Linz, 21.07.2009
E r k e n n t n i s
Der angefochtene Bescheid wird behoben; es wird das Vorliegen der gesundheitlichen Eignungsvoraussetzungen für den Erwerb der Lenkberechtigung der beantragten Klasse festgestellt.
Rechtsgrundlage:
§ 66 Abs.4 und § 67d Abs.1 AVG iVm § 11 Abs.3 Führerscheingesetz – FSG, BGBl. I Nr. 120/1997 idF BGBl. I Nr. 31/2008 und § 17 Abs.3 Z4 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung – FSG-GV, BGBl. II Nr. 322/1997 idF BGBl. II Nr. 31/2008.
Entscheidungsgründe:
1. Mit dem oben angeführten Bescheid wies die Behörde erster Instanz den Antrag des Berufungswerbers auf Erteilung der Lenkberechtigung für die Klasse E ab.
Gestützt wurde diese Entscheidung auf § 3 Abs. 1 Ziff. 3 Führerscheingesetz – FSG und § 17 Abs. 3 Ziff. 4 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung – FSG-GV.
2. Dem tritt die Berufungswerber mit der von Ihrer Rechtsvertreterschaft fristgerecht erhobenen Berufung entgegen:
3. Der Berufungsakt wurde dem Unabhängigen Verwaltungssenat von der Behörde erster Instanz zur Berufungsentscheidung vorgelegt. In diesem Verfahren hat der Unabhängige Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 67a Abs.1 2. Satz AVG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung schien hier mit Blick auf das Berufungsvorbringen geboten.
4. Beweis erhoben wurde durch die Zuweisung zu einer neuerlichen verkerhspsychologischen Untersuchung im Zuge des Berufungsverfahrens gemäß § 18 Abs.5 FSG-GV und deren Evaluierung durch den Amtsarzt.
4.1. Die Berufungswerberin hat sich am 16.7.2009 einer abermaligen Verkehrspsychologischen Untersuchung beim Institut für Nachschulung und Fahrer-Rehabilitätation – INFAR unterzogen.
Gemäß diesem Gutachten ist die Berufungswerberin für die Klasse B als geeignet begutachtet worden.
Darin wurden folgende Paramter erhoben:
"Tachistoskopischer Verkehrsauffassungstest (TAVTMB/S1):
Die rasche und detailgetreue optische Überblicksgewinnung liegt im oberen Normbereich.
Linienverfolgungstest (LVT/S2):
Es wird eine durchschnittliche gezielte visuelle Wahrnehmungsfähigkeit ausge-wiesen.
Reaktionstest (RT/S3):
Die kognitiv-motorische Reaktionsschnelligkeit und die motorische Umsetzungs-schnelligkeit liegen im Normbereich. Falsche Reaktionen zeigen sich nicht.
Wiener Determinationsgerät (DT/S5):
Die reaktive und konzentrative Dauerbelastbarkeit liegt im Normbereich. Die Reaktionssicherheit zeigt sich mit einem durchschnittlichen Wert. Unter hohen komplexen Anforderungen (2. Intervall) zeigt sich kein Leistungseinbruch.
Zwei-Hand-Koordination (2-HAND):
Es zeigen sich eine grenzwertig im Normbereich liegende Geschwindigkeitsleistung und eine im unteren Normbereich liegende Genauigkeitsleistung.
Standad Progressiv Matrizes (SPM):
Es wird eine durchschnittliche kognitive Auffassungsfähigkeit ausgewiesen.
Subtest “Zahlennachsprechen” aus der Wechsler Memory Scale (WMS-K):
Die unmittelbare Erinnerungsfähigkeit verbal dargebotener Informationen (sog. Immediat-gedächtnis) zeigt sich als überdurchschnittlich ausgeprägt.
5. Rechtlich hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:
Nach § 3 Abs.1 gilt als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften
...
4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.
Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen.
Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
1. das für die angestrebte Klasse erforderliche Mindestalter erreicht haben (§ 6),
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9)
Nach § 18 Abs.5 FSG-GV war im Rahmen des Berufungsverfahrens die Durchführung einer abermaligen VPU anzuordnen. Dies einerseits mit Blick auf die grundsätzliche Unbeschränktheit der Beweismittel in einem gerichtsförmigen Verfahren und vor dem Hintergrund, dass eine Überforderung mit der Testsituation im Rahmen der VPU als wahrscheinlichste Ursache für das Testversagen bei der VPU anzunehmen ist (VwGH 16.12.2008, 2008/11/0134).
5.1. Gemäß § 10. Abs.1 FSG ist vor der Erteilung der Lenkberechtigung die fachliche Befähigung des Antragstellers durch eine Fahrprüfung nachzuweisen. Das Gutachten hat nur auszusprechen, ob der Begutachtete zum Lenken von Fahrzeugen der in Betracht kommenden Klasse oder Unterklasse fachlich befähigt ist oder nicht.
(2) Kandidaten sind zur theoretischen Fahrprüfung gemäß § 11 Abs. 2 nur zuzulassen, wenn sie
1. verkehrszuverlässig sind,
2. gesundheitlich geeignet sind und
3. die theoretische Ausbildung im Rahmen einer Fahrschule absolviert haben..
Der § 17 Abs.3 Z4 FSG-GV lautet:
(3) Eine verkehrspsychologische Stellungnahme ist jedenfalls von folgenden Personen zu erbringen:
1. Bewerbern um eine Lenkberechtigung für die Klasse D,
2. Bewerbern um eine vorgezogene Lenkberechtigung für die Klasse B, es sei denn, der oder die Erziehungsberechtigten bestätigen das Vorhandensein der nötigen geistigen Reife und sozialen Verantwortung des Bewerbers,
3. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. II Nr. 64/2006)
4. Bewerbern um eine Lenkberechtigung, die fünfmal den theoretischen Teil der Fahrprüfung oder viermal den praktischen Teil der Fahrprüfung nicht bestanden haben …….. (Hervorhebungen nicht im Originaltext).
6.2. Da die Eignungsvoraussetzungen nunmehr gutachterlich untermauert vorliegen sind die Voraussetzungen zur neuerlichen Ablegung der Fahrprüfung bzw. zum Nachweis der fachlichen Befähigung gegeben.
Auf die Zulassung zum Verfahren für den Erwerb einer Lenkberechtigung besteht grundsätzlich ein Rechtsanspruch (vgl. VwGH 22.10.2001, 2001/11/0165 mit Hinweis auf h. Erk.v. 12.3.2008, VwSen-521862/10/Br/Ps).
Es war demnach spruchgemäß zu entscheiden.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
Hinweise:
1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt oder einer Rechtsanwältin unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.
2. Im gegenständlichen Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen.
Dr. B l e i e r