Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522261/9/Bi/Se

Linz, 11.05.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn Ing. P R, L, vertreten durch Herrn RA Dr. C R, L, vom 15. April 2009 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 2. April 2009, FE-252-2009, wegen der Aufforderungen, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen und für die Gutachtens­erstattung erforderliche Befunde vorzulegen, sowie Aberkennung der aufschie­ben­den Wirkung einer Berufung, aufgrund des Ergebnisses der am 7. Mai 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde der Berufungswerber (Bw) gemäß § 24 Abs.4 FSG aufgefordert, sich innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides zur Feststellung seiner gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen A, B und F amtsärztlich untersuchen zu lassen und die zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlichen Befunde zu er­bringen. Weiters wurde einer allfälligen Berufung dagegen gemäß § 64 Abs.2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte mit 6. April 2009.

 

2. Dagegen wendet sich die vom Bw fristgerecht eingebrachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Am 7. Mai 2009 wurde eine öffentliche mündliche Berufungs­­verhandlung in Anwesenheit des Bw, seiner Rechtsvertreterin Mag. K H und des Zeugen G W (W) durchge­führt. Der Vertreter der Erstinstanz war ebenso entschuldigt wie die Zeugin G M (M). Die Berufungs­ent­scheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, es bestünden keine begründeten Bedenken im Sinne des § 24 Abs.4 FSG. Er leide nicht unter Krankheiten, die die Prüfung seiner geistigen und körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahr­zeugen geboten erscheinen lassen könnten. Aufgrund des Schlaganfalls vor zwei Jahren sei sein rechter Fuß gelähmt gewesen, was aber durch entsprechende Reha­bilitationsmaßnahmen korrigiert worden sei, sodass er wieder ohne Pro­bleme in der Lage sei zu gehen und er den Gehstock nur aus Sicherheits­gründen verwende, was aber nicht medizinisch indiziert sei. Allein daher könne aber kein Zweifel gesichtet werden, zumal ein Schlaganfall jeden Lenker treffen könne. Er könne nun wieder gehen und problemlos sein Fahrzeug lenken Der der Bescheid­begründung zugrundegelegte Sachverhalt lasse keinen die Fahrtauglichkeit in Zweifel ziehenden Aspekt erblicken, sodass auch keine Gefahr im Verzug anzu­nehmen sei. Beantragt wird daher Bescheid­behebung.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen münd­lichen Berufungsverhandlung, bei der der Bw und seine Rechtsvertreterin gehört, die Argumente der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Bescheides be­rück­sichtigt und der Zeuge W unter ausdrücklichem Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB einvernommen wurde.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Am 17. Februar 2009 kamen die Zeugin M und der Zeuge W gemeinsam persön­lich zur BPD Linz und gaben dort zu Protokoll: "Wir erscheinen heute im Ver­kehrs­­amt, weil wir bekanntgeben möchten, dass Herr P R, ca 85 bis 90 Jahre, sehr gebrechlich ist. Weiters ist eine Körperhälfte (aufgrund 2 erlittener Schlaganfalls) gelähmt. Er fährt regelmäßig mit seinem Pkw, dies mit einer sehr unsicheren Fahrweise." Das Protokoll ist von beiden Zeugen unter­schrieben.

 

Die Zeugin M hat sich vor der Berufungsverhandlung entschuldigt, sie müsse zum Begräbnis ihrer Enkeltochter. Der Zeuge W erschien, bestätigte aber auf konkrete Nachfrage, er habe nur einmal im Rahmen seiner Tätigkeit beim Verein "Morgenstund", einer mobilen Altenbetreuung, mit dem Bw telefoniert, kenne ihn aber persönlich gar nicht und könne speziell zu seinem Fahrverhalten mangels jeglicher persönlicher Wahrnehmung keine Angaben machen. Er habe mit ihm wegen einer nicht bezahlten Rechnung telefoniert. Er habe einmal ein Telefon­gespräch zwischen der Zeugin M und dem Schwiegersohn des Bw mitbekommen, bei dem es um – ihm nicht näher bekannte – Vorfälle wegen der mangelnden Verkehrsuntauglichkeit der Bw gegangen sei.

 

Der 1922 geborene Bw weist, wie er bei seinem persönlichen Erscheinen bei der Berufungsver­handlung am 7. Mai 2009 eindrucksvoll bewiesen hat, keinerlei Behinderungen oder körperliche Einschränkungen auf, insbesondere ist keine "Lähmung einer Körperhälfte" erkennbar. Er spricht langsam, ist jedoch in seinen Gedanken­gängen konstant und einwandfrei in der Lage über längere Zeit einem Gespräch zu folgen. Dass er nach dem Schlaganfall mit 84 nach Rehabilitation weder beim Gehen noch im Arm einge­schränkt ist, hat er insbesondere dadurch gezeigt, dass er mit der rechten Hand ein Blatt Papier von einer glatten Fläche aufge­hoben hat, dh auch die Fein­motorik ist vorhanden. Auch wenn er, wie er im Gespräch erwähnt hat, fallweise zur Erleichterung einen Gehstock benutzt, besteht kein Zweifel, dass er körperlich in der Lage ist, einen – nicht mit Automatik ausgestatteten – Pkw zu lenken. Er benutzt sein Fahrzeug nach eigenen Angaben etwa einmal wöchentlich zum Heimtransport von Lebensmitteln vom Supermarkt, wohnt seit ca 50 Jahren in der Linzer Innenstadt und ist mit den Ver­kehrs­verhältnissen dort mit Sicherheit vertraut. Er weist weder Vor­merkungen auf noch besteht sonst irgendein Hinweis auf außergewöhnliche eignungsein­schränkende Erkrankungen. 

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.4 FSG ist, wenn Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen der gesundheitlichen Eignung noch gegeben sind, ein von einem Amtsarzt erstell­tes Gutachten gemäß § 8 einzuholen und gegebenenfalls die Lenkbe­rechtigung einzuschränken oder zu entziehen.

 

Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach Abs.4 sind begründete Bedenken in der Richtung, dass der Inhaber einer Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr besitzt. Hierbei geht es noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen von Erteilungsvoraussetzungen geschlossen werden kann; es müssen aber genügend Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen (vgl VwGH 30.9.2002, 2002/11/0120).

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates bestehen keinerlei derartige Beden­ken schon aufgrund des Erscheinungsbildes und des persönlichen Ein­drucks vom Bw im Rahmen der mündlichen Verhandlung. Der Bw ist persönlich erschienen und hat seine ausgezeichnete körperliche und gesundheitliche Verfassung eindrucks­voll bewiesen.

Das jemand 87 Jahre alt ist, ist für sich allein mit Sicherheit kein Anlass, seine gesundheitliche Eignung grund­sätzlich anzuzweifeln, zumal im FSG keine eine Vermutung der gesund­heitlichen Nichteignung indizierende Altersgrenze enthal­ten ist, die man widerlegen müsste. Der Bw hatte mit 84 Jahren einen leichten Schlaganfall, einen "Streifschuss", wie er es selbst nach Auskunft des damals behandelnden Arztes nannte. An seiner derzeitigen körperlichen Erscheinung ist davon nichts mehr zu bemerken. Er hat weder Lähmungen – im Gegenteil hat er durch Aufheben eines Blattes Papier vom Tisch überzeugend dargelegt, dass seine Feinmotorik uneingeschränkt vorhanden ist – noch irgendwelche erkenn­baren Ein­schrän­kungen beim Gehen, Greifen, Sprechen oder in seinen Gedan­ken­­gängen. Vorfälle, die eine amtsärztliche Untersuchung rechtfertigen würden, sind nicht bekannt und wurden nicht einmal konkret behauptet.

 

Vielmehr liegt nach den Aussagen des Zeugen W in Verbindung mit der glaub­würdigen Darlegung des Bw – bedauerlicherweise – die Vermutung nahe, dass bei der "mobilen Altenbe­treuung", bei der der Zeuge W arbeitet und die die Zeugin M leitet, der Umstand, dass jemand – der wie im ggst Fall nicht einmal selbst "betreut" wird, sondern lediglich ein Angehöriger ist – in einem bestimmten Alter noch über eine Lenk­berechti­gung verfügt, als Druckmittel dafür benutzt wird, diesen dazu zu bewegen, undurchsichtige Verrechnungen zu akzeptieren. Der Zeuge W hat aus­drück­lich bestätigt, er habe den Bw noch nie selbst gesehen, sohin auch nicht beim Lenken eines Fahrzeuges, und keine konkreten Vorfälle diesbezüglich beobach­tet. Dass er die Lähmung einer Körperhälfte und eine "sehr unsichere Fahrweise" des Bw persönlich zur Anzeige gebracht hat, wollte er nunmehr so verstanden wissen, dass er die Zeugin M bei ihrer "Mitteilung" an die Erstinstanz bloß "begleitet" hat.

 

Aus all diesen Überlegungen vertritt der Unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung, dass in Anbetracht der dargestellten Umstände begründete Beden­ken, dass beim Bw die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht mehr in ausreichendem Umfang bestehen könnte, sodass die – noch dazu unter Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Berufung – ergangene Aufforderung, sich binnen Frist amtsärztlich unter­suchen zu lassen, gerechtfertigt wäre, derzeit nicht bestehen.    

Im Hinblick auf die Erbringung "zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderlicher Befunde" ist im übrigen zu bemerken, dass die im angefochtenen Bescheid formulierte Aufforderung entgegen dem Bestimmtheitsgebot des AVG ungenügend konkret for­mu­liert wäre, sodass der angefochtene Bescheid diesbe­züglich schon deshalb aufzuheben gewesen wäre. Sollten im Fall einer – hier ohnehin obsoleten – amtsärztlichen Unter­suchung bestimmte Befunde oder FA-Stellungnahmen zu erbringen sein, müsste eine amtsärztlich gestützte kon­krete Aufforderung diesbezüglich durch die Erstinstanz ergehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

 

Beschlagwortung:

Keine Bedenken gemäß § 24 Abs.4 FSG -> Aufhebung

 

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