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des Landes Oberösterreich
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VwSen-100279/10/Fra/Hm

Linz, 16.03.1992

VwSen - 100279/10/Fra/Hm Linz, am 16. März 1992 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Johann Fragner über die Berufung des R D, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. C R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 15. November 1991, Zl.VerkR96/1609/1991-Or/S, wegen Übertretungen der StVO 1960, nach der am 28. Februar 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich der Übertretung nach § 4 Abs.5 StVO 1960 (Faktum 3) Folge gegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird diesbezüglich behoben und das Verfahren eingestellt.

II. Der Berufung wird hinsichtlich der Übertretung nach §§ 16 i.V.m.§§ 99 Abs.5 StVO 1960 (Fakten 1 und 2) bezüglich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Der Berufung wird jedoch hinsichtlich des Strafausmaßes insofern Folge gegeben, als die verhängten Strafen auf je 850 S (Ersatzfreiheitsstrafen je 12 Stunden) herabgesetzt werden. Der Schuldspruch lautet daher wie folgt: "Sie haben am 5. Februar 1991 um 12.45 Uhr den PKW, VW Jetta, Kennzeichen , auf der B 124 von P in Richtung T gelenkt, dabei bei Straßenkilometer 11,2 versucht, einen LKW-Zug zu überholen, 1. obwohl diese Rechtskurve unübersichtlich ist und 2. obwohl andere Straßenbenützer gefährdet und behindert werden konnten, da Gegenverkehr herrschte, indem sie bereits mit der gesamten Fahrzeugbreite die Gegenfahrbahn befuhren, sich bereits auf Höhe des Anhängers befanden und durch den Gegenverkehr ihren PKW abbremsten und sich wieder hinter dem LKW-Zug einordneten. Sie haben daher folgende Rechtsvorschriften verletzt: 1. § 99 Abs.3 lit.a i.V.m. § 16 Abs.2 lit.b i.V.m. § 99 Abs.5 StVO 1960.

2. § 99 Abs.3 lit.a i.V.m. § 16 Abs.1 lit.a i.V.m. § 99 Abs.5 StVO 1960." Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 19, 24, 51 und hinsichtlich des Faktums 3 § 45 Abs.1 Z.1 VStG.

III.1. Hinsichtlich des Faktums 3 (§ 4 Abs.5 StVO 1960) entfällt die Leistung jeglicher Strafkostenbeiträge.

III.2. Hinsichtlich der Fakten 1 und 2 (je § 16 StVO 1960) ermäßigt sich der Kostenbeitrag für das Strafverfahren 1. Instanz auf je 85 S. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung eines Kostenbeitrages zum Berufungsverfahren.

Rechtgrundlage: §§ 64, 65 und 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

ad I. und II. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit Straferkenntnis vom 15. November 1991, VerkR96/1609/1991-Or/S, über den Beschuldigten wegen der Verwaltungsübertretungen nach 1. § 16 Abs.2 lit.b i.V.m. § 99 Abs.3 lit.a i.V.m. § 99 Abs.5 StVO 1960, 2. § 16 Abs.1 lit.a. i.V.m. § 99 Abs.3 lit.a i.V.m. § 99 Abs.5 StVO 1960 und 3. § 4 Abs.5 i.V.m § 99 Abs.3 lit.b StVO 1960 gemäß 1. eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden), 2. eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und 3. eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt, weil er am 5. Februar 1991 um 12.45 Uhr den PKW, VW Jetta, Kennzeichen , auf der B-124 von P in Richtung T gelenkt hat, dabei bei Straßenkilometer 11,2 versucht hat, einen LKW-Zug zu überholen, 1. obwohl diese Rechtskurve unübersichtlich ist und 2. obwohl andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden konnten, da Gegenverkehr herrschte, indem er bereits mit der gesamten Fahrzeugbreite die Gegenfahrbahn befuhr, sich bereits auf Höhe des Anhängers befand und durch den Gegenverkehr seinen PKW abbremste und sich wieder hinter dem LKW-Zug einordnete, wobei es zu einem Verkehrsunfall mit Sachschaden mit dem Nachfolgeverkehr kam und 3. er es nach diesem Verkehrsunfall mit Sachschaden unterlassen hat, die nächste Polizei- und Gendarmeriedienststelle ohne unnötigen Aufschub zu verständigen, obwohl es auch mit dem Geschädigten zu keiner gegenseitigen Namens- und Anschriftsnachweisung gekommen war. Ferner wurde er gemäß § 64 VStG zur Leistung eine Kostenbeitrages zum Strafverfahren in Höhe von 300 S, d.s. 10 % der Strafe, verpflichtet.

Dem angefochtenen Schuldspruch liegt die Anzeige des Gendarmeriepostens T vom 14. Februar 1991 sowie insbesondere die Zeugenaussage des Herrn G F vom 17. Juli 1991 zugrunde.

In der fristgerecht gegen das o.a. Straferkenntnis eingebrachten Berufung wird die Einstellung des Strafverfahrens beantragt. Als Berufungsgründe werden inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, wobei der Beschuldigte im Wesentlichen folgendes vorbringt:

Er habe unmittelbar nach dem Verkehrsunfall Herrn Gerhard Fürst aufgefordert, ihm seinen Führerschein zu zeigen. Herr Fürst verweigerte dies jedoch mit den Worten, daß er das nicht brauche, da er lediglich einen leichten Kratzer an der Stoßstange habe und überdies jeder der Beteiligten seinen Schaden selbst trage. Daraufhin sei zwischen den Beteiligten eine Einigung dahingehend erzielt worden, daß eben jeder seinen Schaden trage, weshalb von einem gegenseitigen Namens- und Anschriftsnachweis Abstand genommen worden sei. Er habe völlig zu Recht keine Meldung an die nächste Gendarmeriedienststelle erstattet, zumal der Unfallgegner bis auf den kleinen Kratzer an der linken vorderen Stoßstangenhälfte keinerlei Schaden erlitten habe und entsprechend der erzielten Einigung jeder der Beteiligten seinen Schaden selbst zu tragen hatte. Die gesamte ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen seien daher nach § 99 Abs.6 StVO 1960 von der Strafbarkeit ausgeschlossen. In seiner Stellungnahme vom 9. September 1991 habe er beantragt, daß die Erstbehörde den Unfallgegner G F unter Vorhalt des in dieser Stellungnahme dargestellten Vorbringens dazu ergänzend einvernehmen möge, warum es zu keinem gegenseitigen Namens- und Anschriftsnachweis gekommen sei. Die Erstbehörde habe jedoch in rechtswidriger Weise diese beantragte ergänzende Einvernahme nicht vorgenommen. Hätte sie diese Einvernahme durchgeführt, so hätte sie auch zur Auffassung gelangen müssen, daß der Beschuldigte sich seinerseits ausweisen wollte und daß nur aufgrund des Umstandes, daß seitens des Herrn F mit dem Beschuldigten die Einigung erzielt wurde, daß jeder der Beteiligten seinen Schaden selbst trage, ein tatsächlicher Namens- und Anschriftsnachweis nicht vorgenommen wurde.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

Am 28. Februar 1992 wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt. Auf Grund des Ergebnisses dieser Verhandlung steht fest, daß am PKW des Zeugen F kein Schaden entstanden ist. Auch nach Vorhalt, daß in der Anzeige des Gendarmeriepostens T vom 14. Februar 1991 davon die Rede ist, daß die Stoßstange seines PKW's bei dem gegenständlichen Vorfall zerkratzt wurde, blieb der Zeuge F dabei, daß dies unrichtig ist und die Stoßstange seines Kraftfahrzeuges lediglich einen Schmutzabrieb aufgewiesen hat. Er führte dies so aus, daß, wenn er mit seinem Finger auf die Stoßstange fahre, sich darauf etwa der gleiche Streifen befinde. Diese Aussage wurde weder vom Beschuldigten noch von seinem Vertreter in Abrede gestellt. Es besteht keine Veranlassung, dieser Aussage keinen Glauben zu schenken, zumal ja der Zeuge den Vorfall angezeigt hat und das Strafverfahren auf seine Initiative hin eröffnet wurde. Wenn nun der Zeuge dezidiert angibt, daß an seinem PKW kein Schaden entstanden ist, so kann keine Veranlassung gesehen werden, dieser Aussage keinen Glauben zu schenken.

Da sohin das objektive Tatbestandsmerkmal des Eintrittes eines Sachschadens nicht als erwiesen anzusehen ist, war hinsichtlich des Faktums 3 (§ 4 Abs.5 StVO 1960) im Sinne des § 45 Abs.1 VStG zu entscheiden.

Zu den Fakten 1 und 2: § 16 Abs.2 lit.b und § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 Die Unübersichtlichkeit des Vorfallbereiches wurde vom Beschuldigten im gesamten Verfahren nie bestritten. Auf Grund der Unübersichtlichkeit der relevanten Straßenstelle war der Beschuldigte nicht in der Lage, die Überholspur zu überblicken, was eben mit einer Gefährdung entgegenkommender Straßenbenützer verbunden ist. Damit ist nicht nur die Bestimmung des § 16 Abs.2 lit.b StVO 1960, sondern auch die Bestimmung des § 16 Abs.1 lit.a StVO 1960 (allerdings nur in der Form des Versuches) übertreten worden. Die Argumentation des Beschuldigten in seiner Stellungnahme von 9. September 1991, daß er aus freien Stücken vom Überholversuch, (den er hiemit zugegeben und auch bei der Verhandlung am 28. Februar 1992 nicht bestritten hat) zurückgetreten sei, kann nicht geteilt werden. Aus "freien Stücken" bedeutet unter anderem frei von physischem Zwang. Es wird daher der Argumentation der Erstbehörde beigetreten, wonach der Beschuldigte nicht aus freien Stücken vom Überholvorgang Abstand genommen hat, sondern durch den Gegenverkehr dazu gezwungen wurde. Die Tatbestände des § 16 StVO 1960 sind daher als erwiesen anzusehen.

Zur Strafe:

Die Erstbehörde hat in ihrer Begründung des angefochtenen Bescheides zur Strafbemessung ausgeführt, die aktenkundigen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten berücksichtigt zu haben. Weiters sei der Unrechtsgehalt der Übertretungen sowie das Ausmaß des Verschuldens der Strafbemessung zugrundegelegt worden. Mildernd wurde die Unbescholtenheit des Beschuldigten, als erschwerend der Umstand gewertet, daß er auf einer vielbefahrenen Bundesstraße an einer total unübersichtlichen Straßenstelle ein derartiges Fahrmanöver durchführte. Dieser Begründung kann mit der Maßgabe nicht beigetreten werden, daß "die Durchführung eines derartigen Fahrmanövers" als erschwerend gewertet wurde. Damit wurde gegen das sogenannte Doppelverwertungsverbot verstoßen. Dieses besagt, daß Merkmale, die die Strafdrohung bestimmen bzw. Tatbestandsmerkmale sind, nicht noch zusätzlich als Strafzumessungsgründe berücksichtigt werden dürfen. Das verpönte Verhalten kann daher nicht zusätzlich als Erschwerungsgrund herangezogen werden. Im übrigen hat der unabhängige Verwaltungssenat den Umstand, daß der versuchte Überholvorgang keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt, was zu einer entsprechenden Strafreduzierung geführt hat.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

ad III. Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf die im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.



Dr. F r a g n e r

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