Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-530915/4/Bm/Sta VwSen-530916/4/Bm/Sta VwSen-530917/4/Bm/Sta

Linz, 23.06.2009

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufungen von Herrn K und Frau P I, Herrn J und Frau A I sowie Herrn F und Frau R P, sämtliche vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H L, L, L, vom 3.4.2009 gegen Spruchpunkte II a) und b) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18.3.2009, Ge20-120-2007, Ge20-121-2008, Ge20-122-2008, Ge20-123-2008, betreffend Antrag auf Akteneinsicht und Antrag auf Vollstreckung der bescheidmäßig verfügten Zwangs- und Sicherheitsmaßnahme gegen die P B GmbH, P, zu Recht erkannt:

 

 

Die Berufungen gegen Spruchpunkte II a) und b) des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18.3.2009 werden als unbegründet abgewiesen und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt im angefochtenen Umfang bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 8, 17 und 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG),
§ 359a und § 360 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18.3.2009 wurde im Spruchpunkt I. dem Antrag der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) nach dem Umweltinformationsgesetz Folge gegeben und die entsprechenden Schriftstücke übermittelt.

Im Spruchpunkt II. wurden die Anträge der Bw auf Akteneinsicht in behördliche Schließungs- und Verwaltungsstrafverfahren sowie auf sofortige Vollstreckung der bescheidgemäß verfügten Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen als unzulässig zurückgewiesen.

Die Zurückweisung der Anträge auf Akteneinsicht erfolgte unter Bezugnahme auf die Rechtsgrundlage des § 68 Abs.1 AVG wegen entschiedener Sache, der Antrag auf sofortige Vollstreckung der bescheidmäßig verfügten Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen wurde mangels Parteistellung zurückgewiesen.

 

2. Gegen Spruchpunkte II. a) und b) des oben zitierten Bescheides richtet sich die vorliegende vom anwaltlichen Vertreter der Bw bei der Bezirkshauptmannschaft Freistadt rechtzeitig eingebrachte Berufung. In dieser Berufung wird im Wesentlichen zur Zurückweisung der Anträge auf Akteneinsicht im behördlichen Schließungs- und Verwaltungsstrafverfahren ausgeführt, dass nach § 78 GewO nur unter den dort näher beschriebenen Voraussetzungen ausnahmsweise bereits vor Eintritt der Rechtskraft eines gewerbebehördlichen Genehmigungsbescheides Betriebsanlagen errichtet oder betrieben werden dürfen. Dies erfolge ohne effektiven Rechtsschutz der Nachbarn.

Es sei eindeutig das Risiko des Unternehmers, wenn er sich nicht vor Inbetriebnahme um eine Genehmigung der Anlagenänderung bemühe. Die Behörde habe gegenüber Gefährdungen und unzumutbaren Belästigungen durch eine nicht genehmigte Betriebsanlage in Fällen drohenden Gefahr sofortige Sicherheitsmaßnahmen zu ergreifen, die bis zur Schließung der Anlage oder von Anlagenteilen zu gehen haben, sollte es der Schutz der Gesundheit der betroffenen Nachbarn erfordern.

 

Unter diesen Voraussetzungen hätten die betroffenen Nachbarn in Anbetracht der gegenständlich seit über 1 Jahr konsenslos betriebenen Betriebsanlage, welche eine erhebliche Gesundheitsgefährdung für die betreffenden Nachbarn darstelle, einen Rechtsanspruch auf Akteneinsicht in allenfalls vorliegende behördliche Schließungs- und Verwaltungsstrafverfahren. Eine Versagung dieser Akteneinsicht würde den Nachbarn bei der zivilrechtlichen Verfolgung ihrer berechtigten Ansprüche einen erheblichen Nachteil bedeuten, ihre Prozesschancen erheblich beeinträchtigen und daher stünden einer Akteneinsicht der betroffenen Nachbarn keine berücksichtigungswürdigen anderen Interessen entgegen. Die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche der Nachbarn dürfe die belangte Behörde nicht ungebührlich behindern. Auch die Wahrung der Rechte im Verwaltungsverfahren mache die Akteneinsicht erforderlich. Da bislang keine amtswegige Schließung der konsenslosen und gesundheitsgefährdenden Anlage erfolge, bleibe den betroffenen Nachbarn nur der Zivilrechtsweg offen. Dabei dürften sie im Sinne der Waffengleichheit insofern nicht behindert werden, als ihnen die Akteneinsicht in amtswegige Schließungsverfahren verweigert werde.

 

Die betroffenen Nachbarn würden daher als Nachbarn rechtliche Schritte zur Wahrung ihrer Interessen setzen, dies konkret im aktuell anhängigen Gewerbeverfahren. Aber auch für ein allfälliges Zivilverfahren würden die betroffenen Nachbarn rechtliche Schritte prüfen. Daraus ergebe sich sowohl für das gegenständliche Gewerbeverfahren und alle sich daraus ableitenden Verfahren also auch für ein Zivilverfahren die Notwendigkeit zur Akteneinsicht. Wie sich aus den in den Vorinstanzen eingebrachten Eingaben ergebe, hätten die betroffenen Nachbarn die Information, dass die Behörde Schließungsmaßnahmen verfügt habe. Diese Information hätten die Nachbarn zwar nie offiziell von den Behörden erhalten, sie würde sich aber aus den Eingaben der P B GmbH bei der Behörde I. Instanz in diesem Verfahren sowie aus Zeitungsberichten und diversen E-Mails der Erstbehörde ergeben.

In Anbetracht der gegenständlich seit fast eineinhalb Jahren konsenslos betriebenen Betriebsanlage, welche eine erhebliche Gesundheitsgefährdung und/oder unzumutbare Belästigung für die betreffenden Nachbarn darstelle, würden die betroffenen Nachbarn einen Rechtsanspruch auf Akteneinsicht in vorliegende behördliche Schließungs- und Verwaltungsstrafverfahren haben. Eine Versagung dieser Akteneinsicht bedeute für die betroffenen Nachbarn bei der rechtlichen Verfolgung ihrer berechtigten Ansprüche in Zivil- und Verwaltungsverfahren einen erheblichen Nachteil und beeinträchtige ihre Prozesschancen erheblich. Es würden einer Akteneinsicht der betroffenen Nachbarn keine berücksichtigungswürdigen anderen Interessen entgegenstehen. Die Wahrung der Rechte der betroffenen Nachbarn dürfe die belangte Behörde nicht behindern. Da bislang keine amtswegige Schließung der konsenslosen, gesundheitsgefährdenden und belästigenden Betriebsanlage der P B GmbH bzw. keine Exekution von angeordneten Maßnahmen erfolgt sei, würde den betroffenen Nachbarn nur der Zivilrechtsweg und weiterhin verwaltungsrechtliche Eingaben offen bleiben. Dabei dürften sie im Sinne der Waffengleichheit insofern nicht behindert werden, als ihnen die Akteneinsicht in amtswegige Schließungs- und Verwaltungsstrafverfahren verweigert werde. Aber auch für die aktuellen verwaltungsrechtlichen Verfahren werde im Sinne der Waffengleichheit die Akteneinsicht benötigt, zumal sich die P B GmbH in ihren Eingaben explizit auf den Bescheid vom 22.12.2008 berufe. Wie sollten die betroffenen Nachbarn dazu Stellung nehmen, wenn die P B GmbH diesen Bescheid zum Gegenstand im aktuellen Verfahren mache, die Beschwerdeführer mangels Akteneinsicht aber keine Kenntnis vom Inhalt dieses Bescheides haben. Wenn die Behörde I. Instanz die Akteneinsicht unter Verweis auf die Schnelligkeit von Schließungsverfahren verweigere, so könne dies gegenständlich kein Grund zur Versagung der Akteneinsicht sein, da die Behörde bereits seit geraumer Zeit die konsenslose Betriebsanlage hätte schließen müssen. Es sei systemwidrig, den betroffenen Nachbarn die entsprechende Akteneinsicht zu versagen, da die betroffenen Nachbarn insofern betroffen seien, als sie mit einer über die zulässigen Lärmimmissionsgrenzwerte betriebenen Betriebsanlage tagtäglich konfrontiert seien. Die Schließungsakte und Genehmigungsakte könnten daher inhaltlich nicht auseinander gehalten werden. Ausgehend von den Schließungsanregungen der betroffenen Nachbarn sei die Versagung der Akteinsicht in die sich daraus ergebenden Schließungsverfahren systemwidrig. Das Verfahren hinsichtlich der Genehmigung der geänderten Betriebsanlage gehe einher mit dem nur aus formeller verwaltungstechnischer Sicht getrennten Verfahren zur Schließung der Betriebsanlage. In beiden Verfahren gehe es in erster Linie um Nachbarrechte, um den Schutz der Nachbarn vor Lärmimmissionen, um den Schutz vor einer großen und unmittelbar drohenden Gefahr für die Gesundheit von Menschen und für das Eigentum dieser und den Schutz vor der unzumutbaren Belästigung der Nachbarn. Warum hier die Akteneinsicht in die behördlichen Genehmigungsverfahren möglich sein solle, in die genau in diesem Zusammenhang stehenden behördlichen Schließungsverfahren aber nicht möglich sein solle, ist aus Sicht der betroffenen Nachbarn völlig unverständlich. Für die betroffenen Nachbarn würden die Verfahren eine Einheit darstellen. Die Akten könnten inhaltlich nicht getrennt werden; zumindest wäre eine Akteinsicht in getrennte Akten – Schließungsverfahren einerseits und Genehmigungsverfahren andererseits – am 3.4.2009 bei der BH Freistadt nicht möglich. Ebenso werde diese Einheit der Verfahren durch die Bezugnahme der P B GmbH auf den Bescheid vom 22.12.2008 in ihren Eingaben bei den Behörden hergestellt.

 

Die vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bereits angenommene Sorge der betroffenen Nachbarn, wonach diese befürchten, die Behörde I. Instanz käme ihren amtswegigen Verpflichtungen von Zwangsmaßnahmen nicht nach, bestehe in der Tat. Die P B GmbH betreibe die konsenslose Betriebsanlage stetig weiter und die betroffenen Nachbarn würden jeden Tag und jede Nacht in ihrer Gesundheit gefährdet bzw. unzumutbar belästigt werden. Dass hier die Beschwerdeführer ein ehestmögliches Ende dieses rechtsmissbräuchlichen Betreibens der Betriebsanlage förmlich herbeisehnen, sei ihnen angesichts der vorliegenden Fakten wohl nicht zu verübeln.

Die betroffenen Nachbarn würden daher auch vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ihre Anträge auf Akteneinsicht in behördliche Schließungs- bzw. Verwaltungsstrafverfahren wiederholen und um Übermittlung der entsprechenden Aktenkopien ersuchen.

 

Die Zurückweisung wegen entschiedener Sache sei unzulässig. Wie die belangte Behörde im bekämpften Bescheid selbst ausführe, sei seit der von der belangten Behörde nunmehr zitierten Entscheidung, auf welche sich die entschiedene Sache stütze, neu hinzugetreten, dass die P B GmbH sich selbst auf Aktenbestandteile beziehe, zu welchen den betroffenen Nachbarn bisher die Akteneinsicht verwehrt worden sei. Dieser bereits in diesem Rechtsmittel geltend gemachte Aspekt führe dazu, dass die Zurückweisung des Antrages auf Akteneinsicht wegen entschiedener Sache unzulässig sei. Neue Aspekte seien hinzugetreten.

 

Die belangte Behörde würde in der Begründung des bekämpften Bescheides dieses Argument der neu hinzugekommenen Umstände mit einem unzulässigen Zirkelschluss abtun. Gerade der Umstand, dass die P B GmbH sich auf die den Nachbarn zur Akteneinsicht verwehrten Aktenbestandteile der Schließungsverfahren beziehe, begründe ein besonderes Argument für die Gewährung der Akteneinsicht für die betroffenen Parteien auch in die Schließungsverfahren. Darüber hinaus argumentiere die P B GmbH selbst in den Eingaben vom 25.2.2009 und vom 9.3.2009, welche dem gegenständlichen erstinstanzlichen Verfahren zugehörig seien, mit einer Erneuerung eines Antrags  auf Widerruf der mit Bescheid vom 22.12.2008 verfügten Einstellung des Betriebes. Bei diesen Eingaben gebe die P B GmbH sogar beide Geschäftszahlen an: Jene des Schließungsverfahrens und jene des Genehmigungsverfahrens.

 

Gerade darin würden auch wieder Neuerungen liegen, welche die Behörde insgesamt zu berücksichtigen habe, dass die Akteneinsicht gewährt werde, dass aber jedenfalls die Zurückweisung wegen entschiedener Sache unzulässig sei. Entgegen den Ausführungen im bekämpften Bescheid der belangten Behörde sei es daher im Genehmigungsverfahren sehr wohl wesentlich, die detaillierte Kenntnis des zitierten Schließungsbescheides zu erhalten, wenn sich die P B GmbH im Genehmigungsverfahren mehrmals auf diesen Bescheid beziehe in der Begründung ihrer jeweiligen Anträge.

 

Darüber hinaus führe die Behörde zu Unrecht aus, dass das Genehmigungsverfahren und ein amtswegiges Schließungsverfahren völlig unabhängig voneinander zu führen seien.

Das möge wohl beispielsweise in dem Fall sein, dass sich die Nachbarn wegen Lärmbelästigung beschwert fühlen und das Schließungsverfahren wegen beispielsweise Verletzung von chemischen Produktvorschriften geführt werde. Gegenständlich gehe es aber im Schließungsverfahren und im Genehmigungsverfahren um ein und dieselbe Sache, wobei sich die jeweiligen Argumente und faktischen Zustände der Betriebsanlage jeweils bedingen, weswegen nicht davon die Rede sein könne, dass zwei getrennte Verfahren vorliegen. Dies führe zum Ergebnis, dass der beantragten Akteneinsicht stattzugeben wäre.

 

Zur Zurückweisung der Anträge auf sofortige Vollstreckung der bescheidmäßig verfügten Zwangsmaßnahmen wurde in der Berufung vorgebracht, dass die Behörde mitgeteilt habe, dass die Bezirkshauptmannschaft Freistadt bereits entsprechende Maßnahmen von Amts wegen gesetzt habe. Welche Maßnahmen gesetzt worden seien, lasse die Behörde offen. Es müsse jedoch davon ausgegangen werden, dass der für die betroffenen Nachbarn massive gesundheitsgefährdende Zustand nach wie vor bestehe. Aktuellen Wahrnehmungen der betroffenen Nachbarn zufolge gebe es keine Änderung in den Lärmemissionen, welche unverändert die Gesundheit der Nachbarn massiv beeinträchtigen und eine unzumutbare Belästigung darstellen würden. Worin die von der belangten Behörde gesetzlich angeblichen Maßnahmen bestehen sollen, bleibe unklar. Die betroffenen Nachbarn würden daher neuerlich die sofortige Schließung der konsenslos betriebenen Anlage anregen. Es sei mangels der erforderlichen Betriebsanlagengenehmigung der Betrieb der Betriebsanlage insgesamt unzulässig, könne der der Rechtsordnung entsprechende Zustand nur in der Einstellung des gesamten Betriebs liegen. Die Betriebsanlage der P B GmbH werde konsenslos betrieben, die behördlich vorgeschriebenen Immissionsgrenzwerte von maximal 40 dB könnten nicht eingehalten werden, dies trotz Einbaus eines neuen Schalldämpfers. Dass dies gesundheitsgefährdend sei, ergebe sich aus den vorgelegten medizinischen Gutachten.

Sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen für die Exekution der sofortigen Schließung der Betriebsanlage seien erfüllt, da die Schallgrenzwerte nicht eingehalten würden und die für den Betrieb der Anlage notwendigen Genehmigungen nicht vorliegen. Dennoch sei eine Vollziehung der Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen durch die Behörde offensichtlich nicht erfolgt, die Behörde sei untätig geblieben und habe die Schließung der nunmehr fast eineinhalb Jahre konsenslos betriebenen Betriebsanlage nicht durchgesetzt.

 

Wie die belangte Behörde im bekämpften Bescheid richtig ausführe, stelle das Nichtergreifen der nach § 360 GewO der Behörde zustehenden Zwangsgewalt zur Durchsetzung öffentlicher Interessen eine Verletzung der Amtspflichten der Behörde dar. Da sämtliche Voraussetzungen für die Durchsetzung der verfügten Zwangsmaßnahmen vorliegen würden, gebe es keinen Grund mit der exekutiven Durchsetzung durch die Behörde zu zögern. Auf Grund der Einheitlichkeit der Akteninhalte des Schließungsverfahrens und des Genehmigungsverfahrens hätte die belangte Behörde der beantragten Durchsetzung der Zwangsmaßnahmen daher stattgeben müssen bzw. diese Zwangsmaßnahmen einfach selbst durchsetzen müssen.

 

Die Bw würden daher die Berufungsanträge stellen, der Unabhängige Verwaltungssenat möge – eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen, der Berufung Folge geben und den angefochtenen Bescheid vom 18.3.2009 dahingehend abändern, dass dem Antrag auf Akteineinsicht in die Schließungsverfahren und dem Antrag auf sofortige Vollstreckung der bescheidmäßig verfügten Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen stattgegeben werde, in eventu den angefochtenen Bescheid aufheben und die Verwaltungsrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde I. Instanz zurückverweisen.

 

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Freistadt hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsverfahrensakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Die belangte Behörde hat keine inhaltlichen Äußerungen zum Berufungsvorbringen abgegeben.

 

Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates durch Einzelmitglied ergibt sich aus § 359a GewO 1994 iVm § 67a Abs.1 AVG.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die verfahrensgegenständlichen Verfahrensakte der Erstbehörde (einschließlich der vorgelegten Schriftstücke der Nachbarn).

Eine mündliche Verhandlung konnte im Grunde des § 67d Abs.4 AVG entfallen, da sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet, der Sachverhalt bereits auf Grund der Aktenlage ausreichend geklärt ist und eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 8 AVG sind Personen, die eine Tätigkeit der Behörde in Anspruch nehmen oder auf die sich die Tätigkeit der Behörde bezieht, Beteiligte und, soweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind, Parteien.

 

Gemäß § 17 Abs.1 AVG hat die Behörde, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten; die Parteien können sich davon an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen. Nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten kann Akteneinsicht auch im Wege des Zugriffes über das Internet auf die zur Einsicht bereitgestellten Akten oder Aktenteile gewährt werden, wenn die Identität des Einsichtswerbers und die Authentizität seines Begehrens elektronisch nachgewiesen wurden.

 

Nach § 68 Abs.1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der
§§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs.2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

 

Gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs. 1 Z1, 2 oder 3 besteht, unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens, den Gewerbeausübenden bzw. den Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß  § 367 Z25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 78 Abs. 2, § 79 c Abs. 4 oder § 82 Abs. 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes, zu verfügen.

 

5.2. Zu Spruchpunkt II. a)

Zurückweisung der Anträge auf Akteneinsicht wegen entschiedener Sache:

 

5.2.1. Mit Eingabe vom 17. Dezember 2008 wurde von den nunmehrigen Bw ein Antrag auf Akteineinsicht in behördlichen Schließungs- bzw. Verwaltungsstrafverfahren in Bezug auf die Betriebsanlage der P B GmbH im Standort P, H, gestellt.

Dieser Antrag wurde von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt mit Bescheid vom 7. Jänner 2009, Ge20-123-2008, als unzulässig zurückgewiesen.

Die dagegen von den Bw erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis vom 12.2.2009, VwSen-530872-530874, vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als unbegründet abgewiesen und der bekämpfte Bescheid bestätigt.

Dieses Erkenntnis wurde den Bw zu Handen des ausgewiesenen Rechtsvertreters am 17.2.2009 zugestellt.

 

Mit weiteren Eingaben, zuletzt mit Eingabe vom 6.3.2009 wurden trotz Kenntnis des abweisenden Berufungsbescheides des Oö. Verwaltungssenates von den Bw weitere Anträge auf Akteneinsicht in behördliche Schließungs- und Verwaltungsstrafverfahren gestellt.

 

Diese Anträge wurden mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18.3.2009, Ge20-120-2007, Ge20-121-2008, Ge20-122-2008, Ge20-123-2008, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und richten sich dagegen die unter 2.) zitierten Berufungen.

 

5.2.2. Festzuhalten ist, dass Sache des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs.4 AVG ausschließlich die Frage ist, ob die Erstbehörde den Antrag auf Akteneinsicht in allfällige behördliche Schließungs- und Verwaltungsstrafverfahren zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat.

 

5.2.3. Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid (im gegenständlichen Fall ist dies der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 7.1.2009, Ge20-123-2008, und das diesen Bescheid bestätigende Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 12.2.2009, VwSen-530872 bis 530874) auszugehen, wobei die sachliche Richtigkeit desselben nicht nochmals zu überprüfen ist (siehe Entscheidung des VwGH 26.4.1995, 92/07/0197).

Die Rechtskraftwirkung besteht gerade dahin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf.

Entschiedene Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt.

Der Begriff "Identität der Sache" muss in erster Linie aus einer rechtlichen Betrachtungsweise heraus beurteilt werden, was bedeutet, dass den behaupteten geänderten Umständen Entscheidungsrelevanz zukommen muss (VwGH 15.10.1999, 96/21/0097).

 

Gegenstand des für die Prüfung der Identität der Sache maßgeblichen Bescheides war der Antrag der Nachbarn auf Akteineinsicht in behördliche Schließungs- und Verwaltungsstrafverfahren.

Inhaltlich deckt sich der  ursprünglich gestellte Antrag mit den nach Zustellung des Erkenntnisses des Oö. Verwaltungssenates gestellten Anträgen, wobei zu bemerken ist, dass die nunmehrigen Anträge mit zum Teil wortidenten Ausführungen begründet wurden.

 

Als Änderung des Sachverhaltes wird von den Bw vorgebracht, dass sich die P B GmbH (im Genehmigungsverfahren) auf Aktenbestandteile des Schließungsverfahrens beziehe, zu welchen den betroffenen Nachbarn bisher die Akteneinsicht verwehrt worden sei.

 

5.3.4. Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, den angefochtenen Bescheid mit Erfolg zu bekämpfen:

 

Entscheidungsrelevant für die Frage, ob den Bw Akteneinsicht in behördliche Schließungs- und Verwaltungsstrafverfahren gewährt wird, ist der Umstand, ob den Bw in solchen Verfahren Parteistellung zusteht oder nicht, da nur aus einer ausdrücklich eingeräumten Parteistellung sich prozessuale Rechte wie das Recht auf Bescheidzustellung, auf Parteiengehör und eben auf Akteneinsicht ergeben.   

 

Der nunmehr von den Bw als Änderung der Sachlage vorgebrachte Umstand, die P B GmbH beziehe sich im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren auf Aktenbestandteile des Schließungs­ver­fahrens, ändert nichts daran, dass den Nachbarn in einem Schließungsverfahren (und auch in einem Verwaltungsstrafverfahren) keine Parteistellung und damit auch kein Recht auf Akteneinsicht zukommt.

So hat der Verwaltungsgerichtshof eindeutig ausgesprochen, dass ein Recht auf Akteneinsicht auch dann nicht besteht, wenn die die Akteneinsicht begehrende Person in einem anderen Verfahren Partei ist und die Geltendmachung oder Verteidigung ihrer Interessen in diesem anderen Verfahren die Kenntnis der Akten erfordert.

 

Die für den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 7.1.2009 und das diesen Bescheid bestätigende Erkenntnis des Oö. Verwaltungssenates vom 12.2.2009 maßgeblich gewesene Sach- und Rechtslage hat sich nicht derart geändert, dass die Erlassung eines neuen Bescheides in Betracht kommt.

 

Vor diesem Hintergrund hat die erstinstanzliche Behörde den neuerlichen Antrag der Bw auf Akteneinsicht in behördliche Schließungs- und Verwaltungsstrafverfahren zutreffend als idente Rechtssache im Verhältnis zum Vorverfahren beurteilt und demgemäß den Antrag zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

 

5.3. Zu Spruchpunkt II. b):

Zurückweisung der Anträge auf sofortige Vollstreckung der bescheidmäßig verfügten Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen:

 

5.3.1. Mit Eingabe vom 20.2. und 6.3.2009 wurde von den Bw die sofortige Vollstreckung der bescheidmäßig verfügten Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf die Betriebsanlage der P B GmbH im Standort P, H, beantragt.

 

Diese Antrag wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 18.3.2009, Ge20-120-2007, Ge20-121-2008, Ge20-122-2008, Ge20-123-2008, unter Spruchpunkt II. b) mangels Parteistellung zurückgewiesen und richten sich auch dagegen die unter 2.) zitierten Berufungen.

 

5.3.2. Maßnahmen nach § 360 leg. cit. sind von Amts wegen zu treffen; die Behörde ist dazu bei Vorliegen der Voraussetzungen verpflichtet, allerdings steht den Nachbarn einer Betriebsanlage kein Antragsrecht und auch kein Rechtsanspruch auf Einleitung eines Verfahrens bzw. auf Setzung von Maßnahmen nach § 360 zu.

 

Die Erstbehörde hat im angefochtenen Bescheid bereits auf die hiezu ergangene, keinen Zweifel zulassende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hingewiesen.

 

Auch im Erkenntnis vom 24.10.2001, 2001/04/0173 wurde diese Judikatur fortgeführt und dezidiert ausgesprochen, dass dem Nachbarn einer Betriebsanlage im Verfahren nach § 360 GewO 1994 weder ein materiell-rechtlicher noch ein verfahrensrechtlicher Anspruch zukommt, er also nicht Partei im Sinne des § 8 AVG ist und demgemäß auch kein Antragsrecht auf sofortige Vollstreckung bescheidmäßig verfügter Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen besteht, weshalb der Antrag der Bw von der Erstbehörde zu Recht als unzulässig zurückgewiesen wurde.

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

Beachte:


Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.


VwGH vom 06.10.2009, Zl.: 2009/04/0230-3

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum