Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-401026/6/Gf/Mu/Bu

Linz, 17.08.2009

 

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mit­glied Dr. Grof über die Beschwerde des B d C (alias J P S), dzt. Polizeianhaltezentrum Steyr, vertreten durch M B, O G. , 4... S, wegen Anhaltung in Schubhaft durch den Bezirkshauptmann von Vöcklabruck seit dem 7. August 2009 zu Recht erkannt:

I. Die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft wird als rechtswidrig festgestellt.

II. Der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Linz-Land) hat dem Beschwerdeführer einen Kostenersatz in Höhe von 737,60 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.

Rechtsgrundlage:

§ 83 FPG; § 67c Abs. 3 AVG; §79a AVG.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Bescheid des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 7.  August 2009, GZ Sich40-43877, wurde über den Rechtsmittelwerber, einen Staatsangehörigen von Guinea-Bissau, gemäß § 76 Abs. 1 und 3 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 29/2009 (im Folgenden: FPG), zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft verhängt und durch Überstellung in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) Steyr sofort vollzogen.

Begründend wurde dazu ausgeführt, dass gegen den Beschwerdeführer ein seit dem 18. Juni 2009 vollstreckbare Ausweisung bestehe. Da er bei seiner Betretung am Flughafen Linz-Hörsching lediglich gefälschte Papiere habe vorweisen können, sei sohin davon auszugehen, dass er versuche, seine Identität zu verschleiern, um sich der zwangsweisen Ausweisung zu entziehen. Angesichts dieses besonderen öffentlichen Interesses sei daher auch die Anwendung gelinderer Mittel schon von vornherein nicht in Betracht gekommen.

1.2. Gegen seine Anhaltung in Schubhaft richtet sich die vorliegende, am
14. August 2009 beim Oö. Verwaltungssenat einge­gangene Beschwerde.

Darin wird vorgebracht, dass er wegen Suchtgiftdelikten eine dreijährige Haftstrafe verbüßt und unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Strafhaft am 7. August 2009 in Schubhaft genommen worden sei. Dies jedoch zu Unrecht, da der Behörde hätte bekannt sein müssen, dass er bei einem Freund hätte Unterkunft nehmen können.

Da die Anwendung gelinderer Mittel als in gleicher Weise zur Zweckerreichung geeignet erscheine, wird daher die kostenpflichtige Feststellung der Rechtswidrigkeit der Schubhaftverhängung beantragt.

1.3. Mit Schriftsatz vom 17. August 2009, GZ Sich40-43877, hat die belangte Behörde den Bezug habenden Verwaltungsakt vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Darin wird ergänzend darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer am 7. August 2009 bei dem Versuch, Österreich unter Verwendung eines fremden Personalausweises in Richtung Portugal zu verlassen, am Flughafen Linz-Hörsching zu verlassen, festgenommen wurde. Zudem habe er sich noch immer dem rechtskräftigen Aufenthaltsverbot des Bezirkshauptmannes von Hollabrunn vom 3. März 2003 zuwider im Bundesgebiet aufgehalten, nachdem in der Folge auch sein Asylantrag abgewiesen worden sei. Außerdem sei der Rechtsmittelwerber wegen zahlreicher Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz zu insgesamt 6½ Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.

Daher wird die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der BH Linz-Land zu GZ Sich40-43877; da sich bereits aus diesem in Verbindung mit dem Parteienvorbringen der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ, konnte im Übrigen gemäß § 83 Abs. 2 Z. 1 FPG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden.

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

3.1. Nach § 82 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. I 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. I 29/2009 (im Folgenden: FPG), hat ein Fremder, gegen den die Schubhaft ange­ordnet wurde, das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat u.a. mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung in Schubhaft anzurufen.

Gemäß § 76 Abs. 1 erster Satz FPG können Fremde u.a. zu dem Zweck festgenommen und in Schubhaft angehalten werden, um die Abschiebung zu sichern.

Nach § 77 Abs. 1 FPG hat die Behörde jedoch von der Anordnung der Schubhaft Abstand zu nehmen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass deren Zweck durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden kann. Als in
diesem Sinne gelinderes Mittel kommt gemäß § 77 Abs. 3 FPG insbesondere die Anordnung in Betracht, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen oder sich in perio­dischen Abständen bei einem bestimmten dem Fremden zuvor bekannt gegebenen Polizei­kommando zu melden.

3.2. Im gegenständlichen Fall ist allein die Frage strittig, ob die Inschubhaftnahme dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprach. In diesem Zusammenhang ist zunächst vorweg darauf hinzuweisen, dass die von der belangten Behörde unter Berücksichtigung aller Begleitumstände gezogene Schlussfolgerung, dass es sich beim Rechtsmittelwerber der Sache nach primär um einen sog. "Wirtschaftsflüchtling" handelt (der sich seinen Unterhalt durch Drogengeschäfte verdient), zumindest nicht völlig abwegig ist.

3.3.1. Da jedoch eine gesetzliche Regelung, die konkret jene Konstellation regelt, wie die Behörden mit bloßen Wirtschaftsflüchtlingen umzugehen haben, (zumindest bislang nach wie vor) fehlt, muss insoweit zur Lösung der damit verbundenen Rechtsprobleme auf die allgemeinen fremdenrechtlichen Grundsätze zurückgegriffen werden. Weil nun diesbezüglich nicht unterschieden wird, kann daher über Fremde, die formell – nämlich durch Stellung eines Asylantrages – (noch) als Asylwerber anzusehen sind, grundsätzlich auch dann die Schubhaft verhängt werden, wenn diese materiell betrachtet in erster Linie als Wirtschaftsflüchtlinge zu gelten haben.

Andererseits unterliegt aber eine derartige Anhaltung – wiederum mangels bestehender Sondervorschriften – denselben Regelungen, wie sie generell für fremden­polizeiliche aufenthaltsbeendende Maßnahmen gelten. Dies bedeutet zum einen, dass zunächst sämtliche formellen Voraussetzungen für die konkret in Aussicht genommene aufenthaltsbeendende Maßnahme (hier: der Schubhaftgrund des Vorliegens eines durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes und einer Ausweisung) vorliegen müssen (vgl. zur "finalen Determinierung" der Schubhaft z.B. VwGH vom 20. Dezember 2007, Zl. 2006/21/0359, und vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0067). Darüber hinaus darf sich die Anhaltung – was in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen ist – nicht als eine unverhältnismäßige Maßnahme erweisen und nur im Sinne einer ultima-ratio-Maßnahme zum Einsatz gebracht werden (vgl. VfGH v. 15. Juni 2007, B 1330/06), d.h. dass die alternative Heranziehung gelinderer Mittel nur dann nicht zum Tragen kommt, wenn das Sicherungsbedürfnis anders nicht erreichbar ist (vgl. VwGH vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0370). Diesbezüglich hat der Verwaltungs­gerichtshof z.B. in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2004/21/0003, einer Schubhaftbeschwerde unter Hinweis auf seine mit der dg. Entscheidung vom 22. Juni 2006, Zl. 2006/21/0081, geänderte Recht­sprechung, wonach allein das Vorliegen einer vollstreckbaren aufenthaltsbeenden­den Maßnahme sowie von strafgerichtlichen Verur­teilungen (weil die Inschubhaftnahme nicht der Aufdeckung, Verhinderung oder Sanktionierung von Straftaten dienen darf; vgl. VfSlg 13715/1994 und VwGH v. 22. November 2007, 2006/21/0189) und einer fehlenden Ausreise­willigkeit (insbesondere, solange noch nicht feststeht, ob die Abschiebung zulässig und die Ausreise zu überwachen ist sowie ein konkreter Sicherungsbedarf besteht) für die Tragfähigkeit der Prognose, dass sich der Asylwerber dem weiteren fremden­polizeilichen Verfahren entziehen werde, nicht mehr hinreichen, stattge­geben.

3.3.2. Insgesamt besehen bewirkt so das Fehlen gesonderter, auf Wirtschafts­flüchtlinge bezogener gesetzlicher Bestimmungen, dass diese faktisch i.d.R. nur mit einem unverhältnismäßigen Aufwand wieder außer Landes geschafft werden können, weil die Behörden dazu verpflichtet und gleichzeitig darauf angewiesen sind, Rechtsvorschriften anwenden zu müssen, die nicht sachadäquat sind. Denn das auf der Genfer Flüchtlingskonvention fußende Asylrecht hat nur die Regelung der Rechtsstellung von aus politischen, rassischen, religiösen o.ä. Gründen verfolgten Personen zum Gegenstand, nicht aber von solchen, die ihren Heimatstaat in der Absicht verlassen, in einem anderen Staat bessere ökonomische Bedingungen vorzufinden und zu diesem Zweck auch eine Umgehung von formellen Einreisebestimmungen, einen Missbrauch des Asylrechts u.a. in Kauf nehmen.

Mangels (bislang) anders lautender Rechtsvorschriften ist jedoch allein der Umstand, dass sich ein Fremder in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich verhält, diesem nur dann und selbst in jenem Fall nur insoweit „anlastbar“, als dies entsprechend gesetzlich vorgesehen ist. So kann z.B. wegen illegaler Einreise ins Bundesgebiet eine Verwaltungsstrafe verhängt, ein Ausweisungsverfahren eingeleitet, ein Asylantrag mangels Zuständigkeit eines anderen Staates zurückgewiesen, etc. werden – es vermögen also Einzelmaßnahmen gesetzt werden, die jedoch seitens der Fremdenbehörde stets nur situationsangepasst zum Einsatz gebracht werden können und damit auch keine Gewähr dafür bieten, dass sie (isoliert oder in ihrem Zusammenwirken) das beabsichtigte Ziel auch tatsächlich erreichen; insbesondere darf die Schubhaftverhängung nicht als eine "Standardmaßnahme" gegen Asylwerber (vgl. VwGH vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0239) oder als eine präventive Vorbereitungshandlung zur erfolgreichen Durchführung der Abschiebung (vgl. VwGH vom 26. September 2007, Zl. 2004/21/0150) zum Einsatz gebracht werden.

3.3.3. Diese dargestellte – zudem unter der Kautel des Art. 18 Abs. 1 B-VG, wonach die Handlungen der Behörde bei sonst drohendem Grundrechtseingriff stets einer gesetzlichen Grundlage bedürfen, stehende – Rechtslage bedingt zunächst, dass, wie sich aus den zuvor angesprochenen Entscheidungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ergibt, eine generalisierende Betrachtungsweise von vornherein unzulässig ist. So darf z.B. aus dem Nichtvorhandensein von Bargeld nicht ausschließlich „unter Zugrundelegung allgemeiner Erfahrungssätze“ (vgl. nochmals VwGH vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0067) a priori darauf geschlossen werden, dass sich der Fremde, würde er in Freiheit belassen, die erforderlichen finanziellen Mittel durch illegale Arbeit beschaffen wird; und aus dem Nichtvorhandensein eines ordnungsgemäßen Wohnsitzes nicht darauf, dass er sich (allein deshalb) dem behördlichen Zugriff entziehen wird; und aus einer Einreise ohne die hiefür erforderlichen Dokumente darauf, dass er eine gegenüber der Rechtsordnung des Aufnahmestaates generell ablehnende oder zumindest gleichgültige Haltung einnimmt; etc.

Vielmehr muss die Fremdenpolizeibehörde, wenn sie – wie gegenständlich – als eine von mehreren Maßnahmen zur Außerlandesschaffung eines Fremden die Schubhaft anordnet, in jedem Einzelfall das Vorliegen der Voraussetzungen für diese gewählte aufenthaltsbeendende Maßnahme, sodann den aktuellen Sicherungsbedarf und schließlich noch konkret begründen, weshalb keine gelindere, in gleicher Weise zur Zielerreichung geeignete Maßnahme zum Tragen kommen konnte. Dabei sind beispielsweise die Fragen nach einer allfälligen beruflichen Tätigkeit und/oder einer – allenfalls auch wechselnden – Wohnmöglichkeit im Inland (bei Verwandten oder Bekannten) als Aspekte der sozialen Integration des Fremden jeweils von Amts wegen zu ermitteln (vgl. VwGH vom 26. September 2007, Zl. 2004/21/0150).

3.3.4. Davon ausgehend ist zunächst der zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung der Ausweisung sowie zur Sicherung der Abschiebung konkret erforderliche Sicherungsbedarf zu prüfen.

Ein solcher ist offenkundig generell umso größer, je weiter fortgeschritten dieses Verfahren bereits ist und dabei einem negativen Ausgang zustrebt: Ein Sicherungsbedarf wird daher regelmäßig – d.h. aber, wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die eine gegenteilige Annahme rechtfertigen (wie z.B. eine amtsbekannt langdauernde Übermittlung von Heimreisezertifikaten durch bestimmte Staaten) – dann zu bejahen sein, wenn dem Fremden ein Ausweisungsbescheid zugestellt wird, mit dem gleichzeitig die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung ausgeschlossen wurde, weil ihm dann jedenfalls klar sein muss, dass er regelmäßig in kurzer Zeit zwangsweise außer Landes geschafft werden wird, wenn er das Bundesgebiet nicht freiwillig verlässt (bzw. verlassen kann). Aus dieser Zwangslage könnte er sich dann i.d.R. eben nur dadurch befreien, dass er sich dem behördlichen Zugriff faktisch zu entziehen versucht, was gerade durch die Verhängung der Schubhaft verhindert werden soll.

Umgekehrt ist aber – gleichsam am gegenüberliegenden Extrem – ein derartiges Sicherungsbedürfnis beispielsweise regelmäßig dann nicht gegeben, wenn ein Aufenthalts- oder Ausweisungsverfahren noch nicht über das Stadium der persönlichen Einvernahme eines Fremden, der sich etwa bisher legal in Österreich aufgehalten und hier über einen Wohnsitz und ein regelmäßiges Einkommen verfügt hat, hinausgekommen ist. Bei einer im Lichte des Art. 5 MRK und des PersFrSchG gebotenen verfassungskonformen Interpretation kann daher ein Bedürfnis zur „Sicherung des Verfahrens“ in § 76 Abs. 2 FPG nicht allein schon deshalb, weil ein solches Verfahren zumindest bereits formell eingeleitet worden ist, angenommen werden, sondern es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Notwendigkeit der Sicherung eines derartigen Verfahrens durch eine freiheitsentziehende Maßnahme umso größer ist, je näher sich dieses einem negativen Abschluss nähert bzw. umgekehrt aus grundrechtlicher Sicht stets umso weniger gerechtfertigt erscheint, je weiter es von einem derartigen Ergebnis noch entfernt bzw. dessen Ausgang überhaupt offen ist.

3.3.5. Im gegenständlichen Fall wurden gegen den Rechtsmittelwerber schon geraume Zeit vor der Schubhaftverhängung aufenthaltsbeendende Maßnahmen gesetzt, nämlich ein Aufenthaltsverbot (am 2. März 2003) und eine  Ausweisung erlassen; diese Maßnahmen stehen jedoch derzeit keineswegs bereits unmittelbar vor ihrer tatsächlichen Umsetzung, denn aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt ergeben sich keine Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer in naher Zeit in seinen Heimatstaat abgeschoben werden sollte und könnte.

Damit stellt sich für den Rechtsmittelwerber aber die Situation auch nicht so dar, dass er gegenwärtig praktisch umgehend mit seiner faktischen zwangsweisen Außerlandesschaffung zu rechnen hat.

3.3.6. In objektiver Hinsicht wurden von der Fremdenpolizeibehörde der Sache nach weiters die Illegalität der Einreise und des Aufenthalts, die Mittellosigkeit, und die fehlende Unterkunftsmöglichkeit als einen Sicherungsbedarf begründende Argumente ins Treffen geführt.

In diesem Zusammenhang trifft zwar unbestritten zu, dass der Rechtsmittelwerber illegal nach Österreich eingereist ist und über keine gültigen Aufenthaltsdokumente sowie bloß über geringe Barmittel verfügt.

Aus ordnungsrechtlicher Sicht handelt es sich dabei allerdings bloß um Bagatellvergehen. Da er zudem bei seiner Festnahme gerade im Begriff war, das Bundesgebiet (wenn auch in rechtswidriger Weise) zu verlassen und auch bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 7. August 2009 in keiner Weise zu erkennen gegeben hat, dass er keinesfalls in seinen Heimatstaat zurückkehren kann oder will, konnte die belangte Behörde sohin auch nicht ohne Weiteres von einer Gefahr des zukünftigen Untertauchens ausgehen. Außerdem hat er angegeben, bis Juni 2009 unter einer bestimmten Adresse aufhältig gewesen zu sein, wobei amtswegige Ermittlungen in diesem Punkt offenkundig vollständig unterblieben sind. Ohne derartige zusätzliche konkrete Anhaltspunkte konnte aber die Haftbehörde nicht in vertretbarer Weise vom Fehlen jeglicher Unterkunftsmöglichkeit ausgehen.

3.3.7. Allein der Umstand, dass der Beschwerdeführer vorbringt, dass er auch bei einem Freund leben könnte und von diesem auch finanziell unterstützt würde, vermag noch keinen Nachweis für dessen fortgeschrittene soziale Integration in Österreich zu bilden, zumal er selbst weder ein dementsprechendes, darüber hinausgehendes Vorbringen erstattet hat noch sich sonst entsprechende Hinweise dafür ergeben haben, dass er in Österreich in intensiver Weise sozial integriert wäre (sodass sich weitergehende amtswegige Ermittlungen in diese Richtung erübrigten; vgl. z.B. VwGH v. 17. März 2009, 2007/21/0542).

Vor diesem Hintergrund kann es damit grundsätzlich auch nicht als rechtswidrig angesehen werden, wenn die belangte Behörde im Zuge der gemäß Art. 8 EMRK gebotenen Abwägung im konkret vorliegenden Fall die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber den dadurch beeinträchtigten
privaten Interessen des Beschwerdeführers als höher stehend bewertet hat.

3.3.8. Dem steht allerdings gegenüber, dass der Beschwerdeführer bislang
keinerlei Verhalten gesetzt hat, aus dem konkret und zugleich mit hoher Wahrscheinlichkeit zu schließen gewesen wäre, dass er sich umgehend dem behörd­lichen Zugriff zu entziehen versuchen würde, wenn er aus der Schubhaft entlassen werden würde.

Daher bleibt auch noch zu prüfen, ob anstelle der Schubhaftverhängung nicht auch gelindere Mittel dazu hingereicht hätten, den mit der Schubhaft verfolgten Zweck in gleicher Weise sicherzustellen. Als ein in diesem Sinne gelinderes Mittel sieht § 77 Abs. 3 FPG insbesondere vor, dem Fremden aufzutragen, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen und/oder sich in periodischen Abständen bei einem ihm bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden.

Mangels konkreter gegenteiliger Anhaltspunkte spricht insbesondere unter dem Aspekt, dass eine Freiheitsentziehung nach Art. 1 Abs. 3 PersFrSchG stets nur eine ultima-ratio-Maßnahme darstellen darf – sodass die Bestimmung des § 77 Abs. 1 FPG auch nicht als eine Ermächtigung zu einer Ermessensentscheidung, sondern vielmehr als eine Rechtsentscheidung aufzufassen ist –, der Umstand, dass der Rechtsmittelwerber allenfalls bei dem von ihm namhaft gemachten Bekannten Aufnahme und finanzielle Unterstützung finden könnte, dafür, dass beim gegenwärtigen Stand des Abschiebungsverfahrens jedenfalls im Sinne einer Erstmaßnahme, also zumindest vorerst, gelindere Mittel – wie insbesondere die Verpflichtung zur täglichen Meldung bei einer Sicherheitsdienststelle – in gleicher Weise dazu hingereicht hätten, um den mit der Schubhaftverhängung beabsichtigten Zweck zu realisieren.

Dies gilt insbesondere dann, wenn man in diesem Zusammenhang auch die höchstgerichtliche Judikatur, wonach die Schubhaftverhängung beispielsweise gerade nicht als eine präventive Vorbereitungshandlung zur erfolgreichen Durchführung der Abschiebung zum Einsatz gebracht werden darf (vgl. oben, 3.3.2.; s.a. 3.3.1. und 3.3.3.), in die Überlegungen mit einbezieht.

Erst wenn dann auf Grund konkreter Anhaltspunkte offenbar geworden wäre, dass gelindere Mittel (wie z.B. der Auftrag, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen und/oder sich in periodischen Abständen bei einem ihm bekannt gegebenen Polizeikommando zu melden) tatsächlich nicht dazu hingereicht hätten, um die Durchführung des fremdenpolizeilichen Verfahrens ordnungsgemäß zu gewährleisten, hätte in einem zweiten Schritt die Schubhaft als eingriffsintensivere Maßnahme angewendet werden dürfen.

Im gegenständlichen Verfahren hat die belangte Behörde jedoch von Anfang an nicht einmal den Versuch unternommen, gelindere Mittel anstelle der Schubhaftverhängung zum Einsatz zu bringen.

3.4. Daher hatte der Oö. Verwaltungssenat gemäß § 83 FPG iVm § 67c Abs. 3 AVG die Rechtswidrigkeit der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft festzustellen.

4. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bund (Verfahrenspartei: Bezirkshauptmann von Linz-Land) dazu zu verpflichten, dem Beschwerdeführer gemäß § 79a Abs. 1, 2 und 4 AVG i.V.m. § 1 Z. 1 der UVS-Aufwandersatzverordnung, BGBl.Nr. 456/2008, antragsgemäß Kosten in Höhe von 737,60 Euro zuzusprechen.

 

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen  diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweise:

1. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 220 Euro zu entrichten.

2. Im gegenständlichen Verfahren sind Gebühren in einer Höhe von 16,80 Euro entstanden; ein entsprechender Zahlschein liegt bei.

Dr.  G r o f

 


 

Rechtssatz:

 

VwSen-401026/6/Gf/Mu/Bu vom 17. August 2009

 

wie VwSen-401014/4/Gf/Mu vom 22. Juni 2009, VwSen-401021/4/Gf/Mu vom 17. Juli 2009 und VwSen-401024/4/Gf/Mu/Bu vom 4. August 2009

Beachte:

vorstehende Entscheidung wurde aufgehoben;

VwGH vom 25.03.2010, Zl.: 2009/21/0276-5

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