Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-300894/2/BMa/Eg/Ka

Linz, 27.07.2009

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des R I, vertreten durch Rechtsanwälte L,  gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 9. Juni 2009, Pol-47/2009, wegen Übertretung des Oö. Polizeistrafgesetzes zu Recht erkannt:

 

 

 

      I.      Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

 

  II.      Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden: AVG), BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009, iVm §§ 24, 45 Abs. 1 Z. 1, 51c sowie 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden: VStG), BGBl.Nr.52/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 20/2009

zu II.: § 66 Abs.1 VStG

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr wurde die Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

 

"Sie haben es als gewerberechtlicher Geschäftsführer und somit gem. § 370 Abs. 2 GewO. 1994 verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma I in, zu vertreten, dass in der Betriebsstätte oa. Firma in (Lokal "W"), am 30.11.2009 (Sonntag) um 6.52 Uhr eine Musikanlage betrieben wurde, deren Wirkung über Ihren Wohn- oder Grundstückbereich hinaus gegeben war, da deren laute Musik außerhalb der Betriebsanlage feststellbar war.

Da der Betrieb von Rundfunkgeräten, Fernsehgeräten, Lautsprechern und sonstigen Tonwiedergabegeräten, sofern eine Einwirkung über den Wohnbereich hinaus gegeben sein kann, an Sonntagen nicht erlaubt ist, stellt dies eine Übertretung der Bestimmungen der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Steyr vom 29.11.1984 und des Oö. Polizeistrafgesetzes dar.

 

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

 

§ 1 lit. b) i.V.m. § 2 Abs. 1 der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Steyr vom 29.11.1984 und i.V.m. § 10 Abs. 2 lit. a) Oö. Polizeistrafgesetz, LGBl. 36/1979 i.d.g.F.

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

 

Geldstrafe von Euro  falls diese uneinbringlich ist, Freiheitsstrafe         gemäß

                            Ersatzfreiheitsstrafe voon            

EUR   100,--            12 Stunden                                ---                        10 (2) lit. b)

                                                                                                       leg.cit.

 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

EUR    10,--   als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe.

 

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

EUR  110,-- Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54 d VStG)."

 

1.2. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Übertretungen der Bestimmungen des Oö. Polizeistrafgesetzes seien durch die Anzeige von Herrn AZ als erwiesen anzusehen, der Bw habe auch von der Möglichkeit der Rechtfertigung nicht Gebrauch gemacht.

 

1.3. Gegen diesen ihm am 15. Juni 2009 zugestellten Bescheid richtet sich die vorliegende am 25. Juni 2009 – und damit rechtzeitig – beim Magistrat Steyr eingelangte Berufung.

 

1.4. Darin wird im Wesentlichen angeführt, zum im Straferkenntnis angeführten Tatzeitpunkt, dem 30. November 2009, habe der Bw (noch) keine Verwaltungsübertretung begangen. Die behauptete Verwaltungsübertretung – wann immer sie stattgefunden haben mag – werde bestritten. Es handle sich um Vorwürfe missliebiger Nachbarn, die einer sachlichen Grundlage entbehren würden. Abschließend wurde die Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

 

1.5. Der Bürgermeister der Stadt Steyr hat die Berufung samt Verfahrensakt dem Oö. Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt und darauf hingewiesen, dass irrtümlich das Jahr "2009" an Stelle "2008" im Spruch des Erkenntnisses und in der Aufforderung zur Rechtfertigung angegeben wurde.  

Dieser hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c 1. Satz VStG).

 

Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde abgesehen, weil bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs. 1 VStG).

 

2.  Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt und wie folgt erwogen:

   

Gemäß § 31 Abs. 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2 und 3) vorgenommen worden ist.

 

Gemäß § 32 Abs. 2 VStG ist die Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung u.d.g.l.) und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

 

3. Aufgrund der Anzeige der Polizeiinspektion Stadtplatz in Steyr, wonach die Vorfallszeit mit 30.11.2008 angegeben worden war, erging die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 26. Februar 2009 an den Berufungswerber. In dieser Aufforderung zur Rechtfertigung wurde als vorgeworfener Tatzeitpunkt "30.11.2009" angeführt. Der Berufungswerber hat auf diese Aufforderung zur Rechtfertigung nicht reagiert und im daraufhin erlassenen Straferkenntnis vom 9. Juni 2009 wurde als Tatzeitpunkt wiederum der "30.11.2009" angeführt. Innerhalb der für Verfolgungshandlungen vorgesehenen 6-Monats-Frist wurde der Tatzeitpunkt "30.11.2008" dem Berufungswerber jedenfalls nicht vorgeworfen. Damit unterliegt der Tatzeitpunkt der Verfolgungsverjährung und kann auch nicht mehr wirksam in den Spruch dieses Straferkenntnisses gegen R I aufgenommen werden.

 

3.2. Nach § 44a VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderem die als erwiesen angenommene Tat konkretisiert mit allen rechtserheblichen Merkmalen nach Ort und Zeit und die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, zu beinhalten.

 

So hat der VwGH vom 10. April 1991, Zl. 90/03/0283 erkannt: „§ 44a Z1 VStG 1950 bestimmt, dass in einem Straferkenntnis der „Spruch“ (§ 44 Abs.1 Z6 leg.cit) „die als erwiesen angenommene Tat“ zu enthalten hat. Das heißt, dass die Tat im Spruch so eindeutig umschrieben sein muss, dass kein Zweifel darüber besteht, wofür der Täter bestraft worden ist. Der zitierten Rechtsvorschrift ist also dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen des selben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit dem

§ 44a lit.a VStG 1950 genügt oder nicht genügt, mithin ob die erfolgte Tatort- und Tatzeitangabe im konkreten Fall das Straferkenntnis als rechtmäßig oder als rechtswidrig erscheinen lässt. Das an Tatort- und Tatzeitumschreibung zu stellende Erfordernis wird daher nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den oben wiedergegebenen Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein (siehe hiezu das hg. Erkenntnis des verstärkten Senats vom 3. 10.1985, Slg. NF Nr. 11894/A).“

 

3.3. Weil der Bw durch den ihm durch die belangte Behörde gemachten Vorwurf nicht in die Lage gesetzt wurde zum angeführten Tatzeitpunkt – dieser liegt ja immer noch in der Zukunft – geeignete Beweise anzubieten - die Anzeige mit dem richtig angeführten Tatdatum, dem 30.11.2008 wurde dem Bw nie zur Kenntnis gebracht -, war es dem Rechtsmittelwerber auch unmöglich, Angaben zu der ihm vorgeworfenen Tat zu machen.

 

Das Straferkenntnis war daher aufzuheben und das Strafverfahren einzustellen.

 

3.4. Bei diesem Verfahrensergebnis entfallen sämtliche Kosten zum Strafverfahren.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­gerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Mag. Bergmayr-Mann

 

 

 

 

 

 

Rechtssatz zu VwSen-300894/2/BMa/Eg vom 27. Juli 2009:

 

 

§ 31 Abs.1 VStG iVm § 32 Abs. 2 VStG; § 44a VStG:

 

Weil der Bw durch den ihm durch die belangte Behörde gemachten Vorwurf nicht in die Lage gesetzt wurde zum angeführten Tatzeitpunkt geeignete Beweise anzubieten war es dem Rechtsmittelwerber auch unmöglich, Angaben zu der ihm vorgeworfenen Tat zu machen.

 

 


 

 

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