Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-281108/27/Py/Ba

Linz, 19.06.2009

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 5. Kammer (Vorsitzende: Mag. Michaela Bismaier, Berichterin: Dr. Andrea Panny, Beisitzer: Mag. Thomas Kühberger) über die Berufung des Herrn DI DI Dr. techn. L R W, vertreten durch S C & Partner Rechtsanwälte GmbH, E,  L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12. Juni 2008, GZ: 60121/2007, wegen Verwaltungsübertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsver­handlung am 26. März 2009, zu Recht erkannt:

 

 

I.       Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

II.     Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrens­kostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z 2 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 12. Juni 2008, GZ: 60121/2007, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw), wegen Verwaltungsübertretung nach § 17 Abs.5 Z 3 der Verordnung explosionsfähiger Atmosphären (VEXAT) iVm § 130 Abs.1 Z 17 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) idgF eine  Geldstrafe in Höhe von 5.000 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 115 Stunden verhängt.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

"Der Beschuldigte, Herr DI. Dr. L R W, geboren am , wohnhaft: L, T, hat als nach § 9 Abs. 2 und 4 VStG bestellter verantwortlicher Beauftragter für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen für den Anlagenbereich Ammoniakproduktion der A A M Il GmbH, mit dem Sitz in L, S, folgende Verwaltungsübertretung zu vertreten:

Am 21.12.2006 um ca. 8.20 Uhr wurden von Arbeitnehmern der A A M I GmbH im Deckelbereich des Laugenbehälters B402 Heißarbeiten durchgeführt. Es konnte nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass dieser Behälter brennbare Arbeitsstoffe enthält. Der Behälter wurde vor Beginn der Heißarbeiten nicht vollständig mit Wasser oder Inertgas gefüllt."

 

Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 500 Euro vorgeschrieben.

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrens­ganges und der Rechtslage aus, dass aufgrund der Feststellungen des Arbeitsinspektorates Linz davon ausgegangen werde, dass das im Kessel vorhandene Brüdenkondensat – unabhängig von dem durch Korrosion gebildeten Wasserstoff – schon aufgrund seiner Herkunft mit Spuren von Wasserstoff behaftet war. Weiters war der Methanolgehalt der Lauge ausreichend, um ein zündfähiges Gas-Luftgemisch zu erhalten. Es waren daher unabhängig von dem durch die Korrosion gebildeten Wasserstoff, der nach Meinung des Sachverständigen die Unfallursache darstellte, brennbare Arbeitsstoffe, nämlich Spuren von Wasserstoff und Methanol, enthalten. Der Methanolgehalt betrug 224 mg/l. Aus dem Gutachten kann nicht entnommen werden, ob dies der Methanolgehalt in der Lauge war, als diese nach der Explosion vorgefunden wurde, oder ob dies der Methanolgehalt der ursprünglichen Lauge (vor der Explosion oder vor dem Beginn des Verdampfungsversuches) ist. Bei einer Füllmenge von ca. 100 m3 Lauge, welche eingedampft wurde, ergibt dies einen Methanolgehalt von insgesamt 22,4 kg. Die untere Explosionsgrenze von Methanol beträgt 80 g/m3. Es reicht daher ein geringer Bruchteil der Methanol­menge aus, um ein zündfähiges Gas-Luftgemisch zu erhalten. Sollte sich die Menge von 224 mg/l auf die bereits ausgedampfte Lauge beziehen, wäre der gesamte Methanolgehalt jedenfalls höher als 22,4 kg anzusetzen. Das Vorhandensein dieser brennbaren Stoffe im Brüdenkondensat zum Zeitpunkt der Durchführung der Heißarbeiten konnte nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Vor Beginn der Heißarbeiten hätte daher das Brüdenkondensat und die Atmosphäre im Behälter untersucht werden müssen, um diese Sicherheit haben zu können. Eine weitere Möglichkeit wäre z.B. gewesen, wenn vor dem Beginn der Heißarbeit eine umfassende Behälterreinigung vorgenommen worden wäre. Aufgrund der Bestimmungen des § 17 Abs.5 Z 4 VEXAT hätte daher die Heißarbeit nur begonnen werden dürfen, wenn zuvor eine Wasserbefüllung oder eine Inertisierung durchgeführt worden wäre.

 

Zur Strafhöhe wird ausgeführt, dass als strafmildernd die bisherige Unbescholtenheit des Bw gewertet werden, straferschwerend sei kein Umstand, weshalb die verhängte Strafe dem Unrechtsgehalt der Tat sowie dem Verschulden angemessen erscheine.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 14. Juli 2008.

 

Darin führt der Bw aus, dass die Zusammensetzung des Brüdenkondensates bekannt war und aus dieser Kenntnis heraus das Auftreten von brennbaren Arbeitsstoffen ausgeschlossen werden konnte. Im strafrechtlichen Vorverfahren vor dem LG Linz, 18 Ur 52/07y, wurde der gerichtlich beeidete Sachverständige Dr. R G. G (Ingenieurbüro für technische Chemie) mit der Erhebung der Unfallursache beauftragt. In diesem Gutachten behandelte der Sachverständige sechs Szenarien, wobei er das dritte Szenario, nämlich die Wasserstoffentstehung im Behälter durch chemische Reaktionen, wie z.B. Korrosion (mit der Hülle des Tankes), als sehr wahrscheinlich ansah. Die übrigen Szenarien schloss der Sachverständige aus. In seinem Ergänzungsgutachten  vom 15. September 2007 kommt der Gerichtssachverständige zum Ergebnis, dass es keinen Hinweis auf Wasserstoffbildung im Brüdenkondensat selbst gibt und führt aus, dass die Bildung des Wasserstoffes durch CO­2-Korrosion im alkalischen Bereich erfolgte und dieser Vorgang nicht literaturbekannt war. Zur konkreten Frage hinsichtlich der Richtigkeit des Berichtes des Arbeitsinspektors gibt der Sachverständige an, dass eine Wasserstoffansammlung durch den Eintrag von Brüdenkondensat auszuschließen ist, da dieser allfällige Wasserstoff gemeinsam mit Wasserdampf ausgetrieben wurde.

 

Dem Bw sei im Verfahren zudem keine Möglichkeit eingeräumt worden, zur ergänzenden Stellungnahme des Arbeitsinspek­torates vom 14. Februar 2008, die diametral dem Gutachten des DI Dr. R G G entgegensteht, Stellung zu nehmen.

 

Weiters führt der Bw aus, dass § 17 VEXAT im gegenständlichen Verfahren nicht zur Anwendung gelangt, weil in der Betriebseinrichtung (Tank B-402) keine brennbaren Arbeitsstoffe enthalten waren oder nach dem damaligen Kenntnisstand der Technik in diesem Tank explosionsfähige Atmosphären nicht entstehen konnten. Der Tank lag nicht in einer Ex-Zone. Der Ex-Zonenplan wurde 1997 im Rahmen der Arbeitsplatzevaluierung nach dem ASchG neu erstellt und im Zuge der Erstellung des Explosionsschutzdokuments nach VEXAT überarbeitet. Der Ex-Zonenschutzplan wurde damit von externen Sachverständigen ZT DI Dr. A S geprüft. Infolge des gegenständlichen Vorfalls wurde von der AMI der gerichtlich beeidete Sachverständige ZT DI S L mit der Prüfung der Umsetzung des nach der VEXAT erstellten Explosionsschutzdokuments beauftragt, der eine lückenlose Umsetzung der geforderten Maßnahmen feststellte. Da nach dem gegenständlichen Vorfall die Unfallursache zunächst völlig unklar war, wurde das Innere des Tankes B-402 vorsichtshalber in den Ex-Zonenschutzplan aufgenommen. Dies wurde in weiterer Folge nach der Kenntnis der zum Zeitpunkt des Vorfalls unbekannten chemischen Reaktion, nämlich der Korrosion des Wassers mit der Tankhülle und des bei entstehenden Wasserstoffs, beibehalten. Es waren daher die im § 17 Abs.3f (gemeint wohl: VEXAT) geregelten Verpflichtungen zur Durchführung verschiedener Maßnahmen auf den gegenständlichen Fall nicht anzuwenden. Dies hat sich auch auf den für die gegenständlichen Arbeiten verfassten Freigabeschein der A niedergeschlagen, indem dieser nur eine Überprüfung der Atmosphäre außerhalb des Tanks vorgesehen hatte. Eine Überprüfung der Atmosphäre innerhalb des Tanks war aufgrund des darin gelagerten Brüdenkondensats, das im Wesentlichen aus Wasser besteht, nicht gegeben.

 

Zu den vom Arbeitsinspektorat angeführten Argumenten wird weiters ausgeführt, dass Wasserstoff aus dem Brüdenkondensat eindeutig als Explosionsursache ausgeschieden werden kann und zum Zeitpunkt des Vorfalls und auch weiterhin das Auftreten von Methanol in brennbarem Ausmaß ausgeschlossen werden könne. Die Entstehung von Wasserstoff durch Korrosion sei bis zum Zeitpunkt des Unfalls nicht literaturbekannt gewesen und daher das Auftreten von Wasserstoff im Behälter nicht vorhersehbar, weshalb der Vorwurf, dass nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Behälter B-402 brennbare Arbeitsstoffe enthält, unberechtigt ist. Durch Verdampfen von Brüdenkondensat im Behälter entstand Wasserdampf, welcher aus allen Öffnungen des Behälters austrat. Dies war allen an der Arbeitsfreigabe beteiligten Personen bekannt. Dadurch erfolgte eine Initialisierung des Tanks durch Wasserdampf, sodass ab diesem Zeitpunkt davon ausgegangen werden konnte, dass sich im Tank B-402 kein brennbarer Stoff befindet. Im Übrigen entspricht dieser Vorgang der Schutzmaßnahme des § 17 Abs.5 Zf. 4e VEXAT, womit der Behälter als mit Wasserdampf gespült anzusehen ist.

 

Zum Beweis für das Berufungsverfahren wird auf das Gutachten des Gerichtssachverständigen DI Dr. R G. G vom 20. Juni 2007 sowie das Ergänzungsgutachten vom 15. September 2007, das Explosionsschutz­dokument gemäß VEXAT für die Ammoniakanlage 1 der AMI, erstellt von Dr. A S vom 29. Juni 2006, den Ausschnitt aus dem Ex-Zonenplan Ammoniakanlage 1 Index d vom 13.11.2006, den Prüfbericht ZT DI S L vom 31. März 2008, den Analysisreport vom 7. Februar 2007 der U U s GmbH sowie den Auszug aus dem Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokument Gefahrenermittlung von 1997 verwiesen.

 

3. Mit Schreiben vom 17. Juli 2008 legte die belangte Behörde dem Unabhängigen Verwaltungssenat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vor. Da eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch seine nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer berufen (§ 51c VStG).

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsicht, Einsicht in die vom Bw vorgelegten Unterlagen einschließlich des vom Bw vor Verhandlungsbeginn vorgelegten Gutachtens des DI Dr. A S, Zivilingenieur für Gas- und Feuerungstechnik vom 9. März 2009, den Strafakt des Landesgerichtes Linz zu 18 Ur 52/07y sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsver­handlung am 26. März 2009. An dieser nahmen der Bw mit seinem Rechtsvertreter und eine Vertreterin der belangten Behörde sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates Linz als Parteien teil. Als Zeugen wurde Herr DI F L vom Arbeitsinspektorat Linz, Herr ZT DI S L sowie Herr DI Dr. A S einvernommen. Die vom Rechtsvertreter des Bw in der mündlichen Verhandlung beantragte Einholung eines ergänzenden Gutachtens des Gerichtssachverständigen DI Dr. G konnte unterbleiben, da dies für die Beurteilung der Frage, ob zum Unfallzeitpunkt ausgeschlossen werden konnte, dass im gegenständlichen Behälter brennbare Arbeitsstoffe enthalten sind, aufgrund des durchgeführte Beweisverfahrens und der vorliegenden Gutachten nicht weiter erforderlich war.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist im Unternehmen A A M I GmbH (in der Folge: A) mit Sitz in L, S für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutz­bestimmungen für den Anlagenbereich Ammoniakproduktion bestellter verantwortlicher Beauftragter.

 

Im November 2006 wurde von der A die Notwendigkeit erkannt, das Volumen einer Flüssigkeit, die beim Waschen des Benfield-Lösung beinhaltenden Systems während einer geplanten Abstellung im Mai/Juni 2007 anfallen würde, zu reduzieren. Es wurde deshalb vorgeschlagen, überschüssiges Wasser im Tank B-402 abzudampfen. Um dies sicher durchzuführen und zu kontrollieren, ob der Tank ordnungsgemäß instrumentiert ist und sich in der Gasphase aufgrund der im Behälter befindlichen Heizschlangen Druck aufbauen kann, wurde durch eine betriebsinterne Arbeitsgruppe ein Testlauf zur Tauglichkeit des Systems erarbeitet.

 

Um den Test durchführen zu können, wurde der Tank B-402 mittels einer Schlauchverbindung vom Behälter B-406 am 14./15. November 2006 mit 100 m3 Brüdenkondensat gefüllt. Brüdenkondensat ist ähnlich wie Benfield-Lösung ein bei der Gaswäsche in der Anlage kontinuierlich anfallendes Kondensat, also Wasser mit Fremdbestandteilen und aus der Gasphase gelösten Anteilen, dessen Zusammensetzung im Unternehmen bekannt war und das bis zur wasserrecht­lichen Sanierung der Anlage im Jahr 2000 nach Vorbehandlung in den Kanal entsorgt wurde. Eine Brennbarkeit des Brüdenkondensates sowie der Benfield-Lösung war - auch bei Erwärmen oder Verwirbelungen – aufgrund der bekannten Zusammensetzung auszuschließen.

 

Das Brüdenkondensat wurde in den Behälter 402 eingefüllt, um zu kontrollieren, ob sich in der Gasphase aufgrund der im Behälter befindlichen Heizschlangen Druck aufbauen kann. Nach der Befüllung des Behälters B-402 am 14./15. No­vember 2006 begann am 5. Dezember 2006 der Testlauf durch Einbringung von Dampf, der nach wenigen Stunden abgebrochen wurde, da tatsächlich Wasserdampf aus allen Öffnungen des Behälters austrat. Aufgrund des Austritts von Wasserdampf wurde entschieden, zusätzliche Öffnungen am Behälterdach anzubringen, um Überdruck im Tank zu vermeiden.

 

Die Firma A beauftragte daraufhin die Vertragsfirma K, eine neue 300 mm-Öffnung in das Dach des Tanks zu schneiden und einen DN 300-Flunsch einzuschweißen.

 

Am 19. Dezember 2006 wurde ein Freigabeschein vorbereitet, da jedoch Dampf sichtbar aus der Tanköffnung im Dach entwich und die Temperatur mit 50 Grad Celsius angezeigt wurde, begannen die Arbeiten an diesem Tag nicht. Als am 21. Dezember 2006 keine Dampfschwaden mehr beobachtet wurden, wurde der Freigabeschein komplettiert und auf der Rückseite vom Schichtmeister unterzeichnet. Daraufhin begannen zwei Arbeitnehmer der Firma K sowie ein Arbeitnehmer der Firma A mit den Heißarbeiten am Dach des Behälters B-402. Unmittelbar nach Beginn dieser Arbeiten kam es zu einer Explosion im Deckelbereich des Tank B-402, bei dem zwei Vertragsarbeiter tödlich und ein Mitarbeiter der A schwer verletzt wurden.

 

Aufgrund der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Daten konnte ausgeschlossen werden, dass im Behälter brennbare Arbeitsstoffe enthalten sind.

 

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, dem beigezogenen Gerichtsakt des Landesgerichtes Linz zu 18 Ur52/07y, dem Gutachten des Gerichtssachverständigen DI Dr. R G. G, den im Akt einliegenden sowie vom Bw vorgelegten Urkunden und Unterlagen, dem im Berufungsverfahren vorgelegten Gutachten des Zivilingenieurs für Gas- und Feuerungstechnik DI Dr. A S vom 9. März 2009 sowie dem Ergebnis der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung vom 26. März 2009.

 

In dieser konnte der Bw glaubwürdig und nachvollziehbar darlegen, dass aufgrund der dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Informationen vor dem Unfall mit Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, dass der B-402, an dem die Heißarbeiten durchgeführt wurden,  brennbare Arbeitsstoffe enthält. Seine diesbezüglichen Ausführungen wurde nicht nur durch das vom Bw vorgelegte Gutachten eines Zivilingenieurs für Gas- und Feuerungstechnik vom 9. März 2009 untermauert, sondern insbesondere auch durch die Aussage des dazu einvernommenen sachkundigen Zeugen DI Dr. A S. Eine gegenteilige Ansicht ist auch aus dem eingeholten Gerichtgutachten nicht zu entnehmen, mit dem mögliche Explosionsursachen ermittelt und einer Bewertung unterzogen wurden.

 

Zwar blieb unbestritten und wurde durch das Beweisverfahren bestätigt, dass sich in dem im Behälter eingefüllten Brüdenkondensat Spuren von Wasserstoff und Methanol befanden, jedoch konnte insbesondere der sachverständige Zeuge DI Dr. A S in seiner Zeugenaussage schlüssig darlegen, dass es sich bei dem in den Tank eingefüllten Brüdenkondensat, ebenso wie bei der Benfield-Lösung, um keinen brennbaren Stoff handelte (vgl. dazu die Angaben im Gutachten vom 9. März 2009, S. 2: "Nach Angaben von A beträgt die höchste im Brüdenkondensat gemessene Methanolkonzentration 0,05 Gew.%, ein Wasser mit dieser Methanolkonzentration stellt keine brennbare Flüssigkeit dar" sowie weiter auf S. 3: "Das Vorhandensein von Spuren an brennbaren Arbeitsstoffen alleine ist noch kein Kriterium für die Brand- und Explosionsgefährlichkeit, es müssen auch die Konzentrationen und Mengen berücksichtigt werden, die zu einer Gefahrenauslösung führen können. Im vorliegenden Fall waren die Mengen und Konzentrationen an Wasserstoff und Methanol so niedrig, dass das Brüdenkondensat als nicht brennbar und demnach nicht als brennbarer Arbeitsstoff einzustufen war. Im chemikalienrechtlichen Sinn war daher Methanol kein Arbeitsstoff, da es nicht mit seinen Methanol-Eigenschaften vorlag, sondern die "Zubereitung", Wasser mit geringem Methanolgehalt, die jedoch keine brennbaren und explosionsfähigen Eigenschaften aufweist."). Der Zeuge bestätigte, dass im Brüdenkondensat 0,05 % Methanol enthalten sein können und Methanol somit als Hauptverunreinigung das Brüdenkondensat nicht zu reinem Wasser macht, jedoch ist seinen Ausführungen auch zu entnehmen, dass dieses auch durch Erwärmen oder Verwirbelung nicht brennbar ist und diese Eigenschaften auch auf die davor im Behälter befindliche Benfield-Lösung zutreffen. Seine unter Wahrheitspflicht getroffenen Angaben ist ebenfalls zu entnehmen, dass auch der in geringen Mengen vorliegende Wasserstoff dem Gemisch keine brennbaren Eigenschaften verleiht. Aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Darstellung des Zeugen DI Dr. Stumreich kommt die erkennende Kammer des OÖ. Verwaltungssenates daher zum Ergebnis, dass zum Zeitpunkt der auf dem Dach durchgeführten Heißarbeiten aufgrund des damaligen Standes der Technik das Vorhandensein brennbarer Arbeitsstoffe im Behälter B402, an dem die Durchführung von Heißarbeiten angeordnet wurde, auszuschließen war.

 

5. In der Sache hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 130 Abs.1 Z 17 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl.Nr. 450/1994 idgF begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 145 Euro bis 7.260 Euro, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von 290 Euro bis 14.530 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend Arbeitsstoffe verletzt.

 

Gemäß § 17 Abs.1 der Verordnung explosionsfähige Atmosphären, BGBl.II 2004/309 idgF sind für das Befahren (Inspektion) von und für Arbeiten in oder an Betriebseinrichtungen, die brennbare Arbeitsstoffe enthalten, enthalten haben oder in denen sich explosionsfähige Atmosphären ansammeln können, Maßnahmen zu treffen, die die Entstehung explosionsgefährdeter Bereiche verhindern. Gemäß Abs.5 Z 3 VEXAT dürfen Heißarbeiten an Behältern, von denen mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass sie brennbare Arbeits­stoffe enthalten haben, nur durchgeführt werden, wenn die Behälter vollständig mit Wasser oder Inertgas gefüllt sind.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Z 1 bedeuten die Begriffe "brennbare Arbeitsstoffe" im Sinn dieser Verordnung hochentzündliche, leicht entzündliche und entzündliche Arbeitsstoffe im Sinn des § 40 Abs.2 ASchG sowie sonstige oxydierbare Arbeitsstoffe.

 

Gemäß § 40 Abs.2 ASchG sind brandgefährliche Arbeitsstoffe Arbeitsstoffe, die brandfördernde, hochentzündliche, leicht entzündliche oder entzündliche Eigenschaften ausweisen. Gemäß § 40 Abs.5 ASchG gelten für die in Abs.2 und Abs.3 Z 1 genannten Eigenschaften sowie für die Eigenschaft "explosionsgefährlich" die entsprechenden Begriffsbestimmungen des Chemikaliengesetzes 1996, BGBl.I Nr. 53/1997.

 

Gemäß § 2 Abs.1 Chemikaliengesetz 1996 sind "Stoffe" chemische Elemente und ihre Verbindungen in natürlicher Form oder hergestellt durch ein Produktionsverfahren, einschließlich der zur Wahrung der Produktstabilität notwendigen Zusatzstoffe und der bei der Herstellung unvermeidbaren Verun­reinigungen, mit Ausnahme von Lösungsmitteln, die von dem Stoff ohne Beeinträchtigung seiner Stabilität und ohne Änderung seiner Zusammensetzung abgetrennt werden können. Als Stoffe gelten auch Gemische von Stoffen, welche aufgrund von chemischen Reaktionen entstehen oder in der Natur auftreten. Soweit in diesem Bundesgesetz oder den dazu ergangenen Verwaltungsakten nicht anderes bestimmt ist, sind von Regelungen, die sich auf Stoffe beziehen, Stoffe als solche sowie als Bestandteile von Zubereitungen erfasst.

 

Gemäß § 2 Abs.5 Chemikaliengesetz 1996 sind "Zubereitungen" nicht unter Abs.1 2. Satz fallende Gemenge, Gemische und Lösungen, die aus zwei oder mehreren Stoffen bestehen. Als Zubereitungen gelten auch Fertigwaren, wenn die Freisetzung oder Entnahme der in ihnen enthaltenen Stoffe oder Zubereitungen Voraussetzung für die bestimmungsgemäße Verwendung dieser Stoffe oder Zubereitungen ist.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

5.2. Dem Bw wurde im gegenständlichen Straferkenntnis zur Last gelegt, dass am 21.12.2006 von Arbeitnehmern der AMI Agrolinz Melamine International GmbH im Deckelbereich des Laugenbehälters B-402 Heißarbeiten durchgeführt wurden, obwohl nicht Sicherheit ausgeschlossen werden konnte, dass dieser Behälter brennbare Arbeitsstoffe enthält. Im durchgeführten Beweisverfahren konnte jedoch dieser Strafvorwurf widerlegt werden, da schlüssig dargelegt wurde, dass in der davor im Behälter befindlichen Benfield-Lauge bzw. im Behälter befindlichen Brüdenkondensat zwar geringe Spuren an Methanol bzw. Wasserstoff enthalten sind, diese jedoch nicht als brennbarer Stoff vorhanden sind sondern als Zubereitung im chemikalienrechtlichen Sinn und in dieser Form keine brennbaren Eigenschaften aufweisen. Da auch der Umstand, der voraussichtlich zur gegenständlichen Explosion geführt hat, nämlich die Wasserstoffbildung durch CO2-Korrosion im alkalischen Medium nicht literaturbekannt war, ist der von der Erstbehörde aufgestellte Strafvorwurf aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens nicht weiter aufrecht zu erhalten.

 

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

6. Weil die Berufung Erfolg hatte und das Strafverfahren eingestellt wurde, entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge gemäß § 66 Abs.1 VStG.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

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