Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-252160/2/Gf/Mu/Bu

Linz, 04.08.2009

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof aus Anlass der Berufung des M A, G. , 4... W, vertreten durch die RAe Dr. R S u.a., B. , 2... S, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 18. Mai 2009, GZ 47892/2008, wegen einer Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungs­gesetzes zu Recht erkannt:

I.     Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II.   Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG; § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG; § 66 Abs. 1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Linz vom 18. Mai 2009, GZ 47892/2008, wurde über den Rechtsmittelwerber eine Geldstrafe in der Höhe von 730 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 112 Stunden) verhängt, weil er es als Gesellschafter einer KEG zu verantworten habe, dass von dieser in der Zeit zwischen dem 5. August und dem 19. August 2008 eine Person als Pizzazusteller beschäftigt gewesen sei, ohne dass diese vor Arbeitsantritt beim zuständigen Sozialver­sicherungsträger zumindest zur Pflichtver­sicherung aus der Krankenversicherung angemeldet worden sei. Dadurch habe er eine Übertretung des § 33 Abs. 1 und Abs. 1a i.V.m. § 111 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl.Nr. 189/1955, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 31/2007 (im Folgenden: ASVG), begangen, weshalb er nach § 111 ASVG zu bestrafen gewesen seien.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass der ihm zur Last gelegte Sachverhalt von einem Organ des zuständigen Finanzamtes im Zuge einer Kontrolle festgestellt worden sowie auf Grund der von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen als erwiesen anzusehen sei.

Im Zuge der Strafbemessung sei seine bisherige Unbescholtenheit als mildernd zu werten gewesen, während Erschwerungsgründe nicht hervorgekommen seien; mangels entsprechender Mitwirkung seien ihre Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse von Amts wegen zu schätzen gewesen.

1.2. Gegen dieses ihm am 9. Juni 2009 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 18. Juni 2009 – und damit rechtzeitig – zur Post gegebene Berufung.

Darin wird vorgebracht, dass der Pizzazusteller – wie bereits im Zuge des erstbehördlichen Ermittlungsverfahrens ausführlich dargelegt – nicht als Angestellter des Rechtsmittelwerbers, sondern auf Grund eines Werkvertrages und sohin eigenunternehmerisch tätig geworden sei. Dies erweise sich insbesondere daran, dass jener keinen zeitabhängigen Arbeitslohn erhalten habe, er bei der Erfüllung seines Arbeitsauftrages zeitlich ungebunden gewesen sei und er die Zustellung der Ware mit seinen eigenen Betriebsmitteln (Fahrzeugen) vorgenommen habe.

Daher wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt des Magistrates der Stadt Linz zu GZ 47892/2008; da sich bereits aus
diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 51e Abs. 2 Z. 1 VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

2.2. Nach § 51c VStG hatte der Oö. Verwaltungssenat im gegenständlichen Fall – nachdem hier eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde – nicht durch eine Kammer, sondern durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Gemäß § 111 Abs. 1 Z. 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 ASVG begeht u.a. derjenige eine Verwaltungs­übertretung und ist nach § 111 Abs. 2 ASVG mit einer Geld­strafe von 730 Euro bis zu 2.180 Euro zu bestrafen, der als Dienstgeber eine von ihm beschäftigte, in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person nicht vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anmeldet.

3.2. Im gegenständlichen Fall ist allein strittig, ob der Rechtsmittelwerber – der tatbestandsmäßigen Voraussetzung des § 111 Abs. 1 ASVG entsprechend – als „Dienstgeber“ i.S.d. i.V.m. § 35 Abs. 1 ASVG tätig geworden ist oder tatsächlich kein derartiges Dienstverhältnis, sondern lediglich ein Werkvertrag vorlag.

In diesem Zusammenhang legt § 4 Abs. 2 ASVG fest, dass als Dienstnehmer derjenige anzusehen ist, der in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird, während als Dienstgeber derjenige gilt, für dessen Rechung der Betrieb, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, geführt wird.

Dem gegenüber stellt beispielsweise das Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl.Nr. 218/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 78/2007 (im Folgenden: AuslBG), (als lex posterior) auf den vergleichsweise weiter gefassten Begriff der „Beschäftigung“ ab, der sowohl eine Verwendung in einem Arbeitsverhältnis, in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis und in einem Ausbildungsverhältnis als auch jene von betriebsentsandten Ausländern und von überlassenen Arbeitskräften umfasst (vgl. § 2 Abs. 2 AuslBG), weshalb auch der Arbeitgeberbegriff des AuslBG (vgl. § 2 Abs. 3 AuslBG) weiter reicht als jener des Dienstgebers im ASVG (§ 35 Abs. 1 ASVG), wobei a priori besondere Beurteilungskriterien für die Entscheidung der Frage, ob eine Beschäftigung i.S.d. § 2 Abs. 2 AuslBG vorliegt, schon gesetzlich festgelegt sind (vgl. § 2 Abs. 4 AuslBG).

Vor diesem Hintergrund wird daher auch deutlich, dass die vom Verwaltungsgerichtshof zum Beschäftigungsverhältnis gemäß § 2 Abs. 2 bis 4 AuslBG entwickelte Judikatur für die hier maßgebliche Qualifikation, ob eine Dienstgebereigenschaft i.S.d. § 35 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, nicht übertragen werden kann. Vielmehr ist die Entscheidung dieser Frage ausschließlich anhand der im ASVG selbst festgelegten Kriterien zu treffen.

Davon ausgehend stellen sohin jedenfalls die Kriterien der a) persönlichen und der b) wirtschaftlichen Abhängigkeit des Dienstnehmers und c) dessen Beschäftigung gegen Entgelt drei essentielle Tatbestandsmerkmale dar, die folglich auch im Spruch des Straferkenntnisses jeweils einer den Anforderungen des § 44a Z. 1 genügenden sachverhaltsmäßigen Konkretisierung bedürfen.

3.3. Diesem Erfordernis wird jedoch der Spruch des hier angefochtenen Straferkenntnisses nicht gerecht.

Denn darin wird zwar angeführt, dass der Rechtsmittelwerber den namentlich bezeichneten Pizzazusteller „als Dienstnehmer in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt (1,50 € pro Zustellung, Arbeitszeit zwischen 17:00 bis 20:00 Uhr, bis zur Kontrolle 15 Tage lang) beschäftigt“ hat; dabei handelt es sich jedoch bloß um eine Wiedergabe des Gesetzestextes, während gerade eine nähere Darstellung jener Sachverhaltselemente, auf Grund deren die persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit nachvollzogen werden könnte, gänzlich fehlt.

Aber auch aus der Begründung des Straferkenntnisses oder aus der Anzeige des Kontrollorganes lässt sich nicht in einer solchen Weise erschließen, inwiefern zwischen dem Rechtsmittelwerber und der als Pizzazusteller fungierenden Person eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit Letzterer von Ersterer bestanden hätte, dass dadurch einerseits das Vorliegen eines (sozialversicherungspflichtigen) Beschäftigungsverhältnisses (und nicht: bloßer Hilfsdienste) gegen Entgelt belegt ist und es andererseits ermöglicht wird, das Nichtvorliegen eines – wie der Beschwerdeführer behauptet – bloßen Werkvertrages zuverlässig auszuschließen.

In diese Richtung gehende Sachverhaltsermittlungen haben nämlich – von einer irrigen Rechtsauffassung ausgehend – weder seitens der anzeigenden Behörde noch seitens der Strafbehörde tatsächlich stattgefunden, sodass der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses insgesamt betrachtet im Hinblick auf die durch § 35 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 ASVG für das Tatbestandselement der Dienstgebereigenschaft normierten Kriterien somit schon von vornherein nicht den Anforderungen des § 44a Z. 1 VStG entsprechen konnte.    

3.4. Da zwischenzeitlich auch bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist, war der gegenständlichen Berufung sohin gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG mit der Wirkung stattzugeben, dass das angefochtene Straferkenntnisse aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen war.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Kostenbeitrag für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Dr.  G r o f

Für die Richtigkeit

der Ausfertigung:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Rechtssatz:

 

VwSen-252160/2/Gf/Mu/Bu vom 4. August 2009:

 

§ 4 Abs. 2 ASVG; § 35 Abs. 1 ASVG; § 111 ASVG; § 2 Abs. 2 AuslBG; § 44a VStG

 

– Keine Identität zwischen dem Begriff „Dienstgeber“ i.S.d. § 35 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 2 ASVG einerseits und jenem der „Beschäftigung“ i.S.d. § 2 Abs. 2 AuslBG;

 

– Persönliche Abhängigkeit, wirtschaftliche Abhängigkeit und Beschäftigung gegen Entgelt als essentielle Tatbestandsmerkmale für den Begriff des „Dienstgebers“ i.S.d. ASVG, die jeweils einer den Anforderungen des § 44a Z. 1 VStG genügenden Konkretisierung im Spruch des Straferkenntnisses bedürfen.

 

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