Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-130617/3/SR/Eg/Sta

Linz, 04.06.2009

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des Dr. H V, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G G, S, L, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 25.3.2009, GZ 933/10-528179 wegen einer Übertretung des Oö. Parkgebührengesetzes zu Recht erkannt:

I.                  Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 und Z. 3 VStG eingestellt. 

II.              Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

zu I: §§ 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwal­tungsverfahrens­gesetz 1991 – AVG;

zu II: § 66 Abs. 1 VStG.

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"I. Tatbeschreibung

Sie haben am 15.5.2008 von 09:56 bis 10:13 Uhr in Linz, Nietzschestraße neben Haus Nr.  das mehrspurige Kraftfahrzeug, BMW, mit dem polizeilichen Kennzeichen  in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein abgestellt. Sie sind der Verpflichtung zur Entrichtung der Parkgebühr nicht nachgekommen.

II. Verletzte Verwaltungsvorschriften in der gültigen Fassung:

§§ 2 Abs. 1 und 6 Abs. 1 lit.a Oö. Parkgebührengesetz 1988

§§ 1, 2, 3, 5 und 6 Parkgebührenverordnung der Landeshauptstadt Linz 1989

 

III. Strafausspruch

 

Es wird Ihnen eine Geldstrafe von € 43,--, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 66 Stunden vorgeschrieben.

 

Rechtsgrundlagen: § 6 Abs. 1 lit. a Oö. Parkgebührengesetz, §§ 16 und 19 VStG

 

IV. Kostenentscheidung

 

Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens haben Sie 10 % der verhängten Strafe, mindestens € 1,50, das sind € 4,30 zu leisten.

 

Rechtsgrundlage: § 64 Verwaltungsstrafgesetz (VStG)

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Verfahrenskosten) beträgt

€ 47,30."

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 26. März 2009 zu Handen seines Rechtsvertreters zugestellt wurde, richtet sich die vorliegende am 9. April 2009 – und somit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens angestrebt wird.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Verfahrensgang und  S a c h v e r – h a l t :

2.1. Am 15. Mai 2008, in der Zeit von 09.56 bis 10.13 Uhr, hat der Bw das mehrspurige Kraftfahrzeug BMW mit dem polizeilichen Kennzeichen  in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone ohne gültigen Parkschein abgestellt.  

Das von der belangten Behörde als Zeugin befragte Parkgebührenaufsichtsorgan gab an, dass das bezeichnete Fahrzeug während der Tatzeit neben dem Haus Nr. .. abgestellt gewesen sei und sich hinter der Windschutzscheibe der Parkschein mit der Nummer 1122, gültig bis 9:55 Uhr befunden habe. An Parkgebühr seien 50 Cent bezahlt worden. Es sei weder ein weiterer Parkschein noch eine Bewohnerparkkarte hinterlegt gewesen. Nach Ablauf von 17 Minuten, also um 10:13 Uhr habe sie die Organstrafverfügung verhängt. Ein Zusammentreffen mit dem Fahrzeuglenker habe nicht stattgefunden.

2.2. Im Einspruch gegen die Strafverfügung beantragte der Bw die Einleitung des ordentlichen Verfahrens. In der Stellungnahme vom 26. September 2008 gab der Bw u.a. an, dass der "Standort mit N  nicht richtig" sei. Das Fahrzeug sei wohl in der N gestanden, aber nicht an dieser Position. Weiters wurde auch die Tatzeit in Frage gestellt.   

2.3. In der Berufung brachte der Bw vor, dass das gegenständliche Fahrzeug   nicht neben dem Haus Nr. , sondern auf Höhe der Zufahrt zur Bundespolizeidirektion Linz abgestellt gewesen sei. Gegenüberliegend befinde sich die beschriebene "blaue Zone". Das Fahrzeug könne daher nicht neben dem Haus N, sondern – wenn überhaupt – nur davor gestanden haben. Die Angabe hinsichtlich der Straßennummer sei daher auf jeden Fall falsch. Darüber hinaus sei der Tatvorwurf auf "Abstellen eines Fahrzeuges ohne gültigen Parkschein" gestützt worden. Dieser Vorwurf stehe im Widerspruch zur Begründung des Straferkenntnisses. Für den Fall, dass kein gültiger Parkschein vorhanden ist, kann auch die Parkdauer nicht überschritten werden. Tatsächlich sei aber ein ordnungsgemäßer Parkschein im Fahrzeug gewesen. Aufgrund vom Bw nicht zu vertretender Umstände sei es zu einer nicht einmal 10 Minuten dauernden Überschreitung der Parkdauer gekommen. Der Tatvorwurf könne daher nur auf Überschreitung der Parkzeit lauten. Eine Änderung des Tatvorwurfes würde jedenfalls der Verfolgungsverjährung unterliegen.

Nach weitergehenden Ausführungen zum Verschulden und der Bezugnahme auf mehrere einschlägige Ermahnungen beantragte der Bw der Berufung stattzugeben und das Verfahren einzustellen.

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde und unter Berücksichtigung der Berufung festgestellt, dass der wesentliche Sachverhalt nach der Aktenlage geklärt erscheint und nur Rechtsfragen zu beantworten sind.

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 6 Abs 1 lit a) Oö. Parkgebührengesetz (LGBl Nr. 28/1988 zuletzt geändert mit LGBl Nr. 126/2005 - ParkGebG) begeht eine Verwaltungs­übertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 220 Euro zu bestrafen,

 

wer durch Handlungen oder Unterlassungen die Parkgebühr hinterzieht oder verkürzt bzw. zu hinterziehen oder zu verkürzen versucht.

 

Nach § 1 Abs. 1 iVm § 3 Abs. 1 der Parkgebührenverordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Linz (im Folgenden: Parkgebührenverordnung) vom
11. Mai 1989 betreffend die Erhebung einer Gemeindeabgabe für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (Amtsblatt der Landeshauptstadt Linz 1989/11 idF 2001/14 vom 30.07.2001) ist der Lenker verpflichtet, für das Abstellen eines mehrspurigen Kraftfahrzeuges in einer als gebührenpflichtig gekennzeichneten Kurzparkzone eine Parkgebühr zu entrichten; die Höhe der Parkgebühr beträgt nach § 2 Abs. 1b der Parkgebührenverordnung für jede angefangene halbe Stunde 50 Cent, wobei zumindest für die erste halbe Stunde der volle Abgabenbetrag zu entrichten ist.

 

4.1.2. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist; ........

 

Nach Lehre und Rechtsprechung kommt dem Spruch des Straferkenntnisses besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw.

 

Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (siehe hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1521).

 

Dass es im Bescheidspruch zufolge der Z. 1 der Anführung aller wesentlichen Tatbestandsmerkmale, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens und damit für die Subsumtion der als erwiesen angenommenen Tat unter die dadurch verletzte Verwaltungsvorschrift (Z. 2) erforderlich sind, bedarf, bedeutet, dass es nicht ausreicht, den bloßen Gesetzeswortlaut unter Anführung der Tatzeit und des Tatortes wiederzugeben, sondern dass die Tat entsprechend den Gegebenheiten des jeweiligen Falls zu individualisieren ist, wobei der Umfang der notwenigen Konkretisierung vom einzelnen Tatbild abhängt (vgl dazu näher Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6, 1522 mwN).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601).

 

Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl. etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.2. Die Tatortkonkretisierung im Spruch des angefochtenen Bescheides wird     § 44a VStG nicht gerecht.

 

Das Haus Nr.  in der N ist Teil eines weitläufigen Häuserkomplexes, der die Hausnummern  bis  umfasst. Ein Abstellen des Fahrzeuges in der N "neben" dem Haus Nr.  ist zwar möglich, lässt aber in dieser besonderen Konstellation mehrere Deutungsmöglichkeiten offen. Jedenfalls drückt die belangte Behörde mit der Tatortumschreibung aus, dass das Fahrzeug nicht vor dem Haus Nr.  abgestellt war. Ob sie mit "neben dem Haus Nr. " ein Abstellen des Fahrzeuges vor dem Haus mit der Nr.  oder Nr.  zum Ausdruck bringen wollte, kann nicht erschlossen werden. 

 

Im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist hinsichtlich der im ruhenden Verkehr begangenen Delikte an die Exaktheit der Tatortumschreibung ein verhältnismäßig strenger Maßstab anzulegen. Die Umschreibung des Tatortes ist – wie dargestellt – nicht eindeutig, da das Fahrzeug an mehreren Stellen "neben dem Haus N " abgestellt werden kann.  Es liegt somit offenkundig keine eindeutige Bezeichnung des Tatortes vor. So hat beispielsweise auch der Verwaltungsgerichthof die Angabe "W, D.-K-R-R (Parkplatz vor dem P)" als zur hinreichenden Konkretisierung des Tatortes ungenügend angesehen, weil amtsbekannt war, dass es zwei derartige Parkplätze gab (vgl. VwGH 9.7.1982, Zl. 81/02/0337). Der Tatvorwurf und damit der Spruch eines Straferkenntnisses hat objektiven Anforderungen zu genügen. Es genügt für seine Konkretisierung gerade nicht, wenn nur ganz bestimmte Personen kein Verwechslungsproblem hätten (vgl. VwSen-130587/2/Wei/Ga).

Mit der gewählten mehrdeutige Umschreibung des Tatorts wurde der Bw weder in die Lage versetzt hat, einen bestimmten Tatvorwurf zielführend zu widerlegen, noch eine Formulierung gewählt, die den Bw vor einer allfällig rechtswidrigen Doppelverfolgung hätte schützen können. Das wesentliche Element des Tatorts muss aber aus sich heraus verständlich sein. Der Tatvorwurf ist nicht schon dann iSd  § 44a Z1 VStG hinreichend bestimmt, wenn er erst durch weitere Nachforschungen verständlich wird.

Den Bw traf gegenüber der Strafbehörde keine Mitwirkungspflicht, auf die Richtigstellung des unzureichenden Tatvorwurfes hinzuwirken, weil dies auf eine verfassungsrechtlich unzulässige Pflicht zur Selbstbelastung hinausliefe. Er war daher auch nicht verpflichtet, die belangte Behörde auf die Mehrdeutigkeit des Tatvorwurfes hinzuweisen. Da seit dem 15. Mai 2008 mehr als ein Jahr vergangen ist, ist im gegenständlichen Verfahren Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs. 1 und 2 VStG eingetreten.

Der Berufung war daher Folge zu geben und das Strafverfahren mangels einer ausreichend angelasteten Verwaltungsübertretung und wegen Verfolgungsverjährung gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 und Z. 3 VStG einzustellen. Bei diesem Ergebnis entfällt auch gemäß § 66 Abs. 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Stierschneider

 

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