Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-440115/13/SR/Sta

Linz, 29.07.2009

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Beschwerde des D S, geboren am , vertreten durch die Rechtsanwälte GmbH Dr. A U und Mag. M R, S,  M, wegen der Anordnung einer Wegweisung und eines Betretungsverbotes nach dem Sicherheitspolizeigesetz durch Organe des Bezirkshauptmannes von Braunau am Inn am 8. März 2009 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer durch die Unterlassung einer amtswegigen Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes durch den Bezirkshauptmann von Braunau am Inn in seinen einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde; im Übrigen wird die gegenständliche Beschwerde hingegen als unbegründet abgewiesen.

 

II. Die Anträge auf Kostenersatz werden abgewiesen.  

 

 

Rechtsgrundlage:

§ 88 Abs. 4 SPG; § 67c Abs. 3 AVG; § 79a AVG; § 1 UVS-Aufwandersatz-VO 2008.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. In der am 19. März 2009 – und damit rechtzeitig – beim Oö. Verwaltungssenat eingelangten Beschwerde bringt der Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf) durch seinen Rechtsvertreter vor, dass Beamte der Polizeiinspektion M gegen ihn am 8. März 2009 um 20.20 Uhr ein Betretungsverbot betreffend der Liegenschaft  M, G, samt des dazugehörigen Gartens ausgesprochen haben.

 

Der Bf sei grundbücherlicher Alleineigentümer der genannten Liegenschaft, in welcher sich auch die Ehewohnung befinde. Im Sommer vergangenen Jahres habe die Ehefrau ihre Beteiligung an der Rückzahlung der liegenschaftsbezogenen Darlehen eingestellt. Die Ehe bestehe nur auf dem Papier. Sowohl die Ehefrau als auch die gemeinsamen Kinder würden auf die angespannte finanzielle Situation keinerlei Rücksicht nehmen und beispielsweise mehrere tausend Euro alleine für Handytelefonate ausgegeben und ohne zu fragen Personen in der Wohnung aufnehmen und bewirten. Dies sei so weit gegangen, dass der Bf am 8. März 2009 bei einer Familienfeier in seiner Wohnung nicht mehr erwünscht gewesen sei. Nachdem er darauf hingewiesen habe, dass er als Hauseigentümer und Zahler zu fragen sei, hätten sich Auffassungsunterschiede ergeben und zur Verständigung der Polizei geführt. Gegenüber der Polizei sei behauptet worden, dass der Bf ein Messer an sich nehmen wollte. Er habe dies weder geplant, noch angekündigt, noch versucht dies durchzuführen. Vielmehr sei er in die Küche zur Kaffeemaschine gegangen um sich einen Kaffee zu machen. Im Nahebereich befinde sich die Küchenlade. Daraus habe er einen Kaffeelöffel nehmen wollen. Der Bf hatte die Lade noch nicht einmal geöffnet, als bereits die Polizei verständigt worden wäre. Entgegen den Behauptungen im Bericht habe ihn der Besucher G J nicht davon abhalten müssen, ein Messer herauszunehmen. Einerseits habe der Bf kein Messer entnehmen wollen und andererseits habe sich der Besucher G J gar nicht in der Küche aufgehalten.

 

Nach dem Erscheinen der Polizei hätten sich weder die Gattin des Bf, noch seine Tochter und auch nicht der Besucher G J bereit erklärt, die ursprünglichen Behauptungen niederschriftlich zu Protokoll zu geben.

 

Es sei kein gefährlicher Angriff bevorgestanden und die Polizei habe festgestellt, dass schon bei ihrem Erscheinen alle sich gefasst und beherrscht verhalten hätten. Eine besondere Gefährlichkeit des Bf habe auch nicht festgestellt werden können. Somit seien auch nicht die Voraussetzungen für das von der Polizei ausgesprochene Betretungsverbot gegeben gewesen.

 

Der belangten Behörde sei der Bericht der PI M bereits am 9. März 2009 vorgelegen. Trotz des Inhaltes des Berichtes habe die belangte Behörde keinerlei Überprüfungsmaßnahmen gesetzt und lediglich handschriftlich den Vermerk "bleibt aufrecht" angebracht. Die Überprüfungsverpflichtung durch die Sicherheitsbehörde könne sich aber nicht darauf beschränken, den Bericht lediglich zur Kenntnis zu nehmen. Gerade aufgrund der Tatsache, dass die angeblichen Zeugen nicht bereit waren, ihre telefonischen oder wörtlichen Behauptungen vor Ort auf der PI zu Protokoll zu geben bzw. dort überhaupt auszusagen, hätte die belangte Behörde zum Anlass nehmen müssen, die Betroffenen zeugenschaftlich einzuvernehmen. Dabei hätte sich ergeben, dass das Betretungsverbot unverzüglich aufzuheben gewesen wäre. Die Überprüfung habe unter anderem auch dahin zu erfolgen, ob die Verhältnismäßigkeit gewahrt sei. Diese sei ebenfalls beim Inhalt des Berichtes nicht gewahrt. Selbst wenn man von einer emotionsgeladenen Situation am 8. März 2009 ausgehe, sei diese am 9. März 2009 bereits beendet gewesen und es hätte kein Grund mehr bestanden, das Betretungsverbot weiter aufrecht zu erhalten.

 

Es werde daher folgender Antrag gestellt:

"der unabhängige Verwaltungssenat wolle das am 8.3.2009 um 20 Uhr 10 gegen mich ausgesprochene Betretungsverbot als rechtswidrig feststellen,

hilfsweise wird beantragt, die nach Verhängung des Betretungsverbotes vorgenommene Überprüfung durch die Sicherheitsverwaltungsbehörde für rechtswidrig zu erklären."

 

Abschließend wurden die Kosten verzeichnet und der Ersatz der Verfahrenskosten beantragt.

 

2.1 Mit Schreiben vom 24. April 2009, eingelangt beim Oö. Verwaltungssenat am 27. April 2009, hat die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die Kosten für den Aufwandersatz beantragt.

 

Nach der Wiedergabe des relevanten Sachverhaltes führte die belangte Behörde aus, dass sie sich bei der Überprüfung auf den übermittelten Bericht und die darin dokumentierten Umstände gestützt habe. Diese hätten die getroffene Maßnahme – "Anordnung eines Betretungsverbotes" – gerechtfertigt. Es werde daher beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

 

2.2. Aufgrund der übermittelten Gegenschrift und der gewährten Akteneinsicht hat der Rechtsvertreter des Bf am 2. Juni 2009 eine Stellungnahme abgegeben.

 

Darin führte der Rechtsvertreter im Wesentlichen aus, dass das Verhalten des Zeugen G J auffällig sei. Vorerst habe dieser unmittelbar nach dem Vorfall keine Angaben machen wollen, jedoch im Zuge der Vorbereitung der Gegenschrift habe der Zeuge eine Aussage getätigt. Die Angaben seien aber unrichtig. Zum Zeitpunkt, als der Bf die Bestecklade ca. 5 cm herausgezogen habe, hätte sich der Zeuge im Vorhaus, also ca. 3 bis 4 Meter von Standort des Bf entfernt aufgehalten. Der Zeuge sei daher nicht in der Lage gewesen, ihn zurückzuhalten. Er hätte ihn auch nicht zurückhalten müssen, da er weder ein Messer entnehmen wollte noch ein solches in die Hand genommen habe. Eine beantragte Untersuchung der Lade auf Fingerabdrücke sei mit dem Hinweis unterblieben, dass der Bf das Verhalten ja nur angeblich gesetzt habe.

 

Dass ein gefährlicher Angriff nicht zu erwarten gewesen sei, ergebe sich auch daraus, dass es ca. eine halbe Stunde gedauert habe, bis die Polizei eingetroffen sei. In dieser Zeit habe der Bf keinerlei Aggressionshandlungen gesetzt. Eine Überprüfung durch die belangte Behörde sei offenbar nicht vorgenommen worden. Die im Bericht der PI angeführten Umstände würden die getroffene Maßnahme nicht rechtfertigen und die nun vorgelegten Stellungnahmen seien – abgesehen von einer Ausnahme – erst nachträglich hergestellt worden.

 

Zutreffend sei, dass die Gattin des Bf beim BG Mattighofen eine einstweilige Verfügung erwirkt habe. Diese sei allerdings ohne die Anhörung des Bf erlassen und mit Rekurs bekämpft worden.

 

2.3. Am 25. Juni 2009 langte beim Oö. Verwaltungssenat der Beschluss des LG Ried vom 5. Mai 2009, GZ 6 R 121/09z ein, mit dem dem Rekurs nicht Folge gegeben worden war.

 

Im Anschluss daran teilte der Rechtsvertreter des Bf mit, dass die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt werde.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Bezug habenden Akt der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn zu Sich90-1-2009-Ga, die Schriftsätze des Bf und den Beschluss des LG Ried vom 5. Mai 2009. Da sich daraus der relevante Sachverhalt ableiten ließ, konnte von einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden.

 

Aus der Aktenlage ergibt sich folgender Sachverhalt:

 

3.1.1. Am 8. März 2009, nach 19.30 Uhr, verständigte A S, die Gattin des Bf, die Polizei, da sie sich durch die ständigen Provokationen und Äußerungen des Bf bedroht gefühlt hat.

 

Die Polizeibeamten der PI M, P und F wurden vom Bf, seiner Gattin, der Tochter K S und dem Freund G J beim Hauseingang erwartet. Alle Beteiligten waren gefasst; der Bf wies leichten Alkoholgeruch auf .

 

Im Haus schilderte die Gattin des Bf im Beisein der Tochter und des "zukünftigen Schwiegersohnes, G J" die Situation. Danach habe sie der Bf den ganzen Tag provoziert und ihr u.a. vorgehalten, dass sie eine Hure sei und andere Männer habe. Im Zuge des Streites habe sie gesagt, dass sie die Polizei anrufen werde und zu diesem Zweck sei sie in die im Erdgeschoss befindliche Küche gegangen. Sowohl der Bf als auch die Tochter und der zukünftige Schwiegersohn seien ihr gefolgt. Als sie das Handy genommen habe, hätte der Bf eine Küchenlade geöffnet und nach einem Messer greifen wollen. Der zukünftige Schwiegersohn habe ihn jedoch davon abgehalten.

 

Die Tochter und der zukünftige Schwiegersohn haben bei der Sachverhaltsaufnahme im Haus des Bf die Angaben der Gefährdeten bestätigt. Auf der PI M verweigerte G J die Aussage mit dem Hinweis, dass es sich beim Bf und bei der Gefährdeten um die zukünftigen Schwiegereltern handle.

 

Das Betretungsverbot wurde vom Meldungsleger damit begründet, dass laut Aussage der gefährdeten Person der Bf im Zuge eines Streites zu einem Messer greifen wollte.

 

3.1.2. Auf dem Deckblatt des Berichtes der PI M vom 8. März 2009, GZ E1/4330/2009, hat die belangte Behörde folgenden Vermerk angebracht: "ges. Ga., 9.3.08 bleibt aufrecht". und weiters auf dem Deckblatt und der Seite 3 je eine Textpassage unterstrichen.

 

3.1.3. Mit Beschluss vom 16. März 2009, GZ 3C 11/09h-3, hat das Bezirksgericht M eine einstweilige Verfügung erlassen und dem Bf u.a. die Rückkehr in das Haus G, M, und dessen unmittelbarer Umgebung für die Dauer von drei Monaten verboten.

 

Begründend wurde ausgeführt, dass die Gattin des Bf die Erlassung einer einstweiligen Verfügung am 10. März 2009 beantragt habe, da sie vom Bf am
8. März 2009 mit einem versuchten körperlichen Angriff bedroht worden sei. Der einstweiligen Verfügung lag das Vorbringen der Antragstellerin, die Einvernahme der K S als Zeugin und der Bericht der PI M zugrunde.

Bei der Sachverhaltsdarstellung wurde einleitend auf frühere Tätlichkeiten des Bf Bezug genommen. Der Geschehensablauf am 8. März 2009 deckt sich im Wesentlichen mit den Ausführungen, die unter Punkt 3.1.4. angeführt sind. Jedenfalls wurde festgestellt, dass der Bf nach dem Messer greifen wollte, von G J abgehalten worden ist und der Bf bereits vor dem Eintreffen der Polizei gegenüber der Gattin geäußert hat, dass er sie schon einmal erwischen werde und er schon wissen werde, was er zu tun habe. Die Gattin habe dies als Drohung aufgefasst.

 

In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass die Drohung eines körperlichen Angriffs oder, wie im vorliegenden Fall festgestellt, ein versuchter körperlicher Angriff jedenfalls ein Rückkehrverbot rechtfertige.

 

3.1.4. Am 30. März 2009 wurde die Gattin des Bf von Beamten der PI M als Zeugin befragt. Zum Vorfall gab sie an, dass der Bf den ganzen Tag über getrunken und um ca. 16.30 Uhr sie und die Tochter provoziert habe. Wegen der ständigen Beleidigungen habe sie um ca. 19.30 Uhr die Polizei angerufen. Ursprünglich wollte sie das "normale Telefon" in der Küche nehmen. Um dies zu verhindern, habe der Bf auf die Telefonsteckdose geschlagen. Die Verständigung der Polizei sei dann mit dem Handy ihrer Tochter erfolgt. Zeitgleich als sie das Handy der Tochter genommen habe, hätte der Bf noch vor dem Telefonat in der Küche die Bestecklade geöffnet um ein Messer zu entnehmen. Daran sei er durch den "Schwiegersohn" G J gehindert worden.

 

Vor und nach dem Versuch des Bf, das Messer an sich zu nehmen, habe der Bf seine Gattin damit bedroht, dass er ihr das zurückzahlen werde. Konkret mit dem Umbringen sei sie nicht bedroht worden. Sie wisse aber, was er damit gemeint habe. Nach wie vor habe sie Todesangst vor dem Bf. Nach der Wegweisung habe er am 21. März 2009 um 00.05 Uhr geläutet. Nach der Drohung, die Polizei zu verständigen, sei der Bf wieder gegangen.

Abschließend brachte sie vor, dass sie dem Bf Tätlichkeiten gegen ihre Person zutraue.

 

3.1.5. Bei der niederschriftlichen Befragung durch Beamte des PI M gab G J am 30. März 2009 an, dass der Bf mit der rechten Hand in die Schublade gegriffen habe und seiner Meinung nach ein Messer herausziehen wollte. Er habe ihn daran gehindert und ihm die Hand zurückgezogen. Anschließend habe sich der Bf auf das Sofa gesetzt. Der Bf sei stark betrunken gewesen, habe immer auf seine Frau geschimpft und von seinen Streitigkeiten erzählt.

 

3.1.6. In der Stellungnahme vom 11. April 2009 brachte der einschreitende Polizeibeamte KontrInsp H vor, dass er mit Unterstützung der "Krim.Streife Palting/Friedburg" zum Haus des Bf gefahren und dort um 19.55 Uhr eingetroffen sei. Vor dem Haus seien die Polizeibeamten vom Bf, dessen Gattin, deren Tochter und dem Freund der Tochter, G J, erwartet worden. Alle Personen hätten einen gefassten Eindruck gemacht. Im Stiegenhaus hätte die Gattin des Bf den Grund des Anrufes wie folgt geschildert. Der Bf habe sie den ganzen Tag mit diversen Aussagen provoziert und kurz nach 19.00 Uhr habe er mit ihr zu streiten begonnen. Sie sei daher in die Küche im Erdgeschoss gegangen, um vom dort befindlichen Festnetztelefon die Polizei zu verständigen. Sowohl die Tochter, deren Freund und der Bf seien ihr nachgegangen. In der Küche habe der Bf mit der Faust gegen die Telefonsteckdose geschlagen. Aus diesem Grund habe sie mit dem Handy der Tochter die Polizei angerufen. Während der Vornahme des Anrufes habe der Bf die Bestecklade geöffnet und ein Messer entnehmen wollen. Der Freund der Tochter habe ihn daran gehindert.

 

Demgegenüber habe der Bf die beabsichtigte Entnahme des Messers in Abrede gestellt und G J dazu bringen wollen, dass dieser seine Aussage bestätige.

Als die Tochter des Bf und G J kurzzeitig mit Insp. R alleine im Vorhaus waren, bestätigten beide die Angaben der Gefährdeten.

 

Da auf Grund der vorliegenden Aussagen ein gefährlicher Angriff nicht auszuschließen gewesen sei, habe er (KontrInsp H) um 20.10 Uhr gegen den "nicht stark" alkoholisierten Bf ein Betretungsverbot ausgesprochen. Während der Fahrt zur PI M wurde der Bf über das Betretungsverbot aufgeklärt und ihm ein Informationsblatt ausgefolgt. Da G J in die Schweiz zurückfahren wollte, wurde er niederschriftlich einvernommen. Im Hinblick darauf, dass es sich beim Bf um seinen zukünftigen Schwiegersohn handle, habe der Zeuge die Aussage verweigert.

 

Am 30. März 2009 sei die Ehegattin des Bf niederschriftlich befragt worden. Dabei habe sie ihre ursprünglichen Aussagen wiederholt und angegeben, dass sie noch immer vor ihrem Mann Todesangst habe. Der sich in ihrer Begleitung befindliche G J habe sich nunmehr bereit erklärt, eine Aussage zu machen und sei somit niederschriftlich befragt worden.

 

Die Tochter habe bei der Befragung am 7. April 2009 die Aussage verweigert.

 

Nach Abschluss der Erhebungen gegen den Bf wegen des Verdachtes der gefährlichen Drohung sei ein Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis übermittelt worden.

 

3.1.7. BezInsp A machte in der Stellungnahme vom 11. April 2009 im Wesentlichen übereinstimmende Angaben. So wurde beim Eintreffen am Ort der Amtshandlung die Stimmung als ruhig beschrieben; der Bf erschien dem Polizeibeamten als alkoholisiert aber höflich. Auf Grund der Schilderungen der Gattin des Bf, wonach der Bf nach einem neuerlichen Streit am Abend während der Verständigung der Polizei ein Messer aus der Bestecklade nehmen wollte und daran vom Freund der Tochter gehindert worden war, habe sie Ängste geäußert und befürchtet, dass es in der Nacht zu weiteren Auseinandersetzungen kommen könne. Die Tochter des Bf und deren Freund hätten die Angaben der Mutter bestätigt. Nach Abschluss der Befragungen habe eine Beratung zwischen ihm und  KontrInsp H stattgefunden. Letzterer habe ein Betretungsverbot im Sinne des § 38a SPG ausgesprochen, da ein gefährlicher Angriff keinesfalls ausgeschlossen sei.

 

3.1.8. In der "persönlichen Meldung" vom 11. April 2009 schilderte GrInsp M die Situation beim Eintreffen als eher ruhig und den Bf als leicht alkoholisiert. Die weiteren Angaben decken sich mit jenen des BezInsp. A.

 

3.1.9. Insp. R hielt in der Stellungnahme vom 11. April 2009 fest, dass beim Eintreffen alle einen sehr gefassten Eindruck machten. Übereinstimmend mit den bisher angeführten Stellungnahmen gab er die Angaben der Gattin des Bf wieder. Zum Verhalten des Bf führte Insp. R aus, dass dieser "immer wieder den Darstellungen" der weiteren Anwesenden widersprochen habe und G J dazu bringen wollte, dass dieser seine Version bestätige. Wörtlich habe der Bf wie folgt ausgeführt: "Sag die Wahrheit. Was habe ich getan? Sag, dass ich das nicht getan habe". Während einer kurzen Abwesenheit des Bf hätten die Tochter des Bf und G J die Aussagen der Gattin des Bf vollinhaltlich bestätigt. KontrInsp H habe schließlich ein Betretungsverbot ausgesprochen.

 

3.2. Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des Bezug habenden behördlichen Aktes, den Beschwerdeschriftsatz und den vorgelegten Dokumenten. Übereinstimmend haben die Gattin des Bf, seine Tochter und G J gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten ausgesagt, dass der Bf von G J abgehalten werden musste, ein Messer aus der Bestecklade zu nehmen. Entgegen den Beschwerdeausführungen hätte lediglich mit G J auf der PI Mattighofen eine Niederschrift aufgenommen werden sollen, da dieser vorgebracht hatte, in die Schweiz zurückkehren zu wollen. Wie der angefertigten Niederschrift zu entnehmen ist, hat der Zeuge die Aussage im Hinblick auf die zukünftige Stellung als Schwiegersohn verweigert. Aus den Akten kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die beiden Zeugen (Tochter und ihr Freund) die gegenüber den einschreitenden Polizeibeamten gemachten Aussagen widerrufen wollten. Wie in der Folge hervorgekommen ist, hat G J im Zuge der weiteren niederschriftlichen Befragung am 30. März 2009 die Aussage der Gattin des Bf bestätigt.

 

Im Hinblick auf die übereinstimmenden Aussagen der Gefährdeten, der Tochter des Bf, des G J und der Stellungnahmen der einschreitenden Polizeibeamten war das Vorbringen des Bf als Schutzbehauptung zu qualifizieren.

 

4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 88 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. I 40/2009 (im Folgenden: SPG) erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung von unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG).

 

Nach § 88 Abs. 2 SPG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate außerdem über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

 

Gemäß § 2 Abs. 2 SPG besteht die Sicherheitsverwaltung aus der Sicherheitspolizei, dem Pass- und dem Meldewesen, der Fremdenpolizei, der Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, dem Waffen-, Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen sowie aus dem Pressewesen und den Vereins- und Versammlungsangelegenheiten.

 

Nach § 3 SPG besteht die Sicherheitspolizei aus der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei (Art 10 Abs. 1 Z. 7 B-VG), und aus der ersten allgemeinen Hilfeleistungspflicht.

 

Im gegenständlichen Fall geht es um besondere Befugnisse im Rahmen der Sicherheitspolizei nach den Bestimmungen des § 38a Abs 1 und 2 SPG. Diese  lauten:

 

         (1) Ist auf Grund bestimmter Tatsachen, insbesondere wegen eines vorangegangenen gefährlichen Angriffs, anzunehmen, es stehe ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevor, so sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einen Menschen, von dem die Gefahr ausgeht, aus einer Wohnung, in der ein Gefährdeter wohnt, und deren unmittelbaren Umgebung wegzuweisen. Sie haben ihm zur Kenntnis zu bringen, auf welchen räumlichen Bereich sich die Wegweisung bezieht; dieser Bereich ist nach Maßgabe der Erfordernisse eines wirkungsvollen vorbeugenden Schutzes zu bestimmen.

 

         (2) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen das Betreten eines nach Abs. 1 festzulegenden Bereiches zu untersagen; die Ausübung von Zwangsgewalt zur Durchsetzung dieses Betretungsverbotes ist jedoch unzulässig. Bei einem Verbot, in die eigene Wohnung zurückzukehren, ist besonders darauf Bedacht zu nehmen, dass dieser Eingriff in das Privatleben des Betroffenen die Verhältnismäßigkeit (§ 29) wahrt. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, dem Betroffenen alle in seiner Gewahrsame befindlichen Schlüssel abzunehmen; sie sind verpflichtet, ihm Gelegenheit zu geben, dringend benötigte Gegenstände des persönlichen Bedarfs mitzunehmen und sich darüber zu informieren, welche Möglichkeiten er hat unterzukommen. Sofern sich die Notwendigkeit ergibt, dass der Betroffene die Wohnung, deren Betreten ihm untersagt ist, aufsucht, darf er dies nur in Gegenwart eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes tun.

 

Gemäß der Begriffsbestimmung des § 16 Abs. 2 SPG ist ein gefährlicher Angriff die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand nach dem Strafgesetzbuch (ausgenommen §§ 278, 278a, 278b StGB), Verbotsgesetz, Fremdenpolizeigesetz 2005 oder Suchtmittelgesetz (ausgenommen Erwerb oder Besitz zum eigenen Gebrauch) handelt.

 

Im § 16 Abs. 3 SPG wird dieser strafrechtsakzessorische Begriff noch auf (an sich straflose) Vorbereitungshandlungen im engen zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung erweitert.

 

Gemäß § 38a Abs. 6 SPG ist die Anordnung eines Betretungsverbotes unverzüglich der Sicherheitsbehörde bekannt zu geben und von dieser binnen
48 Stunden zu überprüfen. Sobald die Behörde feststellt, dass die Voraussetzungen für ein derartiges Verbot nicht bestehen, hat sie dieses dem Betroffenen gegenüber unverzüglich aufzuheben.

 

4.1.2. Im vorliegenden Fall wurden nur das ausgesprochene Betretungsverbot nach § 38a Abs. 2 SPG und die behördliche Überprüfung gemäß § 38a Abs. 6 SPG und nicht die Wegweisung bekämpft.

 

Die Beschwerde ist als Eingriffsbeschwerde oder schlichte Maßnahmenbeschwerde gemäß § 88 Abs 2 SPG zulässig.

 

4.2. Verhängung des Betretungsverbotes durch die einschreitenden Polizeibeamten:

 

4.2.1. Das Betretungsverbot gemäß § 38a Abs. 2 SPG ist ein bloß strafbewehrter Verwaltungsbefehl, bei dem die Zwangsgewalt ex lege für unzulässig erklärt wurde. Die Ausübung von Zwangsgewalt ist in tatsächlicher Hinsicht aber dennoch möglich und daher jeweils im konkreten Einzelfall gesondert zu prüfen (vgl. näher VwSen-420317 vom 12.12.2001, zitiert bei Hauer/Keplinger, Kommentar zum SPG3 [2005], 428 C.4.)

 

4.2.2.1. Für die Befugnisausübung durch Polizeiorgane ist maßgebend, ob ein gefährlicher Angriff auf die Rechtsgüter Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person durch einen Gefährdenden bevorsteht. Dabei muss es sich um eine konkrete Gefahr handeln (vgl Wiederin, Sicherheitspolizeirecht [1998] Rz. 479). Diese Erwartung muss auf "bestimmten Tatsachen" beruhen, wobei das Gesetz insbesondere einen vorangegangenen gefährlichen Angriff nennt. Diesem kommt eine wichtige Indizwirkung zu (vgl Wiederin, Sicherheitspolizeirecht [1998] Rz 479). Angesichts des Präventivcharakters sicherheitspolizeilicher Maßnahmen können auch Aggressionshandlungen unterhalb der Schwelle des gefährlichen Angriffs oder in der Vergangenheit liegende Gewaltakte als derartige Tatsachen in Betracht kommen, vor allem wenn mehrere dieser Faktoren zusammentreffen. Entscheidend ist, dass daraus gesamthaft betrachtet die Prognose eines gefährlichen Angriffs ableitbar ist (VwGH 24.2.2004, Zl. 2002/01/0280).

 

Dabei ist vom Wissensstand des Beamten im Zeitpunkt seines Einschreitens und damit von einer Ex-ante-Betrachtung auszugehen. Auf Grund des sich den einschreitenden Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bietenden Gesamtbildes muss mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit durch den Wegzuweisenden bevorstehe. Drohende "bloße" Belästigungen unter der Schwelle eines gefährlichen Angriffs reichen nicht aus (vgl VwGH 21.12.2000,  Zl. 2000/01/0003; VwGH 24.2.2004, Zl. 2002/01/0280).

 

Das Gesetz verlangt zwar nicht, dass sich die "bestimmten Tatsachen" zeitlich unmittelbar vor der Wegweisung und dem Betretungsverbot ereignet haben müssen. Bei länger zurückliegenden Tatsachen werden allerdings besondere Umstände für die Annahme eines gefährlichen Angriffs im Beurteilungszeitpunkt erforderlich sein (vgl Hauer/Keplinger, Kommentar zum SPG3, 402 A.5.).

 

4.2.2.2. Zur Zeit des Eintreffens der Polizeibeamten waren der Bf, seine Gattin, die Tochter und deren Freund vor dem Haus anwesend und machten auf die Beamten einen gefassten Eindruck.

 

Nachdem sich alle in das Haus begeben hatten, schilderte die Gattin des Bf das Verhalten des Bf während des Tages. Danach hat der Bf sie den ganzen Tag über provoziert und bedingt durch die Steigerung seines Verhaltens wollte sie die Polizei über das Festnetztelefon verständigen. Der alkoholbeeinträchtigte, aber nicht stark alkoholisierte Bf verhinderte dies vorerst, indem er mit der Faust auf die Telefonsteckdose geschlagen und somit eine Gesprächsaufnahme auf diese Art nachhaltig verhindert hat. Die Verständigung der Polizei erfolgte anschließend durch die Gattin des Bf mit dem Handy der Tochter. Während des Anrufes begab sich der Bf zur Bestecklade in der Küche und wollte nach einem Messer greifen. Der Freund er Tochter zog die Hand des Bf zurück und hinderte ihn somit an der Herausnahme eines Messers. Außerhalb der Hörweite des Bf bestätigten sowohl seine Tochter als auch deren Freund die Angaben der Gattin des Bf. Damit konfrontiert versuchte der Bf den Freund der Tochter dazu zu bringen, dass dieser seine Version (keine Absicht ein Messer aus der Lade nehmen zu wollen) bestätigt. Weder die Tochter noch deren Freund sind dem Ansinnen des Bf gefolgt. Bedingt durch das Verhalten des alkoholbeeinträchtigten Bf und der Steigerung seines Aggressivitätspotentials befürchtete die Gattin des Bf weitere Auseinandersetzungen in der Nacht.

Im Erlass des Bundesministers für Inneres (BMI) vom 3. September 1998, Zl. 64.000/165-II/20/98 (wiedergegeben bei Hauer/Keplinger, Kommentar zum SPG3, 416 ff B.3.), wird im Punkt 1. 2. Absatz zur Gefahrenprognose erläutert, dass die Schaffung der Befugnisse nach § 38a SPG bei Gewalt in Wohnungen nicht Gewalttätigkeiten im Auge hatte, die als bloße situativ bedingte Entgleisungen zu erklären sind und deshalb nach Beruhigung der Situation nicht neuerlich Gewalttätigkeiten befürchten lassen. Vielmehr soll in Gewaltbeziehungen, bei denen die Möglichkeit und Bereitschaft, Gewalt zur Durchsetzung von Interessen zu üben, praktisch permanent im Raume steht und sich deshalb zu einem Element der Beziehung verfestigt hat, eingegriffen werden. Solche Gewaltbeziehungen hörten nämlich erfahrungsgemäß nicht von selbst, sondern nur zufolge einer massiven Intervention von außen auf, die den gewaltbereiten Teil verhält, künftig auf den Einsatz von Gewalt zu verzichten.

 

Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben daher die Gefahrenprognose zu erstellen und nach konkreten Hinweisen für einen bevorstehenden gefährlichen Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit einer gefährdeten Person zu suchen und diese zu dokumentieren. Im Erlass des BMI vom 2. Mai 1997, Zl. 64.0007140-II/20/97 (wiedergegeben bei Hauer/Keplinger, Kommentar zum SPG3, 413 ff B.2.) wird es im Hinblick auf alle Umstände, die für eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO Bedeutung haben können, sogar zur Richtschnur erklärt, alles zu dokumentieren, was die Unzumutbarkeit des Zusammenlebens der Angehörigen darlegen kann.

 

Der Bericht vom 8. März 2009 ist äußerst knapp gefasst und kann erst in Zusammenschau mit den nachträglich erstatteten Stellungnahmen für die vorgenommene Prognose als ausreichend angesehen werden. Auch wenn in der Untergliederung "Merkmale für eine erhöhte Gefährlichkeit des Gefährders" "Keine" vermerkt wurde, ist aus der Darstellung im Bericht in Verbindung mit den Aussagen in den Stellungnahmen der einschreitenden Polizeibeamten eine Gefahrenprognose zu entnehmen, die konkrete Hinweise auf einen gefährlichen Angriff auf das Leben bzw die Gesundheit der Gattin des Bf erkennen lassen. Auf Grund der übereinstimmenden Schilderungen der Gattin des Bf, seiner Tochter und deren Freund ist das Verhalten des Bf keinesfalls als bloße Belästigung oder als situativ bedingte Entgleisungen anzusehen, die nach Beendigung der Amtshandlung keine Gewalttätigkeiten befürchten lassen würde. Auch wenn sich der Bf während der Amtshandlung gefasst und beherrscht verhalten hat, hatte sich seine Aggressivität im Verlauf des Tages, vermutlich bedingt auch durch den Alkoholeinfluss, gesteigert, zu einem Gewaltausbruch (Schlag gegen die Telefonsteckdose) geführt und schlussendlich vorerst darin gemündet, dass er am Höhepunkt der Auseinandersetzung ein Messer aus der Bestecklade in der Küche nehmen wollte. Da ihn daran der Freund seiner Tochter gehindert hat, ist es nur beim Versuch geblieben. Bedingt durch das Auftreten der übrigen Anwesenden und in der Folge durch den massiven Polizeieinsatz
(4 Polizeibeamte) fand eine Beruhigung der Situation statt. Da jedoch derartige Gewaltbeziehungen sich nicht auf Dauer nachhaltig beruhigen, sondern das beherrschte Verhalten der Beteiligten in der Regel in vergleichbaren Fällen nur während der Anwesenheit der Polizeibeamten gegeben ist, konnten die einschreitenden Polizeibeamten auf Grund des sich bietenden Gesamtbildes –  Alkoholisierungsgrad des Bf, angespannte Situation, gesteigertes Aggressionspotential, versuchte Entnahme eines Messers um die im Raum stehende gefährliche Drohung zu unterstreichen – mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass ein gefährlicher Angriff in naher Zukunft bevorstehe.

 

Die Vorgangsweise der einschreitenden Polizeibeamten entspricht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit gemäß § 29 SPG, dessen Beachtung der § 38a Abs 2 Satz 2 SPG beim Betretungsverbot wegen des schweren Eingriffs in das Privatleben besonders aufträgt. Die Verhältnismäßigkeit ist deshalb gewahrt, weil der Eingriff nach den konkreten Umständen unbedingt erforderlich war, um die Rechtsgüter der gefährdeten Person zu schützen. Die wiederholten und an Intensität zugenommenen Aggressionshandlungen des Bf, die er noch dazu im alkoholisierten Zustand gesetzt hat, sind auch wegen der alkoholbedingt herabgesetzten Selbstkontrolle als besonders gefährlich einzustufen. Auf Grund des beschriebenen Gesamtbildes durften die Organe der öffentlichen Sicherheit im Zeitpunkt ihres Einschreitens die für die Wegweisung und das Betretungsverbot maßgebliche Frage, ob ein gefährlicher Angriff des Bf auf Leben, Gesundheit oder Freiheit seiner Gattin bevorsteht, bejahen. Die objektiven Umstände (die im Wesentlichen erst in Zusammenschau des Berichtes mit den Stellungnahmen der einschreitenden Beamten klar zu Tage getreten sind) sprachen für einen bevorstehenden gefährlichen Angriff des Bf und nicht nur für Belästigungen unter der Schwelle des gefährlichen Angriffs.

 

4.2.3. Im Ergebnis war daher das von den Polizeibeamten gegen den Bf ausgesprochene Betretungsverbot nicht für rechtswidrig zu erklären und die Beschwerde diesbezüglich als unbegründet abzuweisen.

 

4.3. Überprüfung der Anordnung des Betretungsverbotes durch die belangte Behörde:

 

4.3.1. Die Überprüfung und allfällige Aufhebung des Betretungsverbotes hat nicht in einem förmlichen Verfahren zu erfolgen. Die Aufhebung des Betretungsverbotes ist kein Bescheid, sondern eine verfahrensfreie behördliche Verfügung, die als contrarius actus zur Verhängung des Betretungsverbotes kraft gesetzlicher Anordnung dessen Wirkungen beseitigt.

 

Mit der Beschwerdeführung gegen das Betretungsverbot nach § 88 SPG kann implizit auch die behördliche Überprüfung, ihre Unterlassung (vgl. VwGH vom 24.2.2004, 2002/01/0280; sinngemäß auch VfGH vom 30.9.2002, B 423/01) oder die Unterlassung, das Betretungsverbot aufzuheben, bekämpft werden, indem die Verletzung des Rechtes auf Aufhebung des Betretungsverbotes bei gegebenen gesetzlichen Voraussetzungen bzw. umgekehrt formuliert, des Rechtes, nicht länger als gesetzlich vorgesehen von einem Betretungsverbot betroffen zu sein, behauptet wird (siehe Keplinger, in Bauer, Keplinger, Schwarz-Schlöglmann, Sorgo, Gewaltschutzgesetz – Recht und Praxis, proLIBRIS.at 2007, 100; Hauer/Keplinger, Kommentar zum SPG3, 408 f A.20; ).

 

Die Pflicht zur Überprüfung der Anordnung des Betretungsverbotes ist eine nachträgliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit der Anordnung der sicherheitspolizeilichen Maßnahme und keine neuerliche Gefährlichkeitseinschätzung. Jedenfalls ist die Sicherheitsbehörde verpflichtet, das Rückkehrverbot aufzuheben, wenn die Voraussetzungen dafür nicht (mehr) vorliegen (siehe Thanner/Vogl, Sicherheitspolizeigesetz Sonderausgabe3 [2008], 93f).

 

Zutreffend wird bereits im Erlass des BMI vom 20. Dezember 2001, 95.012/956-V/1/01/DR, wie folgt ausgeführt:

"..... wenn Zweifel darüber bestehen, ob im Zeitpunkt der Anordnung des Betretungsverbotes die Voraussetzungen gemäß §38a Abs. 1 und 2 bestanden, sind ergänzende Erhebung zu führen (besteht kein Anlass für derartige Erhebungen, wären diese, soweit sie in Rechte Betroffener eingreifen, unverhältnismäßig). ..... In erster Linie kommt eine Befragung der einschreitenden Beamten in Frage."

 

4.3.2. Wie der Bf bereits ursprünglich gerügt hat, findet sich im vorgelegten Akt – abgesehen vom Vermerk " ges. Ga, 9.3.08 bleibt aufrecht" und der Unterstreichung "Alle Personen waren sehr gefasst und schilderten, nachdem diese mit den Beamten ins Haus gegangen waren, den Sachverhalt." auf der Seite 1 des Berichtes vom 8. März 2009 und der Unterstreichung "Die Tochter K S und deren Freund G J bestätigten noch im Haus der Familie gefragt die Angaben der A S." samt Rufzeichen auf der Seite 3 des bezeichneten Berichtes – keinerlei Hinweis darauf, dass die belangte Behörde der ihr nach § 38a Abs. 6 SPG auferlegten Verpflichtung zur Überprüfung des von ihren Organen angeordneten Betretungsverbotes auch nur ansatzweise entsprochen hat. Ebenso wenig lässt die Gegenschrift erkennen, dass die verpflichtende Überprüfung tatsächlich vorgenommen worden ist.

 

Der Gegenschrift ist nur zu entnehmen, dass sich die belangte Behörde mit der Einsichtnahme in den vorgelegten Bericht vom 8. März 2009 begnügt hat und auf Grund der darin gemachten Angaben den wiedergegebenen Vermerk angebracht hat.

 

Die Einsichtnahme in den vorliegenden, äußerst kapp gehaltenen Bericht zeigt aber, dass allein aus diesem noch nicht abgeleitet werden kann, dass das Betretungsverbot von den einschreitenden Organen zu Recht verhängt worden ist. Erst in Zusammenschau mit den erstatteten Stellungnahmen aller beteiligten Polizeibeamten und der Würdigung der darin enthaltenen ergänzenden Angaben war es dem erkennenden Mitglied des Oö. Verwaltungssenates möglich, die Anordnung des Betretungsverbotes zu beurteilen und deren Rechtmäßigkeit festzustellen.

 

Der beinahe unvollständig anmutende Bericht lässt für sich alleine betrachtet jedenfalls Zweifel an der Rechtmäßigkeit der getroffenen Anordnung aufkommen. Die belangte Behörde wäre gehalten gewesen, zumindest eine Befragung der einschreitenden Organe durchzuführen. Da sie dies verabsäumte und sich lediglich mit der Durchsicht des unzureichenden Berichtes begnügte, kann schon aus diesem Grund nicht davon ausgegangen werden, dass sie ihrer gesetzlichen Verpflichtung nachgekommen ist. Das behördliche Handeln stellt keine Überprüfung i.S.d. § 38a Abs. 6 SPG dar.

 

Würde man das sich auf die Einsichtnahme in den Bericht beschränkende Handeln der belangten Behörde als Prüfung im Sinne des § 38a Abs. 6 SPG ansehen, dann käme man bei der gebotenen Ex-ante-Betrachtung, abstellend auf die von ihr vorgenommenen Unterstreichungen, wohl zum Ergebnis, dass im Zeitpunkt der Anordnung des Betretungsverbotes die Voraussetzungen des § 38a Abs. 1 und 2 SPG nicht vorgelegen sind.

 

Ergänzend ist anzumerken, dass die Beschlüsse des BG Mattighofen vom
16. März 2009, Gz 3C 11/09h-3, und des LG Ried im Innkreis vom 5. Mai 2009,
6 R 121/09z, und das darin gegenüber dem Bf ausgesprochenen "Rückkehr- und Aufenthaltsverbot" an der vorgenommenen Beurteilung nichts zu ändern vermögen.

 

4.3.3. Im Ergebnis hatte der Oö. Verwaltungssenat daher der vorliegenden Beschwerde insoweit stattzugeben, als festzustellen war, dass der Bf durch die Unterlassung einer amtswegigen Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung des Betretungsverbotes seitens der belangten Behörde in seinen einfachgesetzlich gewährleisteten subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt wurde.

 

5. Gemäß § 88 Abs. 4 iVm § 79a Abs. 1 AVG hat die im Verfahren nach § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wird der angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (§ 79a Abs. 2 AVG). Nach § 79a Abs. 6 AVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag der Partei zu leisten.

 

Da die Beschwerde nur zum Teil zum Erfolg gelangte, findet kein Kostenersatz statt, weil eine analoge Anwendung des § 50 VwGG nicht in Betracht kommt (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 28.2.1997, Zl. 96/02/0481) und § 79a Abs. 2 und 3 AVG nur bei gänzlichem Obsiegen anzuwenden sind (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 5.9.2002, Zl. 2001/02/0209). Die Kostenersatzanträge waren daher abzuweisen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 20,40 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

 

 

 

 

Rechtssatz

vgl. VwSen-440109/21/Gf/Mu vom 7.4.2009

 

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