Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-522291/5/Zo/Ps

Linz, 20.07.2009

 

E r k e n n t n i s

 

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Zöbl über den Antrag des Herrn D E, geb. , vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. J P, S, M, vom 26. Mai 2009 auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 23. April 2009, Zl. VwSen-522248/2, abgeschlossenen Verfahrens zu Recht erkannt:

 

 

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird abgewiesen.

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 69 AVG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat mit Erkenntnis vom 23. April 2009, Zl. VwSen-522248/2, die Berufung des nunmehrigen Antragstellers betreffend ein Lenkverbot für Motorfahrräder, vierrädrige Leichtkraftfahrzeuge und Invalidenkraftfahrzeuge abgewiesen. Dieser Entscheidung liegt ein Sittlichkeitsdelikt des Antragstellers vom 27. Jänner 2007 zum Nachteil von zwei ca. 7-jährigen Mädchen zu Grunde.

 

2. Mit Schreiben vom 26. Mai 2009 hat Herr E einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestellt, welchen er im Wesentlichen damit begründete, dass er wegen des Vorfalles vom 27. Jänner 2007 vom Landesgericht Ried im Innkreis am 20. Mai 2009 zu einer zur Gänze bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt worden ist. Dieses Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis stelle sowohl eine neue Tatsache als auch eine anders lautende Vorfragenentscheidung im Sinne des § 69 Abs.1 Z2 und 3 AVG dar.

 

Die Kraftfahrbehörde sei im abgeschlossenen Verbotsverfahren im Sinne des § 7 Abs.1 Z2 FSG offenkundig davon ausgegangen, dass er sich wegen seiner Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen wegen der erleichternden Umstände, die dabei gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen werde. Das Landesgericht Ried im Innkreis sei zu einer völlig anderen Zukunftsprognose gekommen. Es gehe davon aus, dass die bloße Androhung des Vollzuges der Strafe genügen werde, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten, weshalb gemäß § 43 Abs.1 StGB die Strafe zur Gänze bedingt nachgesehen wurde. Diese Zukunftsprognosen würden damit diametral auseinander gehen.

 

Auch bei der Wertung seines strafbaren Verhaltens seien die Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse und die seither verstrichene Zeit und das Verhalten in dieser Zeit zu berücksichtigen. Das Strafgericht habe bei seiner Strafbemessung und bei der bedingten Strafnachsicht berücksichtigt, dass die ihm zur Last gelegte Straftat die unterste Schranke der Tatbestandsmäßigkeit bildet. Auch seine bisherige absolute Unbescholtenheit, sein Geständnis und die Entschuldigung für sein Fehlverhalten seien berücksichtigt und deshalb die gesetzlich mögliche Mindeststrafe verhängt und diese zur Gänze bedingt nachgesehen worden.

 

3. Der an die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn adressierte Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde von dieser mit Schreiben vom 3. Juni 2009 dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ergibt sich aus § 69 Abs.4 AVG.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt sowie Einholung des Urteiles des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 20. Mai 2009, Zl. 20 Hv 7/09a. Daraus ergibt sich der zur Entscheidung wesentliche Sachverhalt zur Gänze, weshalb eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung nicht erforderlich ist.

 

4.1. Folgender Sachverhalt steht fest:

 

Der Antragsteller hat am 27. Jänner 2009 in L eine geschlechtliche Handlung von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, indem er (Textteil wurde in der Online verfügbaren Entscheidung aufgrund der Inhalte anonymisiert.)

Er hat dadurch das Verbrechen des sexuellen Missbrauches von Unmündigen nach § 207 Abs.1 StGB sowie das Vergehen der sittlichen Gefährdung von Personen unter 16 Jahren nach § 208 Abs.1 StGB begangen und wurde unter Anwendung der §§ 28 StGB, 5 JGG nach § 207 Abs.1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, wobei diese gemäß § 43 Abs.1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Weiters wurde Bewährungshilfe gemäß § 50 StGB angeordnet.

 

Wegen dieses Vorfalles wurde dem Berufungswerber mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 5. Februar 2009 das Lenken von Motorfahrrädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invalidenkraft­fahrzeugen für die Dauer von sechs Monaten, gerechnet ab Zustellung des Bescheides, verboten. Dieser Mandatsbescheid wurde vorerst von der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn im Vorstellungsverfahren und in weiterer Folge vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit dem nunmehr bekämpften Erkenntnis bestätigt.

 

5. Darüber hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich in rechtlicher Hinsicht Folgendes erwogen:

 

5.1. Gemäß § 69 Abs.1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

1.     der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2.     neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten oder

3.     der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde.

 

 

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde, sofern die Gesetze nichts anderes bestimmen, berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von Gerichten zu entscheiden wäre, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eine anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

 

5.2. Das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis und die der bedingten Strafnachsicht zugrunde liegende Zukunftsprognose haben zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich in der gegenständlichen Sache noch nicht bestanden. Dieses Urteil wurde erst nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens gefällt, es handelt sich daher um ein sogenanntes "nova producta", welches die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht rechtfertigt. Der Vollständigkeit halber ist auch noch anzuführen, dass es sich bei einem Gerichtsurteil nicht um Tatsachen handelt, sondern eben um ein Urteil über bestimmte Tatsachen.

 

Das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich war von der Vorfrage abhängig, ob der Antragsteller die ihm vorgeworfene gerichtlich strafbare Handlung begangen hat oder nicht. Diese Vorfrage wurde vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bejaht und auch vom Gericht gleichlautend entschieden. Er wurde genau wegen dieser gerichtlich strafbaren Handlungen rechtskräftig vom Strafgericht verurteilt.

 

Das Gericht hat unter Anwendung des § 5 JGG eine Freiheitsstrafe von drei Monaten verhängt und diese gemäß § 43 StGB zur Gänze bedingt nachgesehen. Diese bedingte Strafnachsicht wurde im Urteil allerdings nicht begründet. Das Gericht hat weiters auch Bewährungshilfe angeordnet, um die Absolvierung einer entsprechenden Therapie durch den Antragsteller sicherzustellen.

 

Gemäß § 5 Z4 JGG wird das Höchstmaß von Freiheitsstrafen auf die Hälfte herabgesetzt, ein Mindestmaß entfällt. Das Landesgericht Ried im Innkreis hat also entgegen dem Vorbringen im Antrag nicht die gesetzlich vorgeschriebene Mindeststrafe verhängt, weil eine solche nach § 5 Z4 JGG gar nicht besteht. Das Landesgericht Ried im Innkreis hielt eine – wenn auch zur Gänze bedingte – Freiheitsstrafe und eine begleitende Maßnahme für notwendig. Auch die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis hat nicht gemäß § 6 JGG von der Verfolgung abgesehen und auch nicht eine Diversion gemäß § 7 JGG angewendet. Offenbar hielt auch diese eine Bestrafung des Antragstellers für erforderlich.

 

Im Hinblick auf die in § 43 StGB angesprochenen Kriterien geht das Gericht offenbar davon aus, dass die bloße Androhung der Freiheitsstrafe ausreicht, um den Antragsteller von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Diese Einschätzung des Strafgerichtes ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes auch bei der Zukunftsprognose im Sinne des § 7 Abs.1 Z2 FSG und der Wertung des strafbaren Verhaltens im Sinne des § 7 Abs.4 FSG durch die Führerscheinbehörde von Bedeutung. Das ändert aber nichts daran, dass die Zukunftsprognose von der Führerscheinbehörde selbst zu beurteilen ist. Die Frage, ob ein Straftäter (für eine bestimmte Zeit) verkehrszuverlässig ist oder nicht, wird von den Strafgerichten in keiner Weise geprüft.

 

Festzuhalten ist, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungs­gerichtshofes die Bindungswirkung nur hinsichtlich des Spruches des Urteiles besteht, nicht jedoch hinsichtlich der Begründung, weil nur der Spruch selbst rechtskraftfähig ist. Die Wertungen des Strafgerichtes, welche letztlich die Strafbemessung bzw. auch die bedingte Strafnachsicht begründen, sind jedoch nicht Gegenstand des Spruches des Urteiles, sondern lediglich der Begründung. Diese sind daher auch nicht rechtskraftfähig und bilden deshalb keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG. Die Einschätzungen des Strafgerichtes, welche zur Anwendung des § 43 StGB geführt haben, können daher die Führerschein­behörde nicht binden und sind damit keine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG.

 

Es liegen daher die Wiederaufnahmegründe des § 69 Abs.1 Z2 und 3 AVG nicht vor, weshalb der Antrag abzuweisen war.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

 

 

Mag. Gottfried  Z ö b l

 

 

 

 

 

 

Beschlagwortung:

bedingte Strafnachsicht, Vorfrage, Wiederaufnahme des Verfahrens

 

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