Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164319/2/Ki/Jo

Linz, 12.08.2009

 

E r k e n n t n i s

(Bescheid)

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Alfred Kisch über die Berufung des S S, G, S, vom 6. Juli 2009, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 9. Juni 2009, VerkR96-2583-2009, wegen einer Übertretung des KFG 1967 zu Recht erkannt:

 

 

I.         Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verfahren eingestellt.

 

II.     Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG;

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit Straferkenntnis vom 8. Juni 2009, VerkR96-2583-2009, dem Berufungswerber eine Übertretung des
§ 103 Abs.2 KFG 1967 zur Last gelegt. Er sei mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 17. Februar 2009 als Zulassungsbesitzer aufgefordert worden, binnen zwei Wochen ab Zustellung der anfragenden Behörde bekannt zu geben, wer das Kraftfahrzeug (Kennzeichen , PKW) am 6. November 2008 um 12.32 Uhr in Hochburg-Ach auf der L 501 gelenkt habe. Er habe diese Auskunft nicht innerhalb der vorgeschriebenen Frist erteilt und auch keine andere Person genannt, die die Auskunft erteilen könne. Gemäß § 134 Abs.1 KFG wurde eine Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Rechtsmittelwerber per E-Mail am 6. Juli 2009 Berufung erhoben. Er vermeint, dass keine Ordnungswidrigkeit vorliege und eine Benennung des Fahrzeugführers nicht notwendig sei.

 

2.1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat die Berufung ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit Schreiben vom 9. Juli 2009 vorgelegt.

 

2.2. Die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich ist gemäß § 51 Abs.1 VStG gegeben. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte, da weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das laut Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden.

 

2.3. Die Berufung wurde innerhalb der zweiwöchigen Rechtsmittelfrist bei der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn eingebracht und sie ist daher rechtzeitig.

 

2.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt. Eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung entfällt, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist (§ 51e Abs.2 Z1 VStG).

 

2.5. Aus dem vorliegenden Akt ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zu Grunde liegt:

 

Mit Anzeige der Landesverkehrsabteilung Oberösterreich vom 7. Jänner 2009 wurde der Lenker des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges, dessen Zulassungsbesitzer der Berufungswerber ist, beschuldigt, er habe im Bereich der Gemeinde Hochburg-Ach die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 23 km/h überschritten.

 

Eine zunächst gegen den nunmehrigen Berufungswerber wegen der angezeigten Verwaltungsübertretung ergangene Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn (VerkR96-702-2009 vom 19. Jänner 2009) wurde von diesem beeinsprucht.

 

In weiterer Folge hat die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn mit Schreiben vom 17. Februar 2009, VerkR96-702-2009, den Berufungswerber vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihm gleichzeitig die Möglichkeit eingeräumt, zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen. Darüber hinaus wurde mit diesem Schreiben der Berufungswerber als Zulassungsbesitzer gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 unter Strafdrohung zur Lenkerauskunft aufgefordert.

 

Per E-Mail teilte der Berufungswerber am 18. März 2009 mit, dass trotz intensiver Nachfrage unter allen Personen, die Zugang zu seinem Fahrzeug haben, es nicht möglich sei, eindeutig einen Fahrzeuglenker zum Tatzeitpunkt zu bestimmen.

 

Letztlich wurde das nunmehr angefochtene Straferkenntnis erlassen.

 

3. In der Sache selbst hat der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich wie folgt erwogen:

 

3.1. Gemäß § 103 Abs.2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Die Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer – im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung – zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen. (Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte als Auskunftsverweigerung zurück.

 

Dazu wird zunächst festgestellt, dass nach der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention ein derartiges Auskunftsverlangen nach Kriterien der österreichischen Rechtsordnung zulässig ist (EGMR 10. April 2008, Beschwerden 58452/00 und 61920/00, Lückhof und Spanner gegen Österreich). Allerdings ist aus der gegenständlichen Judikatur auch die Intention abzuleiten, dass eine unzulässige Selbstbezichtigung dann nicht vorliegt, wenn das solcher Art beschaffte Beweismaterial nicht unfair verwendet bzw. das Gebot der Fairness nicht verletzt wird.

 

Im vorliegenden Falle wurde das Auskunftsbegehren zugleich mit der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme bzw. der Einladung zur Rechtfertigung wegen des Grunddeliktes gestellt und es erachtet der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, dass eine Verknüpfung dieser Umstände nicht der gebotenen Fairness entspricht. Einerseits wird dem Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren die Gelegenheit gegeben, sich zu rechtfertigen, wobei es ihm als Beschuldigten anheim gestellt ist , sich in jede Richtung zu verteidigen. Andererseits wird er jedoch unter einem im Administrativverfahren nach § 103 Abs.2 KFG 1967 unter Strafdrohung aufgefordert, den Lenker bekannt zu geben.

 

Es mag zutreffen, dass eine derartige Vorgangsweise als verfahrensökonomisch und kostengünstig angesehen werden kann. In Anbetracht dessen, dass, jedenfalls nach Auffassung des erkennenden Mitgliedes des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich, eine derartige Vorgangsweise dem Gebot der Fairness bei der Beweisaufnahme widerspricht, wird auf den konkreten Fall bezogen diese Vorgangsweise im Zusammenhang mit einem Auskunftsverlangen als unzulässig erachtet und es war der Beschuldigte daher nicht verpflichtet, dieser Aufforderung nachzukommen.

 

Gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.

 

Nachdem, wie oben dargelegt wurde, der Berufungswerber im konkreten Falle zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet war, hat er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen. Es konnte daher bei gleichzeitiger Aufhebung des Straferkenntnisses und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens der Berufung Folge gegeben werden.

 

4. Der Kostenausspruch stützt sich auf die im Spruch angeführte gesetzliche Bestimmung.

 


Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss – von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen – jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

Mag. Alfred Kisch

 

 

 

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