Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-100019/4/Fra/ka

Linz, 21.08.1991

VwSen - 100019/4/Fra/ka Linz, am 21. August 1991

DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine Kammer unter dem Vorsitz des W.Hofrat Dr. Hans Guschlbauer und durch den Beisitzer W.Hofrat Dr. Kurt Wegschaider sowie den Berichter ORR. Dr. Johann Fragner über die Berufung des M W, H, vertreten durch Dr. M S, Rechtsanwalt Wels gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 26. Februar 1991, VerkR 96/858/1991/Or/Ga, wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.a in Verbindung mit § 5 Abs.1 StVO 1960 zur Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren wird eingestellt.

II. Es entfällt die Leistung jeglicher Strafkostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG in Verbindung mit §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Ziffer 1 VStG.

zu II.: § 66 Abs.VStG.

Entscheidungsgründe:

zu Spruchteil I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs.1 lit.a in Verbindung mit § 5 Abs.1 StVO 1960 eine Geldstrafe von 20.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 480 Stunden verhängt, weil er am 29. Jänner 1991 um ca. 7.10 Uhr den PKW, von der nördlichen Tankstellenausfahrt in G nach links in die B 126 in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat. Gleichzeitig wurde gemäß § 64 VStG als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens ein Betrag von 2.000 S und gemäß § 5 Abs.9 StVO 1960 ein Betrag von 1.000 S als Ersatz der Barauslagen für die klinische Untersuchung vorgeschrieben.

2. Die Erstbehörde stützt ihren Schuldspruch auf die vom Aufnahmearzt im AKH Linz am 29. Jänner 1991 um 9.15 Uhr durchgeführte klinische Untersuchung, wonach er sich in einem Zustand befand, der mindestens 0,8 Promille Blutalkoholgehalt entsprochen hat.

3. Der Beschuldigte ficht das gegen ihn erlassene Straferkenntnis zur Gänze an, beantragt die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Verfahrens; in eventu die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Behörde erster Instanz, wobei er im wesentlichen folgendes ausführt:

Er bestreite nicht, daß sich zur Tatzeit in G vor der nördlichen Ausfahrt der Tankstelle bei Straßenkilometer 13,500 ein Verkehrsunfall ereignete, an dem er das Alleinverschulden zu verantworten habe. Aufgrund der bei diesem Unfall erlittenen Verletzungen sei er bewußtlos gewesen und könne sich subjektiv nur mehr daran erinnern, daß er im Krankenbett "aufgewacht" sei, und zwar um 11.00 Uhr des Tattages. An eine "Verweigerung der Blutabnahme", an eine klinische Untersuchung durch einen Arzt und dergleichen könne er sich nicht erinnern. Im Gesamtbericht des allgemeinen öffentlichen Krankenhauses der Stadt Linz vom 29. Jänner 1991 wird im Befund ausgeführt, daß er den Unfallshergang nicht schildern könne, daß eine eindeutige Erinnerung nicht bestehe, daß er während der Untersuchung nicht nachvollziehbare, zusammenhanglose Dinge spreche. Dies seien alles Symptome für eine Bewußtlosigkeit bzw. Desorientiertheit, wie sie bei Gehirnerschütterungen völlig normal sind. Er beantrage daher ein Gutachten eines medizinischen Sachverständigen, insbesondere zur Frage, ob das Verhalten eines durch Gehirnerschütterung Verletzten ähnlich des eines Alkoholisierten ist.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat das Ermittlungsverfahren vorerst dahingehend ergänzt, daß der Arzt detailliert zu den Ausführungen des Berufungswerbers ergänzend zeugenschaftlich vernommen wurde. Im Anschluß daran hat der unabhängige Verwaltungssenat ein medizinisches Gutachten darüber eingeholt, ob der Berufungswerber zur Tatzeit einen Blutalkoholgehalt von mindestens 0,8 Promille hatte und falls dies zu verneinen ist - ob er trotz eine geringeren Blutalkoholgehaltes zur Tatzeit fahruntüchtig gewesen ist, wobei insbesondere auf die im Akt befindlichen zu dieser Frage relevanten Unterlagen verwiesen wurde. Zudem wurde eine gutachtliche Stellungnahme darüber verlangt, ob und gegebenenfalls aufgrund welcher Umstände beim Beschuldigten zum Zeitpunkt der klinischen Untersuchung eine Gehirnerschütterung vorgelegen ist oder aus welchen Gründen dies auszuschließen sei.

Die Amtssachverständige Frau Dr. K hat in ihrem aufgrund eines ausreichend erhobenen Befundes erstellten Gutachten vom 1. Juli 1991, San-222.335/1-1991/Ka, folgendes festgestellt: "Die im gegenständlichen Fall angelastete Fahruntüchtigkeit bzw. Alkoholbeeinträchtigung stützt sich ausschließlich auf die klinische Untersuchung, die vom Aufnahmearzt im AKH Linz durchgeführt wurde. Eine Atemalkoholuntersuchung liegt nicht vor und die Blutabnahme wurde vom Betroffenen abgelehnt, welcher auch negative Angaben zur Frage eines stattgehabten Alkoholkonsums machte. Somit entfällt auch die Möglichkeit, anhand von Trinkangaben den Blutalkoholgehalt zum Tatzeitpunkt zu errechnen. Die im gegenständlichen Fall durchgeführte klinische Untersuchung (Erhebungsbogen zur Feststellung des Grades der Alkoholbeeinträchtigung) läßt forensisch keinen absolut sicheren Rückschluß auf eine Alkoholbeeinträchtigung bzw. Fahruntüchtigkeit zu. Die vom Aufnahmearzt angeführten Ausfallserscheinungen wie undeutliche Sprache, Gleichgewichtsstörungen (schwankender Gang, unsichere Romberg-Probe und unsicherer Finger-Finger-Versuch) und grobschlägiger Drehnystagmur sind zwar mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Trunkenheit zurückzuführen, können theoretisch aber auch durch die im gegenständlichen Fall erlittene Commotio (=Gehirnerschütterung) verursacht worden sein.

Zusammenfassend muß somit ausgesagt werden, daß anhand bei Herrn W ermittelten klinischen Untersuchungsbefunde, welche dem aktenkundigen Erhebungsbogen zu entnehmen sind, zwar mit großer Wahrscheinlichkeit ein hoher Trunkenheitsgrad vorgelegen ist, die forensisch geforderte Sicherheit der Alkoholbeeinträchtigung bzw. Fahruntüchtigkeit kann aber nicht angenommen werden" 5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Es besteht überhaupt keine Veranlassung, daß vorhin zitierte Gutachten nicht der Entscheidung zugrunde zu legen. Das erwähnte Gutachten gründet auf einen ausreichend erhobenen Befund, ist überzeugend und wurde von einer Amtssachverständigen erstellt, welche einschlägige Erfahrungen hinsichtlich der Beurteilung von alkoholbeeinträchtigen Kraftfahrzeuglenkern aufweist. Aus diesem Grunde kann auch der Hinweis der belangten Behörde, daß der Aufnahmearzt im AKH eindeutiger beurteilen konnte, ob eine Alkoholisierung vorlag oder nicht, nicht überzeugen, zumal einem diensthabenden Arzt einer öffentlichen Krankenanstalt für die Durchführung einer klinischen Untersuchung in der Regel die entsprechende Spezialausbildung und Erfahrung fehlt. Darüber hinaus muß der Umstand berücksichtigt werden, daß selbst der Zeuge Dr. seiner Einvernahme am 13. Mai 1991 angegeben hat, sich nicht genau erinnern zu können, ob beim Beschuldigten nach dem Unfall kurzzeitig eine Bewußtlosigkeit vorgelegen sei oder nicht. Die von Frau Dr. K gutachtlich getroffene Aussage, daß das Verhalten des Berufungswerbers auch durch eine Gehirnerschütterung verursacht worden sein könnte - ein wesentlicher Umstand zur rechtlichen Beurteilung des relevanten Sachverhaltes - wurde weder seitens der Erstbehörde noch seitens des Zeugen Dr. T in Frage gestellt.

Da somit aufgrund des vom unabhängigen Verwaltungssenat ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahrens die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht eindeutig erwiesen werden konnte, war im Sinne des § 45 Abs.1 Z.1 VStG spruchgemäß zu entscheiden.

6. Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 51e Abs.1 VStG unterbleiben, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid zu beheben ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer