Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-231018/2/SR/Sta

Linz, 05.05.2009

 

 

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S 

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Stierschneider über die Berufung des K S, geb. am , vertreten durch die Rechtsanwaltsgemeinschaft M & S OEG, S, W-D-S, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 29. Oktober 2008, Gz Sich96-489-2008, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 120 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG (zuletzt geändert mit BGBl. I Nr. 29/2009)  zu Recht erkannt:

 

 

I. Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.  

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Straf­verfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kosten­beitrag zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 24  und 51 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG;

zu II.: § 66 Abs. 1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

 

"Sie haben am 18.07.2008 bis dato in S. G, A. Sie halten sich seit dem 18. Juli 2008 bis dato unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf. Die Verlängerung auf eine humanitäre Aufenthaltsbewilligung ist Ihnen abgelehnt worden. Sie hätten in weiterer Folge einen Antrag auf subsidiären Schutz bei einer der Erstaufnahmestellen stellen müssen. Diesen Antrag haben Sie bis dato nicht gestellt.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:

§ 120 Abs. 1 Z. 2 FPG 2005

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von 100 Euro, falls diese uneinbringlich ist eine Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 110 Euro."

 

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass sie mit Schreiben vom 12.12.2007 gemäß dem Erlass des BMfI, BMI-FW1710/0029-III/4/2007, um eine Erteilung einer Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen angesucht haben. Die Erteilung einer weiteren Aufenthaltsbewilligung aus humanitären Gründen sei nicht erteilt worden, da aufgrund der derzeitigen Aktenlage keine umfassende Prüfung möglich sei. Nach den Bestimmungen des Asylgesetzes bestehe aber nunmehr die Möglichkeit, den Status des subsidiär Schutzberechtigten auf die Familienmitglieder zu erweitern. Ein solcher Antrag sei bei der Erstaufnahmestelle einzubringen. Diese Möglichkeit sei dem Bw von der belangten Behörde am 15. Juli 2008 nachweislich mitgeteilt worden. Die Gattin des Bw sei subsidiär schutzberechtigt. Da der Bw bis dato keinen Antrag gestellt habe, halte er sich illegal im Bundesgebiet der Republik Österreich auf.

Nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen hat die belangte Behörde zur Bemessung der Strafhöhe ausgeführt, dass der Bw auf das Schreiben der Behörde nicht reagiert habe und bis dato keine Unterlagen eingetroffen seien.

 

2. Gegen dieses, dem Rechtsvertreter am 31. Oktober 2008 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 14. November 2008 - und damit rechtzeitig – per Fax übermittelte Berufung.

 

Darin bringt der Bw im Wesentlichen vor, dass ein unrechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht vorliege. Vielmehr ergebe sich das Aufenthaltsrecht unmittelbar aus Art. 8 Abs. 1 EMRK. Der Bw und seine Familie seien derart stark in Österreich integriert, dass ihre Ausweisung und Außerlandesschaffung gegen Art. 8 Abs. 1 EMRK verstoßen würde. Dies gelte vor allem für den Bw, der bei Bedachtnahme auf Art. 8 Abs. 1 EMRK nicht von seiner Ehefrau und seinen Kindern getrennt werden dürfe.

 

Zu Unrecht werde dem Bw ein Aufenthaltstitel nach den Bestimmungen der      §§ 72 ff NAG vorenthalten. Der Bw habe ein Recht auf Erteilung eines derartigen weiteren Aufenthaltstitels, zumal ihm in der Vergangenheit entsprechende "humanitäre Aufenthaltsbewilligungen" erteilt worden seien. Eine ausschließlich amtswegige Erteilung von derartigen Aufenthaltstiteln sei verfassungswidrig und der Gesetzgeber sei gefordert, bis zum 1.3.2009 die verfassungswidrige Gesetzeslage zu sanieren.

 

Der Bw könne nicht gezwungen werden, einen Antrag auf subsidiären Schutz zu stellen. Seine Rechtsstellung wurde dadurch wesentlich verschlechtert. Es liege weder ein Verschulden noch ein rechtswidriger Aufenthalt im Bundesgebiet vor

 

Erschließbar wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

 

3.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Ver­waltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck Gz. Sich96-489-2008; Bereits nach Durchsicht hat das erkennende Mitglied festgestellt, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.   

 

3.2. Aus der Aktenlage ergibt sich folgender Verfahrensgang:

 

3.2.1. Im Aktenvermerk der belangten Behörde vom 11. August 2008 wird festgehalten, dass ein Strafverfahren gegen den Bw eingeleitet wird. Aus dem
E-Mail vom 22. August 2008 ist erschließbar, dass der Bw noch keinen Antrag auf Erteilung des subsidiären Schutzes gestellt hat.

 

Mit Strafverfügung vom 11. September 2008, Sich96-489-2008 wurde dem Bw folgende Verwaltungsübertretung vorgeworfen:

"Tatort:  S. G, A

Tatzeit: 18.07.2008 bis 08.09.2008

Sie halten sich seit dem 18. Juli 2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich auf. Die Verlängerung auf eine humanitäre Aufenthalts­bewilligung ist Ihnen abgelehnt worden. Sie hätten in weiterer Folge einen Antrag auf subsidiären Schutz bei einer der Erstaufnahmestellen stellen müssen. Diesen Antrag haben Sie bis dato nicht gestellt."

 

Aufgrund dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw eine Geldstrafe in der Höhe von 100 Euro verhängt.

 

Die Strafverfügung wurde dem zu diesem Zeitpunkt laut Aktenlage unvertretenen Bw durch Hinterlegung am 17. September 2008 zugestellt.

 

Innerhalb offener Frist hat der Bw durch seinen Vertreter Einspruch erhoben und die Aufenthaltsbeendigung u.a. als Verstoß gegen Art. 8 EMRK gewertet.

 

Ohne weiteres Ermittlungsverfahren hat die belangte Behörde den Bw mit Schreiben vom 13. Oktober 2008 um Bekanntgabe seiner Einkommens- und Familienverhältnisse ersucht und ihm dabei mitgeteilt, dass diese Angaben zur Bemessung der Geldstrafe benötige.    

 

3.3. Die allgemein gehaltene Feststellung der Behörde erster Instanz, dass sich der Bw nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, wird mit Hinweis auf Art 8 Abs. 1 EMRK und die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu § 72 NAG bestritten.

 

4. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

 

4.1. Gemäß § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungs­übertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

 

Gemäß § 120 Abs. 5 FPG liegt eine Verwaltungsübertretung nicht vor, wenn der Fremde einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und ihm der Status eines Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Während des Asylverfahrens ist das Verwaltungsstrafverfahren unterbrochen.

 

Nach § 31 Abs. 1 leg. cit. halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes  nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind;

4. solange ihnen ein Aufenthaltsrecht nach asylrechtlichen Bestimmungen zukommt;

5. soweit sie nicht auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden mussten oder nicht auf Grund einer Durchbeförderungserklärung, sonstiger zwischenstaatlicher Abkommen oder auf Ersuchen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union um Durchbeförderung (§ 48 Abs. 1) oder aufgrund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 67 ARHG eingereist sind;

6. wenn sie eine Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungs-gesetz mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, eine Entsendebewilligung, eine EU-Entsendebestätigung, eine Anzeigebestätigung gemäß § 3 Abs. 5 AuslBG oder eine Anzeigebestätigung gemäß § 18 Abs. 3 AuslBG mit einer Gültigkeitsdauer bis zu sechs Monaten, innehaben oder

7. soweit sich dies aus anderen bundesgesetzlichen Vorschriften ergibt.

  

4.2.1. Wie zuletzt im Erkenntnis vom 6. März 2008, VwSen-230972/2/Wei hat der Oö. Verwaltungssenat in ständiger Spruchpraxis wie folgt ausgeführt.

"Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner Judikatur zum (vergleichbaren) Straftatbestand des § 82 Abs 1 Z 4 iVm § 15 Abs 1 des Fremdengesetzes 1992 im Hinblick auf § 44a Z 1 VStG, der die eindeutige Umschreibung der als erwiesen angenommene Tat im Spruch fordert, ausgesprochen, dass eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthalts rechtens nur dann in Betracht kommt, wenn keine der in den einzelnen Ziffern des § 15 Abs 1 FrG 1992 angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist. Die Annahme der Unrechtmäßigkeit eines inländischen Aufenthalts aus der Verneinung bloß eines Teils der in § 15 Abs 1 FrG 1992 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts stehe mit dem Gesetz nicht in Einklang (vgl etwa VwGH 18.1.2000, Zl. 94/18/0396; VwGH 24.3.2000, 96/21/0919; VwGH 5.10.2000, 96/21/0861; VwGH 8.11.2000, 97/21/0223; VwGH 23.1.2001, 97/21/0056).

 

Diese Judikaturlinie hat der Verwaltungsgerichtshof auch für die inhaltlich gleichgelagerte Strafbarkeit des unrechtmäßigen Aufenthalts nach § 107 Abs 1 Z 4 iVm § 31 Abs 1 FrG 1997 (vgl VwGH 30.5.2001, 2000/21/0009) fortgeführt. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Bestrafung wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes nur in Betracht, wenn keine der im § 31 Abs 1 FrG 1997 angeführten Voraussetzungen eines rechtmäßigen Aufenthalts gegeben ist, sowie dann, wenn die Rechtmäßigkeit eines Aufenthaltes gemäß § 31 Abs 3 FrG 1997 geendet hat. Im Spruch des Straferkenntnisses ist - um den Anforderungen des § 44a Z 1 VStG zu entsprechen - die als erwiesen angenommene Tat durch Verneinung aller im § 31 Abs 1 FrG 1997 genannten alternativen Voraussetzungen für eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts oder - im Fall des § 31 Abs 3 FrG 1997 - durch Verneinung einer weiter bestehenden Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zu umschreiben (vgl VwGH 13.12.2002, 2000/21/0052; VwGH 17.6.2003, 2000/21/0191; VwGH 17.6.2003, 2002/21/0205, VwGH 18.5.2004, 2001/21/0103; VwGH 23.11.2004, 2003/21/0142; jüngst VwGH 24.10.2007, 2007/21/0303)."

 

Diesen Ausführungen folgend kann für die weitgehend gleichgelagerte Bestimmung des § 31 Abs 1 FPG nichts Anderes gelten. Nach der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (vgl 952 BlgNR 22. GP, Seite 89) wurden nur geringfügige terminologische und inhaltliche Änderungen (Normierung von abschließenden Fallkonstellationen des rechtmäßigen Aufenthalts) vorgenommen.

 

4.3. Im angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde dem Bw lediglich zur Last gelegt, dass er sich seit dem 18. Juli 2008 unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte, da die Verlängerung auf eine humanitäre Aufenthaltsbewilligung abgelehnt worden sei. Darauf aufbauend hat sie dem Bw vorgeworfen, dass er einen Antrag auf subsidiären Schutz nicht gestellt habe und "dadurch" § 120 Abs. 1 Z. 2 FPG verletzt habe.   

 

Der so formulierte Spruch wird damit aber den oben beschriebenen Anforderungen nach dem § 44a Z 1 VStG nicht gerecht. Die im Spruch formulierte Tatanlastung wurde nämlich nicht unter Berücksichtigung bzw. Verneinung sämtlicher alternativen Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Aufenthalt nach dem § 31 Abs 1 FPG umschrieben.

 

Die Anlastung der belangten Behörde verstößt somit gegen das Bestimmtheitsgebot des § 44a Z 1 VStG. Da dem Akt auch keine taugliche (vollständige) Verfolgungshandlung zu entnehmen ist, war dem Oö. Verwaltungssenat eine Spruchkorrektur verwehrt. 

 

5. Im Ergebnis war daher das angefochtene Straferkenntnis mangels ausreichender Tatumschreibung aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen, ohne dass auf die Berufung inhaltlich weiter eingegangen werden musste.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs. 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum