Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-350053/2/Re/Sta

Linz, 05.05.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Werner Reichenberger über die Berufung des Mag. R H,  W, K, vom 16. Mai 2008 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. April 2008, UR96-1255-2007, betreffend die Zurückweisung eines Einspruches als verspätet, zu Recht erkannt:

 

 

Der Berufung wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. April 2008, UR96-1255-2007, wird behoben.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm §§ 24 und 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) sowie §§ 7 und 17 Zustellgesetz (ZustG).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. April 2008, UR96-1255-2007, wurde der Einspruch des Berufungswerbers gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 10. Juli 2007, UR96-1255-2007, gemäß § 49 Abs.1 VStG als verspätet eingebracht zurückgewiesen. Dies mit der Begründung, die Strafverfügung sei am 17. Juli 2007 ordnungsgemäß am Hauptwohnsitz zugestellt worden. Gemäß § 49 Abs.1 VStG könne gegen die Strafverfügung lediglich binnen zwei Wochen Einspruch erhoben werden. Die Frist endete somit mit Ablauf des 31. Juli 2007, der Einspruch sei erst am
6. August 2007 bei der Behörde eingelangt. In der Begründung seien keine Anhaltspunkte zu finden, welche einen Entschuldigungsgrund für den verspäteten Einspruch darstellen hätten können.

 

2. Gegen diesen Bescheid hat der Berufungswerber mit Schriftsatz vom 16. Mai 2008 innerhalb offener Frist Berufung erhoben. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, die Behörde sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass er in P, M, eine Abgabestelle habe. Dies sei jedoch nicht der Fall, da er am 27. Juli 2007 lediglich den Wohnsitz seiner Eltern in Ph besucht habe. Anlässlich dieses Besuches sei ihm beim Gemeindeamt, welches in P mangels Postamt auch für Postsachen zuständig ist, die gegenständliche Strafverfügung ausgehändigt worden. Bezugnehmend auf § 2 Z5 Zustellgesetz, in welchem die möglichen Abgabestellen abschließend umschrieben seien, habe die Behörde an seiner Abgabestelle in W, K, keinen Zustellversuch unternommen. Auch nicht an seinem Arbeitsplatz in der W N. Die Tatsache, dass er in P, M, Weihnachten, Ostern oder andere Fest verbringe und hiebei von seinen Eltern ein Bett zur Verfügung gestellt werde, könne nicht das Vorliegen einer Wohnung im Sinne des § 2 Z5 Zustellgesetz begründen. Wohnung oder Unterkunft sei der Raum, den der Empfänger eines Schriftstückes tatsächlich bewohnt, den also benützt und an dem er gewöhnlich zu nächtigen oder sich sonst aufzuhalten pflegt, in diesem Sinn seine ständige Unterkunft, der Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse. Weder die behördliche Meldung, noch die Freiwilligkeit des Aufenthalts, sondern das tatsächliche Bewohnen sei ausschlaggebend. Zur Erfüllung des Wohnungsbegriffes sei, wie auch bei anderen Abgabestellen, die regelmäßige Benützung erforderlich. Das Haus in P, M, werde von ihm nicht regelmäßig bewohnt und auch nicht regelmäßig benützt. Dies war lediglich in den Jahren 1979 bis 1990  der Fall. Von 1990 bis 1998 nur jeweils in den schulfreien Zeiten, da er im Internat in L gewohnt habe. Im Herbst 1999 begann er sein Studium in W, welches er 2004 abschloss und daher seit 1999 seine Wohnung in W, K, ununterbrochen Wohnung und Abgabestelle darstelle. Auch der nunmehr bekämpfte Bescheid wurde von der Behörde in W, K, zugestellt und daher von der Behörde als Abgabestelle anerkannt. Mehrere namhaft gemachte Personen könnten seine Abgabestelle in Wien bzw. das Nichtanwesendsein in P bezeugen. Vorgelegt als Nachweis für das Vorbringen wurden Unterlagen betreffend sein Studium und seine berufliche Tätigkeit in W. Letztere Unterlagen bestehen insbesondere aus einem Dienstzettel des Dienstgebers "N AG" für den Zeitraum bis 2. August 2007 bzw. 31. Juli 2007. Diesem Dienstzettel ist insbesondere zu entnehmen, dass das Dienstverhältnis zwischen der N AG in W und dem Berufungswerber am 6. September 2006 begonnen hat. Laut ebenfalls vorgelegter Abmeldebestätigung der Sozialversicherung endete das Dienstverhältnis spätestens mit 31. Juli 2007.

§ 17 Abs. 3 Zustellgesetz, wonach die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam werde, sei nicht anwendbar, weil der zitierte Standort P keine Abgabestelle sei. Vielmehr sei der Eindruck des Zustellers ohne Bedeutung, wenn eine Abwesenheit die Qualifikation als Abgabestelle ausschließe. Es sei somit im gegenständlichen Fall eine Hinterlegung ohne Vorliegen der Hinterlegungsvoraussetzungen durchgeführt worden und somit ein Anwendungsfall des § 7 Zustellgesetz. Für das tatsächliche Zukommen nach § 7 Abs.1 Zustellgesetz sei wiederum der Zeitpunkt des tatsächlichen Zukommens des Schriftstückes bestimmend. Es müsse sich hiebei um die Originalsendung handeln. In der Tat kam dem Berufungswerber das Originalschriftstück am Freitag, dem 27. Juli 2007 zu. Der Einspruch langte am 5. August 2007 bei der Behörde ein. Die Frist diesbezüglich sei demnach bis 10. August 2007 gelaufen. Beantragt werde die Aufhebung des Bescheides vom 30. April 2008.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als belangte Behörde hat diese Berufungsschrift gemeinsam mit dem zu Grunde liegenden Verfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich durch Einzelmitglied ergibt sich aus § 51c VStG.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde zu  UR96-1255-2007.

 

Im Grunde des § 67d Abs.1 AVG konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mangels Erfordernis abgesehen werden.

 

Im Rahmen einer ergänzenden Anfrage beim Postzustelldienst für die Gemeinde P wurde bestätigt, dass dem Berufungswerber der RSa-Brief der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land am 27. Juli 2007 persönlich ausgehändigt wurde.

 

4.1. Aus dem vorliegenden Verwaltungsstrafakt ergibt sich für den Oö. Ver­wal­tungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

An den Berufungswerber wurde an die Adresse  P, M, die Strafverfügung vom 10. Juli 2007, UR96-1255-2007, abgesandt. Laut vorliegendem Rückschein wurde dieser zu eigenen Handen abgesandte Brief nach dem zweiten Zustellversuch am 17. Juli 2007 bei der Zustellbasis K hinterlegt. Als Beginn der Abholfrist wurde der 17. Juli 2007 vermerkt. Mit E-Mail vom Sonntag, 5. August 2007, 22.25 Uhr, hat der Berufungswerber einen mit selbem Datum versehenen Schriftsatz betreffend einen Einspruch gegen die Strafverfügung vom 10. Juli 2007 an die belangte Behörde übermittelt. Nachdem diese Übermittlung außerhalb der Amtsstunden, nämlich am Sonntag um 22.25 Uhr erfolgte, trägt das Schriftstück den Eingangsvermerk 6. August 2007. Mit selbem Datum teilt die belangte Behörde dem Berufungswerber mit, dass sein Einspruch offensichtlich verspätet eingebracht wurde. Mit Eingabe vom 19. August 2007 begründet der Berufungswerber, warum seiner Meinung nach der Einspruch vom 5. August 2007 sehr wohl rechtzeitig eingebracht worden sei. Dies unter Hinweis auf seine Abgabestelle in W, welche von ihm tatsächlich bewohnt werde, weiters unter Vorlage von Urkunden als Beweismittel sowie Stellung von Beweisanträgen zum Nachweis des von ihm behaupteten Wohnsitzes.

Die belangte Behörde hat daraufhin mit Bescheid vom 11. September 2007 den Einspruch als verspätet eingebracht zurückgewiesen, ohne auf die vom Berufungswerber in seiner Stellungnahme vom 19. August 2007 vorgebrachten Argumente betreffend die Rechtzeitigkeit seine Einspruches näher einzugehen. Nachdem dieser Bescheid vom 11. September 2007, UR96-1255-2007, an die Zustelladresse M, P, nicht zugestellt werden konnte bzw. der Rückscheinbrief nach Hinterlegung als nicht behoben retourniert wurde, hat die belangte Behörde diesen Bescheid mit neuem Datum vom 30. April 2008 und selbiger Geschäftszahl neuerlich an den Berufungswerber zugestellt, diesmal an die vom Berufungswerber bereits in seiner Stellungnahme vom 19. August 2007 der Behörde bekannt gegebenen Adresse W, K. Gegen diesen Bescheid richtet sich die nunmehr vorliegende Berufung.

 

Gemäß § 2 Z4 Zustellgesetz (ZustG) bedeutet der Begriff "Abgabestelle" die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anlässlich einer Amtshandlung auch deren Ort, oder ein vom Empfänger der Behörde für die Zustellung in einem laufenden Verfahren angegebener Ort.

 

Gemäß § 17 Abs.1 ZustG ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs.3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

 

Die hinterlegte Sendung ist gemäß Abs.3 leg.cit. mindestens zwei Wochen zur Abholung bereit zu halten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereit gehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs.3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

 

Gemäß § 7 ZustG gilt die Zustellung, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hebt eine Ortsabwesenheit in der Dauer von einer Woche den Charakter einer Räumlichkeit als Wohnung im Sinne des Zustellgesetzes auf. Eine Hinterlegung gemäß § 17 Abs.1 ZustG darf unter einer solchen Adresse nicht erfolgen, weil es an einer Abgabestelle fehlt. Es liegt daher auch keine hinterlegte Sendung im Sinne des § 17 ZustG vor (VwGH 24.3.1988, 87/09/0262).

Eine Wohnung im Sinne des § 4 ZustG wiederum wird durch das Faktum des Bewohntwerdens begründet. Davon kann keine Rede sein, wenn nur eine bloß fallweise Benützung vorliegt. Auf die polizeiliche Meldung kommt es nicht an (VwGH 26.1.1999, 98/02/0347; s.a. VwGH vom 29.1.2004, 2003/11/0070).

 

Der Berufungswerber hat bereits in seiner der belangten Behörde im Rahmen des Parteiengehörs vor Erlassung des verfahrensgegenständlichen bekämpften Bescheides in seiner Stellungnahme vom 19. August 2007 die Umstände in Bezug auf seinen nunmehrigen Wohnsitz in W, K, unter Vorlage von Beweismittel dargelegt. Die Berufungsbehörde kommt zum Ergebnis, dass vom Berufungswerber diese auch in seiner Berufung wiederholten Argumente unter Berücksichtigung der gleichzeitig vorgelegten Beweismittel glaubwürdig nachvollziehbar sind und somit nachweisen, dass er einerseits bereits in Wien studiert hat, sein Studium im Juli 2004 abgeschlossen hat und nachweislich seit September 2006 zumindest bis zum Zeitpunkt der zu beurteilenden Zustellung der Strafverfügung in einem Dienstverhältnis mit einem Wiener Dienstgeber gestanden ist. Es ist glaubwürdig, dass der Berufungswerber somit nicht täglich von P, seinem Elternwohnsitz, nach W zu seiner Dienststelle gependelt ist. Als Wohnadresse, die der Berufungswerber offensichtlich zum Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse gewählt hat und die in der Folge auch von der belangten Behörde zwecks Zustellung  des nunmehr bekämpften Bescheides anerkannt wurde, ist daher W, K, anzuerkennen. Auf den Umstand, dass der Berufungswerber in P mit Hauptwohnsitz, nicht jedoch in W polizeilich gemeldet ist, kommt es nach der Judikatur des Verwaltungs­gerichtshofes beim Zustellvorgang nicht an. Allenfalls sich daraus ergebende melderechtliche Konsequenzen sind hier nicht zu beurteilen.

 

Da somit die zu beurteilende Zustellung in P mit Mängeln behaftet war, ist von einer Heilung dieses Zustellmangels mit 27. Juli 2007 auszugehen, da an diesem Tag der Berufungswerber das Schriftstück persönlich im Wege des Gemeindeamtes P (diese übt in der Gemeinde P auch die Postdienste aus und hat gegenüber der Berufungsbehörde die Übernahme am 27. Juli 2007 bestätigt) übernommen hat. Auch die Richtigkeit dieses Übernahmedatums untermauert die Glaubwürdigkeit des gesamten Berufungsvorbringens.

Geht man nunmehr von der Zustellung der Strafverfügung am 27. Juli 2007 aus, so erfolgte der mit 5. August 2007 bzw. 6. August 2007 bei der belangten Behörde eingelangte Einspruch gegen die Strafverfügung am 10. Juli 2007 innerhalb offener Frist  und somit rechtzeitig.

 

Auf Grund der dargestellten Sach- und Rechtslage erfolgte daher die als verspätet begründete Zurückweisung des Einspruches gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 10. Juli 2007 zu Unrecht und war daher aus diesen Gründen wie im Spruch zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Dr. Reichenberger

 

 

 

 

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