undeterminierter Inhalt unterstellt wird.

Hier wurde nach der Erkennbarkeit der Querungsabsicht durch das Übersetzten des Berufungswerbers für die Fußgänger vielmehr erleichtert als behindert, wobei eine Gefährdung angesichts des im Schritttempo querenden Fahrzeuges offenkundig zu keinem Zeitpunkt gegeben war.

Aus dem  Blickwinkel der gegebenen Verkehrssituation entbehrte es dem Berufungswerber jedem anderen sachgerechten und rechtmäßigem Alternativverhalten.

Der Schuldspruch war daher nach  § 45 Abs.1 Z1 VStG zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen  diesen  Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen  ab der  Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese  muss – von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten. 

 

 

 

Dr.  B l e i e r

 

 

 

Beschlagwortung:

Recht nötiges Alternativverhalten

 

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