Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-110927/2/Kl/RSt

Linz, 06.05.2009

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Ilse Klempt über die Berufung des Herrn S B, B, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. N N, R, 48 G, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 12. März 2009, BZ-VerkR-06045-2006, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Güterbeförderungsgesetz 1995, zu Recht erkannt:

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 12. März 2009, BZ-VerkR-06045-2006, wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 1.453 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 67 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs.1 Z8 GütbefG 1995 iVm Art.3 Abs.1 der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 484/2002 verhängt, weil er als Inhaber und gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen Berufener der O mit dem Sitz in D-65 B, A, am 23.05.2006, gegen 16.45 Uhr, auf der Terminalstraße, Amtsplatz des Zollamtes Wels, Zollstelle Straße/Bahn, Gemeindegebiet Wels, mit dem Sattelzugfahrzeug mit dem deutschen Kennzeichen LM und dem Sattelanhänger mit dem deutschen Kennzeichen LM, deren Summe der höchsten zulässigen Gesamtgewichte insgesamt 3.500 kg überstiegen hat, Zulassungsbesitzer des Zugfahrzeuges: S B, D-65 B, A, Lenker: A D, welcher Staatsangehöriger eines Drittstaats (Staatsbürgerschaft: Türkei) ist, eine gewerbsmäßige Beförderung von Gütern (14.862 kg Sammelgut) von der Türkei durch Österreich mit einem Zielort in den Niederlanden (grenzüberschreitender gewerblicher Güterverkehr) durchgeführt hat, ohne dafür gesorgt zu haben, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderliche Fahrerbescheinigung mitgeführt wurde.

 

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht und die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt. Begründend wurde ausgeführt, dass gemäß § 9 Abs.1 VStG für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit strafrechtlich verantwortlich ist, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. § 9 Abs.1 VStG bezieht sich sohin nicht auf natürliche Personen. Bei der O aber handelt es sich um keine juristische Person, vielmehr ist der Bw Einzelkaufmann. Eine Verfolgungsverjährung ist insofern eingetreten als gegen den Bw eine rechtswirksame Verfolgungshandlung als Inhaber der Firma O nicht innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gesetzt wurde. Auch wäre anzulasten gewesen, dass ein gewerblicher grenzüberschreitender Gütertransport durch Österreich durchgeführt worden ist. Eine nachträgliche Berichtigung ist nicht möglich. Auch wurde innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist ab dem Tatzeitpunkt 23.5.2006 keine ausreichende Tatkonkretisierung vorgenommen, weil die Aufforderung zur Rechtfertigung die Angabe aufwies "Auf dem Amtsplatz der Zollstelle Straße/Bahn im Gemeindegebiet von Wels" und das nunmehr bekämpfte Straferkenntnis lautet wie folgt: "Auf der Terminalstraße, Amtsplatz des Zollamtes Wels, Zollstelle Straße/Bahn, Gemeindegebiet Wels". Weiters wurde vorgebracht, dass aus dem Frachtbrief ersichtlich ist, dass der Absender die Firma T in der Türkei und Empfänger die Firma T in Niederlanden ist, und daher ein Werksverkehr vorlag. Sämtliche Fahrer des Bw haben früher ordnungsgemäß und ohne Probleme Fahrerbescheinigungen ausgestellt erhalten; ohne Änderung der Rechtslage hat die hiefür zuständige deutsche Verwaltungsbehörde mehr oder weniger von einem Tag auf den anderen dem Bw keine Fahrerbescheinigungen mehr ausgestellt. Schließlich wurden Milderungsgründe geltend gemacht und die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe beantragt.

 

3. Der Magistrat der Stadt Wels hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und eine Stellungnahme zu den Ausführungen des Bw abgegeben. Es wurde die Abweisung der Berufung beantragt.

 

4. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist, entfällt eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e Abs.2 Z1 VStG.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 23 Abs.1 Z8 Güterbeförderungsgesetz 1995 – GütbefG, BGBl Nr. 593/1995 idF BGBl I Nr. 23/2006 (zum Tatzeitpunkt geltende Fassung) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 7.267 Euro zu ahnden ist, wer als Unternehmer nicht dafür sorgt, dass die gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 erforderlichen Gemeinschaftslizenzen oder Fahrerbescheinigungen mitgeführt werden.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was den vorstehenden Punkt 1) anlangt, sind entsprechende, dh, in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den vorstehenden Punkt 2) anlangt (unverwechselbares Festhalten der Identität der Tat) muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass  er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Gemäß  § 31 Abs.1 und 2 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von sechs Monaten von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs.2 VStG ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung.

 

Es muss  daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden. Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Seite 937 ff).

 

Diesen Anforderungen entspricht das durchgeführte Strafverfahren nicht.

 

In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10. August 2006, BZ-VerkR-06045-2006, als erste und einzige Verfolgungshandlung innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs.1 und 2 VStG wird zum Vorwurf gemacht, dass anlässlich der Kontrolle festgestellt wurde, "dass der Lenker, der Angehöriger eines Drittstaates ist, keine Fahrerbescheinigung mit sich führte... Als Verantwortlicher der Firma O, 65 B, A, wird Ihnen eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs.1 Z8 des Güterbeförderungsgesetzes zur Last gelegt."

 

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es aber nicht aus, dem Beschuldigten vorzuwerfen einen näher bestimmten Paragraphen verletzt zu haben, sondern es bedarf einer wörtlichen Anführung der Tatumschreibung. Dass der Bw nicht dafür Sorge getragen hat, dass eine Fahrerbescheinigung durch den Lenker mitgeführt wird, wurde dem Bw innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist als Tathandlung nicht vorgeworfen. Es ist daher hinsichtlich des im Straferkenntnis angeführten Tatvorwurfes Verfolgungsverjährung eingetreten. Es war daher das Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

 

Darüber hinaus ist anzumerken, dass nach der Bestimmung des § 23 Abs.1 Einleitung GütbefG die Tat nur "als Unternehmer" begangen werden kann. Auch dies ist Tatbestandsmerkmal und hat im Tatvorwurf zum Ausdruck zu gelangen, indem dem Bw persönlich oder aber gemäß § 9 Abs.1 VStG als nach außen vertretungsbefugtes verantwortliches Organ des Unternehmens die Tat vorzuwerfen ist. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist im Spruch eines Straferkenntnisses zum Ausdruck zu bringen, in welcher Funktion der Bw die Tat zu verantworten hat, nämlich ob in eigener Verantwortung (als Unternehmer oder Inhaber eines Unternehmens) oder aber als nach außen vertretungsbefugtes Organ einer juristischen Person oder Personengesellschaft gemäß § 9 Abs.1 VStG. Allerdings unterliegt die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit der rechtlichen Beurteilung und kann daher auch außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gemäß § 31 Abs.2 VStG ergänzt oder geändert werden.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Ilse Klempt

 

 

Beschlagwortung:

Tatkonkretisierung, Verjährung, Verantwortlichkeit

 

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