Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100218/18/Fra/Ka

Linz, 19.05.1991

VwSen - 100218/18/Fra/Ka Linz, am 19.Mai 1991 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung der R H,W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 30. September 1991, VerkR96/7047/1991, betreffend Übertretung der StVO 1960, nach der am 7. April 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Der Berufung wird jedoch hinsichtlich des Strafausmaßes insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 1.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 1 Tag herabgesetzt werden.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 19, 24, 51 und 51e Abs.1 VStG.

II. Der Kostenbeitrag für das Strafverfahren erster Instanz ermäßigt sich auf 100 S. Für das Berufungsverfahren entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages.

Rechtsgrundlage: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat mit Straferkenntnis vom 30. September 1991, VerkR96/7047/1991, über die Beschuldigte wegen Übertretung des § 20 Abs.2 StVO 1960 eine Geldstrafe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt, weil sie am 12. Juni 1991 um 16.30 Uhr den PKW im Ortsgebiet von E auf der W Bezirksstraße Richtung A gelenkt hat, wobei sie zwischen km 1,0 und 1,150 im Ortsgebiet von E die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten hat. Ferner wurde sie gemäß § 64 VStG zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 200 S, d.s. 10 % der Strafe, verpflichtet.

I.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Instrumentarium der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht. Damit ist die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben. Dieser hat, da eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 7. April 1992 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuziehung eines Amtssachverständigen für Verkehrstechnik durchgeführt.

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

I.3.1. Die Beschuldigte bestreitet die Verwirklichung des ihr zur Last gelegten Tatbestandes. Ihrer Auffassung nach stellt das Nachfahren mit einem Streifenfahrzeug der Polizei oder Gendarmerie und Tachometervergleich ein wenig genaues Verfahren zur Geschwindigkeitsfeststellung dar. Laut Anzeige des Gendarmeriepostens Schärding vom 12. Juni 1991 fuhren die Beamten Rev.Insp. G und Bez.Insp. Sch in einem Abstand von ungefähr 40 m hinter dem PKW der Beschuldigten nach. Von der Ortstafel E (Ortsbeginn) bei km 1,0 der W. Bezirksstraße fuhren die beiden Beamten mit dem Dienstwagen in einem gleichbleibenden Abstand dem PKW, der von der Beschuldigten gelenkt wurde, nach. Auf dem Tacho des Dienstwagens war eine Geschwindigkeit von 100 km/h abzulesen. Der Tacho dieses PKW's wurde mit dem Radargerät Multanova der Verkehrsabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich in Linz am 2. Mai 1991 überprüft, wobei festgestellt wurde, daß bei einer auf dem Tacho angezeigten Geschwindigkeit von 100 km/h eine tatsächliche Geschwindigkeit von 92 km/h gefahren wurde. Durch die Überprüfung mit dem Radargerät wurde bei gefahrenen 100 km/h eine Abweichung von ca. 8 km/h festgestellt. Laut Auffassung der Beschuldigten sind nun Fehlerquellen und Ungenauigkeiten nicht auszuschließen. Dieser Umstand müsse bei der Auswertung der Tachometeranzeige zugunsten des kontrollierten Lenkers gebührend berücksichtigt werden. Dies sei aber aus folgenden Gründen nicht geschehen: Die Nachfahrstrecke müsse eine bestimmte - von der Geschwindigkeit abhängige Mindestlänge von mehreren 100 m haben und die Geschwindigkeit müsse in dieser Zeit ständig kontrolliert werden. Nach den in der einschlägigen Fachliteratur hinsichtlich der Beobachtungsstrecke - um verwertbare Ergebnisse zu erzielen - angegebenen Richtwerten hätte die Meßstrecke im gegenständlichen Fall, nämlich bei festgestellten Geschwindigkeiten von 91 km/h bis 120 km/h, mindestens 500 m betragen müssen. Im gegenständlichen Fall sei jedoch die Verfolgungsstrecke um zwei Drittel unter dieser Mindestrichtwertstrecke gelegen. Zwischen den beiden Fahrzeugen sei - wiederum abhängig von der Geschwindigkeit - ein Mindestabstand einzuhalten, der annähernd konstant bleibt, um etwaige Mängel des Meßvorganges auszugleichen. Dabei dürfe sich der Abstand zwar vergrößern, aber nicht verringern. Im vorliegenden Fall hätte der Abstand mindestens 100 m betragen müssen. Auch das sei nicht der Fall gewesen. Der Mindestabstand sei um 60 % unterschritten worden. Im übrigen hätte zu ihren Gunsten davon ausgegangen werden müssen, daß sich der Abstand während des Nachfahrens verringert habe. Weiters müssen die Straßen- und Sichtverhältnisse so geartet sein, daß die ständige Beobachtung des vorausfahrenden Fahrzeuges und die Einhaltung eines annähernd gleichbleibenden Abstandes möglich sei. Im gegenständlichen Fall handle es sich um eine kurvenreiche und durch Kuppen unübersichtliche Strecke, welche in der Regel keinen hinreichend verläßlichen Geschwindigkeitsvergleich ermögliche. Zudem sei dafür zu sorgen, daß ein zuverlässiges Funktionieren des Tachometers gewährleistet sei. Auch davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein. Die Tatzeit war der 12. Juni 1991. Die Überprüfung des Dienstwagengeschwindigkeitsmessers auf eine eventuelle Tachovoreilung fand am 2. Mai 1991 statt. Dabei sei - grundsätzlich - festgestellt worden, daß der betreffende Tachometer nicht zuverlässig funktioniere. Ob somit die damals festgestellte Tachovoreilung auch noch im Zeitpunkt des Vorfalles zutreffend gewesen sei, sei in keiner Weise gewährleistet. Um die mit der Meßmethode des Geschwindigkeitsvergleiches durch Nachfahren verbundenen Ungenauigkeiten auszugleichen, seien von der im Tachometer des Einsatzfahrzeuges abgelesenen Geschwindigkeit entsprechende Sicherheitsabzüge zu machen. Im gegenständlichen Fall insgesamt 20 %. Auch das sei nicht geschehen. Damit schließe sich der Kreis lückenlos: Sämtliche in der einschlägigen Fachliteratur zur Geschwindigkeitsfeststellung durch Nachfahren ausgearbeiteten Kriterien seien im vorliegenden Fall unzweifelhaft nicht erfüllt. Die von der Behörde gewonnenen Ergebnisses seien zur Aufrechterhaltung des angefochtenen Straferkenntnisses ungeeignet, weil aus den dargelegten Gründen unverwertbar.

I.3.2. Bei der Verhandlung am 7. April 1992 schilderten die Meldungsleger den entscheidungsrelevanten Sachverhalt im wesentlichen wie folgt:

Die Beschuldigte fuhr mit ihrem PKW, am 12. Juni 1991 beim Gendarmerieposten Schärding vorbei. Da sie nicht angegurtet war, wurden die Gendarmeriebeamten auf sie aufmerksam und fuhren hinter ihr nach. Bei km 4,2 der Schärdinger Landesstraße schlossen sie auf ihren PKW auf. Nach der Kreuzung der Schärdinger Landesstraße mit der W. Bezirksstraße fuhren die Beamten in einem Abstand von ca. 40 m - nachdem sie aufgeschlossen hatten hinter dem PKW der Beschuldigten nach. Der Abstand von 40 m, welcher noch vor der Ortstafel hergestellt wurde, bis zum Tatort war ziemlich gleichbleibend. Der Tachometer habe eine Geschwindigkeit von 100 km/h im Ortsgebiet von E angezeigt und zwar von der Ortstafel bis zum Strkm 1,150, das entspreche einer Wegstrecke von 150 m. Bei Strkm 1,2 habe die Beschuldigte ihren PKW stark abgebremst. Die Beschuldigte bog in weiterer Folge am Ortsende von E in die A Straße ein, wo sie ca. 200 m nach dieser Kreuzung angehalten und kontrolliert wurde. Der Beschuldigten wurde die Bezahlung eines Organmandates angeboten. Dies habe sie jedoch abgelehnt.

Über Befragen des Beschuldigtenvertreters gab der Zeuge Sch an, daß ab der Kreuzung der Schärdinger Landesstraße mit der Wr Straße der Abstand zum PKW der Beschuldigten größer als 40 m war. Er betrug zwischen 60 m und 80 m. Es sei jedoch vor der Ortstafel aufgeschlossen worden.

Nach der Version der Beschuldigten habe der Abstand zwischen ihrem PKW und dem Gendarmerie-PKW, als sie die Ortstafel von E passierte, 300 m bis 400 m betragen. Es stimme auf keinen Fall, daß der Abstand zum Gendarmerie-PKW im Ortsgebiet von E nur 40 m betragen habe. Allerdings sei es richtig, daß ihr Tachometer eine Geschwindigkeit von 55 km/h im Ortsgebiet angezeigt habe.

Bezüglich der widersprüchlichen Angaben folgt der unabhängige Verwaltungssenat der Version der Meldungsleger deshalb, da sie aufgrund ihrer verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht unterliegen und bei deren Verletzung mit straf- und dienstrechtlichen Sanktionen zu rechnen hätten; hingegen trifft die Berufungswerberin in ihrer Eigenschaft als Beschuldigte keine derartige Pflicht bzw. Sanktion. Natürlich hat die Berufungswerberin auch ein persönliches Interesse daran, straflos zu bleiben und wird daher eher geneigt sein, zu ihren Gunsten sprechende Angaben zu machen.

Anläßlich des Ortsaugenscheines am 7. April 1992 wurde auch die Nachfahrstrecke simuliert und eine Testfahrt durchgeführt. Diese Testfahrt wurde mit dem Privat-PKW des Amtssachverständigen Ing. S, Fabrikat: Audi Quattro, Leistung 100 kw, durchgeführt und bei der Einbindung der W Bezirksstraße in die Schärdinger Landesstraße gestartet. Am Fahrzeug des Sachverständigen war der Geschwindigkeitssensor Correvit L mit dem Auswertgerät Datron EEP 3 montiert. Das Gerät war auf kontinuierlichen Datenausdruck geschaltet, sodaß jeweils in Abständen von 1 Sekunde Geschwindigkeit, Zeit und Wegstrecke ausgedruckt wurden. Die Meldungsleger hatten den Auftrag, an bestimmten Beobachtungspunkten durch Nachfahren die Geschwindigkeit des voranfahrenden Fahrzeuges festzustellen. Nach durchgeführter Testfahrt gaben die Meldungsleger bekannt, daß das voranfahrende Fahrzeug - demnach das Fahrzeug des Sachverständigen - vor der Brücke eine Geschwindigkeit von 105 km/h gefahren sei, bei der Kundmachung des Ortsgebietes von E 90 km/h und am dritten Beobachtungspunkt - nach der Kuppe im Ortsgebiet E - eine Geschwindigkeit von 85 km/h. Eine durchgeführte Messung dieser Beobachtungspunkte ergab, daß der erste Beobachtungspunkt (Brücke) 845 m nach dem Start, der zweite Beobachtungspunkt (Ortsgebiet E) 985 m nach dem Start und der dritte Beobachtungspunkt (nach der Kuppe) 1195 m nach dem Start lag. Ein Vergleich mit dem Messprotokoll bei der Testfahrt ergab, daß das beobachtete Fahrzeug beim ersten Meßpunkt eine Geschwindigkeit von 81,7 km/h fuhr, beim zweiten Meßpunkt eine solche von 82 km/h und beim dritten Beobachtungspunkt eine solche von 70 km/h. Es ergibt sich daher, daß die Beobachter beim ersten Meßpunkt (vor der Brücke) eine um 28,5 % höhere Geschwindigkeit feststellten, beim zweiten Beobachtungspunkt (Ortsgebiet E) eine um knapp 10 % höhere Geschwindigkeit und beim dritten Beobachtungspunkt (nach der Kuppe) eine um 21 % höhere Geschwindigkeit. Es ist daher festzustellen, daß die Meldungsleger beim Nachfahren eine 10 % bis 28,5 % höhere Geschwindigkeit feststellten, als der voranfahrende Amtssachverständige tatsächlich gefahren ist.

Geht man nun aufgrund der Tachovoreilung des Tachometers im Dienstwagen davon aus, daß die Meldungsleger im Tatortbereich eine tatsächliche Geschwindigkeit von 90 km/h gefahren sind und weiters zugunsten der Beschuldigten von einem zusätzlichen Sicherheitsabzug von 28,5 % (dieser entspricht dem höchsten Prozentsatz der beim Ortsaugenschein durch die Meldungsleger "daneben gelegenen" Schätzung), so ist die Beschuldigte im spruchgegenständlichen Ortsbereich mit einer Geschwindigkeit von jedenfalls ca. 64 km/h gefahren. Die Beschuldigte hat somit den ihr zur Last gelegten Tatbestand zu verantworten. Im übrigen hat sie selbst nicht bestritten, die gesetzlich zulässige Geschwindigkeit laut ihrem Tachometer (55 km/h) überschritten zu haben. Da an der Tauglichkeit der Methode des Amtssachverständigen bezüglich der Simulierung des Nachfahrvorganges keine Zweifel bestehen und diesbezügliche allfällige Bedenken weder seitens der Beschuldigten noch von ihrem Vertreter vorgebracht wurden, bestand für den unabhängigen Verwaltungssenat auch kein Anlaß, die Beurteilung des Amtssachverständigen diesem Erkenntnis zugrundezulegen.

Zur Strafbemessung: Die Erstbehörde hat zur Strafbemessung ausgeführt, als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe aus dem Jahre 1991 gewertet zu haben. Der verhängte Strafsatz sei somit dem Verschulden angemessen und erscheine geeignet, die Beschuldigte in Hinkunft von der Begehung weiterer ähnlicher Delikte abzuhalten. Gerade derart hohe Geschwindigkeitsübertretungen, die im übrigen schwere Verwaltungsübertretungen darstellen, seien immer wieder Ursache von Verkehrsunfällen, weshalb im Hinblick auf die allgemeine Verkehrssicherheit eine strenge Bestrafung erforderlich sei. Weiters seien die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse berücksichtigt worden (für 1 Kind sorgepflichtig, kein Vermögen, monatliches Einkommen: netto ca. 15.000 S).

Diese den Kriterien des § 19 VStG entsprechende Strafbemessung kann mit einer Einschränkung nicht entgegengetreten werden:

Aus der Begründung geht nicht hervor, von welcher Fahrgeschwindigkeit die Erstbehörde ausgegangen ist. Aus der Formulierung ("gerade derart hohe Geschwindigkeitsübertretungen sind immer wieder Ursache von Verkehrsunfällen") kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß die Erstbehörde von einer Geschwindigkeit von ca. 90 km/h (dies entspricht dem Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens) ausgegangen ist. Da jedoch diese Geschwindigkeit laut Ergebnis des vom UVS durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht erwiesen ist, war die Strafe dem geringeren Unrechtsgehalt der Übertretung entsprechend zu reduzieren. Eine weitere Herabsetzung der Strafe war jedoch im Hinblick auf die o.a. Kriterien und aus spezialpräventiven Gründen nicht vertretbar.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden:

zu II. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. F r a g n e r 6

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