Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-390255/2/WEI/Se

Linz, 24.06.2009

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung der P K, Geschäftsführerin der M M GmbH., L, vertreten durch Dr. A H, Rechtsanwalt in L, gegen das Straferkenntnis des Fernmeldebüros für Oberösterreich und Salzburg, vom 6. Mai 2008, Zl. BMVIT-635.540/0478/08 wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Telekommunikationsgesetz 2003 - TKG 2003 (BGBl I Nr. 70/2003 idF BGBl I Nr. 133/2005) zu Recht erkannt:

 

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und Z 2 VStG eingestellt.

Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG; § 66 Abs 1 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis hat die belangte Behörde die Berufungswerberin (im Folgenden Bwin) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Sie haben es als Geschäftsführerin und damit als zur Vertretung der Fa. M M GmbH, L, berufene Person zu verantworten, dass am 10.03.2008 um ca. 11:30 Uhr durch die Fa. M einen Anruf zu Werbezwecken unter der Telefonnummer      ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers F S, F, oder einer anderen Person, welche mit Zustimmung des Teilnehmers den Anschluss benützt hat, durchgeführt hat, indem ein Mitarbeiter (angeblich Fr. P G) eines von der Fa. M vertraglich beauftragten Unternehmens ein Gespräch mit Frau E S bezüglich Werbung für die Teilnahme an einem Gewinnspiel der Fa. M geführt hat."

 

Dadurch habe die Bwin die Rechtsvorschriften des § 107 Abs 1 iVm § 109 Abs 3 Z 19 Telekommunikationsgesetz (TKG), BGBl. I Nr. 70/2003, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 133/2005, verletzt, weshalb über sie gemäß "§ 109 Abs 1 Z 19 TKG" (richtig: Strafrahmen des § 109 Abs 3 TKG) eine Geldstrafe in Höhe von 1.850 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen verhängt wurde. An Kosten des Strafverfahrens wurden der Bwin weiters 185 Euro (10 % der Strafe) vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, welches der Bwin am 9. Mai 2008 zu Händen ihres Rechtsvertreters zugestellt wurde, richtet sich die rechtzeitig am 23. Mai 2008 per Telefax eingebrachte und gegen drei gleichgelagerte Straferkenntnisse gerichtete Berufung vom 23. Mai 2008, mit der die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit angestrebt wird.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende Gang des Verfahrens und Sachverhalt:

 

2.1. Mit Telefaxschreiben vom 8. Februar 2008 zeigte Frau E S der belangten Behörde an, dass sie am 10. März 2008 um ca. 11:30 Uhr einen Werbeanruf der Fa. M erhalten hätte, wobei sie eine Frau P G zum Abschluss eines Lottospielvertrages überredet habe. Da sie keine Einwilligung zu dieser Telefonwerbung gegeben hätte, ersuchte sie um Überprüfung, ob nicht ein Verstoß gegen das Telekommunikationsgesetz vorliege.

 

Sie legte eine Teilnahmebestätigung (get4more) vom 11. März 2008, in der sie als Onlinekunde geführt wird und ihre persönlichen Daten einschließlich der Daten ihrer Bankverbindung angeführt sind. Nach der Angabe der Daten steht:

"Sie haben im Telefonat am 10.03.2008 mit Frau/Herrn P G einer Einziehung ihres Spielbetrages in der Höhe von 59,90€, von ihrem oben angeführten Konto, durch die Firma M M GmbH zugestimmt."

 

Bei der angekreuzten Variante "Onlinekunde" ist zu lesen:

 

"Ich drucke meine Lottoscheine/Gewinnübersicht mit meiner Kundennummer selbst über www.get4more.at unter dem Punkt >Mein get4more Konto< aus."

 

Einer aktenkundigen Firmenbuchinformation vom 11. April 2008 betreffend die Fa. M M GmbH, L (http:// www.M.at; e-mail: office@M.at) ist zu entnehmen, dass Frau P K, geb.    , als selbständig vertretungsbefugte Geschäftsführerin seit 26. November 2005 fungiert.

 

2.2. Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16. April 2008 lastete die belangte Behörde der Bwin an, als Geschäftsführerin der Fa. M M GmbH, L, für einen "Anruf zu Werbezwecken (Werbung für Teilnahme an einem Gewinn-Spiel, bzw damit zusammenhängende Datenerhebung)" am 10. März 2008 um ca. 11:30 Uhr ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers unter der Telefonnummer      des F S, F, verantwortlich zu sein.

 

In der rechtsfreundlich eingebrachten Rechtfertigung vom 25. April 2008 zu insgesamt drei anhängigen Verfahren wird grundsätzlich auf andere Verwaltungsstrafverfahren verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass Frau S ihren gesamten Adressdatensatz, beinhaltend Anschrift und Telefonnummer sowie Kontonummer und Bankinstitut bekannt gegeben habe und ein nicht zustimmungslos erfolgter Anruf vorliege. Ferner wird bekannt gegeben, dass keinerlei Datensätze die Herren B und S betreffend vorliegen und diese Personen nicht bekannt seien. Es sei sohin auch kein Anruf an diese Personen erfolgt.

 

2.3. In der Begründung des Straferkenntnisses bezieht sich die belangte Behörde zum Sachverhalt auf die Anzeige der Frau E S, die den im Spruch angeführten Werbeanruf erhalten habe und zur Teilnahme an einem Lottospiel überredet worden sei. Sie habe eine Teilnahmebestätigung vom 11. März 2008 erhalten. In den in der Rechtfertigung verwiesenen Verfahren habe sich die Beschuldigte im Wesentlichen damit gerechtfertigt, dass die Anrufe nicht durch die Fa. M, sondern durch eine Vertragsfirma "D T" von Spanien aus durchgeführt wurden. Auf Grund eines Vertrags akquiriere dieses Unternehmen Kunden für die Fa. M. Die Beschuldigte habe auf die Durchführung der Werbeanrufe angeblich keinen Einfluss. Zum Ablauf der Werbeanrufe habe die Bwin angegeben, dass nach einem Erstanruf durch die Fa. D T, in dem Daten erhoben werden, ein zweiter Anruf durch die Fa. M erfolge, in dem die Daten noch einmal geprüft und allfällige sonstige Fragen mit dem Angerufenen geklärt werden.

 

In der rechtlichen Beurteilung bezieht sich die belangte Behörde auf § 9 Abs 1 VStG und zitiert zunächst Leitsätze aus diversen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes, in denen es um die betriebliche Überwachung und um Maßnahmen von verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlichen im Rahmen eines sog. wirksamen Kontrollsystems geht. Eine wiedergegebene Entscheidung befasst sich mit den Voraussetzungen für die Annahme eines fortgesetzten Delikts.

 

Auf Grund der bisherigen Anzeigen und der glaubwürdigen Angaben der Anzeigeerstatterin bestehe für die Fernmeldebehörde kein Zweifel an dem geschilderten Werbeanruf zur Teilnahme an einem Gewinnspiel. Durch die Zusendung der Teilnahmebestätigung sei erweisen, dass der Werbeanruf zum angegebenen Zeitpunkt unter der angegebenen Nummer stattgefunden hat. Den Anruf habe die Gattin des Herrn S entgegen genommen, weshalb dieser nachvollziehbar im Datenbestand der Fa. M nicht aufscheint.

 

Die Bekanntgabe von Daten, welche von am Telefon überrumpelten Personen stammen, könne nicht als vorherige Zustimmung zu einem Werbeanruf gewertet werden. Ein Werbeanruf zur Teilnahme an einem Lottospiel habe offensichtlich vorgelegen, weshalb als erwiesen anzunehmen sei, dass in objektiver Hinsicht gegen den § 107 Abs 1 TKG verstoßen worden sei.

 

Die belangte Behörde hält die Bwin gemäß § 9 Abs 1 VStG gleichermaßen für verantwortlich, egal ob nun die Fa. M selbst oder ein Partnerunternehmen (zB D T) den unerbetenen Werbeanruf veranlasste.

 

Die Gesetzesverletzung sei der Bwin auch subjektiv zuzurechnen und von ihr strafrechtlich zu verantworten, da sie als Geschäftsführerin der Fa. M durch entsprechende Aufsicht und Kontrollmaßnahmen dafür zu sorgen gehabt hätte, dass beim Betrieb ihres Unternehmens die gesetzlichen Bestimmungen eingehalten würden. Die Aufsichts- und Kontrollpflichten seien auch dann wahrzunehmen, wenn Aufgaben "außer Haus" durchgeführt würden. Die Abwälzung strafrechtlicher Verantwortlichkeit auf andere sei ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich. Der Geschäftsführer der D T könne nicht verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs 2 und 4 VStG sein.

 

Die Bwin unternehme nichts Wirksames, um die Durchführung unzulässiger Werbeanrufe, sei es durch Mitarbeiter des eigenen Unternehmens oder durch Mitarbeiter eines Vertragsunternehmens, abzustellen.

 

Die erstattete Rechtfertigung, die Bwin habe keinen Einfluss auf die Anrufe, weil diese von einem Partnerunternehmen durchgeführt worden wären, gehe ins Leere, da der Beschuldigten sehr wohl Möglichkeiten zur Verfügung stünden, wie z.B. eine grundsätzliche Vorab-Überprüfung, ob eine vorherige Zustimmung des Teilnehmers vorliege oder letztlich eine Kündigung der Zusammenarbeit mit der D T, damit derartige Anrufe unterbleiben würden. Im Wissen um die Anrufpraxis des Partnerunternehmens wäre die Bwin verpflichtet gewesen, sich darüber zu vergewissern, ob die erforderlichen Einwilligungen zu Werbeanrufen auch gegenüber der Fa. M tatsächlich vorliegen. Die Überprüfung der Einwilligung eines Teilnehmers wäre in Anbetracht der Umstände Rechtspflicht der Bwin, welche sich aus der Geschäftsführertätigkeit ergäbe. Indem die Bwin ihre Aufsichts- bzw. Kontrollpflichten nicht bzw. nicht im erforderlichen Umfang wahrnehme, nehme sie in Kauf, dass durch Erfüllungsgehilfen der Fa. M bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen werde.

 

Durch die Beauftragung eines Partnerunternehmens erweitere die Fa. M ihren Tätigkeitsbereich. Der Bwin sei bekannt, dass durch dieses Unternehmen wiederholt Werbeanrufe ohne vorherige Einwilligung und damit rechtswidrig durchgeführt worden sind. Diese Gesetzesverletzungen seien daher der M als Auftraggeber der Werbeanrufe zuzurechnen und von der Bwin zu verantworten. Die Bwin nehme es durch mangelhafte Wahrnehmung ihrer Aufsichtspflicht in Kauf, dass "durch Mitarbeiter ihres Unternehmens bzw. durch Erfüllungsgehilfen außerhalb ihres Unternehmens" gegen Gesetze verstoßen wird. Es sei davon auszugehen, dass die Bwin die unzulässigen Anrufe dulde und sich offensichtlich mit den Gesetzesverletzungen abfinde. Als Verschuldensgrad sei also zumindest bedingter Vorsatz anzunehmen.

 

2.3. In der rechtsfreundlich vertretenen Berufung wird ausgeführt, dass die M M GmbH (im Folgenden nur M) eine Lotterieanbieterin mit diversen Lottospielmöglichkeiten sei. Zum Beispiel werden Spiellose für Lotto 6 aus 45 oder Euromillionen angeboten. Die Betriebstätigkeit der Fa. M sei vor allem über die eigene Homepage ausgerichtet und werde über Links und Buttons auf anderen Internetseiten für die eigene Homepage Werbung gemacht. Die Kontaktwerbung erfolge zum überwiegenden Teil über Internetportale.

 

Seit November 2005 stehe die Fa. M in Geschäftsbeziehung zur Firma D T s.l. (in der Folge nur D T). Im Rahmen dieser Geschäftsbeziehung verkaufe die Fa. D T als Verkäuferin Adressdatensätze an die Fa. M. Diese Adressdatensätze müssten aus Vorname, Nachname, Anschrift, Geburtsdatum, Geschlecht, Telefonnummer, E-mail (sofern vorhanden) und Bankverbindung bestehen. Voraussetzung für den Ankauf bzw. zur Berechtigung der Übermittlung solcher Adressdatensätze an die M sei die ausdrückliche Zustimmungserklärung des/der im Adressdatensatz Genannten. Aktivitäten und Akquisitionen, insbesondere das Ersttelefonat mit einem Kunden, würden von der D T selbständig und von Spanien aus geführt. Die M habe darauf keinen Einfluss und sei in die Kundenakquirierung nicht involviert. Die M habe im Rahmen der geschäftlichen Verbindung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vermittelte Adressdateien unbedingt unter Einhaltung der in den jeweiligen Ländern herrschenden Gesetze, daher legal erhoben sein müssen. Sofern der Kunde die ausdrückliche Zustimmung erteilt, dass die Fa. D T Adressdatensätze an Dritte, wie z.B. die Fa. M, weitergibt, erhalte die M eine vollständig ausgefüllte Kundendatei, beinhaltend vor allem auch die Kontoverbindung des Kunden. Erst zu diesem Zeitpunkt und nur unter der Voraussetzung, dass der Fa. M ein vollständiger Adressdatensatz mit Kundendaten und der ausdrücklichen Zustimmung zur weiteren Verwendung durch den Kunden vorliege, werde ein Zweitanruf durch die Fa. M vorgenommen. Dass bei Übermittlung eines vollständigen Adressdatensatzes auch von der Zustimmung des Kunden zu einem Zweitanruf ausgegangen werden darf, ergäbe schon der Umstand, dass der Kunde widrigenfalls seine Daten, insbesondere auch die Kontoverbindung, sicherlich nicht bekannt gegeben hätte. Sofern jedoch der Kunde keine ausdrückliche Zustimmung zu einem Zweitanruf gegenüber der Fa. D T abgegeben hat, erfolge von der Fa. M kein Anruf.

 

Der Bwin lägen lediglich hinsichtlich Frau S vollständige Datensätze vor und sei diese in Folge Zustimmung zu einem Anruf durch die Fa. M auch angerufen worden. Die übrigen in den Straferkenntnissen angeführten Personen seien der Bwin unbekannt, es lägen diesbezüglich keine Datensätze vor und wären diese Personen auch nicht von der Fa. M angerufen worden.

 

In rechtlicher Hinsicht (Punkt V.) wird gerügt, dass die Straferkenntnisse der belangten Behörde mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet seien.

 

Unter A. wird in der Berufung als auffallend kritisiert, dass die belangte Behörde ihre Straferkenntnisse auf vier unterschiedliche Weisen zu begründen versuche, obwohl die Behörde vorwegnehme, dass es sich inhaltlich im wesentlichen um gleichartige Causen handle.

 

In den Straferkenntnissen zu den Zlen. BMVIT-635.540/0080, 0081 und 0082/07 sollte die Bwin zunächst noch als unmittelbare Täterin haften, in der folgenden Berufungsvorentscheidung sei die Behörde plötzlich zu einer Verantwortlichkeit wegen Bestimmungs- und Beitragstäterschaft übergegangen, obwohl eine Kumulierung dieses Vorwurfs nicht denkbar sei.

 

Die Straferkenntnisse vom 14. April 2008, Zlen. BMVIT-635.540/0290, 0304 und 0347/08 habe die Strafbehörde mit einer Verletzung der Aufsichtspflicht begründet, weshalb § 9 VStG einschlägig wäre. Am 15. April 2008 und damit nur einen Tag später hätte die belangte Behörde in den Straferkenntnissen zu Zlen. BMVIT-635.540/0115, 0144, 0252, 0254, 0265, 0266 und 0448/08 die Bwin als Anstiftungstäterin angesehen.

 

Als unmittelbare Täterin komme die Bwin nunmehr offensichtlich auch für die belangte Behörde nicht mehr länger in Betracht. Auch die Ansicht der belangten Behörde, dass im Ankauf von Adressdatensätzen von einer anderen Unternehmung eine Bestimmungs- oder Beitragstäterschaft liege, sei bereits im Vorlageantrag an den unabhängigen Verwaltungssenat vom 29. Mai 2007 ausführlich widerlegt worden und erlaube sich die Bwin darauf zu verweisen.

 

Die nunmehrigen Straferkenntnissen zu den Zahlen BMVIT-635540/0401, 0477 und 0478/08 begründe die belangte Behörde mit einer Verletzung der Aufsichtspflicht, weshalb § 9 VStG einschlägig sei. Zu diesem Vorwurf der Verletzung der Aufsichtspflicht bringt die Bwin vor, dass sie als Geschäftsführerin der Fa. M dafür sorge, dass beim Betrieb ihres Unternehmens die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere auch des Verwaltungsrechts, eingehalten werden. Soweit von der M Anrufe getätigt werden, erfolgten diese nur in jenen Fällen, in denen eine Zustimmung der Anzurufenden und ein vollständiger Adressdatensatz vorliegen.

 

Der belangten Behörde sei Recht zu geben, dass die Abwälzung strafrechtlicher Verantwortlichkeit ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich ist. Der Geschäftsführer der D T könne demnach nicht verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs 2 bzw. 4 VStG sein. Die Berufung wirft dann die rhetorische Frage auf, ob dem gegenüber (nach Meinung der belangten Behörde) die Geschäftsführerin der Fa. M verantwortliche Beauftragte für eine andere Firma wie die D T sein könne und zwar allein auf Grund der Tatsache des Ankaufs von Adressdatensätzen. Solche würde im Übrigen auch von einigen anderen Unternehmen angekauft. Die Schranken der strafrechtlichen Verantwortlichkeit für die Beschuldigte als Geschäftsführerin der Fa. M würden dabei verkannt werden.

 

Sofort nach Bekanntwerden des ersten bei der belangten Behörde anhängigen Falles sei mit der D T Kontakt aufgenommen und auf die Einhaltung der Geschäftsvereinbarung nachdrücklich hingewiesen worden. Im gesamten Zeitraum von März bis September 2007 sei keine einzige Anzeige an die belangte Behörde herangetragen worden. Selbst bei Zugrundelegung der irrigen Rechtsansicht, die Bwin habe ihre Aufsichtspflicht verletzt, wäre dieser Umstand als Entlastung der Bwin zu beurteilen gewesen.

 

Im Punkt B. tritt die Berufung der belangten Behörde auch insoweit entgegen, als sie im Ergebnis die vorgeworfenen Gesetzesverletzungen auch für subjektiv zurechenbar hält. Die belangte Behörde versuche seitenlang zu begründen, dass die Bwin zumindest in Kauf genommen hätte, dass durch Erfüllungsgehilfen der Fa M und durch die M selbst bei jeder sich bietenden Gelegenheit die gesetzlichen Bestimmungen verletzt würden. Schon aus dieser Formulierung ergebe sich, dass die belangte Behörde nicht zwischen einer zivilrechtlichen Haftung im Sinne einer Erfüllungsgehilfenhaftung und einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit für fremdes Handeln differenziert. Durch keinerlei Feststellungen sei belegt, dass die Fa. M bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoße. Auch sei nicht ersichtlich, wie die belangte Behörde zu dieser Feststellung komme. Es sei bezeichnend für das Verfahren, wenn die Behörde aus dieser von ihr aufgestellte Behauptung das Vorliegens eines bedingten Vorsatzes der Bwin zu begründen versuche.

 

Sofern tatsächlich in einigen Fällen ein Irrtum über das Vorliegen einer Zustimmung des Angerufenen vorliege, so wäre dies allenfalls als Fahrlässigkeit der Bwin zu beurteilen. In diese Richtung habe die belangte Behörde jedoch keine Ermittlungen angestellt. Keinesfalls habe die Bwin Gesetzesverletzungen durch ihre Unternehmung in Kauf genommen.

 

Auffallend sei, dass die belangte Behörde zur Frage der Abwälzung strafrechtlicher Verantwortlichkeit auf andere Personen insgesamt 9 Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs anführt, die alle nicht auf den gegenständlichen Sachverhalt zutreffen würden. Die Verpflichtung zur Überwachung eines rechtsgeschäftlich "außer Haus" beauftragten Dritten können entgegen der belangten Behörde gerade nicht angenommen werden. Denn es sei nicht so, dass die D T auf Grund eines Vertrags für die Bwin akquiriert. Diese habe keinen Auftrag zu akquirieren. Vielmehr würden lediglich bestehende Datensätze von der D T so wie auch von anderen Unternehmen angekauft. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die D T einen Auftrag zu einem Tun im Sinne des Akquirierens von Datensätzen hätte. Es handle sich lediglich um einen Kaufvertrag mit einem dritten Unternehmen, weshalb eben nicht Aufgaben rechtsgeschäftlich außer Haus durchgeführt werden würden.

 

Unter Punkt C. wird vorgebracht, dass es der Bwin überdies auch an dem erforderlichen Unrechtsbewusstsein mangle. Diese Voraussetzung der Vorwerfbarkeit sei im Gegensatz zur Ansicht der belangten Behörde nicht schon dadurch erfüllt, dass der Bwin der Tatbestand des § 107 Telekommunikationsgesetz bekannt ist. Jeder Rechtsunterworfene habe die Gesetze zu kennen und könne sich auch nicht mit deren Unkenntnis entlasten. Die Bwin halte sämtliche Verwaltungsvorschriften ein und sei der Ansicht, dass sie nicht für allfällige Gesetzesverletzungen anderer Unternehmungen einzustehen habe, auf welche sie gar keinen Einfluss habe.

 

2.4. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt und im Vorlageschreiben ohne weitere Argumentation behauptet, dass in der Berufung keine Gründe angeführt worden wären, die ein Abgehen von der getroffenen Entscheidung erforderlich gemacht hätte.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsstrafakt. Nach dessen Durchsicht war im Hinblick auf das unwiderlegte Berufungsvorbringen und die in gleichgelagerten Berufungsverfahren ergangenen Erkenntnisse des Oö. Verwaltungssenats (vgl VwSen-390258 und 390259 vom 14.01.2009; VwSen-390243 vom 27.05.2009, VwSen-390245 vom 28.05.2009 und VwSen-390246 vom 29.05.2009) festzustellen, dass das angefochtene Straferkenntnis schon nach der Aktenlage aufzuheben ist.

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 107 Abs 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) sind Anrufe - einschließlich das Senden von Fernkopien – zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers unzulässig. Der Einwilligung des Teilnehmers steht die Einwilligung einer Person, die vom Teilnehmer zur Benützung seines Anschlusses ermächtigt wurde, gleich. Die erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden; der Widerruf der Einwilligung hat auf ein Vertragsverhältnis mit dem Adressaten der Einwilligung keinen Einfluss.

 

Nach dem § 109 Abs 3 Z 19 TKG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 37.000 Euro zu bestrafen,

 

wer entgegen § 107 Abs 1 Anrufe zu Werbezwecken tätigt.

 

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den Erk. verst. Senate VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2003], 1522, Anm 2 zu § 44a VStG).

 

Der Vorschrift des § 44 a Z 1 VStG ist dann entsprochen, wenn dem Beschuldigten im Spruch des Straferkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen.

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.3. In vorangegangenen Straferkenntnissen (Zlen. BMVIT-635540/0080, 0081 und 0082/08), die vom erkennenden Verwaltungssenat aufgehoben wurden (vgl h. Erk. VwSen-390193 vom 19.05.2008; VwSen-390194 vom 20.05.2008 und VwSen-390195 vom 21.05.2008), hatte die belangte Behörde zunächst eine rechtswidrige Werbeanrufpraxis der Fa. M vermutet und die Bwin dafür im Wege des § 9 Abs 1 VStG verantwortlich gemacht. Auf Grund des damals wie heute gleichen Berufungsvorbringens, wonach der erste telefonische Kontakt durch Bedienstete des Unternehmens D T hergestellt werde und die Fa. M daraufhin Adressedatensätze erhalte, führte die belangte Behörde ein ergänzendes Ermittlungsverfahren zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung durch, in der sie schließlich selbst davon ausging, dass das Werbetelefonat durch die Fa. Direkt Tip von Spanien aus geführt wurde und die Daten der angerufenen Personen an die Fa. M weitergeleitet wurden, welche dann in einem Zweitanruf Kontakt aufnimmt, um einen Vertrag zur Teilnahme an einer Lottospielgemeinschaft abzuschließen.

 

Die belangte Behörde ist daraufhin von der ursprünglich angenommenen Verantwortung der Bwin gemäß § 9 Abs 1 VStG als Geschäftsführerin der Fa. M abgegangen und nahm nachträglich eine Beteiligung gemäß § 7 VStG an den Übertretungen von Mitarbeitern der Firma D T an. Dementsprechend tauschte sie den Tatvorwurf in der Berufungsvorentscheidung einfach aus. Die Fernmeldebehörde hatte es verabsäumt, vor der Erlassung des Straferkenntnisses eine Rufdatenerhebung durchzuführen, obwohl ihr bereits aus anderen gleichgelagerten Verfahren bekannt sein musste, dass derartige Werbeanrufe nicht von der Firma M, sondern von der Firma D T von Spanien aus durchgeführt worden waren. Die zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Erhebungen wurden von der Fernmeldebehörde nicht durchgeführt.

 

Die Berufungsvorentscheidung mit dem unzulässiger Weise ausgetauschten Tatvorwurf war schon gemäß § 64a Abs 3 AVG durch den Vorlageantrag ex lege außer Kraft getreten. Der Oö. Verwaltungssenat hatte daher nur mehr festzustellen, dass die Bfin nicht nach § 9 Abs 1 VStG verantwortlich sein könne, weil feststand, dass kein Mitarbeiter der Fa. M den angelasteten Werbeanruf tätigte.

 

4.4. Im vorliegenden Fall geht aus der Anzeige in Verbindung mit der Teilnahmebestätigung von "get4more" hervor, dass die Angerufene am 10. März 2008 um ca. 11:30 Uhr einen Werbeanruf von einer gewissen Frau P G (wahrscheinlich Mitarbeiterin von "get4more") erhalten hatte. Diese überredete sie zum Abschluss eines Lottospielvertrages mit der Fa. M. In diesem Telefonat gab die Anzeigerin offenbar, wie aus der Teilnahmebestätigung klar hervorgeht, ihre persönlichen Daten samt Internetadresse ebenso wie ihre Kontoverbindung bekannt und wählte die Option "Onlinekunde" mit der Möglichkeit zur Information über Lottoscheine/Gewinnübersicht unter der Internetadresse www.get4more bzw unter Punkt >Mein get4more Konto<.

 

Die belangte Behörde ging nicht davon aus, dass der verfahrensgegenständliche Werbeanruf unmittelbar von der Fa. M veranlasst wurde. Ein konkretes Beweisergebnis, das ein rechtswidriges Zusammenwirken der Fa. M und einer Fa. "get4more" oder der auch aus anderen Verfahren bekannten Fa. D T bei der Kundenakquirierung dokumentierte, ist dem vorgelegten Verwaltungsakt auch nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde nahm im angefochtenen Straferkenntnis an, dass das Werbegespräch mit Frau E S durch die Mitarbeiterin eines Vertragsunternehmens (zB D T) der Fa. M geführt worden ist.

 

Wie im Folgenden noch näher darzulegen sein wird, enthält das angefochtene Straferkenntnis keinen rechtlich schlüssigen Tatvorwurf. Auch wenn die belangte Behörde, tendenziell wohl in Richtung der Beteiligungsregelung des § 7 VStG schielend, zur Begründung ausführt, die Bwin hätte unter Vernachlässigung ihrer Aufsichtspflichten als Geschäftsführerin "in Kauf (genommen), dass durch Erfüllungsgehilfen der Fa. M bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen wird", vermag dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich derartige Formulierungen auf keine ausreichenden Beweisergebnisse stützen konnten, um der Bwin ein allenfalls strafwürdiges Verhalten im Gesamtzusammenhang unter dem Aspekt des § 7 VStG nachzuweisen.

 

4.5. Die belangte Behörde bringt im Spruch zum Ausdruck, dass die Bwin als Geschäftsführerin der Fa. M einen Anruf zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers zu verantworten habe, "indem ein Mitarbeiter (angeblich Fr. P G) eines von der Fa. M beauftragten Unternehmens ein Gespräch mit Frau E S bezüglich Werbung für die Teilnahme an einem Gewinnspiel der Fa. M geführt hat.". Diese aus der Geschäftsführertätigkeit abgeleitete Aufsichts- und Kontrollverantwortlichkeit der Bwin für "Erfüllungsgehilfen der Fa. M" wird von der belangten Behörde in der Begründung des Straferkenntnisses noch vertiefend dargestellt.

 

Die belangte Behörde überdehnt mit ihrer Argumentation die Reichweite des § 9 VStG deutlich. Sie versucht auf den Punkt gebracht, den § 9 Abs 1 VStG einerseits im Wege der Analogie (strafrechtliche Geschäftsführerhaftung für Erfüllungsgehilfen wie für eigene Mitarbeiter) auszudehnen und andererseits als Mittel zur Umgehung der strengeren Haftungsvoraussetzungen der Beteiligungsregelung des § 7 VStG zu instrumentalisieren, um Beweisschwierigkeiten zu vermeiden. Diese Vorgangsweise ist mit dem im Strafrecht herrschenden Grundsatz "nullum crimen sine lege" grundsätzlich nicht vereinbar. Im Einzelnen ist dem entgegen zu halten:

 

4.5.1. Verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Pflichten können bei juristischen Personen nicht in gleicher Weise wie bei natürliche Personen durchgesetzt werden, weil im geltenden Schuldstrafrecht die Schuld des Täters für Strafe vorausgesetzt wird. Der Gesetzgeber hat deshalb mit § 9 VStG eine Regelung getroffen, die dennoch die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen und die strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Zuwiderhandlungen gewährleistet. Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften ist grundsätzlich nach § 9 Abs 1 VStG strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Der Verfassungsgerichtshof ist in VfSlg 15.200/1998 davon ausgegangen, dass die einschlägigen verfassungsrechtlichen Garantien ( Art 90 ff B-VG, Art 6 und Art 7 EMRK) ganz selbstverständlich und daher unausgesprochen auch den Grundsatz voraussetzten, dass strafrechtliche Verantwortlichkeit nur an eigenes Verhalten angeknüpft sein darf. Die Verfassungskonformität eines als "Unternehmensstrafrecht" konstruierten Geldbußensystems hängt somit davon ab, inwieweit dabei echte "Strafen" verhängt werden und Verhalten sanktioniert wird, das der juristischen Person selbst zurechenbar ist (vgl mwN Walter/Mayer/Kuscsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht10 [2007] Rz 1557).

 

Soweit eine juristische Person Adressat einer Verwaltungsstrafnorm ist, treten an ihre Stelle die zur Vertretung nach außen berufenen Personen oder allfällige verantwortliche Beauftragte. Dabei ist das Organ auch dann verantwortlich, wenn das Tatbild durch andere Personen verwirklicht wird, weil es nicht genügend Vorkehrungen getroffen hat, um die Verwirklichung des Tatbildes durch den unmittelbaren Täter zu verhindern. Es kann aber nur für solche Verhaltensweisen Dritter bestraft werden, die der juristischen Person zurechenbar sind (vgl näher Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 [2000], Anm 3 zu § 9 VStG).

 

Die Bestrafung des verantwortlichen Organs setzt zwar die vom unmittelbaren Täter begangene Tat voraus, gründet sich aber auf Seiten des verantwortlichen Organs auf ein anderes Verhalten. Wie Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht3 [2004], 405, zutreffend ausführt, darf § 9 VStG nicht in verfassungswidriger Weise als strafrechtliche Verantwortung für fremdes Verhalten verstanden werden. Vielmehr folgt aus dieser Vorschrift ein spezifisches Unterlassungsdelikt, das bei der Pflicht der Organe der juristischen Person ansetzt, die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln sicherzustellen. Die Strafbarkeit des verantwortlichen Organs gründet auf dem Vorwurf, dass dieses schuldhaft keine ausreichenden Vorkehrungen getroffen hat, um die Tat des unmittelbaren Täters zu verhindern.

 

Die gegenständliche Frage, ob der Außenvertretungsbefugte einer juristischen Person oder eingetragenen Personengesellschaft gemäß § 9 Abs 1 VStG für ein tatbestandsmäßiges Verhalten von Dienstnehmern anderer juristischer Personen oder Personengesellschaften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann, ist demnach schon aus verfassungsrechtlichen Gründen zu verneinen.

 

Diese besondere Verantwortung von Organen nach § 9 VStG ist naturgemäß auf den Rahmen der juristischen Person oder eingetragenen Personengesellschaft beschränkt und kann daher nur zum Tragen kommen, wenn andere Personen innerhalb der Organisation der juristischen Person den strafbaren Tatbestand verwirklichen (vgl bereits die Erkenntnisse VwSen-390241 und 390242/5/SR/Sta sowie VwSen-390258 und 390259/5/SR/Sta je vom 14. Jänner 2009)

 

4.5.2. Im Gegensatz zu den bisherigen Darlegungen hat die belangte Behörde ganz allgemein eine Aufsichtspflicht und strafrechtliche Verantwortlichkeit angenommen, die die Geschäftsführung eines Unternehmens auch für fremde Dienstnehmer von Vertragsunternehmen und für Erfüllungsgehilfen treffe. Die Bwin hätte sich daher nach Ansicht der belangten Behörde vergewissern müssen, ob die vorherige Zustimmung zum Werbeanruf des vom Vertragsunternehmen angerufenen Teilnehmers tatsächlich vorliegt.

 

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Straferkenntnis Leitsätze aus insgesamt 9 Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage eines sog. wirksamen Kontrollsystems wiedergegeben (beispielsweise VwGH vom 14.12.1998, 98/17/0309: "Die Abwälzung strafrechtlicher Verantwortlichkeit auf andere Personen ist ohne gesetzliche Grundlage nicht möglich"). Die belangte Behörde hat verkannt, dass diese zum Kontrollsystem ergangene Judikatur immer von Aufsichts- und Kontrollpflichten ausgeht, die einen Unternehmer oder ein Organ einer juristischen Person im Rahmen der eigenen Organisation unzweifelhaft selbst treffen. Diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, die auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden ist, verfolgte nicht das verfassungsrechtlich bedenkliche Ziel, die Reichweite des § 9 VStG auszuweiten. In dem Zusammenhang kann dem Verwaltungsgerichtshof nicht unterstellt werden, dass er mit seinen Ausführungen zum Kontrollsystem auch eine Strafbarkeit des zur Vertretung nach außen berufenen Organs für das Fehlverhalten von Dienstnehmern eines Dritten begründen wollte. Wie bereits dargelegt, würde dies im Ergebnis zu einer unzulässigen Ausweitung der Strafnorm führen und letztlich auch einen Verstoß gegen den Grundsatz "nullum crimen sine lege" bedeuten.

 

Bereits in den einschlägigen Erkenntnissen des Unabhängigen Verwaltungssenats des Landes Oberösterreich VwSen-390241 und 390242/5/SR/Sta und VwSen-390258 und 390259/5/SR/Sta je vom 14. Jänner 2009 wurde der belangten Behörde Folgendes entgegen gehalten:

 

"Zur Verdeutlichung ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof den Aufbau eines entsprechenden Kontrollsystems in solchen Fällen gefordert hat, in denen "rechtsgeschäftliche Aufgaben `außer Haus´ durch Dritte durchgeführt werden sollen". Eingeschränkt ist die Überwachungspflicht aber auf die Dritten übertragene Aufgaben, die eine Voraussetzung für die Erfüllung eigener Verpflichtungen sind (dazu VwGH vom 14.12.1998, Zl. 98/17/0309: Mit der rechtsgeschäftlichen Weitergabe vorbereitender Tätigkeiten kann dem Dritten nicht auch eine dem Übertragenden selbst von Gesetzes wegen treffende Verpflichtung [z.B.: Erstattung der Anzeigenabgabe] überbunden werden.). Unbestritten können eigene gesetzliche Verpflichtungen rechtsgeschäftlich nicht delegiert werden.

 

Telefonmarketing stellt innerhalb des gesetzlichen Rahmens eine erlaubte Tätigkeit dar. Die vertragliche Beauftragung eines selbständig und eigenverantwortlich tätigen Dritten, Kunden für ein bestimmtes Unternehmen oder einen bestimmten Zweck zu werben, kann weder als eine Weitergabe vorbereitender Tätigkeiten noch als die Übertragung von einem selbst treffende gesetzliche Verpflichtung angesehen werden."

 

Deshalb trifft nicht einmal die schon auf verbotener Analogie beruhende These der belangten Behöre zu, dass die Fa. M strafrechtlich verantwortlich sein könnte, weil sie mit Erfüllungsgehilfen arbeite, um eigene Verpflichtungen zu erfüllen. Denn nach der Bestimmung des § 1313a ABGB haftet auch schadenersatzrechtlich nur für Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient (sog. Erfüllungsgehilfenhaftung), wer einem anderen zu einer Leistung verpflichtet ist. Wie in der Berufung ausgeführt wird und nach der vorliegenden Aktenlage auch unbestritten erscheint, betreibt die Fa M aber selbst keine "Kundenakquirierung" mittels Telefonmarketing, sondern hat diese unternehmerische Tätigkeit auf selbständige Unternehmen wie zB die spanische Fa. D T s.l. ausgelagert, die für die Beschaffung von vollständigen Adressdatensätzen einschließlich der Zustimmung des Kunden zur Datenverwendung bezahlt werden (Ankauf von Datensätzen). Nur in diesem Fall finde nach der Darstellung der Berufung, die von der belangten Behörde nicht widerlegt werden konnte, ein Zweitanruf durch die Fa. M statt. Es geht demnach nicht um die Erfüllung eigener Verpflichtungen mit Hilfe eines Subunternehmers, sondern um die Auslagerung des gesamten Bereichs "Telefonmarketing" auf eigenverantwortlich tätige Unternehmen als Geschäftspartner, von denen nach der unwiderlegten Berufungsdarstellung auch die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen gefordert wird.

 

4.6. Unmittelbarer Täter einer Verwaltungsübertretung nach § 109 Abs 3 Z 19 iVm § 107 Abs 1 TKG ist der Anrufer, der ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers Anrufe (einschließlich das Senden von Fernkopien) zu Werbezwecken vornimmt. Nur an diesem Tatbild kann sich der Tatvorwurf orientieren.

 

Nach der Aktenlage ist die belangte Behörde selbst nicht davon ausgegangen, dass der gegenständliche Werbeanruf von einem Dienstnehmer der Fa. M durchgeführt wurde. Auch wenn in der Anzeige und in der Teilnahmebestätigung die Fa. M als Vertragspartner eines Lottospielvertrages genannt wird, bedeutet dies noch nicht, dass auch der Anruf von der Fa. M kommen musste. Ein diesbezügliches Beweisergebnis ist nicht bekannt geworden. Die belangte Behörde hat dazu auch keine eindeutigen Feststellungen getroffen.

 

Nach der wiederholt vorgetragenen Rechtfertigung der Bwin ist die Fa. M in die Kundenakquisition nicht eingebunden (vgl Niederschrift vom 13.04.2007, Zlen. BMVIT-635.540/0080 bis 0082/07; Stellungnahme vom 26.04.2007; vorliegende Berufung). Diese Verantwortung konnte von der belangten Behörde bisher nicht widerlegt werden. Deshalb ist davon auszugehen, dass Werbeanrufe zur Kundenakquisition ausschließlich von Dienstnehmern von vertraglich beauftragten Unternehmen getätigt werden, auf die die Fa. M keinen direkten Einfluss nehmen kann. Auch gegenüber der Fa. D T könnte die Fa. M bei fehlender Zustimmung von Telefonteilnehmern zum Werbeanruf und zur Datenverwendung nur die Bezahlung der jeweiligen Adressdatensätze verweigern und allenfalls eine Vertragsauflösung betreiben. Andere rechtliche Einflussmöglichkeiten, vor allem aber unmittelbare Durchgriffsmöglichkeiten sind nicht ersichtlich.

 

Da im vorliegenden Fall der Nachweis eines Werbeanrufs durch einen Dienstnehmer der Fa. M nicht erbracht wurde und der Bwin unter Hinweis auf ihre Stellung als ein zur Vertretung der Fa. M nach außen berufenes Organ gemäß § 9 Abs 1 VStG ein gesetzwidriges und strafbares Verhalten von Dienstnehmern anderer Unternehmen, die das Telefonmarketing eigenverantwortlich wahrnehmen, nicht zum Vorwurf gemacht werden kann, ist das Straferkenntnis inhaltlich rechtswidrig. Eine Haftung für fremdes Fehlverhalten ist im Schuldstrafrecht schlechthin ausgeschlossen und im Zivilrecht auch nur unter den Voraussetzungen der Schadenersatzregelungen der §§ 1313a und 1315 ABGB möglich.

 

Einen Vorwurf im Hinblick auf die Beteiligungsregelung des § 7 VStG hat die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis nicht erhoben. Mangels geeigneter Tatsachenfeststellungen und aktenkundiger Beweisergebnisse erübrigt sich eine weitere Erörterung dieses Themas.

 

5. Im Ergebnis steht daher schon nach der Aktenlage fest, dass die beschuldigte Bwin die im Straferkenntnis angelastete Tat so nicht begangen haben konnte. Deshalb war der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und mangels einer nachgewiesenen Verwaltungsübertretung sowie aus rechtlichen Gründen die Einstellung des Strafverfahrens nach dem § 45 Abs 1 Z 1 und Z 2 VStG zu verfügen.

 

Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG auch die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

 

Dr. W e i ß

 

 

Rechtssatz wie VwSen-390258 und 390259 vom 14. Jänner 2009

 

 

 

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