Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163659/14/Zo/RSt

Linz, 15.05.2009

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über die Berufung des Herrn Mag. H F, geb. , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. L V, M, vom 4. November 2008 gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn vom 21. Oktober 2008, Zl. VerkR96-4979-2007, wegen zwei Übertretungen der StVO nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 27. April 2009 und sofortiger Entscheidung, zu Recht erkannt:

I.             Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.           Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51e und 45 Abs.1 Z1 VStG.

Zu II.: §§ 64 ff VStG.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat dem Berufungswerber im angefochtenen Straferkenntnis vorgeworfen, dass er am 16.5.2007 zwischen ca. 7.40 Uhr bis 7.55 Uhr den Pkw mit dem Kennzeichen  in Tarsdorf auf der L 501 in Richtung Ach gelenkt habe und ca. bei Strkm. 27,200 drei Pkw und einen Traktor mit Anhänger überholt habe, obwohl für den Überholweg die Überholsicht nicht ausgereicht habe. Er habe dadurch

 

1. obwohl er nicht einwandfrei habe erkennen können, ob er das Fahrzeug nach dem Überholvorgang in den Verkehr einordnen könne, ohne andere Straßenbenützer zu behindern, überholt sowie

2. vor einer unübersichtlichen Stelle (Kurve) diese Fahrzeuge überholt.

 

Der Berufungswerber habe dadurch Verwaltungsübertretungen nach § 16 Abs.1 lit.c sowie § 16 Abs.2 lit.b StVO begangen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 zwei Geldstrafen in Höhe von jeweils 100 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 48 Stunden) verhängt wurden. Weiters wurde er zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages in Höhe von 20 Euro verpflichtet.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung führte der Berufungswerber aus, dass die von der Erstinstanz zugrunde gelegten Prämissen nicht richtig seien. Er habe das Überholmanöver bereits etwa 30 Meter vor der Einmündung der Gemeindestraße begonnen und die Geschwindigkeit der Kolonne sei niedriger als 20 km/h gewesen. Er habe sein Überholmanöver im ersten Gang begonnen, wobei er das Fahrzeug stark beschleunigt habe. Unter Berücksichtigung des Leistungsvermögens seines Fahrzeuges sei die vom Sachverständigen angenommene Beschleunigung von 2,2 m pro Sekunde zum Quadrat viel zu niedrig.

 

Hätte die Erstinstanz den Überholvorgang so beurteilt, wie er sich tatsächlich zugetragen hat, so hätte sie feststellen können, dass er sehr wohl in der Lage gewesen sei, dieses Überholmanöver gefahrlos zu beenden.

 

3. Der Bezirkshauptmann von Braunau hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen. Es ergibt sich daher die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates, wobei dieser durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 27.4.2009. An dieser haben der Berufungswerber und sein Rechtsvertreter teilgenommen und es wurden die Zeugen H und R W sowie A K zum Sachverhalt befragt.

 

4.1. Daraus ergibt sich folgender für die Entscheidung wesentliche Sachverhalt:

 

Der Berufungswerber lenkte zur Vorfallszeit seinen Pkw mit dem Kennzeichen  in Tasdorf auf der L 501 in Richtung Hochburg/Ach. Im Bereich zwischen Kilometer 27,5 und 27 lief er auf eine Kolonne bestehend aus einem Traktor mit Anhänger und mehreren Pkw auf. Er überholte vorerst den letzten Pkw dieser Kolonne und dann in weiterer Folge den Rest der Kolonne. Der Ablauf dieser Überholmanöver wurde von den einzelnen Zeugen und vom Berufungswerber im Wesentlichen wie folgt geschildert:

 

Der Berufungswerber führte aus, dass er bereits in der kleinen Senke ungefähr im Bereich von km 27,450 den ersten Pkw, nämlich jenen des Herrn W, überholte und sich dann wegen eines entgegenkommenden Fahrzeuges ca. bei km 27,350 wieder vor diesem überholten Fahrzeug einordnete. Die Geschwindigkeit der gesamten Fahrzeugkolonne gab er mit 10 bis 15 km/h an, der Platz zum Einordnen vor dem überholten Fahrzeug sei ausreichend groß gewesen. In weiterer Folge habe er, nachdem das überholende Fahrzeug vorbeigefahren sei, den Traktor samt Anhänger sowie die dahinter nachfahrenden vermutlich zwei Pkw in einem Zug überholt, wobei er diesen Überholvorgang bereits vor der Kreuzung mit der Gemeindestraße begonnen und ca. bei km 27,1 beendet habe. Bei diesem Überholvorgang habe er keinen Gegenverkehr gehabt.

 

Die Zeugen H und R W schilderten den Vorfall im Wesentlichen übereinstimmend dahingehend, dass sie eben als letztes Fahrzeug in einer Kolonne hinter einem Traktor mit Anhänger und mehreren Pkw nachgefahren seien. Der Berufungswerber habe sie im Bereich kurz vor bis kurz nach km 27,4 überholt, wobei er diesen Überholvorgang wegen eines entgegenkommenden Fahrzeuges abbrechen musste. Er hat sich wegen dieses entgegenkommenden Fahrzeuges vor ihnen hineingezwängt, wobei sie ihr Fahrzeug stark abbremsen mussten, damit der Bw Platz zum wiedereinordnen hatte.

 

In weiterer Folge habe der Berufungswerber den Traktor mit Anhänger sowie die dahinter fahrenden Pkw in einem Zug überholt, obwohl im Gegenverkehr ein Lkw der Firma H entgegengekommen sei. Auch dieser Überholvorgang sei extrem gefährlich gewesen.

 

Der Zeuge W schätzte die Geschwindigkeit der Fahrzeugkolonne mit 15 bis 20 km/h, während seine Gattin diese mit "Schrittgeschwindigkeit" angab. Dazu ist noch anzuführen, dass sie auf Befragen angab, dass sie trotz des starken Abbremsen ihres Fahrzeuges nicht zum Stillstand gekommen seien.

 

Beide Zeugen wurden mit dem Widerspruch zu den niederschriftlichen Angaben vor der Polizei O konfrontiert, wonach – entsprechend den damaligen Angaben – der Lkw der Firma H bereits beim ersten Überholvorgang entgegengekommen sei, während der Berufungswerber den zweiten Überholvorgang erst im Bereich der Fahrbahnkuppe bei km 27,0 abgeschlossen hatte und dort keinen Gegenverkehr hatte. Beide Zeugen gaben an, dass nach ihrer jetzigen Erinnerung der Lkw der Firma H beim zweiten Überholvorgang entgegengekommen ist und der Berufungswerber diesen Überholvorgang deshalb bereits früher abschließen musste.

 

Der Zeuge K schilderte den Vorfall dahingehend, dass er auf den Vorfall erst durch das hinter ihm fahrende hupende Fahrzeug aufmerksam geworden ist. Er habe dann im Rückspiegel gesehen, dass hinter ihm ein Überholmanöver stattfindet, wobei gleichzeitig ein Lkw der Firma H entgegengekommen ist. Das überholende Fahrzeug hatte sich hinter ihm wieder eingeordnet, wobei offenbar das überholte Fahrzeug abgebremst worden sei. Der Zeuge schätzte diesen Vorfall nicht als gefährlich ein, er hatte sich nach seinen Angaben beim Lokalaugenschein in etwa bei km 27,4 ereignet. In weiterer Folge habe dann der Berufungswerber ihn selbst sowie die weiteren vor ihm fahrenden Pkw und den Traktor samt Anhänger in einem Zug überholt, wobei er diesen Überholvorgang in etwa bei km 27,100 abgeschlossen hatte. Die Geschwindigkeit der Fahrzeugkolonne gab auch der Zeuge K mit 15 bis 20 km/h an.

 

4.2. Zu diesen widersprüchlichen Angaben ist in freier Beweiswürdigung Folgendes festzuhalten:

 

Aus technischer Sicht kann jede der geschilderten Versionen dem tatsächlichen Geschehen entsprechen. Die Angaben zu den Fahrgeschwindigkeiten und den Überholstrecken sind grundsätzlich nachvollziehbar. Auffallend sind jedoch die massiven Widersprüche dahingehend, ob der Lkw der Firma H bereits beim Überholen des Zeugen W entgegengekommen ist oder erst beim zweiten Überholvorgang. Der Berufungswerber selber und der Zeuge K führten dazu aus, dass der Lkw bereits beim Überholen des ersten Pkw (W) entgegengekommen ist. Das entspricht auch den Angaben der Zeugen W vor der Polizei O vom 9.6.2007. Anlässlich der mündlichen Berufungsverhandlung haben die beiden Zeugen W den Vorfall aber gerade entgegengesetzt geschildert. Dementsprechend sei der Lkw der Firma H erst beim zweiten Überholvorgang (der restlichen Fahrzeugkolonne) entgegengekommen.

 

Es ist durchaus verständlich und nachvollziehbar, dass sich sowohl der Berufungswerber als auch die Zeugen bei der mündlichen Verhandlung, ca. zwei Jahre nach dem Vorfall, nicht mehr an alle Details erinnern konnten. Dennoch bleibt letztlich völlig ungeklärt, ob der entgegenkommende Lkw bereits der Grund für den Abbruch des ersten Überholmanövers war oder erst während des zweiten Überholmanövers entgegengekommen ist. Aufgrund dieser Unklarheit können auch keinerlei verlässliche Angaben zum zweiten Überholvorgang (der restlichen Fahrzeugkolonne) gemacht werden. Der Tatvorwurf des angefochtenen Straferkenntnisses bezieht sich auf diesen zweiten Überholvorgang, wobei der Ablauf dieses Überholvorganges nicht mehr nachvollzogen werden kann. Weder der Beginn noch das Ende des Überholvorganges konnte mit Sicherheit festgestellt werden und es ist auch nicht klar, ob dieser zweite Überholvorgang den Anzeigern wegen des entgegenkommenden Lkws oder deshalb gefährlich erschienen ist, weil er erst auf der Fahrbahnkuppe beendet werden konnte.

 

Im Hinblick auf all diese Unklarheiten kann nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, wie sich dieser Überholvorgang tatsächlich gestaltet hat.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

 

5.2. Wie bereits oben dargestellt, kann der tatsächliche Vorfall aufgrund der stark widersprüchlichen Angaben der Zeugen nicht mehr festgestellt werden. Entsprechend dem im Verwaltungsstrafverfahren geltenden Grundsatz "in dubio pro reo" können damit die dem Berufungswerber vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen nicht bewiesen werden. Es war daher seiner Berufung stattzugeben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

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