Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222265/9/Bm/Sta

Linz, 11.08.2009

 

 

 

E r k e n n t n i s

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn G B, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. S B, S, M, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. vom 12. März 2009, Ge96-30-2009, wegen Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 1.7.2009,  zu Recht erkannt:

 

         Die Berufung wird abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

 

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 66 Abs.4, 67a Abs.1 und  71 Abs.1  Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 idgF (AVG), iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz  (VStG).

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. hat mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist gegen die Strafverfügung vom 30.1.2009, Ge96-30-2009, abgewiesen.

 

2. In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung macht der Berufungswerber geltend, dass der Einschreiter in einem anhängigen Gerichtsverfahren von den Anwälten Dr. B, Dr. W, vertreten werde. Es habe in Folge einer Kontaktaufnahme am 3.2.2009, welche im Zusammenhang mit dem genannten Prozess stand, der Einschreiter gegenüber Frau Dr. B fernmündlich erklärt, dass er eine BH-Strafe erhalten habe und er diese übermitteln werde.

Bedauerlicherweise sei nach dieser erfolgten Ankündigung ein Defekt am Faxgerät der Kanzlei aufgetreten, und zwar in der Form, als die ankommenden Schriftstücke in völlig unlesbarer Art und Weise aus dem Drucker gekommen seien. Der Defekt habe erst nach einigen Tagen behoben werden können und seien zwischenzeitig unzählige unlesbare Faxnachrichten in der Kanzlei eingelangt.

In der Folge habe der Einschreiter sodann auch eine Strafverfügung (einige Tage später) und zwar am 5.2.2009 übermittelt, welche jedoch nicht lesbar gewesen sei und auf welcher man auch den Absender nicht habe erkennen können. Es müsse in diesem Zusammenhang nochmals ausgeführt werden, dass das Faxgerät der Kanzlei Dr. B in der Zeit um den 5.2.2009 einen Defekt gehabt habe und auch andere Klienten Nachrichten per Fax übermittelt hätten, welche bedauerlicherweise nicht zur Kenntnis genommen werden haben können.

Am 23.2.2009 habe sodann der Einschreiter zu Frau Dr. S B wieder Kontakt aufgenommen und habe sich in diesem Zusammenhang herausgestellt, dass er, wie auch bereits dargestellt, erst einige Tage nach seinem Telefonat die Strafverfügung übermittelt habe, damit eben Einspruch erhoben werde. Der Einschreiter habe keine Kenntnis davon bzw. habe keine Kenntnis davon haben können, dass das Fax unleserlich angekommen sei, da derselbe von seinem Gerät die Mitteilung erhalten habe, dass das Schriftstück ordentlich übersandt worden sei. Unabhängig davon habe auch Frau Dr. S B bis zu diesem geführten Telefonat am 23.2.2009 keine Kenntnis von der übermittelten Strafverfügung haben können.

Erstmals mit dem Anruf des Herrn B vom 23.2.2009 habe die Rechtsvertreterin Kenntnis von der Strafverfügung, datiert mit 30.1.2009, erhalten. Weder dem Einschreiter noch der Anwältin könne es als Verschulden zugerechnet werden, dass die am 5.2.2009 übermittelte Strafverfügung, welche nicht lesbar gewesen sei, als solche nicht dem Einschreiter zugeordnet werden habe können und habe auch der Einschreiter keine Kenntnis davon haben können, dass die am 5.2.2009 übermittelte Strafverfügung tatsächlich seiner Rechtsvertretung nicht zugegangen sei. Es sei weder dem Einschreiter ein Verschulden noch den beauftragten Anwälten ein wie immer geartetes Fehlverhalten noch Verschulden anzulasten.

 

Es möge daher der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden, da der Partei durch ein unvorhergesehenes bzw. unabwendbares Ereignis – sohin dadurch, dass gerade am Tag der Übermittlung der Strafverfügung das Faxgerät einen Defekt erlitten habe und in der Folge trotz entsprechender Bestätigung bei Faxnachricht durch "OK" die per Fax übermittelte Strafverfügung bei der beauftragten Anwältin nicht angekommen sei – an der fristgerechten Einbringung des Einspruches gehindert worden sei, was aber auf kein wie immer geartetes Verschulden des Einschreiters zurückzuführen sei. Aber selbst ein Verschulden der Partei hindere die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderer Grad des Versehens handle.

Dem Einschreiter werde zur Last gelegt, dass er sich von der Ankunft der Faxnachricht in der Kanzlei erkundigen hätte müssen. Diese an die Partei gerichtete Anforderung sei nicht haltbar, da der Einschreiter durch die Benachrichtigung (von seinem eigenen Faxgerät) mit Übermittlung "OK" davon ausgehen habe könne, dass das Schriftstück auch ordentlich angekommen sei. Eine nochmalige telefonische Urgenz sei in diesem Zusammenhang weder üblich, noch könne es dem Einschreiter angelastet werden, wenn sich derselbe nicht nochmals von der Übermittlung der Nachricht überzeuge. Es sei vom Einschreiter vorgebracht worden, dass er auf Grund des Übersendungsprotokolls davon ausgehen habe können, dass die Strafverfügung auch ordentlich angekommen sei. Wenn dem Einschreiter nunmehr angelastet werde, er hätte sich nochmals vom Eintreffen der Strafverfügung durch telefonische Nachfrage überzeugen müssen, so überspanne damit die Behörde die Pflichten der Partei, zumal dieselbe ja schon durch eine entsprechende Bestätigung davon ausgehen konnte, dass die Strafverfügung auch ordentlich angekommen sei. Es könne allenfalls die geforderte nicht nochmalige Nachforschung der Partei dahingehend, ob die Strafverfügung noch auch in der Kanzlei angekommen sei, nur als ein minderer Grad des Versehen gewertet werden. Der Partei hier ein fahrlässiges Verhalten zu unterstellen, sei nicht haltbar, zumal diese nicht der Bestimmung des § 71 Abs.1 AVG entspreche und sohin dem Gesetzeswortlaut zuwiderlaufe. Ein minderer Grad des Versehen liege bei einem Fehler vor, der gelegentlich auch sorgfältigen Menschen unterlaufen könne. Auch sei darauf hingewiesen, dass nunmehr die Rechtsprechung des VwGH von der vormalig überaus strengen Auslegung des § 71 AVG deutlich abgegangen sei, zumal andernfalls die Bestimmung des § 71 Abs.1 Z1 AVG bedeutungslos wäre. Aus diesem Grund wird der Antrag gestellt, es möge der gegenständliche Bescheid aufgehoben werden und gleichzeitig der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt werden.

 

3. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. hat den Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung vorgelegt. Eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme sowie durch Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 1. Juli 2009, an welcher die Rechtsvertreterin des Berufungswerbers teilgenommen hat und gleichzeitig als Zeugin einvernommen worden ist.

 

 

 

4.1. Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

 

Die Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. hat gegen den Berufungswerber zu Ge96-30-2009 eine Strafverfügung wegen einer Übertretung der Gewerbeordnung erlassen. Diese wurde am 30.1.2009 ausgestellt, die Zustellung erfolgte durch persönliche Übernahme am 5.2.2009.

Im Zuge eines mit dem Berufungswerber in einer anderen Rechtssache geführten Telefonates (von der Rechtsvertreterin mit 3.2.2009 angegeben) wurde die Rechtsvertreterin von Herrn B davon in Kenntnis gesetzt, dass er eine Strafverfügung erhalten habe und er diese übermitteln werde. Am 5.2.2009 wurde diese Strafverfügung vom Berufungswerber per Telefax an die Kanzlei der Rechtsvertreterin übermittelt. Auf Grund eines technischen Defekts am Faxgerät wurde die Strafverfügung unleserlich übermittelt, lediglich die ausstellende Behörde, Bezirkshauptmannschaft Braunau a.I. sowie die Bezeichnung "Strafverfügung" war leserlich.

Am 23.2.2009 nahm der Berufungswerber wiederum mit Frau Dr. B Kontakt auf und hat bezüglich der Strafverfügung nachgefragt.

 

Das hier entscheidungswesentliche Beweisergebnis ergibt sich aus dem Akteninhalt samt den vom Berufungswerber vorgelegten Unterlagen sowie aus der Aussage der als Zeugin einvernommenen Rechtsvertreterin.

Da der Berufungswerber die Strafverfügung erst am 5.2.2009 übernommen hat, kann das der Übermittlung vorangegangene Telefonat nicht – wie von der Rechtsanwältin angegeben -  am 3.2.2009 sondern frühestens erst am 5.2.2009 stattgefunden haben.

 

5. In rechtlicher Hinsicht  hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

5.1. Gemäß § 71 Abs.1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:

1. die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft oder ...

 

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Ereignis unvorhergesehen, wenn die Partei es tatsächlich nicht mit einberechnet hat und dessen Eintritt unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwartet werden konnte. Das im Begriff der Unvorhergesehenheit gelegene Zumutbarkeitsmoment ist dahin zu verstehen, dass die erforderliche zumutbare Aufmerksamkeit dann noch gewahrt ist, wenn der Partei in Ansehung der Wahrung der Frist nur ein minderer Grad des Versehens unterläuft.

 

Der Erstbehörde in diesem Punkt folgend, geht auch der Oö. Verwaltungssenat davon aus, dass zwar nicht das technische Gebrechen an sich vom Berufungswerber festgestellt werden musste, allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Berufungswerber grundsätzlich nicht unvoreingenommen davon ausgehen konnte, dass eine Übermittlung per Telefax stets ohne jegliches technisches Problem durchgeführt werden kann. Auf Grund allgemeiner Erfahrungswerte kann ein technisches Gebrechen nicht von vornherein ausgeschlossen werden.

Der Berufungswerber muss gegen sich geltend lassen, dass er die ihm zumutbare Sorgfalt insofern außer Acht gelassen hat, als er sich nicht fristgerecht über den Eingang der Strafverfügung bei der anwaltlichen Vertretung zur Erhebung eines Einspruches versichert hat.

 

In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass sich eine Partei zu vergewissern hat, ob die Übermittlung etwa eines Telefax technisch erfolgreich war. Im Erkenntnis vom 3.9.2003, 2002/03/0139, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine Sendebestätigung etwa für eine E-Mail nur erkennen lasse, dass die Versendung durchgeführt wurde; sie jedoch nicht den Schluss zulasse, dass sie tatsächlich auch bei der Behörde eingelangt sei. Das gleiche muss auch für eine Übermittlung per Telefax gelten.

 

Im Lichte dieser VwGH-Judikatur ist davon auszugehen, dass dem Berufungswerber ein den Grad eines minderen Versehens übersteigendes Verschulden anzulasten ist, wenn die Rückversicherung über den Eingang eines Schriftstückes bei seiner anwaltlichen Vertretung nicht so fristgerecht vorgenommen wird, dass die gewählte Rechtsvertretung rechtzeitig Einspruch bei der Behörde erheben kann. Dies auch unter dem Blickwinkel der nicht erfolgten Reaktion (Kontaktaufnahme) der Anwaltskanzlei auf die Faxnachricht, obwohl der Berufungswerber nicht davon ausgehen konnte, dass der Einspruch ohne weitere Sachverhaltsdarlegungen seinerseits durch die Rechtsvertreterin erhoben werden kann und er auf Grund der in der Strafverfügung enthaltenen Rechtsmittelbelehrung wissen musste, dass die Rechtsmittelfrist 2 Wochen beträgt.

 

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einer bevollmächtigten Rechtsanwältin oder einem bevollmächtigten Rechtsanwalt eingebracht werden. Für jede dieser Beschwerden ist eine Eingabegebühr von 220 Euro  zu entrichten.

 

 

Mag. Michaela Bismaier

 

 

 

 

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