Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-720241/11/Fi/FS

Linz, 29.05.2009

 

 

E r k e n n t n i s

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Vizepräsident Mag. Dr. Johannes Fischer über die Berufung des R F P, gegen den Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Gmunden vom 10. März 2009, Sich40-29550, betreffend die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, mit diesem Bescheid zu Recht erkannt:

Der Berufung wird insoweit stattgegeben, als das Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet der Republik Österreich für die Dauer von zehn Jahren erlassen wird.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs. 4 iVm. § 67a Abs. 1 Z 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG

 

 

I. Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes des Bezirkes Gmunden vom 10. März 2009, Sich40-29550, – zugestellt am 13. März 2009 – wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw), einen rumänischen Staatsangehörigen, gemäß "§ 60 Abs. 1 Ziffer 1 und 2 und Abs. 2 Z. 1 sowie §§ 63 und 66 iVm. 86 Abs. 1" FPG ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Weiters wurde mit diesem Bescheid gemäß § 86 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt.

Begründend führt die Behörde erster Instanz aus, dass der Bw rumänischer Staatsbürger sei und sich seit 13. Jänner 1997, somit über zwölf Jahre und seit seinem achten Lebensjahr, rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhalte. Er spreche sehr gut deutsch, sei ledig und habe keine Sorgepflichten in Österreich. Eine "Lebensabschnittspartnerin" oder gar eine Verlobte habe er nicht, auch wenn er im Zuge des ersten Aufenthaltsverbotsverfahrens auf ein Verlöbnis mit Frau B K verwiesen habe. Frau K habe dazu am 26. Februar 2008 der Bundespolizeidirektion Steyr mitgeteilt, dass sie nie seine Verlobte gewesen sei und auch nicht mit dem Bw zusammenziehen werde. Derzeit verbüße der Bw in der Justizanstalt Wels eine Haftstrafe. Bis zu seiner Verhaftung habe er mit seinen Eltern, die ebenfalls rumänische Staatsbürger seien, in einem gemeinsamen Haushalt in S gelebt. Gemäß einem ZMR-Ausdruck vom 26. Jänner 2009 sei der Bw dort immer noch mit Hauptwohnsitz polizeilich gemeldet. Der Bw habe im Jahr 2004 die Hauptschule in S-G positiv abgeschlossen. Anschließend habe er mit 30. Juni 2007 die Lehrabschlussprüfung als Lackierer bestanden. Laut einem Versicherungsdatenauszug vom 26. Jänner 2009 beziehe er seit 10. September 2008 Arbeitslosengeld. Abgesehen von seiner Lehrzeit (12.07.2004 – 28.02.2007) sei er nur sehr sporadisch einer Beschäftigung in Österreich nachgegangen. Seit seiner Einreise sei er immer wieder mit den in Österreich gültigen Gesetzen in Konflikt geraten und bereits mehrfach rechtskräftig verurteilt worden: Am 11. Oktober 2005 (richtig: am 6. Oktober 2005) habe das Bezirksgericht Gmunden den Bw gemäß § 27 Abs. 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG (Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz) rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 2,-- Euro, insgesamt 120,-- Euro, (30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Das Bezirksgericht Steyr habe den Bw am 24. Oktober 2006 rechtskräftig gemäß § 83 Abs. 1 StGB (Vergehen der Körperverletzung) zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 2,-- Euro, insgesamt 140,-- Euro, (35 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt. Am 27. März 2007 sei der Bw vom Landesgericht Steyr rechtskräftig gemäß § 15, § 136 Abs. 1 (Vergehen des teils versuchten, teils vollendeten unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen) sowie gemäß § 127 StGB (Vergehen des Diebstahls) zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Wochen, Probezeit drei Jahre, verurteilt worden. Am 15. September 2007 habe das Landesgericht Steyr den Bw wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahles durch Einbruch nach § 127, § 129 Z 1, § 130 erster Fall, § 15 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon vier Monate unbedingt und acht Monate bedingt, verurteilt. Der Bw sei für schuldig befunden worden, zusammen mit seinen Mittätern im Juni 2007 insgesamt acht Einbrüche begangen (bzw. teils versucht) zu haben, um sich eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Aufgrund des damals vorliegenden Sachverhaltes habe die Behörde erster Instanz mit Bescheid vom 16. Oktober 2007 ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot gegen den Bw erlassen. Der rechtzeitig eingebrachten Berufung des Bw sei allerdings vom Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stattgegeben und der Bescheid behoben worden. Am 28. April 2008 sei der Bw von der Behörde erster Instanz fremdenpolizeilich ermahnt worden. Dabei sei dem Bw in Anwesenheit seiner Mutter niederschriftlich mitgeteilt worden, dass er sich in Österreich an die Gesetze zu halten habe. Weiters sei er informiert worden, dass er mit fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu rechnen habe, sollte er wiederum grob gegen die Rechts- und Werteordnung seines Gastlandes verstoßen. Am 9. September 2008 sei der Bw vom Bezirksgericht Steyr gemäß § 83 Abs. 1 StGB (Vergehen der Körperverletzung) zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 2,-- Euro, insgesamt 240,-- Euro, (60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) rechtskräftig verurteilt worden. Zuletzt habe das Landesgericht Steyr den Bw am 13. Jänner 2009 rechtskräftig gemäß § 12 dritte Alternative, § 142 Abs. 1 zweite Alternative, § 143 zweite Alternative StGB (Verbrechen des schweren Raubes als Beitragstäter und Verbrechen des Raubes als Beitragstäter) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 34 Monaten verurteilt. Weiters sei der Bw seit dem Jahr 2006 wegen zwei zum Teil schwerwiegender Verwaltungsvorstrafen rechtskräftig bestraft worden. Aufgrund des geschilderten Sachverhaltes und seines bisher gezeigten Verhaltens im Bundesgebiet sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle. Die Behörde erster Instanz habe deshalb beabsichtigt, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot, gültig für das gesamte Bundesgebiet der Republik Österreich, gegen den Bw zu erlassen. Mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 27. Jänner 2009 sei der Bw zur Abgabe einer Stellungnahme bezüglich des geplanten unbefristeten Aufenthaltsverbotes aufgefordert worden. Dieses Schreiben sei vom Bw am 28. Jänner 2009 vom Bw persönlich übernommen worden. Mit Eingabe vom 29. Jänner 2009 habe der Bw die Behörde erster Instanz ersucht, die Frist zur Abgabe einer Stellungnahme bis zum 28. Februar 2009 zu verlängern. Die Behörde erster Instanz habe den Bw mit Schreiben vom 2. Februar 2009 informiert, dass die Frist wie gewünscht bis zum 28. Februar 2009 verlängert werde. Bis jetzt sei jedoch keine Stellungnahme des Bw eingegangen und die Frist sei bereits längst verstrichen. Während seines Aufenthaltes in Österreich sei der Bw schon mehrfach zum Teil sehr schwerwiegend mit den in Österreich gültigen Gesetzen in Konflikt geraten. Seit dem Jahr 2005 sei der Bw deswegen bereits sechs Mal von österreichischen Gerichten rechtskräftig verurteilt worden. Der Bw habe durch sein Verhalten eindrucksvoll dokumentiert, dass er in keiner Weise gewillt sei, die Rechts- und Werteordnung seines Gastlandes zu respektieren. Nach der erstmaligen Erlassung von fremdenpolizeilichen Maßnahmen und der am 28. April 2008 erfolgten fremdenpolizeilichen Ermahnung sei der Bw wiederum von österreichischen Gerichten rechtskräftig verurteilt worden. Die Maßnahmen der Behörde erster Instanz hätten den Bw anscheinend absolut nicht beeindruckt. Durch seine Verurteilungen, vor allem durch die letzte Verurteilung des Landesgerichtes Steyr vom 13. Jänner 2009, sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG nicht nur erfüllt, sondern der weitere Verbleib des Bw in Österreich stelle eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar. Sein enormes kriminelles Potential habe er durch seine Taten eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Besonders bedenklich stimme die Tatsache, dass er gegenüber einem von der österreichischen Rechtsordnung besonders geschütztem Gut, nämlich dem Eigentum anderer, absolut keinen Respekt zeige. Dies beweise auch die Verurteilung des Landesgerichtes Steyr vom 15. September 2007, wo er gemäß § 127, § 129 Z 1, § 130 erster Fall, § 15 Abs. 1 StGB (Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahles durch Einbruch) zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon vier Monate unbedingt und acht Monate bedingt, rechtskräftig verurteilt worden sei. Es bestehe außerdem Grund zur Annahme, dass der Bw sein kriminelles Potential noch nicht ausgeschöpft habe, da die Vergehen von Mal zu Mal schwerer würden und er sich auch durch eine fremdenpolizeiliche Ermahnung anscheinend auch vor dem Vergehen der Körperverletzung nicht abschrecken lasse. Dies werde durch die Verurteilung des Bezirkgerichtes Steyr vom 24. Oktober 2006 bewiesen, sodass durch seine Anwesenheit eine massive Gefahr für andere in Österreich lebende Personen ausgehe. Aufgrund dieser Tatsachen und deren Wertung sei die Annahme gerechtfertigt, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde und den in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderlaufe. Da das Landesgericht Steyr den Bw am 13. Jänner 2009 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 34 Monaten rechtskräftig verurteilt habe, sei ein Aufenthaltsverbot nicht als unzulässige Maßnahme im Hinblick auf § 61 Abs. 4 FPG anzusehen. Weiters werde auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Juli 2001, 99/21/0336, verwiesen, wonach die Wendung "von klein auf" für eine Person, die erst im Alter von vier Jahren oder später nach Österreich eingereist sei, nicht zum Tragen komme. Sofern durch das Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen werde, sei es gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Im Falle des Bw sei von einer erheblichen Gefahr auszugehen, da er sich durch seine Respektlosigkeit gegenüber dem Eigentum anderer, einem Grundinteresse der Gesellschaft, versuche eine weitere Einnahmequelle zu verschaffen. Anscheinend sei es dem Bw völlig egal, wenn er anderen in Österreich lebenden Personen deren rechtmäßig erworbenes Eigentum durch seine kriminelle Vorgehensweise wegnehme und diese Personen schädige. Seine Hemmschwelle zu einem kriminellen Verhalten sei hierbei eine sehr niedrige. Durch seinen Aufenthalt in Österreich sei eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für andere gegeben. Da der Bw abgesehen von seiner Lehrzeit nur sehr sporadisch einer Beschäftigung in Österreich nachgegangen sei, habe die von der Behörde erster Instanz geplante Maßnahme somit eine sehr vernachlässigbare Auswirkung auf sein Berufsleben. Familiäre Bindungen des Bw in Österreich seien vorhanden, da vor allem seine Eltern in Österreich rechtmäßig aufhältig seien. Seine Mutter habe am 27. März 2008 niederschriftlich mitgeteilt, dass sie am 4. Jänner 2008 einen Schlaganfall gehabt habe und teilweise auf die Hilfe und Pflege des Bw angewiesen sei. Jedoch könne der Bw dieser Tätigkeit während seiner Haftstrafe von 34 Monaten ohnehin nicht nachkommen und jemand anderer habe diese Aufgaben übernommen. Anscheinend könne diese Tätigkeit auch ohne die Mithilfe des Bw besorgt werden. In Rumänien lebten laut den Angaben des Bw keine nahen Familienangehörigen. Außerdem lebe der Bw bereits seit 1997, somit über zwölf Jahre und seit seinem achten Lebensjahr, rechtmäßig in Österreich. Somit habe die fremdenpolizeiliche Maßnahme auch Auswirkungen auf sein Privat- und Familienleben. Die soziale Integration sei dem Bw trotz einer gewissen Verwurzelung im Gastland absolut nicht gelungen, was durch die vielen Verurteilungen, eindeutig dokumentiert werde. Obwohl er sich in Österreich als Gast aufhalte, schrecke er nicht davon zurück, gerichtlich strafbare Handlungen zu setzen, wegen derer er zuletzt zu einer "massiven" Haftstrafe von 34 Monaten rechtskräftig verurteilt worden sei. Eine fremdenpolizeiliche Ermahnung habe ihn nicht auf den richtigen Weg führen können. Der Bw sei Staatsbürger von Rumänien, einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, in dem er sich aufgrund seiner Staatsbürgerschaft rechtmäßig niederlassen könne. Rumänien sei dem Bw nicht unbekannt, da er vor der Übersiedelung nach Österreich dort mehrere Jahre gelebt habe. Aufgrund der sehr guten Ausbildung, die er in Österreich habe genießen dürfen, habe er dort sehr gute Chancen, sich eine positive Existenz aufzubauen. Seine Eltern hätten auch jederzeit die Möglichkeit, den Bw in Rumänien zu besuchen und mit ihm Kontakt zu halten. Seinen familiären Bindungen zu Österreich stehe sein Verhalten gegenüber, das zu sechs, zum Teil sehr schwerwiegenden Gerichtsverurteilungen geführt habe. Die Tatsachen würden so schwer wiegen, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Aufgrund des Sachverhaltes würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes schwerer wiegen als die Auswirkungen eines Aufenthaltsverbotes auf seine persönliche bzw. familiäre Lebenssituation. Das Aufenthaltsverbot als gesetzlich vorgesehener Eingriff diene zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, nämlich der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Verhinderung von strafbaren Handlungen. Die privaten Interessen des Bw hätten gegenüber den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen in Österreich in den Hintergrund zu treten. Bei der Abwägung sei die Dauer seines Aufenthaltes, das Ausmaß der Integration und die Intensität der familiären und sonstigen Bindungen berücksichtigt worden. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes sei auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen gewesen: Es sei nicht absehbar, wann und ob der Bw überhaupt seine negativen, in Österreich nicht gesellschaftstauglichen, charakterlichen Eigenschaften zum Besseren wenden werde. Er habe mehrfach eindrucksvoll dokumentiert, dass er nicht gewillt sei, die in Österreich gültige Rechtsordnung zu beachten, und dass seine Hemmschwelle zu kriminellem Verhalten sehr niedrig liege. Dadurch gehe seine Anwesenheit im Bundesgebiet der Republik Österreich stelle eine erhebliche Gefahr dar. Zuletzt sei der Bw vom Landesgericht Steyr zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 34 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Die Behörde erster Instanz habe Grund zur Annahme, dass er sein kriminelles Potential noch lange nicht ausgeschöpft habe. Aufgrund des geschilderten Sachverhaltes könne das Aufenthaltsverbot nur auf unbefristete Dauer erlassen werden.

1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Bw am 13. März 2009 zugestellt worden ist, richtet sich die am 25. März 2009 – und damit rechtzeitig – bei der Behörde erster Instanz eingelangte Berufung. Darin führt der Bw Folgendes aus:

 

"...

Ich lebe seit 12 Jahren mit meinen Eltern in Österreich und bin sehr glücklich, dass ich bei ihnen sein kann.

Für mich wäre es nicht denkbar jetzt nach Rumänien zurückzukehren. Ich war seit zirka 3-4 Jahre nicht mehr in Rumänien weil ich unten auch keine Freunde oder Verwandte habe.

Meine Verwandten sind alle genau wie meine Eltern und ich ins Ausland gezogen.

Ich sitze seit 11.9.2008 in Gefängnis und habe genug Zeit zum Nachdenken gehabt. Ich weiß auch, dass ich mich ändern muss besser gesagt, dass ich mich geändert habe.

Ich weiß auch, dass ich in Zukunft die Gesetze respektieren muss und es auch tun werde.

Meine Mutter kann seit Jänner 2008 nicht mehr arbeiten aufgrund eines Schlaganfalles. Ich habe Schulden bei der BH Gmunden und bei der Grazer Wechselseitigen Versicherung.

Da das Auto auf den Namen meiner Mutter versichert war würde sie die 3.500 Euro für mich zahlen müssen und das möchte ich nicht.

Ich möchte bitte noch eine Chance haben in Österreich bleiben zu können, auch um Ihnen und meinen Eltern zu beweisen, dass ich mich geändert habe.

Ich verspreche Ihnen mich an die österreichischen Gesetze zu halten und sie zu respektieren.

Mein Wunsch ist es, meine Zukunft mit meinen Eltern in Österreich verbringen zu können und mir ein anständiges Leben aufzubauen.

Ich bitte Sie zu verstehen, dass ich mir unter diesen Umständen in Rumänien keine Zukunft aufbauen kann. Danke!

...".

2.1. Die Behörde erster Instanz übermittelte die Berufung samt Verwaltungsakt mit Schreiben vom 25. März 2009 an den Unabhängigen Verwaltungssenat.

2.2. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Verwaltungsakt samt den Strafverfügungen bzw. den Straferkenntnissen der Behörde erster Instanz und in die beigeschafften Strafakten des Bezirksgerichtes Gmunden zu 4 U 203/05i, des Bezirksgerichtes Steyr zu 7 U 136/06v und zu 7 U 67/08z, des Landesgerichtes Steyr zu 10 Hv 9/07g, zu 10 Hv 85/07h und zu 10 Hv 86/08g.

2.3.  Der Unabhängige Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

Der Bw ist rumänischer Staatsangehöriger und er hatte seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen seit 13. Jänner 1997 im Bundesgebiet. Er ist alleinstehend sowie ledig und hat keine Sorgepflichten. Bis zu seiner Verhaftung lebte der Bw mit seinen Eltern, die ebenfalls rumänische Staatsbürger sind, in einem gemeinsamen Haushalt. Der Bw hat im Jahr 2004 die Hauptschule positiv abgeschlossen. Anschließend hat er am 30. Juni 2007 die Lehrabschlussprüfung als Lackierer bestanden. Seit 10. September 2008 bezieht der Bw Arbeitslosengeld und abgesehen von seiner Lehrzeit ist er nur sehr sporadisch einer Beschäftigung in Österreich nachgegangen.

 

Im Zeitraum von Juli bis November 2004 erwarb sowie besaß der Bw den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift und überließ es einem anderen. Dies deshalb, weil er eine nicht mehr genau festzustellende Menge Cannabiskraut erwarb und bis zum Eigenkonsum besaß; weiters weil er zehn bis 15 bzw. ein Gramm Cannabiskraut verkaufte bzw. unentgeltlich zur Verfügung stellte (vgl. den Bestrafungsantrag der Staatsanwaltschaft Wels vom 18. August 2005 iVm der gekürzten Urteilsausfertigung, 4 U 203/05i). Deswegen wurde er vom Bezirksgericht Gmunden mit Urteil vom 6. Oktober 2005,   4 U 203/05i, wegen § 27 Abs. 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG zu einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 2,--, insgesamt 120,-- Euro (30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt.

Am 29. Juni 2006 verletzte der Bw eine näher bezeichnete Person durch Versetzen mehrerer Faustschläge in das Gesicht in Form einer Rissquetschwunde im Bereich der rechten Mundhöhle und einer Schädelprellung am Körper, sodass er vom Bezirksgericht Steyr am 20. Oktober 2006 zu 7 U 136/06v gemäß § 83 Abs. 1 StGB wegen des Vergehens der Körperverletzung zu einer bedingten Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 2,--, insgesamt 140,-- Euro (35 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) rechtskräftig verurteilt wurde.

 

Am 15. September 2009 und im Zeitraum von 5. bis 7. Oktober 2006 nahm der Bw diverse Kleinkrafträder sowie ein Motorfahrrad ohne Einwilligung der Berechtigten in Gebrauch, wobei er insgesamt einen Schaden von 806,76 Euro verursachte; weiters stahl er verschiedene Kfz-Bestandteile, eine Kennzeichentafel sowie drei Motorradhelme. Deswegen wurde der Bw mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 22. März 2007, 10 Hv 9/07g, rechtskräftig gemäß § 15, § 136 Abs. 1 StGB wegen des Vergehens des teils versuchten, teils vollendeten unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen sowie gemäß § 127 StGB wegen des Vergehens des Diebstahles zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Wochen verurteilt.

Im Juni 2007 beging der Bw zusammen mit seinen Mittätern innerhalb von 24 Stunden insgesamt acht Einbrüche (wobei es teils beim Versuch geblieben ist), um sich durch wiederkehrende Begehung der Diebstähle eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Dabei brach er in Geschäftsräumlichkeiten, in eine Pizzeria, in einen Wohnwagen, in ein Gastlokal sowie in ein Buffett ein und stahl dort ein Notebook, einen Diskman, Bargeld, Zigaretten, Getränke und Süßigkeiten im Gesamtwert von 2.743 Euro. Am 15. September 2007 verurteilte das Landesgericht Steyr den Bw zu 10 Hv 85/07h wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahles durch Einbruch nach § 127, § 129 Z 1, § 130 erster Fall, § 15 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, wovon acht Monate bedingt nachgesehen wurden. Erschwerend wertete das Strafgericht das Vorliegen von zwei einschlägigen Vorstrafen sowie den raschen Rückfall des Bw. Zudem stellte es fest, dass beim Bw in der Vergangenheit Suchtmittelmissbräuche beobachtbar waren.

Am 2. März 2008 schlug der Bw eine näher bezeichnete Person mehrmals mit einem Schuhlöffel aus Eisen auf den Kopf, sodass dieser in Form einer Gehirnerschütterung sowie von Rissquetschwunden im Bereich des linken Scheitelbeines und des rechten Ohrläppchens am Körper verletzt wurde. In Folge dessen wurde der Bw mit Urteil vom 3. September 2008, 7 U 67/08z, vom Bezirksgericht Steyr gemäß § 83 Abs. 1 StGB wegen des Vergehens der Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 2,-- Euro, insgesamt 240,-- Euro (60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) rechtskräftig verurteilt. Erschwerend wertete das Strafgericht bei seiner Strafbemessung die beiden einschlägigen Vorstrafen des Bw sowie seinen raschen Rückfall.

Am 27. Juni 2007 trug der Bw zur Ausübung eines schweren Raubes dadurch bei, dass er das zur Tatausführung verwendete Messer und die zur Tatausführung verwendete Maske besorgte, Sehschlitze in die Haube schnitt, mehrfach die Lage vor und im Gasthaus "Zur Post" auskundschaftete und Aufpasserdienste leistete.  Der unmittelbare Täter nötigte in der Folge den Geschädigten sowie eine Angestellte zur Herausgabe der Tageslosung in Höhe von ca. EUR 3.500,--, indem er am 27. Juni 2007 durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben sowie unter Verwendung einer Waffe, nämlich eines Messers, und zwar mit einer Haube maskiert in ein Gasthaus stürmte, "Geld her, Geld her!" rief und gleichzeitig mit dem erhobenen Messer Stichbewegungen nach vorne machte. Am 1. September 2008 trug der Bw zur Ausübung eines Raubes dadurch bei, dass er die zur Tatausführung verwendete Haube und Soft-Gun-Pistole kaufte, Sehschlitze in die Haube schnitt, die Lage in und vor der Tankstelle auskundschaftete, dem unmittelbaren Täter den Fluchtweg zeigte und das Fluchtauto zur und von der Tankstelle weglenkte. Der unmittelbare Täter nahm einen Geldbetrag von 600,-- Euro durch Herausreißen der mit Geld gefüllten Kassenlade aus der Verankerung weg, indem er am 1. September 2008 durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben sowie unter Verwendung einer Soft-Gun-Pistole und mit einer Haube maskiert eine Tankstelle betrat, mit der Soft-Gun-Pistole auf eine Tankstellenangestellte zielte und "Überfall" sagte. In der Folge wurde der Bw mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 13. Jänner 2009, 10 Hv 86/08g, gemäß § 12 dritte Alternative, § 142 Abs. 1 zweite Alternative, § 143 zweite Alternative StGB wegen des Verbrechens des (schweren) Raubes als Beitragstäter zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 34 Monaten rechtskräftig verurteilt.

Weiters wurde der Bw wegen zum Teil schwerwiegender Verwaltungsübertretungen jeweils durch den Bezirkshauptmann des Bezirkes Gmunden rechtskräftig bestraft:  

Mit Strafverfügung vom 14. Jänner 2004, VerkR96-545-2004, wurde der Bw 1. gemäß § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 6 Z 2 FSG wegen des Lenkens eines Motorfahrrades, obwohl er das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und daher ein Motorfahrrad nicht hätte lenken dürfen, mit einer Geldstrafe von 40 Euro und 2. gemäß § 36 lit. a KFG wegen der Verwendung eines nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeuges mit einer Geldstrafe von 220 Euro bestraft.

Mit Straferkenntnis vom 16. Oktober 2006, Pol96-21-1-2006, wurde der Bw gemäß § 7 Abs. 1 Z 4 iVm § 13 Abs. 1 Z 4 Oö. Jugendschutzgesetz 2001 wegen des Aufenthaltes in einem Wettlokal – obwohl er das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und Jugendlichen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr der Aufenthalt in Räumen oder an sonstigen Orten, wo überwiegend Wetten oder sonstige Spiele um Geld oder Geldeswert in nicht nur geringfügiger Höhe abgeschlossen bzw. gespielt werden, verboten ist – mit einer Geldstrafe von 40 Euro bestraft.

Mit Straferkenntnis vom 3. Juni 2008, VerkR96-4174-2008, wurde der Bw gemäß § 37 Abs. 1 und 4 Z 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges, obwohl ihm die Lenkberechtigung entzogen worden war, mit einer Geldstrafe von 726 Euro bestraft.

2.4.  Der dargestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, dem – im Rahmen des vom Unabhängigen Verwaltungssenat geführten Ermittlungsverfahrens – beigeschafften Strafakten.

 

II. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

 

1. Anzuwendende Rechtslage

 

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (im Folgenden: FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, (§ 9 idF BGBl. I Nr. 157/2005, § 60 idF BGBl. I Nr. 99/2006 sowie § 66 idF BGBl. I Nr. 29/2009), lauten wie folgt:

 

"Berufungen

 

         § 9. (1) (Verfassungsbestimmung) Über Berufungen gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz entscheiden, sofern nicht anderes bestimmt ist,

         1. im Fall von EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern und

         2. in allen anderen Fällen die Sicherheitsdirektionen in letzter Instanz.

         (2) Gegen die Versagung, die Bewilligung und den Widerruf eines Durchsetzungsaufschubes ist eine Berufung nicht zulässig. Gegen die Versagung, die Bewilligung und den Widerruf eines Abschiebungsaufschubes sowie gegen die Anordnung der Schubhaft ist weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig. Gegen die Versagung der Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung ist eine Berufung nicht zulässig.

 

 

                       Voraussetzungen für das Aufenthaltsverbot

 

         § 60. (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt

         1. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder

         2. anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

         (2) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

         1. von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist;

         (3) Eine gemäß Abs. 2 maßgebliche Verurteilung liegt nicht vor, wenn sie bereits getilgt ist. Eine solche Verurteilung liegt jedoch vor, wenn sie durch ein ausländisches Gericht erfolgte und den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

         ...

         (6) § 66 gilt.

 

Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes

 

§ 61. Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn

         ...

         3. dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mindestens einer unbedingten einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder er würde einen der in § 60 Abs. 2 Z 12 bis 14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen;

         4. der Fremde von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden oder würde einen der in § 60 Abs. 2 Z 12 bis 14 bezeichneten Tatbestände verwirklichen.

 

 

Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes oder des Rückkehrverbotes

 

         § 63. (1) Ein Aufenthaltsverbot oder ein Rückkehrverbot kann in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z 1, 5 und 12 bis 14 unbefristet und sonst für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

         (2) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes oder des Rückkehrverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen.

 

 

Schutz des Privat- und Familienlebens

 

         § 66. (1) Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Ausweisung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

         (2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

         1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

         2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

         3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

         4. der Grad der Integration;

         5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden;

         6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

         7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

         8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren.

         (3) Über die Zulässigkeit der Ausweisung ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches oder unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

 

Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung und für verfahrensfreie Maßnahmen

 

         § 86. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes ihren Hauptwohnsitz ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

         ...

         (3) EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen ist bei Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise des Fremden wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

         ...".

 

 

2. Zuständigkeit

 

Da es sich beim Bw um einen rumänischen Staatsangehörigen und damit um einen EWR-Bürger handelt, ist der Unabhängige Verwaltungssenat nach § 9 Abs. 1 Z 1 FPG zur Berufungsentscheidung zuständig.

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat ist zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder zuständig (vgl. § 67a Abs. 1 Z 1 AVG).

 

3. Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach § 86 Abs. 1 FPG

 

3.1. Vorweg ist zu bemerken, dass die Behörde erster Instanz das verfahrensgegenständliche Aufenthaltsverbot gegen den Bw rechtsrichtig auf § 86 Abs. 1 FPG stützte, da er als rumänischer Staatsangehöriger EWR-Bürger ist. Der Bw hatte seinen Hauptwohnsitz zwar seit 13. Jänner 1997 ununterbrochen im Bundesgebiet, jedoch hatte er seinen Hauptwohnsitz nicht "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" iSd § 86 Abs. 1 FPG ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet.

 

Unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" iSd fünften Satzes des § 86 Abs. 1 FPG ist nämlich der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstände, die in ihrer Gesamtheit die Maßnahme tragen, zu verstehen. Der "maßgebliche Sachverhalt" im Fall eines auf strafbare Handlungen gegründeten Aufenthaltsverbotes umfasst das den Verurteilungen (bzw. hier auch den Bestrafungen) zu Grunde liegende Fehlverhalten (VwGH 02.09.2008, 2006/18/0333).

 

Im vorliegenden Fall hat der Bw im Zeitraum von Juli bis November 2004 den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift erworben, besessen und es einem anderen überlassen. Dies deshalb, weil er eine nicht mehr genau festzustellende Menge Cannabiskraut erwarb sowie bis zum Eigenkonsum besaß; weiters weil er zehn bis 15 bzw. ein Gramm Cannabiskraut verkaufte bzw. unentgeltlich zur Verfügung stellte (vgl. den Bestrafungsantrag der Staatsanwaltschaft Wels vom 18. August 2005 iVm der gekürzten Urteilsausfertigung, 4 U 203/05i).

 

Bei diesem im Jahr 2004 gesetzten und seiner Verurteilung im Jahr 2005 zu Grunde liegenden Fehlverhalten handelt es sich um den ersten zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstand. Dieses Fehlverhalten ist auch geeignet, eine relevante Vergrößerung der vom Bw ausgehenden Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen herbeizuführen (zB VwGH 08.09.2005, 2003/18/0157), weil er bereits am 29. Juni 2006 – somit innerhalb der vom Bezirksgericht Gmunden festgesetzten, dreijährigen Probezeit – eine Person durch Versetzen mehrerer Faustschläge in das Gesicht in Form einer Rissquetschwunde im Bereich der rechten Mundhöhle und einer Schädelprellung am Körper verletzte (vgl. die gekürzte Urteilsausfertigung des Bezirksgerichtes Steyr, 7 U 136/06v).

 

Daraus folgt, dass der Bw seinen Hauptwohnsitz "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" iSd § 86 Abs. 1 FPG – der maßgebliche Zeitpunkt ist der Juli 2004 – ununterbrochen erst seit ca. sieben Jahren und sechs Monaten im Bundesgebiet hatte (zum Stellenwert von Verwaltungsübertretungen als "maßgeblicher Sachverhalt" vgl. VwGH 27.09.2005, 2003/18/0277).

 

Daher gelangt sachverhaltsbezogen nicht § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG zur Anwendung, sondern es war vorliegend (bloß) nach Maßgabe des § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG zu prüfen, ob aufgrund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

3.2. Der Bw bestreitet nicht, mit Urteilen des Bezirksgerichtes Gmunden vom 6. Oktober 2005, 4 U 203/05i, des Bezirksgerichtes Steyr vom 20. Oktober 2006, 7 U 136/06v, und vom 3. September 2008, 7 U 67/08z, des Landesgerichtes Steyr vom 22. März 2007, 10 Hv 9/07g, vom 11. September 2007, 10 Hv 85/07h, und vom 16. Dezember 2008, 10 Hv 86/08g, rechtskräftig verurteilt worden zu sein.

An diese – übrigens nicht getilgten – Verurteilungen ist der Unabhängigen Verwaltungssenat insoweit gebunden, als die materielle Rechtskraft des Schuldspruches bewirkt, dass dadurch – vorbehaltlich einer allfälligen Wiederaufnahme des Strafverfahrens – mit absoluter Wirkung, somit gegenüber jedermann, bindend festgestellt ist, dass der Bw die strafbare Handlung entsprechend den konkreten Tatsachenfeststellungen des betreffenden Urteiles rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (VwGH 18.12.2000, 2000/18/0133, mwN). Dies gilt auch für die unter I.2.3. dargestellten, verwaltungsbehördlichen Bestrafungen, die vom Bw ebenfalls nicht in Abrede gestellt wurden.

 

In Anbetracht der zuletzt erfolgten, rechtskräftigen Verurteilung des Bw zu einer Freiheitsstrafe von 34 Monaten steht fest, dass vorliegend der Tatbestand des    § 60 Abs. 2 Z 1 FPG verwirklicht wäre. Nach § 60 Abs. 1 FPG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Nach § 60 Abs. 2 Z 1 FPG hat als "bestimmte Tatsache" iSd Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder u.a. von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten rechtskräftig verurteilt worden ist.

 

Die Gesetzesbestimmung des § 60 Abs. 2 Z 1 FPG ist hier deshalb von entscheidender Bedeutung, weil bei der Beurteilung, ob der Bw aufgrund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet, auf den Katalog des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14 FPG als  "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden kann (VwGH 31.03.2008, 2007/18/0483, mwN). Dazu ist zu bemerken, dass der hier zum Tragen kommende "Orientierungsmaßstab" des § 60 Abs. 2 Z 1 erster Fall FPG – dh eine rechtskräftige Verurteilung des Fremden von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten – im vorliegenden Fall durch die zuletzt erfolgte Verurteilung des Bw zu einer Freiheitsstrafe von 34 Monaten um über das Zehnfache überschritten wurde.

 

Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität (VwGH 03.07.2007, 2007/18/0324) liegt es auf der Hand, dass das persönliche Verhalten des Bw eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. dazu etwa auch die Debatte des Innenausschusses über den Sicherheitsbericht 2007; "2009: Einbruchsdiebstähle in Wohnungen nehmen weiter zu", http://www.parlament.gv.at/PG/PR/JAHR_2009/PK0300/PK0300.shtml; Abrufdatum: 14. Mai 2009). Schließlich wurde der Bw wegen des gewerbsmäßigen Diebstahles durch Einbruch verurteilt und die in der gewerbsmäßigen Tatbegehung gelegene Tendenz des Fremden, sich eine fortlaufende Einnahme durch Diebstähle zu sichern, stellt eine erhebliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit dar (VwGH 27.09.2005, 2003/18/0245).

 

Dazu kommt, dass der Bw wegen (schweren) Raubes rechtkräftig verurteilt wurde und damit nicht nur dem öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Eigentumskriminalität, sondern auch dem großen öffentlichen Interesse an der Verhinderung von Gewaltkriminalität zuwiderhandelte (VwGH 03.11.2004, 2004/18/0305).

 

Überdies besteht ein großes öffentliches Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität, zumal Suchtgiftdelikte in hohem Maß sozialschädlich sind und eine hohe Wiederholungsgefahr in sich bergen (VwGH 20.02.2001, 2001/18/0005; VwGH 26.11.1999, 99/21/0321). Auch wenn der Bw mit Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom 6. Oktober 2005 wegen § 27 Abs. 1 erster, zweiter und sechster Fall SMG bloß zu einer bedingten Geldstrafe verurteilt wurde und das dieser Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten vergleichsweise geringfügig war, stellt das persönliche Verhalten des Bw im Hinblick auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Suchtgiftkriminalität eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar. Schließlich erfolgte etwa sein Beitrag zum Raub am 1. September 2008 unter Druck eines Drogendealers, was deutlich vor Augen führt, dass sich der Bw durch sein offenkundiges Naheverhältnis zum Drogenmilieu zu schweren strafbaren Handlungen verleiten lässt. Im Übrigen sprach das Strafgericht zur Frage des Vorliegens des Milderungsgrundes nach § 34 Abs. 1 Z 4 StGB aus, dass sich ein maßgerechter Charakter in der Situation des Angeklagten trotz ausgeübtem Druck nicht dazu hinreißen hätte lassen, einen Raub zu verüben oder dazu beizutragen, sondern vielmehr alternative Strategien (Anzeigeerstattung oder Ausborgen von Geld) genützt hätte.  

 

Aus dem Gesagten steht fest, dass aufgrund des persönlichen Verhaltens des Bw iSd § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

Dieses Ergebnis wird auch dadurch untermauert, dass der Bw wegen zum Teil schwerwiegender Verwaltungsübertretungen rechtskräftig verwaltungsbehördlich bestraft wurde; dies u.a. wegen des unberechtigten Lenkens eines nicht zum Verkehr zugelassenen Motorfahrrades und wegen des Lenkens eines Kraftfahrzeuges, obwohl ihm die Lenkberechtigung entzogen worden war. Schließlich zählt das Lenken eines Kraftfahrzeuges ohne erforderliche Lenkerberechtigung zu den am schwersten zu wertenden Verstößen gegen das Verkehrsrecht (VwGH 21.05.1997, 95/19/0817). Zudem ist der Verwendung eines nicht zum Verkehr zugelassenen Fahrzeuges auf Straßen mit öffentlichem Verkehr ein hoher Unrechtsgehalt beizumessen (VwGH 27.02.2004, 2004/02/0025). Bei den genannten Verwaltungsübertretungen handelt es sich also um grobe Verstöße gegen das Verkehrsrecht und gegen wesentliche, die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffende Vorschriften (VwGH 27.09.2005, 2003/18/0277, mwN).

 

Auch ist der seit der Begehung der letzten Straftat am 1. September 2008 verstrichene Zeitraum – insbesondere in Anbetracht seiner mangelnden Rechtstreue, seines wiederholten raschen Rückfalles, seiner offenkundigen Nähe zum Suchtgiftmilieu und seiner (teilweise) gewerbsmäßigen Tatbegehung – noch zu kurz, um von einem Wohlverhalten oder einer entscheidungswesentlichen Minderung der vom Bw ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen zu können, zumal die Zeiten einer Haft bei der Beurteilung eines Wohlverhaltens nicht zu berücksichtigen sind (VwGH 16.10.2007, 2006/18/0081, mwN). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Bw "bloß" als Beitragstäter wegen (schweren) Raubes verurteilt wurde und damit untergeordnet an den Straftaten beteiligt war. Schließlich ist gerade im Falle des Bw eine stetige Steigerung seines kriminellen Fehlverhaltens festzustellen, wobei sich der Bw weder durch Ermahnungen durch die Fremdenpolizeibehörde noch durch verwaltungsbehördliche Bestrafungen bzw. durch strafgerichtliche Verurteilungen beeindrucken ließ. Aufgrund seines bisherigen Fehlverhaltens ist bei der gebotenen Gesamtbetrachtung vielmehr eine Neigung des Bw zu kriminellen Verhalten erkennbar, der er bei nächstbester Gelegenheit immer wieder erliegt.

 

Diese Einschätzung steht übrigens auch mit den Erwägungen des Landesgerichtes Steyr in seinem Urteil vom 13. Jänner 2009 hinsichtlich der Gewährung der bedingten Strafnachsicht im Einklang:

 

"Bezugnehmend auf die vier einschlägigen Vorstrafen ist vielmehr festzuhalten, dass diese Vorverurteilungen klar darlegen, dass dem Angeklagten fremde Werte, sei es die körperliche Integrität anderer Personen, sei es fremdes Eigentum, völlig gleichgültig sind und er darüber hinaus auch in keiner Weise gewillt ist, eine angepasste Lebenseinstellung an den Tag zu legen. Ebenso wenig kann übersehen werden, dass selbst das bereits verspürte Haftübel von über drei Monaten den Angeklagten nicht davon abhalten konnte, neuerlich straffällig zu werden, woraus ebenso zu schließen ist, dass er nicht ausreichend gewillt ist, sich zukünftig straffrei zu verhalten.

Dem Angeklagten wurde im Zuge der Vorverurteilungen immer wieder das Wesen der bedingten Strafnachsicht zur Kenntnis gebracht, keine der bisherigen Vorstrafen vermochte ihn jedoch davon abzuhalten, neuerlich – massiv – straffällig zu werden.".

 

3.3. Der Bw wendet sich nicht gegen die Annahme der Behörde erster Instanz, dass die öffentlichen Interessen an der Erlassung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes und die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung dieses Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen würden als die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Bw.

 

Bei der gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung führt der Bw ins Treffen, dass er seit zwölf Jahren mit seinen Eltern in Österreich lebe und es für ihn nicht denkbar wäre, jetzt nach Rumänien zurückzukehren. Er sei seit ca. drei bis vier Jahren nicht mehr in Rumänien gewesen, weil er "unten" auch keine Freunde oder Verwandte habe. Seine Mutter könne seit Jänner 2008 aufgrund eines Schlaganfalles nicht mehr arbeiten. Er habe Schulden bei der Bezirkshauptmannschaft Gmunden und bei der Grazer Wechselseitigen Versicherung. Da das Auto auf den Namen seiner Mutter versichert sei, müsste diese 3.500 Euro für ihn zahlen.  

 

Zunächst ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach der Umstand, dass aufgrund des Aufenthaltsverbotes die (vollständige) Schadensgutmachung erschwert werde, keine relevante Verschiebung der Interessenlage zugunsten des Fremden bewirkt, sind doch zugunsten der Fremden nur die den privaten und familiären Bereich betreffenden Umstände, nicht jedoch ein privates Interesse Dritter an einer Wiedergutmachung des Schadens zu berücksichtigen (VwGH 17.02.2005, 2002/18/0209). Darüber hinaus ist nicht zu erkennen, warum der Bw seine Schulden – wenn auch eingeschränkt – nicht auch vom Ausland aus begleichen können sollte, zumal der Einschätzung der Behörde erster Instanz beizupflichten ist, wonach der Bw aufgrund der in Österreich absolvierten Ausbildung in Rumänien sehr gute Chancen habe, sich eine Existenz aufzubauen.

 

Ein Eingriff in das Privat- und Familienleben des Bw ist jedoch insbesondere aufgrund seines langjährigen rechtmäßigen Aufenthaltes in Österreich und dem gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern jedenfalls zu bejahen. Besonderes Gewicht kommt dabei dem allseits unbestrittenen Umstand zu, dass die Mutter des Bw vor einiger Zeit einen Schlaganfall erlitten hat. Auch wenn der Bw nach den Feststellungen des Landesgerichtes Steyr in seinem Urteil vom 16. Dezember 2008 seine Mutter pflegte und sie zu Beginn des Jahres 2008 im Haushalt unterstützte, behauptet der Bw jedoch nicht, dass seine Mutter etwa auf seine Pflege angewiesen sei und dass diese Aufgabe nur der Bw selbst übernehmen könne. Relativiert werden diese Interessen des Bw auch durch seine mangelnde berufliche Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt trotz seiner erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung. 

 

Den ohne Zweifel sehr ausgeprägten persönlichen oder familiären Interessen des Bw stehen die sehr hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen an der Verhinderung der Eigentums-, der Gewalt- und der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen wird deutlich, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sowie Schutz der Gesundheit) – insbesondere in Anbetracht des oben gezeichneten Charakterbildes des Bw – dringend geboten ist (§ 66 Abs. 1 FPG) und dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Bw nicht schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG). Selbst unter Berücksichtigung der Pflegebedürftigkeit der Mutter des Bw vermag die Interessensabwägung nicht zu seinen Gunsten auszuschlagen.

 

Im Hinblick darauf sind auch keine besondere Umstände ersichtlich, die eine Ermessensübung im Grunde des § 60 Abs. 1 FPG zugunsten des Bw gebieten würden.

 

3.4. Nach § 63 Abs. 1 FPG darf ein Aufenthaltsverbot in den Fällen des § 60 Abs. 2 Z 1, 5 und 12 bis 14 FPG unbefristet, sonst nur für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen (§ 63 Abs. 2 FPG). Als maßgebliche Umstände gemäß § 63 Abs. 2 leg. cit. kommen – abgesehen vom gesetzten Fehlverhalten und der daraus resultierenden Gefährdung öffentlicher Interessen – auch die privaten und familiären Interessen iSd § 66 FPG in Betracht.

 

Dem Bw ist insbesondere vorzuwerfen, dass er zum einen wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten gewerbsmäßigen Diebstahles durch Einbruch und zum anderen wegen (schweren) Raubes als Beitragstäter verurteilt wurde. Ungeachtet dieser massiven Eigentums- bzw. Gewaltdelikte bestehen allerdings Bedenken gegen die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes durch die Behörde erster Instanz, weil sie bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes dem Umstand, dass die Mutter des Bw wegen eines Schlaganfalles pflegebedürftig ist, zu wenig Gewicht beigemessen hat. So attestierte etwa das Landesgericht Steyr dem Bw in seinem Urteil vom 16. Dezember 2008, dass er in Einzelbereichen durchaus soziale Kompetenz aufweise, wobei in diesem Zusammenhang auf die erfolgte Pflege seiner Mutter und deren Unterstützung im Haushalt zu Beginn des Jahres 2008 hinzuweisen sei. 

 

Sachverhaltsbezogen erscheint bei Berücksichtigung des unstrittigen Gesundheitszustandes seiner Mutter die Verhängung eines zehnjährigen Aufenthaltsverbotes als zweckentsprechend, zumal ein Wegfall des Grundes für dessen Verhängung – unter der Voraussetzung zwischenzeitigen Wohlverhaltens – bereits nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren vorhergesehen werden kann.

 

3.5. Letztlich ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch nach Maßgabe des § 61 Abs. 3 und 4 FPG zulässig; dies schon deshalb, weil der Bw zuletzt zu einer Freiheitsstrafe von 34 Monaten verurteilt wurde und daher wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig "zu mindestens einer unbedingten einjährigen Freiheitsstrafe" (Abs. 3) und zugleich "zu mehr als einer unbedingten zweijährigen Freiheitsstrafe" (Abs. 4) verurteilt wurde (vgl. dazu VwGH 10.12.2008, 2008/22/0876). Es kann daher dahingestellt bleiben, ob dem Bw vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 StbG verliehen hätte werden können oder ob der Bw von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.

 

4. Versagung eines Durchsetzungsaufschubes

 

Über die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes durch die Behörde erster Instanz war nicht abzusprechen, weil dagegen gemäß § 9 Abs. 2 erster Satz FPG eine Berufung nicht zulässig ist und ein darauf gerichteter Berufungsantrag ohnehin nicht vorliegt.

 

5. Der Berufung war daher insoweit stattzugeben, als das Aufenthaltverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen wird.  

 

6. Im Verfahren sind Stempelgebühren in Höhe von 13,20 Euro (Eingabegebühr) angefallen; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

Johannes Fischer

 

Rechtssatz VwSen-720241/11/Fi/FS vom 29. Mai 2009

 

§ 86 Abs. 1 FPG

 

Der Bw hatte seinen Hauptwohnsitz zwar seit 13. Jänner 1997 ununterbrochen im Bundesgebiet, jedoch hatte er seinen Hauptwohnsitz nicht "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" iSd § 86 Abs. 1 FPG ununterbrochen seit zehn Jahren im Bundesgebiet (Hinweis VwGH 02.09.2008, 2006/18/0333). Im vorliegenden Fall hat der Bw im Zeitraum von Juli bis November 2004 den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift erworben, besessen und es einem anderen überlassen. Dies deshalb, weil er eine nicht mehr genau festzustellende Menge Cannabiskraut erwarb sowie bis zum Eigenkonsum besaß; weiters weil er zehn bis 15 bzw. ein Gramm Cannabiskraut verkaufte bzw. unentgeltlich zur Verfügung stellte. Daraus folgt, dass der Bw seinen Hauptwohnsitz "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" iSd § 86 Abs. 1 FPG – der maßgebliche Zeitpunkt ist der Juli 2004 – ununterbrochen erst seit ca. sieben Jahren und sechs Monaten im Bundesgebiet hatte. Daher gelangt sachverhaltsbezogen nicht § 86 Abs. 1 fünfter Satz FPG zur Anwendung, sondern es war vorliegend (bloß) nach Maßgabe des § 86 Abs. 1 erster und zweiter Satz FPG zu prüfen, ob aufgrund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist, wobei das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

 

 

 

 

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