Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-163791/11/Bi/Se

Linz, 09.07.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn R R, G, vertreten durch Herrn RA Dr. W A, F, vom 22. Dezember 2008 gegen das Straf­erkenntnis des Bezirkshaupt­mannes von Grieskirchen vom 28. November 2008, VerkR96-8749-2008, wegen Übertretungen der StVO 1960, aufgrund des Ergeb­nisses der am 17. Juni 2009 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungs­verhandlung (samt mündlicher Verkündung der Berufungs­entscheidung) zu Recht erkannt:

 

I.  Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis in beiden Punkten hinsichtlich Schuld- und Strafausspruch bestätigt.

 

II. Der Rechtsmittelwerber hat zusätzlich zu den Verfahrenskosten der Erstinstanz Beträge von 1) 49 Euro und 2) 37 Euro, zusammen 86 Euro, ds jeweils 20 % der verhängten Strafen, als Kostenbeitrag zum Rechts­mittelverfahren zu leisten.

 

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51i und 19 VStG

zu II.: § 64 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

Zu I.:

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurden über den Beschuldigten wegen Verwaltungsübertretungen gemäß 1) §§ 52 lit.a Z10 lit.a iVm 99 Abs.2c Z9 StVO 1960 und 2) §§ 20 Abs.2 iVm 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 Geldstrafen von 1) 245 Euro (102 Stunden EFS) und 2) 185 Euro (78 Stunden EFS) verhängt, weil er am 6. Juli 2008 auf der Gallspacher Straße B135 in Fahrtrichtung Gries­kirchen als Lenker des Kraftfahrzeuges, Ford Mondeo,      

1) um 14.53 Uhr im Gemeindegebiet von Meggenhofen auf Höhe des Strkm 5.000 der B135 die dort verfügte und durch Vorschriftszeichen kundgemachte Ge­­schwin­digkeitsbeschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit) von 60 km/h wesent­lich (um 52 km/h nach Abzug der Verkehrsfehlergrenzen) und

2) kurz nach 14.53 Uhr im Gemeindegebiet von Gallspach auf Höhe des Strkm 3.500 der B135 die auf Freilandstraßen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h wesentlich (um 46 km/h nach Abzug der Verkehrsfehlergrenzen) über­schritten habe.

Gleichzeitig wurden ihm Verfahrenskostenbeiträge von gesamt 43 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Am 17. Juni 2009 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsvertreters des Bw RA Dr. W A, des Zeugen Meldungsleger CI R B (Ml) und des kfztechnischen Amtssachverständigen Dipl.HTL-Ing. R H durchgeführt. Der Bw war ebenso wie der Vertreter der Erstinstanz ent­schuldigt. Die Berufungsentscheidung wurde mündlich verkündet.

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, er habe der Aufforderung zur Recht­fertigung entsprochen und anwaltlich vertreten unter Vollmachts­bekanntgabe und mit Antrag auf Akteneinsicht einen Schriftsatz samt Beweisanträgen einge­bracht, der auch rechtzeitig vor Frist­ablauf bei der Erstinstanz eingelangt aber nicht berücksichtigt worden sei. Das Straferkenntnis sei ohne rechtliches Gehör ergangen und wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften rechtswidrig. Der be­an­tragte Eichschein sei wie die Bedienungsanleitung des in der Anzeige genann­ten Messgerätes der Messart ProViDa mit Videoaufzeichnung nicht vorge­legt worden. Es könne sein, dass er bei seiner Anhaltung eine überhöhte Ge­schwin­digkeit eingestanden habe, aber die nunmehr dargestellte Größen­ordnung sei für ihn nicht vorstellbar. Beantragt wird die Einholung eines SV-Gutachtens zum Beweis dafür, dass das Messgerät nicht der Bedienungsanleitung entsprech­end bedient worden sei, woraus sich ergeben werde, dass "die Messung unrichtig sei oder der Tiefenabstand gewechselt habe und dergleichen mehr". Die Ver­wendungsbe­stimmungen für das verwendete Messgerät seien nicht vorgelegt und die Mess­unsicherheit des Gerätes nicht eruiert worden. Beantragt wird Einsicht­nahme in das Video, zumal dies zum "Zeitpunkt der Tathandlung" nicht möglich gewesen sei, woraus sich der Schluss auf die Fehlerhaftigkeit der Geschwindig­keitsmessung ergebe. Der Ml möge zum Beweis dafür einvernommen werden, dass die Videoaufnahme nicht vorgeführt werden habe können und ein "ent­sprech­ender" Defekt vorhanden gewesen sei und die Bedienung nicht ordnungs­gemäß und den Verwendungsbestimmungen und der Bedienungsan­leitung ent­sprech­end erfolgt sei. Die Einholung eines Gutachtens eines Amts­sach­­ver­­­stän­digen aus dem Fachgebiet der Messtechnik werde auch zum Beweis da­­für beantragt, dass die Einschulung nicht nach den Verwendungsbestimm­ungen bzw der Bedienungsanleitung gemäß erfolgt sei, wann sie erfolgt sei und ob sie dem neuesten Stand der Technik entsprechend durchgeführt worden sei und anhand der aktuellen Verwendungsbestimmungen und der Bedienungsan­leitung.

Zur Anzeige falle hinsichtlich Tatzeit auf, dass die 1. Übertretung um 14.53 Uhr und die 2. zur gleichen Zeit begangen worden sei, obwohl zwischen den beiden behaupteten Verwaltungsübertretungen 1,5 km lägen. Die Tatvorwürfe "14.53 Uhr" und "kurz nach 14.53 Uhr" stünden damit nicht im Einklang und die Einvernahme des Ml werde auch dazu beantragt, dass die Tatvorwürfe hinsicht­lich Zeit nicht richtig sein könnten.

Die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h sei offensichtlich nicht ord­nungs­gemäß kundgemacht und werde die Einholung der entsprechenden Verord­nung beantragt zum Beweis "der nicht ordnungsgemäßen Kundmachung". Das Straferkenntnis leide an Verfahrensmän­geln und sei inhaltlich rechtswidrig. Bean­tragt wird die Behebung des Strafer­kennt­nisses und Verfahrenseinstellung, in eventu in Anwendung des § 21 VStG ein Absehen von der Verhängung einer Strafe, in eventu Strafherabsetzung.

 

Mit Schriftsatz vom 25. Februar 2009 wurde die Berufung dahingehend ergänzt, dass auf die Entscheidung des VfGH vom 9. Dezember 2008, GZ B1944/07-9, verwiesen und geltend gemacht wurde, auch die ggst Videoaufzeichnung spei­chere personenbezogene Daten, wofür aber keine gesetzliche Ermächtigung gegeben sei, sodass ein Eingriff in das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums erblickt und Bescheidaufhebung begehrt werde.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Durchführung einer öffentlichen münd­­lichen Berufungsverhandlung, bei der der Rechtsvertreter des Bw gehört, die Ausführungen der Erstinstanz in der Begründung des angefochtenen Straf­erkenntnisses berücksichtigt, der Ml unter Hinweis auf die Wahrheitspflicht des § 289 StGB zeugenschaftlich einvernommen, die Videoaufzeichnung mehr­mals angesehen und mit dem Ml und dem SV ausführlich erörtert und vom SV auf dieser Grundlage ein kfz-technisches Gutachten zur Frage der technischen Nach­vollziehbarkeit der Tatvorwürfe erstellt wurde. Außerdem wurde die zugrun­de­liegende Verordnung und anhand des Videos die Kundmachung eingesehen sowie die im Anhang zur Berufung vom Rechtsvertreter vorgebrachten Datenschutz-Argumente anhand des Videos erörtert.

 

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Der Ml lenkte am Sonntag, dem 6. Juli 2008, gegen 14.53 Uhr das Zivilstreifen­fahrzeug BP-, einen Skoda Superb mit dem eingebauten Geschwindig­keits­messgerät ProViDa des Herstellers Multanova, Identifikationsnr.214029, zuletzt vom Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen geeicht am 26. Jänner 2007 mit Nacheichfrist bis 31. Dezember 2010, auf der B135 Gallspacher Straße von der Autobahnabfahrt A8/Meggenhofen kommend in Richtung Gallspach. Dabei schloss er in einem Baustellenbereich – die 50 km/h-Geschwindigkeitsbe­schrän­kung ist in der Videoaufzeichnung gut zu erkennen – auf den Pkw GR- auf, der sich augenscheinlich mit größerer Geschwindigkeit vom Polizei­fahr­zeug ent­fernte, sodass die Nachfahrt unter Verwendung des im Polizeifahr­zeug einge­bau­ten geeichten Geschwindigkeitsmessgerätes begann. Der Ml er­läuterte in der münd­­li­chen Verhandlung zeugenschaftlich anhand des Videos die beim Pkw  beobachteten Geschwin­digkeitsüberschreitungen im Straßenabschnitt der B135 zwischen der Autobahnabfahrt Meggenhofen und dem Ort der Anhaltung.

Aus dem Video ist erkennbar die Beschleunigung des vom Bw gelenkten Pkw nach dem Ende der baustellenbedingten 50 km/h-Beschränkung, wobei sich zur Tatzeit 14.53.00 Uhr der Pkw bereits in der 60 km/h-Beschränkung, die bei km 5.050 der B135 beginnt, befand. Nach dem Ende der 60 km/h-Beschränkung im bei km 4.466 beginnen­den 100 km/h-Bereich beschleunigte der Bw schließlich massiv um 14.53.18 Uhr – die Geschwindigkeit 154 km/h ist rechts unten eingeblendet und stellt die Eigengeschwindigkeit des Polizeifahrzeuges dar, während in der Video­aufzeich­nung einwandfrei erkennbar ist, dass der Bw sich vom nachfahrenden Polizei­fahrzeug entfernt. Um 14.53.48 Uhr, immer noch im 100 km/h-Bereich, schließt der Bw auf mehrere langsamere Kraftfahrzeuge auf und ist dadurch gezwungen, seine Geschwindigkeit zu verlangsamen, sodass die Anhaltung unmittelbar darauf erfolgt.

Der Ml führte in der Verhandlung aus, die Videoaufzeichnung werde durch Knopf­druck begonnen und der Monitor befinde sich in der Konsolenmitte des Polizei­fahrzeuges, sodass es sowohl ihm als auch seinem damaligen Beifahrer CI H möglich gewesen sei, die Aufzeichnung zu starten. Die Amtshandlung habe er ­geführt, könne sich aber nicht erinnern, dass der Bw verlangt habe, das Video zu sehen, was aber wegen eines technischen Defekts nicht möglich gewesen sei. Er habe dem Bw sowohl die Überschreitung der erlaubten Höchst­geschwindigkeit im 60 km/h-Bereich als auch die Überschreitung der erlaubten 100 km/h im Straßenabschnitt danach vorgeworfen und der Bw habe gar nichts abgestritten, sondern sich damit verantwortet, er hab es eilig, zumal er von der Polizei wegen zu entfernender Plakate im Zusammenhang mit der Feuerwehr angerufen worden sei. Er habe auch sofort bezahlen wollen, aber bei Über­schreitungen dieser Größenordnung, nämlich die zur Anzeige gebrachten 112 km/h (nach Abzug von 5% vom abgelesenen Wert 118) im 60 km/h-Bereich bzw 146 km/h (nach Abzug von 5% vom abgelesenen Wert 154) im 100 km/h-Bereich sei nur mehr eine Anzeige vorgesehen. Da der Bw bei der Anhaltung nach Alkohol gerochen habe, habe er mit ihm einen Vortest durchgeführt, der 0,21 mg/l AAG ergeben habe.

In der Verhandlung wurde anhand des vom Ml vorgelegten Eichscheines mit dem SV geklärt, dass das in das Polizeifahrzeug eingebaute Geschwindigkeitsmess­gerät der Bauart Multavision am Vorfallstag ordnungsgemäß geeicht war, wobei auch die Reifendimension mit der im Eichschein eingetragenen übereinstimmte, was vom Ml vor Fahrtantritt überprüft wurde. Der Ml hat vor der ggst Nachfahrt an diesem Sonntag ab Linz bereits 250 km zurückgelegt und auch vorher schon Aufzeichnungen durchgeführt gehabt. Sowohl er als auch sein Beifahrer sind für die solche Geschwindigkeitsmessungen mittels ProViDa-Geräten, die seit Ende der 1980er Jahre verwendet werden, geschult und sowohl mit der Bedienungs­anleitung als auch mit den Verwendungsbestimmungen vertraut. Die Durch­führung derartiger Ge­schwin­­dig­­keits­messungen mit solchen Geräten ist laut Ml sei seine tägliche Aufgabe bei der Landesverkehrs­abteilung.

 

Der SV bestätigte in der Berufungsverhandlung, es sei möglich, dass ein Ab­spielen des Videos bei der Anhaltung technisch nicht möglich gewesen sei, ohne dass dieser Umstand die Aufzeichnung selbst betroffen habe, weil die Leitung zum Recorder eine andere sei als die Leitung zum Bildschirm.

Er habe die Videoaufzeichnung beim Landespolizeikommando für Oberösterreich besorgt und mit dem amtseigenen Auswerteprogramm, dem Softwareprogramm Videomass, ausgewertet, zumal ihm die Kalibrierungsvideos für die möglichen Kameraein­stellungen des ggst Fahrzeuges und die für eine korrekte Auswertung erforderlichen Messbedingungen vorgelegen hätten. Bezogen auf die Tatzeit "14.53 Uhr" laut Anzeige habe er die beiden Geschwindigkeitsanlastungen foto­grammetrisch nachgemessen. Laut Gutachten ergibt sich für den Tatvorwurf 1) im 60 km/h-Beschränkungs­bereich eine Geschwindigkeit des vom Bw gelenkten Pkw von 114 km/h (laut Polizeianzeige 112 km/h) auf gerader Straße, wobei nach Abzug von 5% Eichtoleranz die Veränderung des Tiefenabstandes, die zur Veränderung der Geschwindigkeit des Bw geführt hat, zu dessen Gunsten berücksichtigt wurde.  Beim Tatvorwurf 2) hat das Polizeifahrzeug den Tiefenabstand geringfügig verändert, was 154 km/h ergibt, minus 5% demnach tatsächlich vorwerfbare 146 km/h. Der SV erklärte, da der Nachfahrabstand nicht exakt gleichgeblieben sei, habe er eine Korrektur zugunsten des Bw vorge­nommen und danach 5% aufgerechnet vom korrigierten Messwert abgezogen, dh alle Toleranzen zugunsten des Bw berück­sichtigt.

 

In den Verwendungsbestimmungen, die in den Punkten 6.3.3. und 6.3.4. der "Aus­nahms­weisen Zulassung Zl.41731/97 für elektronische Geschwindig­keits­­mess­geräte (Tachometer) der Bau­art ProViDa in geänderter Ausführung" des Bundes­amtes für Eich- und Vermessungswesen, die dem Rechtsvertreter überdies in Kopie in der Berufungsverhand­lung ausgehändigt wurde, angeführt sind, sind bestimmte Bedin­gungen für die Nachfahrt vorgeschrieben, um zu einer korrekten Messung zu gelangen, insbesondere eine Nachfahrt "unter Einhaltung eins annähernd konstanten Abstandes auf eine Länge von mindestens 300 m". Der SV hat in der Verhandlung auf wiederholtes Befragen des Rechtsvertreters des Bw mehrmals und ausführlichst erklärt, dass in den Verwendungsbe­stimmungen die mittlerweile vorhandene Möglichkeit, das Video foto­gramme­trisch auswerten zu können, noch nicht berück­sichtigt ist. Da aufgrund der fotogramme­trischen Auswertung Differenzen des Tiefenabstandes und dadurch eine Korrektur der vorwerfbaren Geschwindigkeit möglich ist, ist aus heutiger technischer Sicht die genaue Länge der Nachfahrstrecke unerheb­lich und ebenso, ob sich das Fahrzeug des Bw vom Polizeifahrzeug entfernt hat oder ob der Tiefen­abstand verringert wurde. Diese Veränderungen beim Nachfahrabstand sind exakt technisch erfassbar und herauszumessen mit einer Zeitgenauigkeit von 0,04 Sekunden, sodass diese angeführten 300m-Abstands-Bestimmung nur dann zielführend einzuwenden ist, wenn es sich um eine ausschließlich augen­scheinliche Auswertung der Nachfahrt handelt.

 

Zum Prinzip der Geschwindigkeitsmessung hält der SV fest, dass unabhängig vom Messverfahren (Radar, Laser, Nachfahrt) eine Geschwindigkeit nur fest­gestellt werden kann, wenn der Weg gemessen wird, der innerhalb einer bestimm­ten Zeit zurückgelegt wird (Geschwindigkeit = Weg/Zeit). Es errechnet sich immer eine Durchschnittsgeschwindigkeit, auch beim Radar oder beim Laser wird eine Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelt. Der Unterschied zum Nach­fahren ist nur, dass die Zeit der Messung länger dauert und damit die Nach­fahrstrecke länger wird, aber das Prinzip Geschwindigkeitsmessung – Weg/Zeit bestimmen – ist immer das gleiche und im gegenständlichen Fall der Nachfahrt bedeutet es, dass die Geschwindigkeitsmessung bei einem bestimmten Standort beginnt, dann eine bestimmte Nachfahrstrecke nachgefahren wird und die Zeit ermittelt wird, die der Pkw für diese Nachfahrstrecke benötigt und daraus wird die Durchschnitts­geschwindigkeit errechnet, mit der diese Nachfahrstrecke zurückgelegt wurde. Dieses Messprinzip ist physikalisch nicht veränderbar. Im Hinblick auf die mögliche fotogrammetrische Auswertung ist zur Länge der Nachfahrstrecke bzw zur Länge der Nachfahrzeit festzustellen, dass das Minimum ein Bildwechsel sein muss. Es wird gegenständlich mit einer Bildrate von 25 Bildern pro Sekunde aufgezeichnet und, um eine Differenzmessung durchzu­führen, ist zumindest der Wechsel von einem auf das darauffolgende Bild notwendig. Dadurch ergibt sich eine Zeitdifferenz von 0,04 Sekunden und je nach der Fahrgeschwindigkeit hat er eben dann eine bestimmte Wegstrecke zurückgelegt. Bei einer Nachfahrtszeit von 3, 4 oder 5 Sekunden wäre die Durchschnitts­geschwindigkeit dann eben eine solche für eine längere Weg­strecke, je nach gewähltem Zeitraum. Bei der ggst Sachver­ständigenauswertung wurden das Video und die Polizeianzeige zugrunde gelegt. Bei der Auswertung hat sich der SV an der angegebenen Tatzeit und an der vorgeworfenen Geschwindigkeit orientiert, dh er hat anhand des Video­materials die Zeit, wie sie in der VSTV-Anzeige angegeben ist, gesucht und in diesem Zeitabschnitt die Messung durchgeführt.  

Die Eichfehlergrenzen sind in Punkt 6.3.4. der ausnahmsweisen Zulassung der­ge­stalt festgelegt, dass im Fall von Videoaufzeichnungen für eine verwal­tungs­straf­rechtliche Ahndung einer möglichen Übertretung einer Geschwin­dig­keits­be­schrän­kung bei Geschwindigkeiten über 100 km/h 5% abzuziehen sind. Im ggst Fall wurden daher im Tatvorwurf 1) von 118 km/h laut Tachometer-Eigen­ge­schwin­digkeit des Polizeifahrzeuges 5% aufgerundet, dh 6 km/h abge­zogen, was 112 km/h ergibt, und im Tatvorwurf 2) von 154 km/h laut Tacho­meter-Eigenge­schwindigkeit des Polizeifahrzeuges 5% aufgerundet, dh 8 km/h abge­zogen, was 146 km/h ergibt.

 

Nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des kfztechnischen Amts­­sachverständigen besteht daher in beiden Punkten kein Zweifel an der Nach­­­­vollziehbarkeit der Tatvorwürfe aus technischer Sicht, auch wenn der Rechts­­­vertreter des Bw in der Berufungsverhandlung an der in den Verwen­dungs­­­bestimmungen angeführten 300m-Nachfahrstrecke hängend Fehler zu erkennen meinte, die die Heranziehung der in seinen Augen nicht ordnungs­gemäß erfolgten Geschwindigkeitsmessung als Grundlage für die beiden Tatvor­würfe ausschließen könnten. Auf die beantragte Einvernahme des 2. bei der Geschwindigkeitsfeststellung am 6. Juli 2008 anwesenden Beamten CI H wurde seitens des UVS verzichtet, weil es irrelevant ist, wer die Videoauf­zeich­nung gestartet, dh den Knopf in der Konsolenmitte des Polizeifahrzeuges gedrückt hat, und bei der vom Sachverständigen durchgeführten Auswertung des Videos, das die von den Polizeibeamten beobachtbaren Geschehnisse vor dem Zivilstreifenfahrzeug bei der Nachfahrt wiedergibt, ein eventueller, im übrigen vom Rechtsvertreter ohne jede Begründung und somit un­sub­stantiiert behaup­teter Bedienungsfehler, der die Nichtheranziehbarkeit der Messungen als Grund­la­ge für die beiden Tatvorwürfe erge­ben hätte, mit Sicher­heit zutagegetreten wäre.

Allerdings wurde bei Einsichtnahme in den von der Erstinstanz vorgelegten Ver­fahrens­akt festgestellt, dass die Ausführungen in der Berufung richtig sind, wo­nach offensichtlich organisatorische Fehler innerhalb der Behörde zum Nach­teil des Bw führten. Durch das Rechtsmittelver­fahren sind die Rechtsnachteile des Bw insoweit saniert.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 52 lit.a Z10 lit.a StVO 1960 zeigt das Vorschriftzeichen "Geschwindig­keits­beschränkung (erlaubte Höchstgeschwindigkeit)" an, dass das Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit, die als Stundenkilometeranzahl im Zeichen angegeben ist, ab dem Standort des Zeichens verboten ist. Gemäß § 99 Abs.2c Z9 StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb des Orts­gebietes um mehr als 50 km/h überschreitet.

Gemäß § 20 Abs.2 StVO darf der Lenker eines Fahrzeuges, sofern die Behörde nicht gemäß § 43 eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Auto­bahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren.

 

Der Bezirkshauptmann von Grieskirchen hat mit (am Vorfallstag in Geltung stehender) Verordnung vom 19. Juli 2007, VerkR-3000-2007-135, gemäß §§ 94b Abs.1 lit.b und 43 Abs.1 lit.b Z1 StVO 1960 auf der B135 Gallspacher Straße links im Sinne der Kilometrierung (von Gaspolts­hofen in Fahrtrichtung Grieskir­chen bzw Gallspach) ua von Strkm 5.050 bis Strkm 4.466 eine Geschwindigkeits­beschränkung (erlaubte Höchstgeschwin­dig­keit) von 60 km/h verordnet, die, wie im Video ersichtlich, am Vor­falls­­tag 6. Juli 2008 gut sichtbar kundgemacht war.

Den vom Rechtsvertreter in der Berufungsverhandlung vorgebrachten Argu­menten, die Verordnung habe keinen nachvollzieh­baren sach­lichen Hintergrund für eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h vermag der Unabhängige Verwaltungssenat insofern nichts abzugewinnen, als schon aus dem Video ein­wand­frei erkennbar ist, dass der 60 km/h-Bereich zum Großteil in verbautem Gebiet mit einigen Kurven gelegen ist und mehrere schwer bzw überhaupt un-einsehbare Kreuzungen bzw Einmündungen von Haus- und Grundstücksaus­fahr­ten bzw eines Parkplatzes aufweist, sodass die sachlichen Überlegungen für die Anord­nung durchaus deutlich werden.

 

Auf dieser  Grundlage war auch nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ergebnissen des Beweisverfahrens ausgehend von einer tatsächlich gefahrenen, dh nach Toleranzabzug errechneten Geschwindigkeit des vom Bw gelenkten Pkw von 112 km/h bei Strkm 5.000 im Spruchpunkt 1) von einer Geschwindigkeits­über­schreitung im Ausmaß von 52 km/h auszugehen. Ausgehend von einer Geschwindigkeit des vom Bw gelenkten Pkw von 146 km/ (nach Toleranzabzug) bei Strkm 3.500 war im daran an­schließenden Bereich der auf Freilandstraße erlaubten Höchst­ge­schwindigkeit von 100 km/h im Spruchpunkt 2) von einer Geschwindig­keits­überschreitung im Ausmaß von 46 km/h auszugehen.

 

In der Berufungsverhandlung wurde die vorliegende Videoaufzeichnung aufgrund der Argumentation des Rechtsvertreters des Bw in seiner Berufungsergänzung konkret im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Dezember 2008, B1944/07, eingesehen und festgestellt, dass auf der im Video festgehaltenen Nachfahrstrecke zwar einige entgegenkommende Pkw und ein Lkw sowie ein Radfahrer ersichtlich sind, jedoch die Bildauflösung so mangelhaft ist, dass weder ein Kennzeichen oder eine Firmenaufschrift auf dem Lkw lesbar ist noch Personen, insbesondere die Lenker der entgegenkommenden Fahr­zeuge oder der Radfahrer erkennbar sind. Im Video ist nicht einmal das Kenn­zeichen des vom Bw gelenkten Pkw ablesbar, und zwar auch nicht unmittelbar vor der Anhaltung. Das Kennzeichen des vom Bw gelenkten Pkw ergibt sich daher nicht aus der Videoauf­nahme sondern aus der Anzeige und den Zeugenangaben des in der Berufungs­verhand­lung einvernommenen Meldungslegers. Eine Vergrößerung von Aus­schnitten (Einzelbildern) aus der Videoaufzeichnung hätte in dieser Hinsicht mit Sicherheit keine Erkennbarkeit von Personen oder Kennzeichen zur Folge, weil damit nur die Bildunschärfe vergrößert, aber die Pixelanzahl nicht vermehrt wer­den könnte. Die vom Rechtsvertreter dargelegte Rechtsansicht der Verfassungs­­widrigkeit des im ggst Fall verwendeten Geschwindigkeitsfest­stellungs­­systems im Hinblick auf die eingewandte Unverletzlichkeit des Eigen­tums des Bw vermag der Unabhängige Verwaltungs­senat daher nicht zu teilen. Abgesehen davon ist in den Bestimmungen der §§ 98a bis f StVO 1960, die in der Fassung BGBl.I Nr.16/2009 seit 26. März 2009 in Geltung stehen, lediglich die Anordnung vorgesehen, erkennbare Personen oder Fahrzeugkennzeichen "in nicht rückführbarer Weise unkenntlich zu machen" – im ggst Fall ist im Gegen­satz dazu eine Kenntlich­machung gar nicht möglich, sodass kein dieser Recht­sprechung vergleichbarer Fall gegeben ist.

 

Zum Argument einer fehlerhaften bzw unrealistischen Spruch­umschreibung ist dem Bw entgegenzuhalten, dass er laut Video bei der dort ersichtlichen Geschwindigkeit – die durchschnittliche Geschwindigkeit aus 112 und 146 km/h, nämlich 130 km/h, bedeutet immerhin 2,16 km pro Minute – die gesamte auf Video aufgezeichnete Weg­strecke in knapp eineinhalb Minuten durchfahren hat, sodass die Tatzeitumschreibung "um 14.53" für Punkt 1) und "kurz nach 14.53 Uhr" für Punkt 2) im Sinne des § 44a Z1 VStG zweifellos entspricht. Aufgrund der zusammenhängenden Fahrstrecke wäre auch die Umschreibung "um 14.53 Uhr" für beide Tatvorwürfe ausreichend gewesen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat vertritt aufgrund all dieser Überlegungen die Auffassung, dass kein Zweifel daran besteht, dass der Bw beide ihm zur Last gelegten Tatbestände erfüllt und sein Verhalten jeweils als Verwaltungsüber­tretung zu verantworten hat, zumal von einer Glaubhaftmachung mangelnden Ver­schul­dens im Sinne des § 5 Abs.1 VStG keine Rede sein kann.        

 

Zur Strafbemessung ist zu sagen, dass der Strafrahmen des § 99 Abs.2c (Punkt 1) des Straferkenntnisses bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung um mehr als 50 km/h auf einer Freilandstraße) von 72 bis 2.180 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit von 24 Stunden bis sechs Wochen Ersatzfreiheitsstrafe, der Strafrahmen des § 99 Abs.3 StVO (Punkt 2) des Straferkenntnisses) bis 726 Euro Geldstrafe, für den Fall der Uneinbringlichkeit bis 2 Wochen Ersatzfreiheits­strafe, reicht.    

 

Der Bw weist eine einschlägige Vormerkung wegen § 20 Abs.2 StVO 1960 aus dem Jahr 2007 auf, die noch nicht getilgt und daher als straferschwerender Umstand zu berücksichtigen ist ebenso wie die Häufung der Übertretungen. Der Bw hat der von der Erstinstanz in Ermangelung anderer Angaben vorgenomm­enen Schätzung seiner finanziellen Verhältnisse nicht widersprochen, sodass diese auch der Berufungs­entscheidung zugrunde­zulegen waren (1.500 Euro netto monatlich, weder Ver­mö­gen noch Sorgepflich­ten).

Der Unabhängige Verwaltungssenat hält daher die in den beiden Punkten verhängten Strafen unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 19 VStG vor allem dem jeweils massiven Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretungen für  angemessen, zumal diese noch im untersten Bereich des jeweiligen gesetzlichen Strafrahmens liegen und general- sowie vor allem spezialpräventiven Über­legungen standhalten. Die Ersatzfreiheitsstrafen sind im Verhältnis dazu ange­messen. Die Voraussetzungen für eine Anwendung des § 21 VStG lagen nicht vor, insbesondere ist das Vorliegen eines "geringfügigen" Verschuldens bei dieser Geschwindigkeitsgrößenordnung zu verneinen, sondern vielmehr von Vorsatz in Form von zumindest dolus eventualis (gemäß § 5 Abs.1 StGB handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild ent­spricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet) auszugehen, zumal die Geschwindigkeitsänderung für den Bw auf dem Tachometer seines Pkw je nach Druck auf das Gaspedal ablesbar war.

Ansätze für eine Strafherabsetzung waren für den Unabhängigen Verwaltungs­senat nicht zu erkennen und wurden auch konkret nicht geltend gemacht. Allerdings steht es dem Bw frei, unter Vorlage aktueller Einkommensnachweise bei der Erstinstanz um die Möglichkeit der Bezahlung der Strafen in Teilbeträgen anzusuchen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

zu II.:

Der Ausspruch über den Verfahrenskostenersatz ist gesetzlich begründet.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschafts­prüfer) einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

ProVida Messung Freilandstraße -> Bestätigung

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VfGH vom 08.10.2009, Zl.: B 1046/09-5

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt.

VwGH vom 18.12.2009, Zl.: 2009/02/0344-5

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