Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-310365/2/Kü/Hu

Linz, 26.05.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Thomas Kühberger über die Berufung von Frau A S, vertreten durch Rechtsanwälte P & S, S, B, vom 1. November 2008, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. vom 20. Oktober 2008, UR96-47-2008, wegen einer Übertretung des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das gegenständliche Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlagen:

zu  I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z 1 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr.52/1991 idgF.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. vom 20. Oktober 2008, UR96-47-2008, wurde über die Berufungswerberin (im Folgenden: Bw) wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 79 Abs.2 Z3 iVm § 15 Abs.3 Z2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) eine Geldstrafe von 360 Euro, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 16 Stunden, verhängt.

 

Dem Straferkenntnis lag folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Sie haben zumindest am 16.06.2008 um 17.45 Uhr, am 08.07.2008 um 19.50 Uhr und am 10.07.2008 um 07.45 Uhr auf der Grundfläche zwischen der Wohnanlage H, B, und der H nicht gefährliche Abfälle und zwar Brotstücke entgegen § 15 Abs.3 AWG außerhalb von für die Sammlung und Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten abgelagert.

 

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in der Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Vertreter der Bw eingebrachte Berufung, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verfahrens beantragt wird.  

 

Die ratio des AWG liege in der Bekämpfung und Vermeidung von Umweltverschmutzung. Das Füttern von Vögeln mittels Brotstückchen könne niemals zu einer derartigen Umweltverschmutzung oder –gefährdung führen, die eine Subsumtion unter dieses Gesetz rechtfertigen könne. Die offenkundig zur Fütterung von Singvögeln ausgebrachten Brotstücke oder Brotkrümel würden keinen Abfall im Sinne des AWG darstellen, sodass die Anwendung dieses Gesetzes auf den hier gegebenen Tatbestand denkunmöglich sei.

 

Die Anwendung dieses Gesetzes im Sinne der Interpretation der belangten Behörde auf derart harmlose Vorgänge würde dazu führen, dass niemand mehr in der Öffentlichkeit Nahrungsmittel zu sich nehmen könnte, da dabei in der Regel Essensreste zu Boden fallen und dort liegen blieben würden, was wiederum die Vermehrung von Krankheitserregern oder das Anlocken von Ratten begünstigen könnte. Die Bestrafung – wenn auch einer allenfalls übertriebenen Vogelfütterung – nach dem AWG sei denkunmöglich und somit gleichheitswidrig. Dies umso mehr, als eine Mindeststrafe von 360 Euro vorgesehen sei, die in keiner Relation zum Unrechtsgehalt der hier genannten Tatbestände stehe und somit auch gegen den verfassungsmäßig gewährleisteten Verhältnismäßigkeits­grundsatz verstoßen würde.

 

Aus der Vorgeschichte würde sich ergeben, dass die Bw auf die Aussage der Behörde vom 31.8.2006 vertrauen habe dürfen und bei Einhaltung des vorgeschlagenen Ausmaßes der Fütterung eine Strafbarkeit im Sinne des AWG nicht gegeben sei. Allein daraus würde aber zweifelsfrei feststehen, dass die Bw nicht schuldhaft gehandelt habe. Von einem Vorsatz könne überhaupt keine Rede sein, zumal die Beschuldigte die "behördlichen Auflagen" nach Art und Ausmaß der Vogelfütterung eingehalten habe. Damit sei die subjektive Tatseite – zumindest in dubio pro reo – nicht erfüllt.

 

Von der Bw seien lediglich Brotkrümel, welche von den Vögeln sofort vertilgt worden seien, ausgebracht worden. Zu keiner Zeit seien diese Brotkrümel in der Wiese liegen geblieben. Wenn sich in der Wiese vor dem Haus H Brotstückchen befunden hätten, so würden diese nicht von der Bw stammen. Es sei gegen weitere Personen dieses Mietshauses über Anzeige ein Verwaltungsstrafverfahren nach dem AWG eingeleitet worden. Dieses Verfahren sei aber eingestellt worden, nachdem die dort Beschuldigten scheinbar geständig gewesen seien und eine Unterlassung der Verbringung von größeren Brotstücken in die Wiese vor dem Haus zugesichert hätten. Damit würde sich zeigen, dass allenfalls zurück gebliebene größere Brotstücke nicht von der Bw stammen würden.

 

Bei Durchführung des beantragten Lokalaugenscheines und Einvernahme der beantragten Zeugen hätte die belangte Behörde diese Umstände erkennen können und wäre das Verfahren einzustellen gewesen, weshalb durch Unterlassung der Durchführung dieser Beweisanträge ein mangelhaftes Verfahren vorliege.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. hat mit Schreiben vom 4.11.2008 die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt. Damit ist die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates gegeben.

 

Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51c VStG).

 

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1. Der Bw wird angelastet, auf einer näher bezeichneten Grundfläche Brotstücke entgegen den Vorschriften des Abfallwirtschaftsgesetzes abgelagert zu haben.

 

Im Spruch des Straferkenntnisses wird allerdings nicht – wie sich aus dem Akteninhalt ergibt – darauf eingegangen, dass die Bw mit den Brotstücken eine Vogelfütterung auf der Grünfläche durchgeführt hat und somit ein durchaus üblicher Vorgang hinter der von der Erstinstanz angelasteten Tat zu sehen ist.

 

Im gegenständlichen Fall stellt sich daher die Frage, ob durch die Vornahme von Vogelfütterungen mittels Altbrot durch allenfalls von den Vögeln nicht verzehrte und daher auf dem Boden liegengebliebene Brotstücke der Abfallbegriff des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 als erfüllt zu werten ist.

 

4.2. Gemäß § 2 Abs.1 AWG 2002 sind Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes bewegliche Sachen, die unter die in Anhang 1 angeführten Gruppen fallen und

1.   deren sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder

2.   deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist, um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs.3) nicht zu beeinträchtigen.

 

§ 1 Abs.3 AWG 2002 lautet:

Im öffentlichen Interesse ist die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich, wenn andernfalls

1.     die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,

2.     Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren oder Pflanzen oder für den Boden verursacht werden können,

3.     die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,

4.     die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,

5.     Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,

6.     Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,

7.     das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,

8.     die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder

9.     Orts- und Landschaftsbild erheblich beeinträchtigt werden können.

 

Gemäß § 2 Abs.3 AWG 2002 ist eine geordnete Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung im Sinne dieses Bundesgesetzes jedenfalls so lange nicht im öffentlichen Interesse (§ 1 Abs.3) erforderlich, so lange

1.   eine Sache nach allgemeiner Verkehrsauffassung neu ist oder

2.   sie in einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung für sie bestimmungs­gemäßen Verwendung steht.

 

4.3. Eine Sache ist dann als Abfall anzusehen, wenn der subjektive oder der objektive Abfallbegriff erfüllt ist.

 

Der subjektive Abfallbegriff ist dann erfüllt, wenn eine Person in Entledigungsabsicht die Gewahrsame an der beweglichen Sache aufgibt und somit die tatsächliche Sachherrschaft aufgibt, wobei der Besitzer für sich beschließt, die Sache wegzuwerfen. Im gegenständlichen Fall kann von einer Entledigungsabsicht der Bw nicht ausgegangen werden, da sie nachweislich Brotstücke zur Fütterung von Vögeln verwendet hat und somit diese Brotstücke einem konkreten Verwendungszweck zugeführt hat. Im gegenständlichen Fall ist demnach der subjektive Abfallbegriff nicht erfüllt.

 

Eine Sache ist im objektiven Sinne Abfall, wenn die Sammlung, Lagerung, Beförderung oder Behandlung als Abfall erforderlich ist, um das öffentliche Interesse nicht zu beeinträchtigen. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Sache im objektiven Sinn dem Abfallregime zu unterstellen ist, ist zu klären, ob eine Sache eine mögliche Beeinträchtigung der Schutzkriterien des Abfallrechtes herbeiführen kann. Die Erstinstanz stützt ihre Begründung hinsichtlich des Vorliegens von Abfall im objektiven Sinn darauf, dass durch das amtsärztliche Gutachten belegt ist, dass durch das Liegenlassen von Lebensmitteln im Freien Schadnager angelockt werden und dadurch die Übertragung von Krankheitser­regern jederzeit gegeben ist. Weiters können auch Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen der Vögel verursacht werden, da eine ganzjährige Fütterung abzulehnen ist und die Fütterung nur in der Notzeit erfolgen soll.

 

Diesen Ausführungen ist allerdings entgegen zu halten, dass nach § 2 Abs.3 AWG 2002 der Gesetzgeber angeordnet hat, dass eine Sache "jedenfalls" nicht im öffentlichen Interesse als Abfall zu erfassen ist, wenn sie neu ist oder sich in bestimmungsgemäßer Verwendung befindet. Sachen, die in bestimmungs­gemäßer Verwendung stehen, dürfen demnach nicht als Abfall erfasst werden. Bei der Auslegung des Begriffes der bestimmungsgemäßen Verwendung ist von der objektiven Sicht der Verkehrskreise auszugehen. Stoffe, die nach erstmaligem Gebrauch einer weiteren gleichwertigen Verwendung zugeführt werden, bleiben in bestimmungsgemäßer Verwendung. Denkbar ist auch, dass ein Stoff bereits beim in Verkehr bringen eine primäre und eine sekundäre bestimmungsgemäße Verwendung erhält (z.B. primärer Verwendungszweck als Semmel für Speisezwecke, sekundärer Verwendungszweck Verarbeitung zu Semmelbrösel) (List in Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – Kommentar, Seite 30).

 

Bei Altbrot handelt es sich aus objektiver Sicht um jenes Nahrungsmittel, das am Ende eines Verkaufstags in Bäckereien aber auch in privaten Haushalten aussortiert wird. Altbrot wird teilweise als Tierfutter verwendet oder durch alkoholische Gärung zu Biotreibstoff verarbeitet. Geringe Mengen gelangen in karitative Einrichtungen wie Suppenküchen. In früheren, sparsameren Zeiten wurde nicht verbrauchtes Brot zu Knödelbrot geschnitten oder zu Semmelbröseln gemahlen und – bis zu einem gewissen Anteil – wieder dem Brotteig zugeführt (Quelle: Wikipedia, Stichwort Altbrot).

 

Die Bw verwendete Altbrot zur Vogelfütterung, weshalb sie dieses Altbrot keiner Ablagerung auf unbefestigter Fläche zuführen wollte sondern einen konkreten nach objektiven Kriterien auch üblichen und keinesfalls normwidrigen Verwendungszweck im Auge gehabt hat. Ein Verbot der Vogelfütterung im betroffenen Bereich ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen. In diesem Zusammenhang sind auch die Ausführungen der Bw zu beachten, wonach sie nicht in überschießender Weise Altbrot verfüttert hat, um sich auf diese Weise dem Altbrot zu entledigen. Fest steht aufgrund des Akteninhaltes, dass auch von anderen Hausparteien Vogelfütterungen mit Altbrot vorgenommen wurden, somit nicht jegliche Rückstände aus der Vogelfütterung, die auf der Grünfläche verblieben sind, ausschließlich der Bw zugeordnet werden können. Eine objektive Betrachtungsweise des Vorgangs führt daher zum Ergebnis, dass die Bw Altbrot zu jenem Zweck verwendet hat, der nach allgemeiner Verkehrauffassung und somit objektivem Verständnis üblich ist.

 

Auch wenn die Erstinstanz ihre Beurteilung der Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen auf Grundlage der Ausführungen des  Amtstierarztes trifft und das Altbrot dem objektiven Abfallbegriff unterordnet, muss diesen Ausführungen die gesetzliche Regelung des § 2 Abs.3 AWG 2002 entgegengehalten werden. § 2 Abs.3 AWG 2002 legt fest, dass eine Sache bei bestimmungsgemäßer Verwendung "jedenfalls" keinen Abfall im objektiven Sinne darstellt, selbst dann nicht, wenn sie eine Eigenschaft aufweist, die zur Gefährdung der in § 1 Abs.3 AWG 2002 genannten Schutzgüter führt.

 

Insgesamt geht daher der Unabhängige Verwaltungssenat davon aus, dass es sich bei Altbrot in der gegenständlich verwendeten Form als Vogelfutter nicht um Abfall im Sinne des § 2 AWG 2002 handelt. Aus diesem Grund kann daher der Bw auch eine Übertretung des § 15 Abs.3 AWG 2002 nicht angelastet werden.

 

Der vor Ort bestehenden Problematik der Vogelfütterung, die offensichtlich einen gegenüberliegenden Anrainer zu wiederholten Anzeigen veranlasst hat, wird auf Grundlage anderer Rechtsvorschriften zu begegnen sein.

 

5. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen gemäß § 66 Abs.1 VStG jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Mag. Thomas Kühberger

 

 

 

 

 

 

 

 

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