Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-281087/23/Py/Sta

Linz, 30.07.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Andrea Panny über die Berufung des Herrn H O, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. K, Mag. H, M, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 31. März 2008, Ge96-116-2007-Do, wegen Übertretung nach dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 20. Mai 2009,  zu Recht erkannt:

 

I.       Der Berufung wird insofern Folge gegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 500 Euro und die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe auf
23 Stunden herabgesetzt wird.

 

Im Übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass der dritte Satz des Spruches ergänzt wird um die Wortfolge "und der hiefür erforderliche Aufwand nicht unverhältnismäßig hoch war gegenüber dem Aufwand für die durchzuführende Arbeit" und die verletzte Rechtsvorschrift im Sinne des § 44a Abs. 2 VStG um die Wortfolge "§ 7 Abs.4 BauV" ergänzt wird.

 

II.     Der Kostenbeitrag zum Verfahren vor der belangten Behörde verringert sich auf 50 Euro. Zum Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat ist kein Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

Zu  I.:  § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 19, 24 und 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.:  §§ 64 und 65 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 31. März 2008, GZ Ge96-116-2007-Do, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw), wegen Verwaltungsübertretung nach § 7 Abs.1 iVm § 7 Abs.2 Z4 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994 idgF iVm § 130 Abs.5 Z1 iVm § 118 Abs.3 des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes (ASchG) BGBl. Nr. 450/1994 idgF eine  Geldstrafe in Höhe von 700 Euro, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in Höhe  von 72 Stunden verhängt. Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von 70 Euro vorgeschrieben.

 

Dem Straferkenntnis liegt folgender Tatvorwurf zugrunde:

 

"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firm 'F O Gesellschaft m.b.H. (protokolliert beim Firmenbuch des Landesgerichtes Wels unter FN) unbeschränkt haftender Gesellschafter der Firma 'F O GmbH & Co' (protokolliert beim Firmenbuch des Landesgerichtes Wels unter FN) mit Sitz in G, L, und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ (§ 9 VStG 1991 i.d.g.F.) nicht dafür Sorge getragen, dass –

festgestellt anlässlich der am 17.8.2007 durch ein Organ des Arbeitsinspektorates L durchgeführten Überprüfung der

Baustelle: "P P, S, L" –

die Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung 1994 in Verbindung mit dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz 1994 eingehalten wurden.

 

Am 17.8.2007 war der Arbeitnehmer der Firma F O GmbH & Co., Herr M E, in etwa 11,30 m Höhe auf einem ca. 10 cm breiten Betonpfeiler mit der Befestigung desselben beschäftigt, wobei trotz Absturzgefahr weder Schutzeinrichtungen angebracht waren, noch der Arbeitnehmer entsprechend sicher angeseilt war.

 

Dies stellt eine Übertretung nach § 7 Abs.1 BauV in Verbindung mit § 7 Abs.2 Ziffer 4 BauV dar, wonach bei Absturzgefahr an sonstigen Arbeitsplätzen, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2,00 m Absturzhöhe Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) angebracht sein müssen."

 

In der Begründung führt die belangte Behörde unter Wiedergabe des Verfahrensganges und der Rechtsgrundlagen aus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Arbeitgeber nicht nur Anweisungen zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu treffen hat, sondern er hat auch die Durchführung und Einhaltung der Weisungen entsprechend zu kontrollieren. Dieses Kontrollnetz war am spruchgegenständlichen Tag nicht in Funktion. Die Angaben des Bw und des Herrn DI M anlässlich seiner Einvernahme vor der belangten Behörde, dass ein ordnungsgemäßes Kontrollsystem für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften bestehe, habe nicht belegt werden können.

 

Zur Strafbemessung wird ausgeführt, dass  Milderungsgründe nicht festgestellt werden konnten. Die verhängte Strafe erscheine geeignet, um den Bw vor Übertretungen gleicher Art abzuhalten.

 

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig vom Bw im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Berufung vom 8. Mai 2008.

 

Darin führt der Bw aus, dass der Spruch der Erstbehörde nicht den Bestimmtheitserfordernissen des § 44a VStG entspreche. Weiters habe die erkennende Behörde ihren Bescheid nicht hinreichend begründet und bestehe darin ein wesentlicher Verfahrensmangel. Die belangte Behörde habe gegen den Grundsatz der materiellen Wahrheit verstoßen, da sie den Bw nicht aufgetragen habe, die in der Begründung des Straferkenntnisses angeführten Unterlagen und Belege vorzulegen. Auch sei dem Bw nicht aufgetragen worden, den für die gegenständliche Baustelle zuständigen Baupolier bekannt zu geben , damit auch dieser hinsichtlich der ergangenen Unterweisungen einvernommen hätte werden können. Zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes  wäre die Einvernahme zusätzlicher Zeugen erforderlich gewesen, was aber gegenständlich unterblieben sei und damit einen wesentlichen Verfahrensmangel darstelle. Weiter sei das gegenständliche Straferkenntnis nicht unterfertigt und bereits aus diesem Grund als nichtig anzusehen.

 

Inhaltlich führt der Bw aus, dass aus den Aussagen des Zeugen DI M das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Kontrollsystems für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften hervorgehe. Den Bw treffe daher kein Verschulden an der gegenständlichen Verwaltungsübertretung und habe dieser glaubhaft dargelegt, dass im Unternehmen ein Kontrollsystem eingerichtet ist.

 

3. Mit Schreiben vom 14. Mai 2008 legte die belangte Behörde die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vor. Da keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist dieser zur Entscheidung durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Einzelmitglied berufen (§ 51 VStG).

 

Zum Berufungsvorbringen, wonach das gegenständliche Straferkenntnis mangels Unterschrift als nichtig anzusehen ist, ist auf die Übergangsbestimmung des § 82a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl. I 2008/5, zu verweisen, mit dem der Übergangzeitraum für die breitflächige Anwendung der elektronischen Signatur zur Fertigung von Erledigungen über den 31. Dezember 2007 hinaus verlängert wurde. Gemäß § 82a AVG bedürfen bis zum Ablauf des 31. Dezember 2010 schriftliche Ausfertigungen von elektronisch erstellten Erledigungen keiner Unterschrift, Beglaubigung oder Amtssignatur. Wie dem erstbehördlichen Verfahrensakt zu entnehmen ist, weist der im Akt einliegende Bescheidentwurf die Unterschrift des Genehmigenden auf. Schon aus der Art und Form, in der das Schriftstück ausgedruckt wurde, wie auch aus der aus dem Schriftstück ersichtlichen DVR-Nummer ist erkennbar, dass diese Erledigung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt wurde (vgl. VwGH 21.11.2005, Zl. 2002/10/0232, 31.3.2004, Zl. 2000/13/0073). Die Behauptung, es liege kein Bescheid vor, trifft somit nicht zu. Gemäß § 82a AVG in der zum Zeitpunkt der Erledigung geltenden Fassung ist für diese weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung oder Amtssignatur erforderlich.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteineinsicht und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am
20. Mai 2009. An dieser nahmen der Rechtsvertreter des Bw, eine Vertreterin der belangten Behörde sowie ein Vertreter des Arbeitsinspektorates L als Parteien teil. Als Zeuge wurde Herr I M P H vom A L einvernommen. Die ebenfalls als Zeugen zur Verhandlung geladenen Mitarbeiter im vom Bw vertretenen Unternehmen Ing. P P, DI P M und M E sind zur Verhandlung nicht erschienen, nachdem der Rechtsvertreter des Bw der Verhandlungsleiterin telefonisch angekündigt hatte, dass die Teilnahme der geladenen Arbeitnehmer als Zeugen voraussichtlich nicht möglich ist, da sie in dieser Anzahl im Unternehmen nicht entbehrlich sind. Auf ihre Einvernahme wurde vom Rechtsvertreter des Bw in der mündlichen Verhandlung verzichtet.

 

4.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht von folgendem Sachverhalt aus:

 

Der Bw ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma F O GmbH, die ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin der Firma F O GmbH & Co. mit Sitz in  G, L, ist.

 

Am 17. August 2007 war der Arbeitnehmer der Firma F O GmbH & Co., Herr M E, in ca. 11,30 m Höhe auf einem ca. 10 cm breiten Betonfertigteil mit Befestigungsarbeiten beschäftigt. Trotz Absturzgefahr waren keine geeigneten Absturzsicherungen, Abgrenzungen oder Schutzeinrichtungen angebracht. Als geeignete Schutzmaßnahmen wäre das Hochziehen eines Gerüstes oder die Verwendung eines für diese Höhe geeigneten Arbeitskorbes ohne unverhältnismäßig hohem Aufwand in Frage gekommen. Der Arbeitnehmer war auch nicht entsprechend sicher angeseilt.

 

Im Unternehmen ist kein ausreichendes Kontrollsystem eingerichtet, mit dem für die Einhaltung der ArbeiternehmerInnenschutzbestimmungen auf der gegenständlichen Baustelle Sorge getragen wurde.

 

4.2. Diese Feststellungen stützen sich auf den vorliegenden Verwaltungsstrafakt sowie den glaubwürdigen und nachvollziehbaren Aussagen des in der mündlichen Berufungsverhandlung einvernommenen Zeugen I M P H.

 

Die anlässlich der Kontrolle vom 17. August 2007 auf der Baustelle angefertigten Fotoaufnahmen bestätigen augenscheinlich die in der Anzeige angegebene Absturzhöhe von ca. 11,30 m. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer des vom Bw vertretenen Unternehmens M E ohne entsprechende Schutzmaßnahmen durchgeführt hat, wurde vom Bw nicht bestritten und geht auch aus den vom Vertreter des Arbeitsinspektorats vorgelegten Fotoaufnahmen hervor. Der als Zeuge einvernommene Arbeitsinspektor konnte auch schlüssig darlegen, dass es ohne übermäßigen Aufwand möglich gewesen wäre, entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen, etwa durch die Anbringung eines Gerüstes oder die Verwendung eines Arbeitskorbes. Der Umstand, dass der Zeuge anlässlich seiner Kontrolle offensichtlich keinerlei dafür geeigneten  Gegenstände vorfand geht wird auch aus dem Umstand hervor, dass der Zeuge glaubwürdig darlegte, dass ihm aufgrund seiner Beanstandung seitens der auf der Baustelle tätigen Arbeitnehmer des vom Bw vertretenen Unternehmens zugesagt wurde, man werde telefonisch in der Firma entsprechende Schutzeinrichtungen anfordern.

 

Zum Nichtvorliegen eines ausreichenden Kontrollsystems ist anzuführen, dass zwar im Verfahren vor der belangten Behörde verschiedene Unterlagen, wie "Sicherheitsrichtlinie für unsere Mitarbeiter im Bereich Montage", "Montagewelle", "Allgemeine Sicherheitsvorschriften" und "Betriebsanweisungen für die Benützung von Bolzensetzgeräten gemäß § 29 AM-VO" vorgelegt wurden und vom vor der belangten Behörde einvernommenen Zeugen DI P M angeführt wurde, dass pro Baustelle Evaluierungen durchgeführt und auf die besonderen Gefahren der Baustelle hingewiesen werde, einmal jährlich Montageanweisungen für die Arbeitnehmer durchgeführt und diese auf die erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen sowie eventuelle Änderungen und Neuerungen hingewiesen werden sowie jedem Mitarbeiter eine persönliche Schutzausrüstung zur Verfügung gestellt werde, der Bw blieb jedoch auch im Berufungsverfahren den Beweis dafür schuldig, dass auch für eine wirksame Überwachung der allenfalls erteilten Weisungen auf ihre Befolgung Sorge getragen wurde. Vielmehr wurde auf eine Einvernahme von Mitarbeitern des Unternehmens als Zeugen vom Rechtsvertreter des Bw ausdrücklich verzichtet, weshalb auch der Nachweis über das Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems im Berufungsverfahren nicht erbracht werden konnte.

 

5. In der Sache hat  der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortlich Beauftragte (Abs.2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

 

Gemäß § 7 Abs.1 Bauarbeiterschutzverordnung (BauV), BGBl. Nr. 340/1994 idgF sind bei Absturzgefahr Absturzsicherungen (§ 8), Abgrenzungen (§ 9) oder Schutzeinrichtungen (§ 10) anzubringen.

 

Gemäß § 7 Abs.2 Z4 BauV liegt Absturzgefahr vor an sonstigen Arbeitsstätten, Standplätzen und Verkehrswegen bei mehr als 2 m Absturzhöhe.

 

Gemäß § 118 Abs.3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG), BGBl. Nr. 450/1994 idgF gilt die Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994 (BauV), nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen als Verordnung nach diesem Bundesgesetz.

 

Gemäß § 130 Abs.5 Z1 ASchG begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafen von 145 Euro bis 7.260 Euro zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt.

 

5.2. Vom Bw wird nicht bestritten, dass er als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma F O GmbH, die unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Firma F O GmbH & Co. ist, für die Einhaltung der Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist.

 

Im Grunde des als erwiesen festgestellten Sachverhaltes, nämlich dass bei einer Absturzhöhe von ca.11,30 m der Arbeiternehmer der  Firma F O GmbH & Co, M E, Arbeiten ohne Absturzsicherungen, die ohne unverhältnismäßig hohem Aufwand angebracht hätten werden können, durchgeführt hat, ist der objektive Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung als erfüllt zu werten.

 

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Spruch des Straferkenntnisses hinsichtlich der Unterlassung der erforderlichen Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht konkret jene Maßnahmen anzuführen, die den Arbeitgeber hätten treffen müsse (vgl. VwGH vom 11.5.2004, Zl. 2003/02/0248). Sowohl in der Anzeige des zuständigen Arbeitsinspektorates vom 27. August 2007, die dem Bw von der belangten Behörde im Rahmen der ihm übermittelten Aktenkopie mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 übermittelt wurde, als auch in der dem Bw am 17. Dezember 2007  übermittelten Stellungnahme des Arbeitsinspektorates vom 29. November 2007 wird angeführt, dass bei der gegenständlichen Baustelle die Anbringung technischer bzw. kollektiver Schutzmaßnahmen durchzuführen gewesen wäre und die Voraussetzungen für die Verwendung einer persönlichen Schutzausrüstung iSd § 7 Abs.4 BauV nicht vorlagen. Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellen sowohl das Zur-Kenntnis-Bringen des Verwaltungsstrafaktes als auch die Akteneinsicht des Vertreters des Beschuldigten und der Vorhalt eines Ermittlungsergebnisses eine die Verjährung unterbrechende Verfolgungshandlung dar (vgl. VwGH 25.11.1985, 85/2/0228; 12.9.1986, 85/02/0244; 18.5.1988, 87/02/0178). Entgegen den Berufungsausführungen wurde dem Bw daher die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen, dass er in die Lage versetzt wurde, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten und diesen zu widerlegen. Diese Widerlegung ist dem Bw jedoch im Verfahren nicht gelungen. Vielmehr ist auch aufgrund der glaubwürdigen und schlüssigen Aussagen des Arbeitsinspektors in der mündlichen Verhandlung das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 VStG als erwiesen anzunehmen. Der Spruch der belangten Behörde war daher im Sinne des § 44a VStG entsprechend zu ergänzen.

 

Hinsichtlich der Strafbestimmung ist auszuführen, dass sowohl nach § 118 Abs.3 iVm § 130 Abs.5 Z1 ASchG als auch Übertretungen der BauV nach § 130 Abs.5 Z1 ASchG eine Verwaltungsübertretung bilden und zu bestrafen sind. Im Sinn des § 44a Z2 VStG war auch das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich der verletzten Verwaltungsvorschrift entsprechend zu ergänzen.

 

5.3. Hinsichtlich des Verschuldens macht der Bw geltend, dass ein wirksames Kontrollsystem zur Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften vorgelegen sei.

 

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).

 

Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat der Bw initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder die Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.

 

Es ist daher zu prüfen, ob sich der Bw entsprechend sorgfältig verhalten hat, um glaubhaft machen zu können, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

 

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, ist für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems darzulegen (VwGH vom 9.9.2005, Zl. 2005/02/0018). Der Arbeitgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass die Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes sowie der dazu erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Ist er selbst nicht anwesend, hat er einen geeigneten Arbeitnehmer zu bestimmen, der auf die Durchführung und Einhaltung der zum Schutz der Arbeitnehmer notwendigen Maßnahmen zu achten hat. Allerdings kann der Bw den ihm nach § 5 Abs.1 VStG obliegenden Entlastungsbeweis nicht allein dadurch erbringen, dass er die ihn betreffende Verantwortung auf eine hiezu taugliche Person übertragen hat, es bedarf vielmehr des weiteren Beweises, dass auch für eine geeignete Kontrolle der mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben beauftragten Person Vorsorge getroffen worden ist (VwGH vom 13.12.1990, 90/09/0141 ua.). Es ist Aufgabe des Unternehmers, konkret in jedem Einzelfalls darzulegen, wie es trotz angeblich erfolgten Unterweisungen zu den Verstößen kommen konnte, insbesondere bedarf ein wirksames Kontrollsystem der Überwachung der erteilten Weisungen auf ihre Befolgung (vgl. VwGH vom 30.1.1996, 93/11/0088 mit Vorjudikatur). Das Kontrollsystem hat auch für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Mitarbeitern gegen die einschlägigen Vorschriften Platz zu greifen (VwGH vom 23.7.2004, 2004/02/0002 ua.). Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reichen die bloße Erteilung von Weisungen und die Wahrnehmung einer "Oberaufsicht" nicht aus.

 

Im vorliegenden Verfahren konnte vom Bw nicht dargelegt werden, durch welche konkreten, an seine Mitarbeiter gerichteten Anweisungen für die Einhaltung der Bestimmungen der Arbeitnehmerschutzvorschriften Sorge getragen wurde und wie die Einhaltung dieser Anweisungen überprüft wurde. Es ist nicht Aufgabe der Behörde, Anleitungen zu geben, wie ein funktionierendes Kontrollsystem aussehen müsste. Die Behörde hat lediglich zu überprüfen, ob das behauptete Kontrollsystem ausreichend gestaltet ist, um mangelndes Verschulden darzulegen (vgl. VwGH vom 20.4.2004, 2003/02/0243); insbesondere obliegt es nicht der Behörde, von Amts wegen diesbezügliche Ermittlungen vorzunehmen (VwGH vom 17.6.2004, 2002/03/0200). Im vorliegenden Verfahren wurde vom Bw zwar das Vorliegen eines entsprechenden Kontrollsystems behauptet, konkrete Angaben, die für die Einhaltung der an die Mitarbeiter gerichteten Anweisungen Sorge getragen wurde, blieb der Bw jedoch ebenso schuldig, wie den Nachweis darüber, in welcher Form er für die Vermeidung von eigenmächtigen Handlungen der Arbeitnehmer Vorsorge getroffen hat.  Indem der Bw das Vorliegen eines ausreichenden Kontrollsystems nicht darlegen konnte, ist es ihm nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihn an der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung kein Verschulden trifft.

 

6. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

 

Nach § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

 

Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Strafzumessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens um eine Ermessensentscheidung, die nach den Kriterien des § 19 VStG vorzunehmen ist. Die maßgebenden Umstände und Erwägungen für diese Ermessensabwägung sind in der Begründung des Bescheides so weit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes erforderlich ist. § 19 Abs.1 VStG enthält somit jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Darüber hinaus normiert Abs.2 für das ordentliche Verfahren eine Reihe weiterer subjektiver Umstände.

 

Die belangte Behörde hat zu Recht darauf hingewiesen, dass durch die dem Bw zur Last gelegte Tat eine erhöhte Gefährdung von Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer hervorgerufen wurde. Zudem ist der Bw verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten.

 

Als mildernd ist die lange Dauer des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens zu werten. Diesbezüglich hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 26. Juni 2008, Zl. B304/07 ausgesprochen, dass die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach der Rechtsprechung des EGMR nicht abstrakt, sondern im Lichte der besonderen Umstände jedes einzelnen Falles zu beurteilen ist. Die besonderen Umstände des Einzelfalles ergeben sich aus dem Verhältnis und der Wechselwirkung verschiedener Faktoren. Neben Faktoren, welche die Verfahrensdauer beeinflussen, nämlich die Schwierigkeit des Falles, das Verhalten des Beschwerdeführers und das Verhalten der staatlichen Behörden in dem bemängelten Verfahren, ist auch die Bedeutung der Sache für den Beschwerdeführer relevant (vgl. VfSlg. 17.307/2004; 17.582/2005, 17.644/2005). Nicht eine lange Verfahrensdauer schlechthin führt zu einer Verletzung, sondern nur eine Verzögerung, die auf Versäumnis der staatlichen Organe zurückzuführen ist. Der Rechtsprechung des EGMR ist daher keine fixe Obergrenze für die Angemessenheit der Verfahrensdauer zu entnehmen, ab deren Überschreitung jedenfalls eine Verletzung des Art.6 Abs.1 EMRK anzunehmen wäre (vgl. VfSlg. 16.385/2001 mH auf die Rechtsprechung des EGMR).

 

Im gegenständlichen Verfahren sind seit der Tatbegehung und der Erlassung des Erkenntnisses des Oö. Verwaltungssenates zwei Jahre vergangen, sodass von keiner iSd Art.6 Abs.1 EMRK zu qualifizierenden noch gänzlich angemessenen Verfahrensdauer auszugehen war. Dieser Umstand war daher als Milderungsgrund iSd § 24 Abs.2 StGB bei der Strafbemessung entsprechend zu werten.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat sieht sich daher veranlasst, aus Anlass der Berufung die von der Erstbehörde verhängte Geldstrafe entsprechend herabzusetzen, zumal durch die vorliegende Verwaltungsübertretung auch keine negativen Folgen, etwa in Form eines Arbeitsunfalls hervorgerufen wurden. Die nunmehr verhängte Strafe erscheint daher angemessen und gerechtfertigt, um den Bw in Zukunft zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuleiten.

 

Eine Anwendung des § 20 VStG scheidet ebenso aus, wie ein Vorgehen nach § 21 VStG, da die dafür erforderlichen kumulativen Voraussetzungen nicht vorliegen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

7. Gemäß § 64 VStG war der Kostenbeitrag zum Verfahren erster Instanz entsprechend der nunmehr verhängten Geldstrafe neu festzusetzen. Da die Berufung zumindest teilweise Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag zum Berufungsverfahren gemäß § 65 VStG nicht zu leisten.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Dr. Andrea Panny

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum