Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-522244/16/Bi/Se

Linz, 21.07.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn J B, L, vertreten durch Herrn RA Dr. E H, L, vom 26. März 2009 gegen den Bescheid des Polizeidirektors von Linz vom 12. März 2009, FE-272/2009, wegen Entziehung der Lenkberechtigung, Lenkverbot ua, zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird insofern teilweise Folge gegeben, als die Dauer der  Entziehung der Lenkberechtigung, des Lenkverbots und des Rechts, von einer allfällig bestehenden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen, auf 6 Monate herabgesetzt wird.

 

Rechtsgrundlage:

§§ 66 Abs.4 und 67a AVG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde dem Berufungswerber (Bw) gemäß §§ 7, 24, 26, 30, 32 FSG die von der BPD Linz am 30. April 2002, F-3392/2001, für die Klassen A und B erteilte Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrs­zu­verlässigkeit für die Dauer von acht Monaten, gerechnet ab 21. Februar 2009, entzogen und ihm für den gleichen Zeitraum ausdrücklich das Lenken von Motor­fahr­rädern, vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen und Invaliden­kraft­fahrzeugen verboten und das Recht aberkannt, von einer allfällig beste­henden ausländischen Lenkberechtigung in Österreich Gebrauch zu machen. Außerdem wurde bis zum Ablauf der Entziehungsdauer eine Nachschulung für alkoholauffällige Lenker, die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen gemäß § 8 FSG und die Beibringung einer verkehrspsychologischen Stellungnahme angeordnet. Gemäß § 64 Abs.2 AVG wurde einer Berufung die aufschiebende Wirkung aber­kannt.

Die Zustellung des Bescheides erfolgte am 17. März 2009.

 

2. Gegen die Dauer der Entziehung wendet sich die vom Bw fristgerecht einge­brachte Berufung, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorent­schei­dung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde, der durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzel­mitglied zu entscheiden hat (§ 67a Abs.1 2.Satz AVG). Auf die seitens des UVS bereits an­beraumte öffentliche mündliche Berufungs­verhandlung wurde vom Bw aus­drücklich ver­zichtet (§ 67d Abs.1 AVG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die bei der Alkomatuntersuchung erzielten 0,81 mg/l AAG seien vom Ergebnis zuzugestehen, aber seinem Antrag auf Einholung eines medizinischen SV-Gutachtens zum Beweis dafür, dass dieser Messwert vorwiegend durch die Einnahme homöopathischer Tropfen und nicht durch Alkoholkonsum zustande gekommen sei, sodass der Alkomattest ohne Medi­kamente lediglich 0,4 mg/l ergeben hätte, sei die Erstinstanz nicht nachge­kommen. Er habe Similisan-Tropfen aufgrund eines Blasen- und eines Prosta­taleidens ein­nehmen müssen, die auf pflanzlicher Basis aufgebaut seien, sodass aus seiner Sicht klargestellt gewesen sei, dass sie keinen Einfluss auf das Lenken eines Fahrzeuges haben würden; aus dieser Annahme heraus habe er den Beipack­text nicht gelesen. Auch sein namentlich genannter Urologe habe ihn auf die Alkohol­haltigkeit der Tropfen nicht hingewiesen. Er habe nicht damit rechnen müssen, dass die Tropfen, eventuell auch in Verbindung mit Alkoholkonsum, nachteilige Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit haben könnten. Die Einnahme der Tropfen sei bereits im Protokoll der Atemalkoholuntersuchung vermerkt. Die Nichtein­holung des medizinischen Gutachtens stelle eine Verletzung von Verfah­rens­vor­schriften dar. Selbst wenn er die 0,81 mg/l rechtlich zu vertreten hätte, sei die Entzugsdauer wegen der Mindestentzugsdauer von vier Monaten zu lang. Er sei seit 30 Jahren im Besitz einer Lenkberechtigung, die ihm noch nie entzogen worden sei, sodass er hinlänglich unter Beweis gestellt habe, dass eine mangelhafte charakterliche Einstellung nicht vorliege. Die Erstinstanz habe nur aus­geführt, dass er die Verkehrszuverlässigkeit nach acht Monaten wiederer­langen würde, habe aber die Entziehungsdauer in Wahrheit nicht begründet, sondern nur den Gesetzestext schablonenhaft dargestellt. Beantragt wird die Ein­stellung des Verfahrens (allenfalls nach Beweisergänzung), in eventu die Herab­setzung der Entzugsdauer auf vier Monate.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz sowie Einholung eines medizinischen SV-Gutachtens der Amtsärztin Dr. E W.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

Am 20. Februar 2009 gegen 23.35 Uhr lenkte der Bw den Pkw     auf der Umfahrung Ebelsberg stadtauswärts, wobei er wegen der schlechten Straßen­verhältnisse (Schneematsch) nur mit ca 60 km/h fuhr. Nach seinen eigenen Angaben kam ihm zwischen den beiden Tankstellen ein Pkw entgegen, dem er nach rechts auswich, wobei ein hinter ihm fahrende Sattelzug gegen seinen Pkw prallte, sodass er nach rechts gegen die Leitschiene stieß. Der nachfahrende Zeuge R W bestätigte, er sei auf den ca 200 m vor ihm fahrenden Pkw des Bw aufmerksam geworden, weil es diesen gedreht habe und die Schein­werfer kurz in seine Fahrtrichtung geleuchtet hätten. Der Pkw des Bw sei mit dem Heck zur Leitschiene rechtwinkelig zur Fahrbahn stehen geblieben und beim langsamen  Vorbeifahren habe er die beschädigte Leitschiene gesehen und Fahr­zeugteile seien auf der Fahrbahn gelegen. Da der Lenker auf ihn einen verstörten Eindruck gemacht habe, habe er nach diesem sehen wollen, jedoch im Rück­spiegel wahrgenommen, dass der Lenker im Vorwärtsgang quer über die Fahr­bahn weggefahren sei. Dabei habe er mit dem linken vorderen Fahrzeugteil einen stadteinwärts fahrenden Lkw leicht touchiert, sei aber, ohne anzuhalten Richtung Mona-Lisa-Tunnel weitergefahren und der Lkw-Lenker sei eben­falls weiterge­fahren. Der Zeuge verständigte die Polizei.

Der Meldungsleger BI S R fuhr zu dieser Zeit mit dem Funkwagen auf der Ennsfeldstraße zur Kreuzung mit der Wiener Straße, als ihm bei der Kreuzung mit der Schiltenbergstraße ein unbeleuchtetes, im Frontbereich stark be­schä­digtes Fahrzeug entgegenkam, das aus dem Motorraum rauchte und offen­­bar einen Reifenschaden hatte. Er wendete und fuhr dem Pkw mit dem Kz. L- in den T nach, wo der Lenker beim Haus Nr. einparkte. Bei der Lenkerkontrolle stellte der Ml beim Bw Alkoholisierungssymptome fest und nach einem Alkoholvortest, der einen AAG von 0,80 mg/l ergab, wurde ein Alkotest mittels Alkomat durchgeführt, der um 23.52 Uhr einen günstigsten AAG von 0,81 mg/l ergab. Der Bw bestätigte den Konsum von 3/8 Weißwein zwischen 12.00 und 23.00 Uhr in Urfahr und gab an, er habe 3-4mal am Tag Berodual Mund­spray und von 7.00 bis 23.00 Uhr stündlich 10 Similisan-Tropfen einge­nommen.

In der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid der Erstinstanz vom 24. Februar 2009 legte der Bw ua eine Rechnung der Apotheke Ennsfeld vom 5. März 2009 vor, auf der handschriftlich die Einnahme von "Similisan Nieren-Blasentropfen (10 Tropfen stündlich) und Prostatatropfen (10 Tropfen stündlich) bei akuten Beschwer­den bis 24.2., danach 3-6x täglich", vermerkt ist. Vorgelegt wurde außerdem ein Befund Dris N, FA für Urologie in Linz, vom 11. Februar 2009, in dem von Blasenbeschwerden und einer gutartigen Prostatavergrößerung die Rede ist. Aus den jeweiligen Beipacktexten geht hervor, dass die Nieren-Blasen­tropfen 43 % Alkohol  und 10 von den Prosta­ta­tropfen 106,75 mg Alkohol enthalten. Beantragt wurde die Einholung eines medizinischen SV-Gutachtens zum Beweis dafür, dass die Einnahme der genann­ten Tropfen durch eine entsprechende Konzentration in der Mundhöhle das Alkomatergebnis zu Lasten des Bw verfälscht hätten und sich ohne Tropfen ein AAG von 0,4 mg/l ergeben hätte. Daraufhin erging der nunmehr angefochtene Bescheid.

Im Rahmen des Berufungsverfahrens führte die Amtsärztin Dr. W im Gutachten vom 21. April 2009 und 30. Juni 2009 aus, dass unter Zugrunde­legung von halbstündlich 10 Similisan-Tropfen diese bei durchschnittlich 107 mg in der Einzeldosis von 10 Tropfen bei einem Gewicht von 70 kg 0,00 %o BAG ergeben – selbst unter Annahme eines Körpergewichts von 80 kg laut Atemalko­hol­unter­suchungs­protokoll ändert sich daran nichts. Vom Alkoholgehalt her schloss die Amtsärztin eine Beeinflussung des BAG von umgerechnet 1,62 %o mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aus.

 

Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates ist eine Beeinflussung im Sinne von Mundrestalkohol schon deshalb auszuschließen, weil der Bw laut Akten­inhalt nach dem Unfall um 23.25 Uhr keine Gelegenheit zur Einnahme von Tropfen bis zum Alkotest um 23.52 Uhr hatte. Wenn er aus dem genannten Lokal in Urfahr kam, wo er nach eigenen Angaben um 23.00 Uhr noch Tropfen einge­nommen hat, ist die Fahrzeit bis zum Unfallort von ca 20 Minuten realistisch. Schon auf dieser Grundlage ist davon auszugehen, dass der beim Bw um 23.52 Uhr gemessene AAG nicht von auf der Mundschleimhaut befindlichem Alkohol aus den Tro­pfen, sondern von vom Bw konsumiertem Alkohol herrührt. In seiner ab­schließenden Stellungnahme vom 15. Juli 2009 hat der Bw die Herkunft des zugrundege­legten AAG auch nicht mehr in Zweifel gezogen.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 24 Abs.1 Z1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs.1 Z2 bis 4)  nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit die Lenkberechtigung zu entziehen.

Gemäß § 3 Abs.1 Z2 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt wer­den, die verkehrszuverlässig sind. Gemäß § 7 Abs.1 Z1 FSG gilt eine Person als verkehrszuverlässig, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs.3) und ihrer Wertung (Abs.4) an­ge­­nommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraft­fahrzeugen ua die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunken­heit oder einen durch Sucht­mittel oder durch Medikamente beein­träch­tigten Zustand gefährden wird. Als bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.1 FSG hat gemäß § 7 Abs.3 Z1 FSG zu gelten, wenn jemand ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb ge­nommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs.1 bis 1b StVO 1960 begangen hat.

Gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 begeht eine Ver­wal­tungs­übertretung und ist zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkohol­gehalt seines Blutes 1,6 %o oder mehr oder der Alko­hol­gehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt.

 

Ausgehend von der Unfallzeit 23.25 Uhr hat der Bw am 20. Februar 2009 ein Kraftfahrzeug mit jedenfalls 0,81 mg/l AAG gelenkt und damit zweifellos eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs.1 lit.a StVO 1960 begangen und eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs.3 Z1 FSG gesetzt, für die § 26 Abs.2 FSG eine Mindestentziehungsdauer von vier Monaten vorsieht. Zu berücksichti­gen ist weiters die Verursachung eines Verkehrsunfalls mit Sachschaden an Ver­kehrsleiteinrichtungen, wobei dem Bw die offenbar tatsächlich schlechten wetter­bedingten Straßenverhältnisse zur Unfallzeit zugutezuhalten sind, sodass das Zustandekommen des Unfalls möglicherweise nicht nur an seinem alkoholbeein­trächtigten Zustand gele­gen war. Übrig bleibt jedoch das Verlassen der Unfall­stelle ohne anzuhalten und ohne Meldung an Polizei oder Straßenerhalter ohne unnötigen Aufschub.

In der Zusammenschau sind die Argumente des Bw im Hinblick auf eine Herab­setzung der Entziehungsdauer im Sinne einer Prognose, wann er seine Verkehrs­zu­verlässigkeit wiedererlangen wird, nicht gänzlich von der Hand zu weisen. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides geht zur Festsetzung von acht Monaten Entziehungs­dauer konkret nichts hervor, sodass eventuell dafür maßgebende Überlegungen nicht zu greifen sind. Die Festsetzung von Entzie­hungs­zeiten stellt jedoch keine Ermessensentscheidung der Behörde dar, wes­halb mit der nunmehr kürzeren Entziehungsdauer das Auslangen gefunden werden konnte. 

Da die Verkehrszuverlässigkeit einziges Kriterium auch für die Dauer des Lenk­verbotes und des Zeitraumes gemäß § 30 FSG darstellt, war auch diesbezüglich der Bescheid abzuändern. Die übrigen Bescheidpunkte wurde nicht ange­foch­ten, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschafts­prüfer) einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

 

Beschlagwortung:

AAG 0,81 mg/l Erstmalig + VU mit Sachschaden an Leitschiene bei sehr schlechter winterlicher Fahrbahn, Nichtanhalten + Nichtmeldung 8 Monate -> 6 Monate

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum