Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-164342/2/Bi/Se

Linz, 10.08.2009

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des Herrn E P, K, vom 30. Juli 2009 gegen das Straferkenntnis der Bezirks­hauptfrau von Rohrbach vom 22. Juli 2009, VerkR96-942-2009-Hof, wegen Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

 

     Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren ohne Vorschreibung von Verfahrenskostenbeiträgen eingestellt. 

 

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 Abs.1, 45 Abs.1 Z1 1.Alt. und 66 VStG

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wurde über den Beschuldigten wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß §§ 19 Abs.7 iVm 19 Abs.3 und 99 Abs.3 lit.a StVO 1960 eine Geldstrafe von 80 Euro (36 Stunden EFS) verhängt, weil er am 25. März 2009, 9.30 Uhr, in Rohrbach, Auffahrtsrampe zur Hanrieder­straße, Kreuzungsbereich L588, mit dem Pkw      (A) als wartepflichtiger Lenker durch Einbiegen den Vorrang eines auf der Vorrangstraße fahrenden Fahr­zeuges nicht beachtet habe, wodurch dessen Lenker zu unvermitteltem Bremsen seines Fahrzeuges genötigt worden sei.

Gleichzeitig wurde ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von 8 Euro auferlegt.

 

2. Dagegen hat der Berufungswerber (Bw) fristgerecht Berufung eingebracht, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem Unabhängigen Ver­wal­tungs­senat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Da keine 2.000 Euro über­steigende Geldstrafe verhängt wurde, war durch das nach der Geschäftsver­teilung zuständige Einzelmitglied zu entscheiden (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung erübrigte sich (§ 51e Abs.2 Z1 VStG). 

 

3. Der Bw macht im Wesentlichen geltend, die Erstinstanz sei in ihrer Beweis­würdigung sehr einseitig vorgegangen, indem sie nur Aussagen des Anzeigers, die gegen ihn gesprochen hätten, gewürdigt habe. Die Aussagen des Zeugen P und seiner Beifahrerin seien hingegen nicht erwähnt worden, obwohl sich beide an einen solchen Vorfall nicht erinnern hätten können, obwohl eine grobe Vorrangmissachtung ein einprägsames Verkehrsereignis sein müsste. Sei­nen Angaben sei grundlos kein Glaube geschenkt worden, obwohl bei ausgewogener und neutraler Betrachtung der Sachlage und sämtlicher Aussagen die Behörde zum Schluss kommen hätte müssen, dass eine Übertretung objektiv nicht vorliege und zumindest im Zweifel nicht erwiesen werden könne. Zum einen habe der Anzeiger, der ebenfalls Polizeibeamter sei, die Anzeige erst drei Wochen nach dem Vorfall geschrieben und von Standort des Fahrzeuges aus die Verkehrssituation vermutlich subjektiv anders eingeordnet, als sie sich wirklich zuge­­tragen habe. In der Skizze seien die Fahrzeugstandorte nicht richtig darge­stellt; die Fahrzeuge der Zeugen seien zu weit vorne eingezeichnet, er hätte, wenn sie sich auch noch in Bewegung befunden hätten, beim Einbiegen zuerst einige Meter neben dem stadtauswärts führenden Fahrstreifen her­fahren müss­en, um über die Sperrfläche zum stadteinwärts führende Fahrstreifen zu gelangen. Der Pkw P habe sich rechts von ihm am Ende des Fahrstreifens für Links­einbieger befunden.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt der Erstinstanz.

Daraus geht hervor, dass der Meldungsleger R B (Ml), Polizei­beamter bei der PI O, am 25. März 2009, 9.30 Uhr, als Lenker seines PrivatPkw      im Ortsgebiet Rohr­bach auf der Hanriederstraße stadtein­wärts fahrend nach links auf die Auffahrt auf die B38 einbiegen wollte und sich auf dem Linkseinbiegestreifen hinter einem wegen Gegenverkehr wartenden Pkw einordnete. Den Pkw ... vor ihm lenkte J P (P). Laut Anzeige des Ml kam zur selben Zeit der Bw als Lenker des Pkw     von der B38 und wollte bei der genannten Kreuzung nach links in die Hanriederstraße stadt­ein­wärts einbiegen. Obwohl aus seiner Sicht vor der Kreu­zung das Vorrang­zeichen "Vorrang geben" an­gebracht gewesen sei und auf der bevorrangten Hanriederstraße zwei Pkw zum Linkseinbiegen eingeordnet gewe­sen seien, wobei der Pkw ... nach dem Passieren des Gegenverkehrs sein Linkseinbiege­manöver bereits begonnen gehabt habe, sei laut Anzeige des Ml der Bw plötzlich und uner­wartet losgefahren und links einge­bogen, sodass nicht nur der Pkw ... sondern auch der langsam nach­fahrende Ml zum unvermittelten Abbremsen seines Fahrzeuges veranlasst worden sei.        

 

Der Bw gab in seiner Rechtfertigung vom 4. Mai 2009 an, er sei seit 25 Jahren Polizist und auf dem Weg zur Erstinstanz gewesen. Er habe sich bei der Abfahrt zur Hanriederstraße auf der Rampe zum Linkseinbiegen eingeordnet und wegen des bevorrangten Querverkehrs angehalten; es habe reger Verkehr geherrscht. Auf der Hanriederstraße seien bereits Fahrzeuge zum Linkseinbiegen Richtung B38 eingeordnet gestanden. Als aus Richtung Rohrbach kommend ein Pkw-Lenker rechts geblinkt habe, um auf die Auffahrt zur B38 einzubiegen, sei ihm ein Einfahren auf die Kreuzung Richtung stadteinwärts ohne jede Behinderung oder Vorrangverletzung möglich gewesen, weil die wartenden Linkseinbieger durch den rechts abbiegenden Gegenverkehr am Einbiegen gehindert gewesen seien. Die Haltelinie auf der Hanriederstraße – entgegen der Markierungen des Ml auf dem der Anzeige beigelegten Foto – für die Linkseinbieger so weit zurück­versetzt, dass er ungehindert ein- und durchfahren habe können. Er könne nur annehmen, dass dem Ml als Lenker des 2. eingeordneten Fahrzeuges ohne erhöhte Sitzposition die freie Sicht zur objektiven Beurteilung der Verkehrs­situation gefehlt und er deshalb eine Vorrangverletzung angenommen habe.

 

Bei seiner Zeugeneinvernahme am 19. Mai 2009 vor der Erstinstanz blieb der Ml inhaltlich bei seiner Schilderung des Vorfalls und bestätigte, dass der vor ihm fahrende Pkw .... nach dem Gegenverkehr langsam angefahren sei und er sich dahinter ebenfalls in Bewegung gesetzt habe, als plötzlich von links der Bw in den Kreuzungsbereich Richtung Rohrbach eingefahren sei. Daher habe auch er bremsen müssen. Nach dem Passieren des Bw hätten der Lenker vor ihm und er den Links-Einbiegevorgang fortgesetzt.

 

Der Zeuge P als Lenker des Pkw       bestätigte bei seiner Einvernahme am 5. Juni 2009 vor der Erstinstanz, er sei damals mit seiner Lebenspartnerin I H (H) nach Haslach unterwegs gewesen. Weder er noch die ebenfalls einver­nommene Zeugin H konnten sich an eine derartige Vorrangverletzung bei der genannten Kreuzung  erinnern.

 

Der Bw wies im Rahmen des Parteiengehörs darauf hin, dass dem Zeugen P und seiner Begleiterin ein derart gravierender Vorfall, wie vom Ml – unerklär­lich­er­weise erst drei Wochen später – angezeigt, doch in Erinnerung geblieben wäre, sodass die Angaben des Ml nicht der Richtigkeit entsprechen könnten. Dieser habe von seinem Standort aus möglicherweise wegen eingeschränkter Sicht die Verkehrssituation nicht richtig beurteilen können.

 

In rechtlicher Hinsicht hat der Unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 19 Abs.3 StVO 1960 haben Fahrzeuge, die auf einer Vorrangstraße fahren, den Vorrang gegenüber Fahrzeugen auf kreuzenden oder einmündenden Straßen. Gemäß Abs.7 dieser Bestimmung darf, wer keinen Vorrang hat (der Warte­pflichtige), durch Kreuzen, Einbiegen oder Einordnen die Lenker von Fahr­zeugen mit Vorrang (die Vorrangberechtigten) weder zu unvermitteltem Bremsen noch zum Ablenken ihrer Fahrzeuge nötigen.

 

Mit Verordnung der Erstinstanz vom 14.8.2008, VerkR10-530-2008, betre­ff­end die Anordnung von Verkehrsbeschränkungen und Ver­kehrs­verboten auf der L588 Tannberg Straße von km 0.000 bis 1.898 im Ge­mein­degebiet von Rohr­bach, wurde bei km 0.109 in Kilometrierungsrichtung "Vor­rang geben" gemäß § 52 lit.c Z23 StVO 1960 verordnet.

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ist einem zur Be­obach­tung von Geschehensabläufen im Straßenverkehr geschulten und geübten Polizeibeamten die richtige Wahrnehmung des Ablaufs von Verkehrssituationen bzw des Ver­kehrs­verhaltens von Verkehrsteilnehmern zuzumuten. Der VwGH hat dazu aber auch ausgeführt, dass dies nicht zur Folge hat, dass ein Straßen­aufsichts­organ stets recht hat, denn dann würde sich jede weitere Beweis­aufnahme erüb­ri­gen. Eine Zeugenaussage des Organs der Straßenaufsicht kann dadurch er­schüttert werden, dass der Beschuldigte Zweifel an der Glaub­würdigkeit des Beam­ten äußert und dies auch entsprechend begründet (vgl E 17.6.1987, 87/03/0074).

 

Aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungssenates waren sowohl der Bw als auch der Ml als Lenker ihres jeweiligen Fahrzeuges in das Verkehrsgeschehen eingebunden und nicht als bloße Beobachter von außen tätig. Wenn sich der Zeuge P und seine Lebensgefährtin H., die von sich aus bei der Erstinstanz erschienen ist und zeugenschaftlich vernommen wurde, an ein kon­kre­tes, ohne Folgen für sie gebliebenes Verkehrsgeschehen vom 25. März 2009 am 5. Juni 2009 nicht erinnern können, kann das bedeuten, dass sie es entweder nicht als so gravierend ärgerlich oder gar bedrohlich (wie der Ml) aufgefasst haben, dass es ihnen in Erinnerung geblieben wäre, oder dass sie die Verkehrs­situation als völlig normal einge­stuft haben. Beim Zeugen P ist als Fahr­zeug­lenker und Inha­ber einer Lenkberechtigung die genaue Kenntnis der Vorrangregeln zweifellos vorauszusetzen. Da er als Lenker des 1. zum Linksein­biegen eingeord­neten Fahrzeuges unmittelbare Sicht auf den Kreuzungs­be­reich hatte, ist anzu­nehmen, dass ihm ein eventuell im Gegenverkehr nach rechts in Rich­tung B38 blinkendes und einbiegendes Fahrzeug auch auffallen musste, wenn etwa der Bw den Kurvenbereich der Auffahrtsrampe gleich­zeitig mit diesem Fahrzeug in der Gegenrichtung passierte, sodass er un­mittel­bar nach Passieren des Bw der Einbiegevorgang fortsetzen konnte, wie es der Ml beschrieben hat.     

Der Ml hingegen war hinter dem Pkw P eingeordnet, wobei er auch die vor dem Pkw des Zeugen P ablaufende Vorrangsituation gar nicht unmittelbar auf sich beziehen durfte, sondern die Verkehrslage auf der genannten Kreuzung zu einem späteres Zeitpunkt speziell auf seine Wartepflicht bezogen zu beurteilen gehabt hätte. Ihm war durch den Pkw P die Sicht auf den vor diesem befindlichen Bereich der Hanriederstraße weitgehend verdeckt. Daher ist auch nicht denkun­möglich, dass er sich auf das Losfahren des Bw konzentriert (und sich darüber geärgert) und ihm nicht nur durch den vor ihm befindlichen Pkw P sondern auch durch den einbiegenden Pkw des Bw die Sicht auf ein gleich­zeitig aus der Gegen­richtung nach rechts einbiegendes Fahrzeug in Richtung B38 verwehrt war. Die Weiter­fahrt des Zeugen P unmittelbar nach dem Passieren des Pkw des Bw war damit nicht ausgeschlossen, sodass seine Aussage diesbezüglich die durch­aus nicht lebens­­fremde Vermutung des Bw von der ungünstigen Sicht des Ml von seiner Warteposition aus stützt.

 

Aus all diesen Überlegungen war aus der Sicht des Unabhängigen Verwaltungs­senates mangels der im Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Erweisbarkeit des Tatvorwurfs im Zweifel zugunsten des Bw spruchgemäß zu ent­schei­den, wobei naturgemäß Verfahrenskostenbeiträge nicht anfallen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungs­ge­richtshof erhoben werden; diese ist - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt (Steuerberater oder Wirtschafts­prüfer) einzubringen. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. Bissenberger

 

 

Beschlagwortung:

Argument des Bw glaubhaft – Vorrangverletzung fraglich Einstellung im Zweifel (Bw + ML = Pol.beamte)

 

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