Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720251/3/SR/Sta

Linz, 24.07.2009

 

 

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Christian Stierschneider über die Berufung des J F L, geboren am , Staatsangehöriger der Volksrepublik China, vertreten durch Mag. W P, Rechtsanwalt in G, N, gegen den Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 21. Oktober 2008, AZ 1060964/FRB, betreffend die Erlassung eines auf 5 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes für das Bundesgebiet der Republik Österreich zu Recht erkannt:

I.                  Die Berufung gegen das Aufenthaltsverbot wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid insofern bestätigt.

II.              Soweit die Berufung den Ausschluss ihrer aufschiebenden Wirkung bekämpft, wird ihr Folge gegeben und dieser Ausschluss der aufschiebenden Wirkung für rechtswidrig erklärt. 

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG iVm §§ 9 Abs. 1 Z. 1 , 50 ff und 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG (BGBl. I Nr. 100/2005 zuletzt geändert mit Art. 2 des BGBl. I Nr. 29/2009).

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

1. Mit Bescheid des Polizeidirektors der Landeshauptstadt Linz vom 21. Oktober 2008, AZ 1060964/FRB, wurde über den Berufungswerber J F L, geboren am , Staatsangehöriger der Volksrepublik China (im Folgenden: Bw) ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Republik Österreich erlassen und gemäß § 64 FPG die aufschiebende Wirkung einer Berufung ausgeschlossen.

 

In der Begründung legte die Behörde erster Instanz klar und übersichtlich den bisherigen Werdegang des Bw, seine gerichtliche Verurteilung und das familiäre und soziale Umfeld dar. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes und der Verurteilung zog die belangte Behörde den Schluss, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde. Zum Schutze des öffentlichen Wohles der Republik Österreich und zur Verhinderung strafbarer Handlungen sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten.  

 

Nach Abwägung sämtlicher Umstände gelangte die belangte Behörde zu einer negativen Zukunftsprognose und erachtete die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des auf fünf Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes als schwerwiegender als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Bw.

 

2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 21. Oktober 2008 zu eigenen Handen zugestellt worden war, erhob der Bw durch seinen Rechtsvertreter innerhalb offener Frist Berufung. Abschließend wurden die Anträge gestellt, das über ihn verhängte Aufenthaltsverbot aufzuheben und der Berufung die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.  

 

Begründend führte der Rechtsvertreter unter Punkt I "Nichtigkeit des Verfahrens" aus, dass der Bw nicht in der Lage sei, einen in deutscher Sprache verfassten Text zu verstehen und er ebenso wenig in der Lage sei, ein Gespräch in deutscher Sprache zu führen.

Im Verfahren habe der Bw keinerlei Möglichkeit gehabt, zum Verfahren Beweisanträge zu stellen. Als Rechtsvertreter habe er erst am 22. Oktober 2008 vom Bescheid Kenntnis erlangt. Infolge von Verletzung von Verfahrensgrundsätzen, insbesondere des rechtlichen Gehörs sei das Verfahren nichtig. Der beigezogene Dolmetscher dürfte die Sprache des Bw nicht verstanden haben, da viele Fehler im Bescheid und in der Niederschrift vom
9. Oktober 2008 enthalten seien.

 

Infolge massiver Verfahrensmängel sei das Verfahren mangelhaft. Tatsache sei zwar, dass der Bw mit dem Urteil des LG Linz vom 3. Oktober 2008 rechtskräftig verurteilt worden sei; aus dem Strafverfahren ergebe sich aber, dass aus der Person des Bw keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe. Aus der Verurteilung alleine könne unter Berücksichtigung der übrigen Umstände ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden.

Unzutreffend habe die belangte Behörde festgestellt, dass die Ehegattin des Bw seit vier Jahren in einer Bar in Linz arbeite. Tatsächlich arbeite die Ehegattin in einer Bar und halte sich erst seit März 2008 in Österreich auf. Mit dem Aufenthalt der Ehegattin und ihrer Bekannten habe der Bw nichts zu tun. Die Übertragung des Hauptverhandlungsprotokolls sei beantragt worden und dieses werde umgehend übermittelt. Zum Beweis dafür, dass zwischen den Ehegatten eine dem Wesen der Ehe entsprechende Beziehung bestehe werde die Einvernahme der Ehegattin des Bw beantragt.

Aufgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der familiären Beziehung des Bw zu seiner Gattin habe die belangte Behörde zu Unrecht ein Aufenthaltsverbot ausgesprochen. Der Bw habe ein Grundrecht auf Kontaktaufnahme mit seiner in Österreich lebenden Ehegattin. Diese Interessen würden das öffentliche Interesse auf Sicherheit und Ordnung überwiegen. Der Bw würde das vorliegende Urteil akzeptieren und keine strafbaren Handlung begehen. Nach seiner Entlassung beabsichtige er nach Rumänien zurückzukehren. Zur Pflege seiner Beziehung zu seiner Ehegattin sei es jedoch erforderlich, dass er zeitweilig nach Österreich zurückkehre.

 

3. Mit Schreiben vom 6. März 2009, St 247/08, hat die Sicherheitsdirektion Oberösterreich den Berufungsakt vorgelegt. Da sich aus dem Vorlageakt eine Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich nicht ableiten ließ, wurde der Verwaltungsakt der Sicherheitsdirektion Oberösterreich zuständigkeitshalber übermittelt.

 

Unter Bezugnahme auf die Urteile und Beschlüsse des EuGH (M und S) ging die Sicherheitsdirektion Oberösterreich von der Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich aus und legte mit Schreiben vom 2. Juli 2009 den Verwaltungsakt neuerlich vor.

 

3.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den fremdenpolizeilichen Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz zu Zl. 1-1060964/FRB. Daraus ergab sich in Verbindung mit der Berufung der nachfolgend geschilderte, im Wesentlichen unstrittige Sachverhalt.

 

3.1.1. Der 1965 geborene Bw ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China, seit ca. 18 Jahren wohnhaft in T N, Ale. Z B B, Ap.  – Kreis N, R, verheiratet mit der rumänischen Staatsangehörigen R M L, lebt jedoch von dieser seit fast zwei Jahren getrennt. und verfügt in Österreich über keinen Wohnsitz.

 

3.1.2. Am 27. August 2008 wurde der Bw wegen des Verdachtes der schweren Erpressung und des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels festgenommen, am 29. August 2008 in die JA Linz eingeliefert und über ihn die Untersuchungshaft verhängt.

 

3.1.3. Bei der niederschriftlichen Befragung am 28. August 2008 durch das Landeskriminalamt gab der Bw neben den Ausführungen zu den Tatvorwürfen an, dass er sich seit 1992 ständig in Rumänien aufhalte, eine Vorstrafe wegen einer "Steuerangelegenheit" habe, seit drei Jahren mit R M verheiratet sei und nicht genau wisse, was sie jetzt mache. Vor zwei bis drei Monaten sei seine Ehefrau nach Österreich gegangen weil die Beziehung nicht mehr in Ordnung gewesen sei. Sie habe ihn verlassen wollen, sei deshalb von Rumänien weggegangen und beide hätten getrennte Wege gehen wollen. Trotz der Trennung würde noch eine freundschaftliche Beziehung bestehen.

 

3.1.4. In der Hauptverhandlung am 3. Oktober 2008 führte der Bw aus, dass er von seiner Gattin getrennt lebe, noch nicht geschieden sei und derzeit keinen Unterhalte bezahle. Über Befragen sagte J Z L (Erstangeklagte) aus, dass sie gehört habe, dass M R L vom Bw getrennt sei (Seite 7 des Hauptverhandlungsprotokolls).

 

Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 3. Oktober 2008,
Zl. 34 Hv 99/08z, wurde der Bw für schuldig erkannt und über ihn wegen des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15 Abs. 1 und 105 Abs. 1 StGB, des Vergehens der gefährlichen Drohung nach       § 107 Abs. 1 StGB und des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB nach dem ersten Strafsatz des " 217 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von
9 Monaten verhängt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren teilweise bedingt (7 Monate bedingt und 2 Monate unbedingt) nachgesehen.  

 

Entsprechend dem Urteil (gekürzte Urteilsausfertigung) wurde der Bw für schuldig erkannt, dass er

"I) in der Zeit von März 2008 bis 27. August 2008 mit J Z L in bewusstem und gewollten Zusammenwirken mit dem Vorsatz sich aus der Prostitution der L M N eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, diese Person ausgenützt hat, indem L M N die Hälfte ihrer durch Prostitution in der Wohnung der J Z L erworbenen Einnahmen und später ein Drittel des ab 19.6.2008 im Bordell S erworbenen Schandlohns und per 26.8.2008 hochgerechnet EUR 4.000,-- an sie abführen musste.

II. M N und S W durch gefährliche Drohung zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung bei der Polizei genötigt hat, und zwar

1) im August 2008 durch die per SMS an L M N gerichtete sinngemäße Äußerung, es würde etwas passieren, wenn sie es der Polizei sage bzw. ob die Polizei tatsächlich schneller sei als der Bw.

2) am 26.8.200 durch die an S W gerichtete Äußerung `ich habe zwei Sätze für dich, die ich dir sagen will, wenn meiner Schwester X L etwas passiert oder sie von der Polizei erwischt wird, schneide ich dir die Haut in Stücke vom Körper bist du tot bist´, wobei es beim Versuch geblieben ist.

III. am 26.8.2008 L M N durch die Äußerung `ob es ihr passen würde, wenn sie wegen des Chinesen sterben würde´ gefährlich bedroht hat um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen.

IV. zirka im März oder April 2008 L M N, mag sie auch bereits der Prostitution nachgegangen sein, der Prostitution in einem anderen Staat, nämlich in Österreich, als in dem dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, also R, zugeführt hat, indem er in ihr den Entschluss weckte, nach Ö zu gehen und dort die Prostitution auszuüben, den Flug von R nach Ö und die Fahrt von W nach L organisierte, dass N bei seiner Bekannten J Z L als Prostituierte arbeiten könne."

 

Mildernd wurde gewertet, dass der Bw in der Hauptverhandlung die Verantwortung übernommen habe, unbescholten gewesen und zu Punkt II)2) ein Versuch vorgelegen sei. Erschwerend wurde das Zusammentreffen von mehreren Vergehen mit einem Verbrechen gewertet.

 

Im Anschluss an die Urteilsverkündung erklärte der Bw durch seinen Verteidiger Rechtsmittelverzicht.

 

3.1.5. Am 9. Oktober 2009 wurde der Bw in der JA Linz von Organen der belangten Behörde niederschriftlich befragt.

Über Vorhaltung gab der Bw an, dass er mit einer rumänischen Staatsangehörigen verheiratet und zum Aufenthalt in R berechtigt sei. Er reise öfters nach Ö, da er hier viele Freunde und auch Geschäfts­beziehungen habe. Aus diesem Grund sei das beabsichtigte Aufenthaltsverbot nicht gut für ihn. Außerdem sei er unschuldig verurteilt worden. Die Gattin befinde sich seit ca. 4 Jahren in Ö, arbeite legal in einer Bar und wohne gemeinsam mit einer Bekannten in L. Verheiratet sei er seit 2004. In Wien habe er einen Cousin und eine Cousine. Weitere Verwandte habe er nicht in Ö. Der Lebensmittelpunkt befinde sich in R. Dort habe er ein Restaurant. Für seine Tochter aus der ersten Ehe habe er ein Kindermädchen.

In Ö habe er weder einen Wohnsitz noch gehe er einer Beschäftigung nach. An Barmittel verfüge er über 300 bis 400 Euro.

Abschließend brachte der Bw vor, dass er nach der Haft freiwillig Ö verlassen möchte und ihn ein Bekannter mit dem Pkw nach R bringen würde.

 

3.1.6. Nach der Haftentlassung am 27. Oktober 2008 wurde der Bw auf Grund des Festnahmeauftrages der belangten Behörde festgenommen, in das Polizeianhaltezentrum Linz eingeliefert, unverzüglich niederschriftlich befragt und am 27. Oktober 2008 um 19.55 Uhr von W-S nach B abgeschoben.

 

3.2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt  sich aus der Aktenlage und den Beschwerdeausführungen.

 

Der festgestellte Sachverhalt ist im Wesentlichen unbestritten.  

 

4. In der Sache hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

4.1. Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige dann zulässig, wenn aufgrund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.

 

§ 86 FPG enthält Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsbe-rechtigung betreffend freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage vor dem 1. Jänner 2006 durfte gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsverbot nämlich nur erlassen werden, wenn die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 Z 1 FrG erfüllt waren. Dabei war § 36 Abs. 2 FrG als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehen (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom
13. Oktober 2000, 2000/18/0013).

 

Demgemäß sind auch die §§ 60 ff FPG als bloßer Orientierungsmaßstab für § 86 FPG anzusehen. Die belangte Behörde hat sich bei der Verhängung des Aufenthaltsverbotes an § 60 Abs. 1 und Abs. 2 FPG orientiert. 

 

Gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet.

 

Als bestimmte Tatsache im Sinne des Absatz 1 gilt gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 leg. cit. insbesondere, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als 3 Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als 6 Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

Nach § 60 Abs. 3 leg. cit.  liegt eine gemäß Abs. 2 maßgebliche Verurteilung nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Eine solche Verurteilung liegt jedoch vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

 

§ 73 StGB bestimmt für den Fall, dass das Gesetz nicht ausdrücklich auf die Verurteilung durch ein inländisches Gericht abstellt, dass ausländische Verurteilungen inländischen gleichstehen, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist, und in einem den Grundsätzen des Art. VI der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entsprechenden Verfahren ergangen sind.

 

Würde nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 FPG durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- und Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

 

Nach § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 2 leg.cit. darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

Gemäß § 66 Abs. 2 leg. cit. sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

4. der Grad der Integration;

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

 

4.3.1. Im Hinblick auf die jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes (M und S) ist der Bw als begünstigter Drittstaatsangehöriger zu betrachten. Für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung ist daher die Sonderbestimmung des § 86 FPG maßgeblich.

 

Zunächst war zu prüfen, ob das persönliche Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Die Erläuterungen zu § 86 FPG (22 GP, RV 952, 106)  verweisen auf die Art. 27
Abs. 2 und Art. 28 Abs. 3 Z. a der Richtlinie 2004/38/EG und die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 27.10.1977, Rs 30/77 - Fall B).

 

Zur Beurteilung der Frage, ob ein bestimmter Sachverhalt die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen einen EWR-Bürger oder begünstigten Drittstaatsangehörigen  rechtfertigt, ist auf die demonstrative Aufzählung des     § 60 Abs. 2 FPG nur als "Orientierungshilfe" zurückzugreifen. Entgegenstehende europarechtliche Vorgaben sind dabei jedenfalls zu beachten.

 

Wie unter Punkt 3.1.4. ausführlich dargelegt, wurde über den Bw wegen des Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs. 1 StGB, des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15 Abs. 1 und 105 Abs. 1 StGB, des Vergehens der gefährlichen Drohung nach       § 107 Abs. 1 StGB und des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB nach dem ersten Strafsatz des 217 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von
9 Monaten verhängt. Gemäß § 43a Abs. 3 StGB wurde die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren teilweise bedingt (7 Monate bedingt und 2 Monate unbedingt) nachgesehen. 

 

Nach § 63 Abs. 1 FPG wäre die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes zulässig.

 

4.3.2. Für den Oö. Verwaltungssenat steht zunächst zweifelsfrei fest, dass das Verhalten des Bw ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

4.3.2.1. Der EuGH hat im Urteil vom 27. Oktober 1977, Rs 30/77, ausgeführt, dass jede Gesetzesverletzung eine Störung der öffentlichen Ordnung darstellt. Neben dieser Störung der öffentlichen Ordnung muss nach Ansicht des Gerichtshofes jedenfalls eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Frühere strafrechtliche Verurteilungen dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als die ihnen zugrunde liegenden Umstände  ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Wenn auch in der Regel die Feststellung einer derartigen Gefährdung eine Neigung des Betroffenen nahelegt, dieses Verhalten in Zukunft beizubehalten, so ist es doch auch möglich, dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt. Es obliegt den nationalen Behörden und gegebenenfalls den nationalen Gerichten, diese Frage in jedem Einzelfall zu beurteilen, wobei sie die besondere Rechtstellung der dem Gemeinschaftsrecht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen haben.

 

Im konkreten Fall handelt es sich auch nicht um ein bloß sonstiges öffentliches Interesse, sondern tatsächlich um ein Grundinteresse der Gesellschaft. Die mehrfach qualifizierten Straftaten des Bw wurden im Urteil des LG Linz teilweise als Verbrechen und teilweise als Vergehen eingestuft.

 

Auch wenn das Landesgericht die bisherige Unbescholtenheit in Österreich, die Verantwortungsübernahme und die versuchte Nötigung (Pkt II/2 im Urteil) als mildernd gewertet hat, darf dabei nicht übersehen werden, dass das Gericht das Zusammentreffen von mehreren Vergehen mit einem Verbrechen als erschwerend erachtet hat.

 

Aus dem Vorlageakt, der Berufung und den übermittelten Beilagen (Hauptverhandlungsprotokoll vom 3. Oktober 2009) lassen sich deutliche Rückschlüsse auf den verwerflichen Charakter des Bw ziehen.

 

Da sich der Bw (nach seinen eigenen Angaben) immer nur sporadisch in Österreich aufgehalten hat, steht zur Beurteilung seiner Charaktereigenschaften auch nur ein kurzer Zeitraum zur Verfügung. Stellt man auf diese aktenkundigen Zeiträume (März bis August 2008) ab, so zeigt sich, dass der Bw ohne Skrupel anlassbezogene Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung gesetzt hat, um seine – teilweise – verbrecherischen Ziele beispielsweise durch gefährliche Drohung oder mit Nötigungen zu erreichen.

 

Besonders bezeichnend ist auch sein Verhalten vor der Gerichtsverhandlung und während der Hauptverhandlung. Nach anfänglichem Leugnen hat er auf Grund der erdrückenden Beweislage und in Kenntnis eines möglichen milden Urteils im Falle der Verantwortungsübernahme nach Rücksprache mit seinem Verteidiger die Verantwortung für den Tatvorwurf übernommen. Bemerkenswert ist dabei, dass der Bw im Vorfeld seiner Entscheidung von seinem Verteidiger darauf hingewiesen worden ist, dass im Falle der Verhängung einer teilbedingten Strafe er mit der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zu rechnen habe. Dieses "Risiko" wurde vom Bw in Kauf genommen. Trotz seines "Geständnisses" und der "Verantwortungsübernahme" hat sich der rechtskräftig verurteilte Bw bei der niederschriftlichen Befragung durch die belangte Behörde als "unschuldig verurteilt" bezeichnet. Darauf aufbauend und unter Hinweis, dass er im Gerichtsverfahren seine "Unschuld unter Beweis" stellen wollte, gelangt der Bw im Rechtsmittel zum Ergebnis, dass von ihm trotz der rechtskräftigen Verurteilung keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe.

 

Entgegen der Ansicht seines Vertreters hatte der Bw sehr wohl die Möglichkeit im Verfahren Beweisanträge zu stellen und darüber hinaus wurde ihm auch dargelegt, dass gegen ihn auf Grund seines Verhaltens in Österreich ein Aufenthaltsverbot erlassen werde. Selbst in der Berufung hat der Bw, abgesehen von der Einvernahme der "Ehegattin", keine Beweisanträge gestellt sondern sich nur mit dem Hinweis auf das Hauptverhandlungsprotokoll begnügt. Nach Einsichtnahme in dieses hätte die belangte Behörde feststellen können, dass der Bw mit der Einreise der beiden Frauen (Ehegattin und M N), der beabsichtigten Weiterreise bzw. deren Verbleib in Österreich nichts zu tun gehabt habe. Dem Bw scheint in diesem Zusammenhang aber unbeachtlich zu sein, dass er nach ursprünglichem Leugnen die ihm vorgeworfenen Taten eingestanden, die Verantwortung über die angelasteten Taten übernommen und auf weitergehende Beweisaufnahmen zum Beweise seiner Unschuld verzichtet hat.

 

Wie bereits dargelegt, kann auch aus dem zeitlich relativ kurzen Betrachtungszeitraum ein persönliches Verhalten des Bw erkannt werden, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt, welches auch den Schluss zulässt, dass der Bw dieses Verhalten in Zukunft beibehalten werde. Anders als in der Berufungsschrift brachte der Bw gegenüber den Organen der belangten Behörde am 9. Oktober 2009 die nachvollziehbareren Gründe für die Nichterlassung eines Aufenthaltverbotes vor. So waren dem Bw ausschließlich seine "Geschäftsverbindungen" in Österreich wichtig. Ein Aufenthaltsverbot würde, wie niederschriftlich ausgesagt, "daher nicht gut für ihn sein". Die Aufrechterhaltung der Beziehungen zu seiner Ehefrau (die er in der Hauptverhandlung einmal sogar als "Exfrau" bezeichnet hat, wurde mit keinem Wort erwähnt. Stellt man auf seine bisherigen "Geschäftsaktivitäten" in Österreich ab, die zu der vorliegenden Verurteilung geführt haben, so liegt nahe, dass sich der Bw trotz der Verurteilung weiterhin seinen "Geschäften" in Österreich widmen möchte.

 

Die Tathandlungen und die nachfolgende Verantwortung lassen eindeutige Rückschlüsse auf seinen besonders verwerflichen Charakter zu und zeigen auf, dass er nicht geneigt ist, die Rechtsordnung seines Gastlandes zu respektieren.    

 

Derzeit lässt das Persönlichkeitsbild des Bw keinesfalls den Schluss zu, dass er nunmehr als geläutert anzusehen ist.

 

Auf Grund der dargelegten Umstände, der Art und Schwere der vorliegenden Straftaten und dem sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbild des Bw pflichtet der Oö. Verwaltungssenat der Auffassung der belangten Behörde bei, dass der weitere Aufenthalt des Bw in Österreich die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 60 Abs. 1 Z 1 FPG gefährden würde und dass sein bisheriges Gesamt-fehlverhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die das besondere Grundinteresse der Gesellschaft an der Verhinderung von Straftaten gegen Leib und Leben berührt.  

 

4.3.2.2. Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, soweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist, ferner eine Maßnahme darstellt, die einem oder mehreren der in Art. 8 Abs. 2 EMRK formulierten Ziele (die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, der Schutz der Gesundheit und der Moral und der Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) dient und hierfür in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist.

 

Im vorliegenden Fall könnte ein Eingriff denkmöglich sein. Der Eingriff verletzt den Schutzanspruch aus Art 8 Abs. 1 EMRK jedenfalls dann, wenn er zur Verfolgung der genannten Ziele in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig ist, d.h. wenn er nicht durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und insbesondere nicht verhältnismäßig zum verfolgten legitimen Ziel ist.

 

Ein Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützte Recht ist nicht bereits dann notwendig, wenn die innerstaatliche Norm ihn gebieten oder erlauben und er einem der in Art. 8 Abs. 2 EMRK formulierten Ziel dient. Entscheidend ist, ob er auch verhältnismäßig zum verfolgten Eingriffsziel ist. Davon ist nur auszugehen, wenn Gewicht und Bedeutung des Eingriffziels Gewicht und Bedeutung des durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Schutzanspruchs überwiegt. Bei der Abwägung sind laut EGMR (Benhebba, Urteil vom 10.7.2003, Bsw.Nr. 53441/99; Üner, Urteil vom 5.7.2005, Bsw.Nr. 46410/99) jedenfalls folgende Aspekte zu berücksichtigen, zu gewichten und gegeneinander abzuwägen:

 

·                     Dauer des Aufenthaltes

·                    Beherrschung der Sprache des Aufenthaltsstaates in Wort und                       Schrift

·                     Wohnverhältnisse

·                     wirtschaftliche Integration

·                     soziale Kontakte und Bindungen, Alter der Kinder

·                     Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft

·                     Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes

·                     Bindungen an den Staat der eigenen Staatsangehörigkeit

·                     Straftaten

*       Natur und Schwere der Straftaten

*       Dauer des Zeitraums zwischen Begehung der Straftat und der          aufenthaltsbeendenden Maßnahme und das Verhalten des Fremden während dieser Zeit

*       Dauer des Aufenthaltes im Aufenthaltsstaat

*       Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen (Ehegatte, Kinder)

*       Schwierigkeiten, welche für den Ehepartner und/oder Kinder im Herkunftsstaat des Fremden zu erwarten sind

 

Ein wesentliches Element für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des zu erlassenden Aufenthaltsverbotes ist die Schwere der vom Bw begangenen Vergehen und des begangenen Verbrechens.

 

Der EGMR hat sich in zahlreichen Urteilen (B, Urteil vom 2.8.2001, Bsw.Nr. 54273/00; B, Urteil vom 30.11.1999, Bsw.Nr. 34374/97) mit der Verhältnismäßigkeit derartiger Eingriffe auseinandergesetzt.

 

Im Urteil vom 6.2.2003, Bsw.Nr. 36757, J, war der EGMR der Ansicht, dass "zwei Verurteilungen wegen Einbruchsdiebstahl nicht als besonders schwerwiegend beurteilt werden können, da die Straftaten keine gewaltsamen Elemente beinhalten" würden und er hat den Eingriff daher als nicht verhältnismäßig zum verfolgten Ziel beurteilt.

 

In der Beschwerde Keles (Urteil vom 27.10.2005, Bsw.Nr. 32.231/02) hat der Gerichtshof der Tatsache wesentliche Bedeutung beigemessen, dass die beiden einzigen verhängten Freiheitsstrafen nur fünf bzw. sechs Monate betragen hatten. Das Urteil gründete auf der Feststellung, dass der Beschwerdeführer in den zehn Jahren, die seiner Ausweisung vorangegangen sind, achtmal wegen Straftaten (davon viermal wegen Verkehrsdelikten) verurteilt worden war. Der Gerichtshof würdigt in diesem Zusammenhang das entschlossene Vorgehen der Behörde gegen Fremde, die sich bestimmter Delikte (wie etwa Drogenhandel) schuldigt gemacht haben.   

 

In Anbetracht der einschlägigen Judikatur des EGMR (neben den bereits zitierten Urteilen siehe auch: B, Urteil vom 21.6.1988, Bsw.Nr. 10730/84; M, Urteil vom 18.2.1991, Bsw.Nr. 12313/86; Y, Urteil vom 31.7.2002, Bsw.Nr. 37295/97; M, Urteil vom 15.7.2003, Bsw.Nr. 53306/99) greift das Aufenthaltsverbot nur peripher in das Privatleben des Bw ein.

 

Entgegen den Sachverhaltsfeststellungen, die sich im Wesentlichen auf die Aussagen in der Hauptverhandlung und die Angaben des Bw vor der belangten Behörde stützten, geht der Bw in der Berufungsschrift davon aus, dass zwischen ihm und seiner Ehegattin eine dem Wesen der Ehe entsprechende Beziehung bestehe und beantragt daher zum Beweis dafür die Einvernahme seiner Ehegattin.

 

Im Hinblick auf eindeutigen Aussagen des Bw in der Hauptverhandlung am
3. Oktober 2008 (Hauptverhandlungsprotokoll [HVP] Seite 3: "von meiner Gattin R M lebe ich getrennt, wir sind aber noch nicht geschieden. Ich bezahle derzeit keinen Unterhalt"), der Erstangeklagten J Z L (HVP Seite 8: "Als M gekommen ist, habe ich gehört, dass sie vom Zweitangeklagten [Bw] getrennt ist"), der als Zeugin befragten Ehegattin des Bw (HVP Seite 24: "Momentan sind wir getrennt. Wir sind schon fast zwei Jahre getrennt.") und des Bw am 28. August 2008 im Zuge der niederschriftlichen Befragung durch Beamte des Landeskriminalamtes des LPK ("Ich bin seit drei Jahren mit R M verheiratet. Sie arbeitete in R nicht als Prostituierte. Ich weiß auch nicht ganz genau, was sie jetzt macht. Sie ging vor 2 bis 3 Monaten allein nach Ö, weil unsere Beziehung nicht mehr in Ordnung ist. Sie wollte mich verlassen und ging deshalb von R weg.  ....  Wir gehen getrennte Wege und ich weiß auch nicht was sie hier macht und weiß auch nicht, wo sie in L wohnt. .... Das stimmt, wir haben uns zwar getrennt, es blieb aber eine freundschaftliche Beziehung zwischen uns") war die Behauptung, dass zwischen dem Bw und seiner Ehegattin ein dem Wesen der Ehe entsprechende Beziehung bestehe, als Schutzbehauptung zu werten und konnte im Hinblick auf die unter Wahrheitspflicht erfolgte Aussage der Ehegattin des Bw auf deren neuerliche Befragung verzichtet werden.

 

Unstrittig steht fest dass der Lebensmittelpunkt des Bw in R liegt. Dort lebt auch seine Tochter aus seiner ersten Ehe. In Ö verfügt der Bw über keinen Wohnsitz. Die Reisen nach und durch Ö dienten grundsätzlich seinen "Geschäften" und den "Geschäftsbeziehungen zu seinen Freunden". Ein tatsächlich bestehendes Familienleben lag weder in den Monaten vor seiner Festnahme und U-Haftverhängung noch nach seiner Haftverbüßung vor. Auf Grund des vorliegenden Sachverhaltens kann zum Entscheidungszeitpunkt nicht von einem Eingriff in ein tatsächlich bestehendes Familienleben gesprochen werden. Selbst wenn ein solches ansatzweise vorliegen sollte und vom Schutz des Art 8 EMRK umfasst wäre, sind die berücksichtigungswürdigen Gründe kaum von Gewicht. Die angestellten Überlegungen treffen auch auf den behaupteten Eingriff in das Privatleben des Bw zu.

 

Die Aufenthalte des Bw in Österreich dienten, soweit sie dokumentiert sind, zuletzt "Geschäften", die schlussendlich zu der vorliegenden strafgerichtlichen Verurteilung führten. Der Bw beherrscht weder die österreichische Sprache (sämtliche Behördenkontakte waren nur mittels Dolmetscher möglich) noch weist er eine wirtschaftliche Integration auf. "Soziale Kontakte und Bindungen" bestanden laut seinem Vorbringen und der Aktenlage nur zu Mittätern und kaum zu seiner Ehegattin. Nach wie vor liegt der Lebensmittelpunkt des Bw in seinem Heimatstaat; so hat er auch dargelegt, dass er im Anschluss an die Haftstrafe freiwillig wieder nach R zurückkehren möchte, da er dort ein Restaurant und seine Tochter aus 1. Ehe habe. 

 

Gegen den Aufenthalt und für die Erlassung eines auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot sprechen die erhebliche kriminelle Energie, sein mangelndes Rechtsempfinden und sein starke Charakterdefizite erkennen lassendes Persönlichkeitsbild.  

 

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das für seinen Verbleib in Ö behauptete persönliche Interesse das durch sein gravierendes Gesamtfehlverhalten nachhaltig beeinträchtigte Allgemeininteresse iSd Art 8 Abs 2 EMRK nicht überwiegt (vgl. idS zB VwGH 27.06.2006, Zl. 2006/18/0092).   

 

Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots für die öffentliche Ordnung und Sicherheit wiegen wesentlich schwerer als die Auswirkungen auf die persönliche Lebenssituation des Bw. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes war zur Erreichung von im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten.  

 

Was die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes betrifft, teilt der unabhängige Verwaltungssenat die Ansicht der belangten Behörde.  

 

4.4. Im Ergebnis war das angefochtene Aufenthaltsverbot zu bestätigen und die Berufung abzuweisen.

 

4.5. Gemäß § 64 FPG darf bei Fremden, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die aufschiebende Wirkung einer Berufung gegen ein Aufenthaltsverbot oder ein Rückkehrverbot ausgeschlossen werden, wenn die sofortige Ausreise des Fremden oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der nationalen Sicherheit erforderlich ist.

 

Die Vorläuferbestimmungen des § 45 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 und des § 27 Abs. 4 Fremdengesetz 1993 enthielten bis auf die Ergänzung der Wendung "oder die sofortige Durchsetzbarkeit" eine gleichlautende Ermächtigung der Behörde.

 

In der Regierungsvorlage zum Fremdenrechtspaket 2005 (952 BlgNR 22. GP) wird zu § 64 auf Seite 101 erläuternd ausgeführt:

 

§ 64 gibt Art I Z. 2 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK für den Bereich des Aufenthaltsverbotes wieder. In den Fällen, in denen sich der Fremde jedoch nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat er keinen Anspruch darauf, während des Berufungsverfahrens im Inland zu verbleiben, wenn der Berufung die aufschiebende Wirkung genommen wird. In diesen Fällen kann die aufschiebende Wirkung einer Berufung unter den Voraussetzungen des § 64 AVG ausgeschlossen werden.

 

Im Hinblick auf die Antragstellung betreffend Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung geht der erkennende Verwaltungssenat davon aus, dass der Bw mit seinem Vorbringen sinngemäß die erstbehördliche Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Berufung bekämpfen wollte.

 

Im Erkenntnis vom 27. Juni 2006, Zl. 2006/18/0092, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf das zum vergleichbaren Fremdengesetz 1997 ergangene Erkenntnis vom 21. September 2000,             Zl. 99/18/0179, ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers daran bejaht, dass sich der unabhängige Verwaltungssenat mit der Frage der Rechtmäßigkeit des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Berufung auseinandersetzt. Einer Berufung gegen einen Ausspruch nach § 64 Abs 2 AVG kommt keine aufschiebende Wirkung zu. Dies verbietet der Sinn des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung. Ein Rechtsmittel gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung soll lediglich die Überprüfung der dafür bestehenden Voraussetzungen durch die Berufungsbehörde ermöglichen. Bei der Berufungsentscheidung ist auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides abzustellen und sind die Voraussetzungen für diesen Zeitpunkt zu beurteilen (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens6 [2004], E 13a, 13b und 13c zum insoweit vergleichbaren § 64 Abs 2 AVG).

 

Im Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 97/18/0564, das zur vergleichbaren Vorläuferbestimmung des § 27 Abs. 4 Fremdengesetz 1993 ergangenen und deshalb auch heute noch einschlägig ist, hat sich der Verwaltungsgerichthofs mit der Frage des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung auseinandergesetzt und ausgeführt, dass bereits aus dem Wortlaut deutlich werde, dass ein strenger Maßstab anzulegen sei. Der Ausschluss sei nur gerechtfertigt, wenn die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung oder aus Gründen der nationalen Sicherheit, nicht aber zur Erreichung anderer im Art 8 Abs. 2 EMRK genannter Gründe, erforderlich ist. Daraus sei ersichtlich, dass als Grundlage für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Berufung - anders als für die Beurteilung des Dringend-Geboten-Seins eines Aufenthaltsverbotes - nur eine vom Fremden ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung in Betracht kommt, der ein annähernd gleichwertiges Gewicht wie der Gefährdung der nationalen Sicherheit zukommt.

 

Die belangte Behörde hat zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach dem § 64 FPG begründend ohne nähere Darlegung behauptet, dass das Verhalten des Bw der öffentlichen Ordnung massiv zuwiderlaufe und daher seine sofortige Ausreise nach Verbüßung der Strafhaft im öffentlichen Interesse erforderlich sei.

 

Diese pauschale Behauptung der belangten Behörde widerspricht der Aktenlage.

Das persönliche Verhalten des Bw stellt zwar eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt; sie ist jedoch nicht so schwerwiegend, dass ihr annähernd ein Gewicht wie der Gefährdung der nationalen Sicherheit zukommt.

 

Aus diesen Gründen war der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im angefochtenen Bescheid als rechtswidrig festzustellen. Eine Aufhebung dieses Ausspruchs kommt nicht in Betracht, weil er sachlogisch mit der Berufungsentscheidung ohnehin wegfällt.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweise:

 

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Eingabegebühren in Höhe von 13,20 Euro angefallen. Ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

 

 

Mag. Christian Stierschneider

 

 

 

 

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